Es ist schon ein paar Jährchen her, da hörte ich bei der Arbeit so nebenher Radio. Die Moderatorin rief die Hörer auf, im Studio anzurufen und zu erzählen, was aus ihrer Er- fahrung der beste oder schlimmste „Anmach-Spruch“ sei.
Natürlich riefen dann erstmal reichlich Jungs an, die meinten den „ultimativen“ Spruch drauf zu haben, mit dem sie angeblich bei den Mädels reihenweise Schwächeanfälle auszulösen vermochten. Ich zweifelte das eher an, denn das waren natürlich so Sachen wie: „Ich hab‘ meine Nummer verloren, kann ich deine haben?“ und „Jemand hat zwei Sterne von Himmel geklaut…“ Blabla… Da konnte ich mir schon denken, warum die Damen Ohnmachten vorgetäuscht hatten.
Grade als ich eine Kassette einschmeißen wollte, rief eine Frau an, die offenhörig schon etwas dem Teeniealter entwachsen war und vergnügt folgende kleine Geschichte zum Besten gab:
Ihre halbwüchsige Nichte hatte sie auf dem Lande besucht. Irgendwann beschlossen die Damen „mal zu rauszukriegen, wo hier was los ist“. Sie erfuhren auf Nachfrage von einer Disco in der Nähe. Abends machten sie sich ein bisschen schick und auf den Weg. Als sie bei der Disco ankamen, war nicht mehr zu übersehen, dass es sich um eine echte „Dorfdisco“ handeln musste, denn ein paar der Jungmänner waren offensichtlich mit dem Traktor vorgefahren.
Drinnen war die Stimmung gut, alles war voller karierter Flanellhemden und Dauerwellen, die Musike laut und, wie auf dem Lande üblich, gezecht wurde ordentlich. Die beiden Damen schauten sich um, tanzten wohl auch mal ab und an und amüsierten sich prima.
Einer der Flanelljungs war offensichtlich sofort von der Nichte wie gebannt gewesen und ließ diese nicht mehr aus den Augen. Er blieb aber steif in seiner Ecke stehen und trank ein Getränk nach dem anderen. Es war ihm wohl deutlich an der Stirne abzulesen, dass er verzweifelt über Kennenlernmöglicheiten nachdachte und versuchte, sich dafür Mut anzutrinken.
Irgendwann, wohl reichliche Zeit später, musste er eine Eingebung gehabt haben. Er setzte sich ruckartig in Bewegung und wankte quer durch den Laden auf Tante und Nichte zu. Die beiden warteten gespannt darauf, was denn jetzt nun käme.
Glücklich angekommen, baute der Jungmann sich möglichst grade vor ihnen auf, kriegte eine knallrote Birne, zögerte, schluckte, schluckte noch mal und platzte schließlich heraus:
ich bin ebenfalls auf der anderen Seite angekommen!
In der Silvesternacht wurde sehr gut gegessen, viel getrunken, geredet, geflucht (das einzig verfügbare Feuerzeug, meins, hatte noch ungefähr 3mm Benzin), mutig geballert, gelacht, warm umarmt, herzlich geküsst und getanzt. (Deswegen lag ich gestern dann auch entsprechend und verdient darnieder. Aua.)
Mit etwas Verspätung wünsche ich Euch also ein „Frohes Neues!“ mit allem Zipp’n’Zapp, weniger Sorgen und mehr Licht.
Mir ist gestern, dank der guten Freundin T. am Telefon, eins aufgegangen. Und ich werd‘ mich jetzt mal drum kümmern, dass es nicht gleich wieder ausgeht…
Nein, auch ich will hier lieber keinen Jahresrückblick eröffnen. Ich bin ja froh, wenn ich das meiste davon nicht mehr sehen muss! Dieses Jahr, das eigentlich so schön hätte werden sollen, hat mich und viele, die mir lieb und lieber sind, gründlich auf die Forken genommen und kräftig durchgeschüttelt, nicht ohne Kratzer zu hinterlassen.
Vielleicht hab‘ ich das sogar schon irgendwie vorausgeahnt, denn beim letzten Jahres- wechsel hatte ich, mit Verlaub, eine richtige Scheißlaune, mit der ich wohl die beiden Mitmirfeiernden beinahe angesteckt hätte, wenn sie sich nicht tapfer dagegen gestemmt hätten. Ausgleichen wollte ich meine Vorahnung dann mit einer dieser wunderschönen Papierlaternen, die mir mein Liebster tatsächlich am Morgen noch heldenhaft am ganz anderen Ende der Stadt auftrieb, weil ich so ein Begehr danach hatte. Ich selbst hatte es partout nicht auf die Reihe gekriegt, aber gehört, dass man da seine Wünsche drauf- schreiben kann, damit sie dann in den Himmel fliegen, wo sich dann irgend eine arme Sau drum kümmern muss. – Wenn die Laterne nicht gerade unterwegs hängenbleibt, um einen unschuldigen Dachstuhl in Brand zu setzen…
Jedenfalls habe ich mit breitem Filzer gleich jede Menge Wünsche draufgeschrieben. Eigentlich ein Wunder, dass sie mit diesem Ballast überhaupt noch aufgestiegen ist, aber sie schaffte es sogar zwischen den Bäumen und Stromleitungen hindurch in die Höhe, wo sie leider bald vom Dunst verschluckt wurde. – Wie auch die darauf folgenden Monate…
Bis hier haben wir nun also tapfer ausgehalten. Aber morgen, aber morgen!!!
Nein, diesmal gibt’s keine zarten Laternen… – Ich werd‘ das alte Jahr abschießen! Gestern fand ich auch gleich die geeignete Zutat: Eine Mega-Matte!
Klingt wie eine Frisur, die so furchterregend ist, dass das alte Jahr vor Schreck einen In- farkt erleidet. Ist aber eine Matte aus 200 Knallern, die keinen Widerspruch duldet. 200x „Hau ab!“ sollten reichen. Ungefähr so viele unterirdische Tage hatte dieses Jahr nämlich auch. Jedenfalls bestimmt mehr als die Hälfte.
Und weil man nicht nur motzen soll, gibt’s zur Begrüßung des neuen, sicher freundlichen, wohlmeinenden, gut duftenden, zuckersüßen, blütenverstreuenden Jahres 2010 goldene Sprühlichter, neun an der Zahl. (Wer mich kennt, weiß, dass die 3 meine Lieblingszahl ist. Und die 9 ist eben 3×3 und hält sicher besser. Eigentlich hätte ich sogar 3x3x3 Gold- lichter nehmen sollen, aber zwingen wollen soll man das Glück ja nun onnich…)
Ja, ich weiß, ich bin eine furchtbare Symbolik-Else, aber das ist ja alles nur Ausdruck meines guten Willens. Und meine Ahnung sagt diesmal, es könnte klappen…
Rutscht gut, Ihr Lieben! Wir sehen uns dann auf der anderen, der Sonnenseite, wieder!
Nach der Schmückerei und dem anschließenden Rouladenrollen (gefrühstückt hab‘ ich danach, während die brav vor sich hin geschmort haben) stand ich ein bisschen am Fenster und sah da noch ein gelbes Auto stehen. Der Fahrer unterhielt sich mit einem Nachbarn, hatte ihm offenbar gerade ein Päckchen ausgehändigt und ich dachte noch: Ach, ’n Päckchen würd‘ ich heute auch glatt nehmen. Dann hörte ich erstmal das hier, schüttelte mich vor Vergnügen und warf ich mich dann auf den Diwan, um eine Satire- zeitschrift durchzublättern.
Gegen halb drei oder so miepste meine Klingel mal kurz und unerwartet, und es kam ein gelber Mann die Treppe heraufgejagt. Er hatte auch ein gelbes Kartönchen dabei und sprach was von: „Expresszustellung“, da beeilte ich mich natürlich mit dem Unterschrei- ben. Das Kartönchen war als Überraschung aus Moabit gerannt gekommen, von einem lieben Katertier abgesandt, und enthielt eine Weihnachts-CD der besonderen Art (Herr Numminen singt. Eine Entdeckung für mich!), ein Büchlein, eine hübsche Dose mit lecker Keksen und Eierlikörchenpralinen drin und dazu ein Häslein namens Seneca. Und kluge Hasen kann man schließlich immer brauchen. Darum auch hier noch mal: Ganz lieben, gerührten Dank dafür, guter Murr.
Als ich dann mal zum Briefkasten runterstieg, um zu gucken, was die „normale“ Post denn wohl gebracht hatte, fand ich das vor, was man eine „gemischte Tüte“ nennen könnte. Vorneweg versperrten mir nämlich erstmal zwei große, braune Umschläge die Sicht. Absagen auf Bewerbungen, die ich schon vor Wochen abgeschickt hatte…
Liebe Personalmenschen, ich kann ja verstehen, dass Ihr Eure Schreibtische vor Weihnachten noch blank kriegen möchtet. Aber entweder beeilt Ihr Euch vorher ein bisschen oder Ihr lasst den Kram einfach doch noch ein paar Tage liegen. Absagen so zu verschicken, dass sie prompt zu Heiligabend ankommen, ist mitnichten freundlich! (Zum Glück sagt das mehr über Euch aus als über mich…)
Doch als ich die Riesenumschläge dann endlich aus dem Kasten gefummelt hatte, lagen dahinter tatsächlich noch:
– eine orangefarbene Benachrichtigungskarte: Päckchen für Sie, nicht vor Montag 16 Uhr abholen! (Aber ich war doch zuhause! Das mit dem Klingeln war wohl doch sehr schwierig. Hrrrmmpf… Ich vermute leckeres Kekswerk in dieser Post!),
– eine klasse bunte, liebevoll verzierte Weih- nachtshühnerkarte der lieben Annemikki (Dankedanke, Du Süße! Drücke Dich.)
– und ein dicker prinzlicher Umschlag, eben- falls aus Berlin. Darinnen: ein feines Büchlein, das mir bald größte Reichtümer bescheren wird, ein besonders hübsches Lesezeichen, eine Karte mit ’ner kopflosen Dame drauf und ein Zeitungsausschnitt mit nützlichen Karriere- vorschlägen-mal-zum-Überdenken und guten Dealeradressen in der Hauptstadt. Auch Dir, lieber Rupi, ganzganz lieben Dank für diese herzwärmende Post!
Die nächsten beiden Stunden verbummelte ich dann so und freute mich so vor mich hin.
Gegen 17 Uhr machte ich dann die allerköstlichste Sauce seit Menschengedenken und genoss mein Weihnachtsessen. Dazu gab’s Rosésekt, Musik und den (natürlich von echten Kerzen) erleuchteten Baum, später vorsichtshalber einen lustigen Film. Und um halb neun war ich schon so müde, dass ich tatsächlich in mein Bettchen schlich und dachte: Komisch, wie ein Tag so besonders, intensiv und gemischt sein kann! Dabei fängt der doch, genau wie die anderen, morgens an und hört abends auf…
Irgendwie hängt doch alles an den Menschen mit denen Du verbunden bist.
In letzter Zeit habe ich eigentlich ziemlich viel nachzudenken, habe aber kaum mal die Ruhe dazu, so dass ich eher das Gefühl habe, dass „es“ mich nachdenkt. Hat man ja manchmal so.
Das geht dann vermutlich irgendwie unterirdisch. Wahrscheinlich gibt’s unter dem Stra- ßenpflaster extra so Kanäle, wo das Nachdenken dann stattfindet, während es versucht, mit dem Nachzudenkenden Schritt zu halten. Und wenn dann alles fertig überlegt und durchdacht ist, geht irgendwo hinter mir ein Kläppchen auf und das Nachgedachte rennt ein Stückchen hinter mir her, bis es mich von hinten so geschickt anspringt, dass ich nicht den Eindruck habe: „Huch, es hat mich was angesprungen!“, sondern es wären plötzliche Erkenntnisse und Geistesblitze, die mich durchzucken.
Aber vielleicht ist alles auch ganz anders; – wer weiß das schon.
Wozu ich allerdings höchstselbst gekommen bin, ist, mal darüber nachzudenken, ob ich eigentlich ein Lebensmotto habe. Und überraschenderweise habe ich sogar drei! (Gelogen. Eigentlich ist das überhaupt kein bisschen überraschend, denn die Drei ist schon immer meine Zahl gewesen.)
Das erste ist schon sehr alt: „Solvitur ambulando“ – Es wird im Gehen gelöst.
Jeder der weiß, wie sich Gedanken beginnen, im Gehen aufzutüdeln und wieder ordentlich aufzuwickeln, weiß, was ich meine. Das Gehen ist irgendso’n altes nomadisches Ding im Menschen, das Denkprozesse anstösst und durch den Rhythmus ordnet. Dafür braucht’s nicht mal Jakobswege oder so. Ein langer Spaziergang, einmal die Woche, tut’s auch. Das ist mir in letzter Zeit ein bisschen abhanden gekommen, aber verloren gehen wird mir das glücklicherweise nie. Geschrieben hab‘ ich auch schon ab und an mal was dazu.
Das zweite habe ich mal irgendwo aufgeschnappt. Vielleicht von Konfuzius oder einfach aus einem Glückskeks: „Wenn im Zweifel, tue es nicht.“
Das schöne an diesem Motto ist, dass man ziemlich schnell weiß, ob man wirklich im Zweifel ist. Es hängt nämlich von der Fragestellung ab, die man sich dann zu Hilfe nimmt. Schließlich kann man ja zweifeln, ob man etwas tut oder ob man lieber etwas lässt… Wenn ich tatsächlich nicht weiß, wie ich die Frage stellen soll, weiß ich zumindest, dass ich sie vertagen muss.
Das dritte Motto lautet, und darauf bin ich eventuell sogar selbst gekommen: „Frauen halten die Welt zusammen!“
Das erlebe ich immer wieder, und in letzter Zeit besonders. Frauen melden sich, schrei- ben mal eben, rufen an, kommen vorbei, haben Kuchen und/oder hilfreichen Likör dabei, hören zu, sehen mehr, verstehen deshalb, umarmen, erfassen die Situation, wissen, was zu tun ist, krempeln mal eben die Ärmel hoch und packen an. Sie kümmern sich, nicht nur in Notzeiten. Weil sie wissen, wie es geht. Und weil sie wissen, wie sehr es hilft. Und wichtig: Ratschläge, die man gebrauchen kann, kommen von Frauen meistens auch erst dann, wenn man sie auch gebrauchen kann. Auch außerhalb von kritischen Phasen sind es doch eher die Frauen, die das Rad am Laufen und das Feuerchen warm halten. Natür- lich gibt’s auch Männer, die „soziale Kompetenz“ gut können, ich kenne sogar welche persönlich, aber ehrlich gesagt, gibt’s mir noch zuwenige davon. Ich hoffe aber.
Jedenfalls finde ich, mit diesen drei Mottos, Motti, Weisheiten kommt man ziemlich gut von einer Woche in die nächste. Eins davon passt immer, um sich wieder ein Stückchen zu bewegen. Das wollte ich nur eben sagen, bevor ich auch schon wieder weiter muss…
Das dachte ich, als ich versuchte, meine neue Riesenbettdecke in ihren Bezug reinzu- kriegen. Die alte Bettdecke war ja nun auch schon groß, allerdings inzwischen auch ziemlich flach, vermutlich eben wegen fehlender Inhalte. (Das würde nämlich auch erklä- ren, wieso da seit Jahren immer wieder Federn im Schlafzimmer herumliegen.) Jetzt also ist die Zeit der „Schönen, neuen Bauschigkeit“ angebrochen. Die Ära der „Zusatzdecke wegen kalt“ läuft aus. Vielleicht finde ich ja auch noch irgendwo ein paar Hippies, die deswegen singend um mein Bett tanzen, soll mir Recht sein.
Ich hab‘ gern solche Decken, unter denen ich ich quasi gemütlich begraben liege bis zur nächsten Auferste, – nein, das schreibe ich jetzt nicht. Sagen wir, ich hab’s gern mollig. Eine schönes, fluffiges Federbett muss sich für mich anfühlen wie eine schützende Umarmung, vielleicht ist mir das Bett deshalb das liebste Möbel. Der alte Tag hört dort auf und der neue fängt dort an, bei mir mit einer schönen, großen Tasse Tee. Dabei gucke ich aus dem Fenster und denke erst mal nix, das muss ja auch mal sein.
Kopf mal leermachen, Inhalt ist ja nun ausreichend in der Decke.
Das ist mal ’ne Überschrift! Die zieht, da kann einfach jeder was mit anfangen. Eigentlich könnt‘ ich hier auch schon wieder aufhören, wenn es mir nur um die Aufmerk- samkeit ginge. Sogar als Buchtitel würde das fast reichen, um’s zu verkaufen. Wenn jetzt noch „Sex“ dazukäme, dann müsste auch gar nix mehr drinstehen, in dem Buch. Das ginge trotzdem weg wie geschnitten Brot.
Meine Kollegin z.B. behauptet gern: „Männer und Frauen passen nicht zusammen!“ Aber das ist natürlich so ’ne typische Kokettbehauptung von Leuten, die diese Bücher lesen, die wohl irgendwas mit Parken auf dem Mars zu tun haben. Oder wie man mit besonders klugen Ratschlägen sein Leben simplifiziert. Oder auch dieses Glücksbuch von diesem Arzt, der mir so auf die Nerven geht, dass ich immer ganz glücklich bin, wenn er mal nicht zu sehen ist.
Jedenfalls find‘ ich schon, dass Männer und Frauen eigentlich ganz gut zusammen passen, nur vielleicht manchmal nicht zur selben Zeit oder im selben Raum. Ansons- ten muss man sich ziemlich Mühe geben, wenn man nicht die ganze Zeit aneinander vorbei agieren oder bekloppt werden will.
Bei der Arbeit z.B. gehe ich manchmal lieber kurz raus, weil der Kollege mitten in einer summenden und brummenden Küche steht, die voll durchbeschriftet ist. Auf allen Türen und Schubladen kleben Schildchen, auf denen steht: „Gabel, Messer, Löffel“, „Große Teller“ oder „Geschirrhandtücher“ (die sind nur für den Fall, dass unser Ge- schirr mal Hände bekommen sollte). Und dann fragt der Kollege: „Hamwamaln Löffel?“ und macht eine Schranktür in Augenhöhe auf. Da kann man ja nur entweder vor Freude in die Hände klatschen oder rausgehen! Und, wie gesagt, ich geh‘ lieber raus, sonst ist beim In-die-Hände-klatschen da irgendwie der Kollege mit zwischen.
Man muss Verständnis haben, alles liegt nur daran, dass wir in verschiedenen Welten leben, die aber gleichzeitig stattfinden, und irritierenderweise ist es möglich, sich zu berühren oder sich mal was rüberzureichen, obwohl das ja eigentlich gar nicht gehen kann. Männer halten sich eben nicht gern mit Haushaltsdingen auf, die befassen sich lieber mit Politik und allem, was die Welt zusammenhält (Frauen). Manchmal gewinne ich den Eindruck, sie hätten teilweise Schwierigkeiten, sogar ihre eigenen Füße zu finden, und hoffe dann, das trifft nicht auch ausgerechnet auf die Exemplare zu, die die Weltge- schicke leiten! Männer wissen oft auch ganz selbstverständlich, was Herr Putin zu Herrn Obama sagt (und vor allem, was er wirklich damit meint!), aber die eigene Liebste ver- stehen sie nicht, weil Frauen ja so irre kompliziert sind.
Bestimmt wäre die Welt noch viel toller, wenn Männer sich nicht auch noch mit Löffel- suche aufhalten müssten. Dann könnten sie noch mehr die großen, weit entfernten Dinge bereden und dabei verhungern. Ich glaube ja heimlich, dass Politik eigentlich auch nicht viel anders ist als Weibertratsch, nur eben global und nicht so interessant. Aber es ist bestimmt schon besser so, dass noch immer überwiegend Männer den Job machen. Ich könnte das mit den ständigen Feindbildern und Drohgebärden auf Dauer ja gar nicht. Ich wäre viel auch zu mitfühlend, um ganze Konzerne wegzurationalisieren oder die dritte Welt mit Wohlstandsmüll vollzukübeln.
Eine Welt, in der Frauen das Geschehen lenken würden, stelle ich mir hingegen schreck- lich langweilig und harmonisch vor. Jeder säße am liebsten zufrieden zuhause und würd‘ sich’s nett machen, Nachbarn laden sich gegenseitig ab und an mal ein, oder bringen sich Nudelsalat und Gebäck rüber. Und wenn einer wochenlang weg wäre, wüsste man, der ist entweder im Urlaub oder da stimmt was nicht. Also, wenn sich jeder in einem bestimmten Radius um seine unmittelbare Umgebung kümmern würde, wären zwar alle versorgt, aber das wäre viel zu einfach und macht natürlich auch nix her. Dann müsste man ja auch die- se ganzen schönen Territorialsachen abschaffen, weil die dann völlig überflüssig werden.
Aber ich geb’s langsam auf, das ganze Theater noch mit Vernunft begreifen zu wollen. Offenbar ist gerade das Immer-unübersichtlicher-werden das Interessante am politischen und wirtschaftlichen Weltgeschehen. Und dazu braucht’s immerzu Wachstum, weil es nie gut genug ist, wie es ist, und darum muss immer Einer den Anderen fressen, bis nur ein einziges, fettes und ziemlich einsames Monster übrig ist.
Manchmal stelle ich mir vergnügt vor, dass Frauen eines Tages mal nach dem Frühstück beschließen, die Macht des Internets nutzen, um sich weltweit zu verbünden und der alten Geschichte von Lysistrata mal Leben einzuhauchen. (Frauen sprechen nämlich untereinander durchaus ebenfalls über Politik und so, aber sie hören klugerweise lieber damit auf, sobald ein Mann den Raum betritt. Weil die nämlich meistens gleich zeigen müssen, wie Bescheid sie wissen. Also reden wir einfach über Kindererziehung, bis er wieder weg ist.) In Kenia schien es bereits Ansätze dazu zu geben, wie ich eben mit Wohlwollen festgestellt hab.
Sicher fiele das ganz schön schwer, aber wenn sich alle dran hielten, so für’s große Ganze… – wer weiß, wer weiß! (Und vor allem die anschließende Freudenfeier könnte doch interessant werden.) Und bis dahin könnte man ja vielleicht auf Schokokuchen ausweichen…
Frauen wollen Liebes-Kollektionen aus verführerischen Teebeuteln. Das glaubt zumindest ein Teeabfüller aus Düsseldorf:
Einen Tee Herzkirsche zu nennen, mag ja noch angehen. (Allerdings natürlich nur, wenn es dann auch ein Kirschtee ist.) Aber möchte ich wirklich Heiße Liebe oder einen süßen Teufel in meiner Tasse schwimmen haben? – Und was bitte, ist sündig daran, heißes Wasser mit Geschmack zu trinken? (Da fällt mir doch auf Anhieb Sündigeres ein, dabei bin ich nicht mal katholisch!) Und möchte ich etwa einen Sweet Kiss von einem mat- schigen Papiertütchen mit aufgequollenem Inhalt? – Und wenn mir mal nach Purer Lust ist, denke ich dann vielleicht ausgerechnet ans Teetrinken?
Eigentlich, jetzt mal wirklich, und ganz ehrlich: Nein.
Aber selbst wenn ich mich auf so eine an den Haaren herbei gezogene Heißwasser- Liaison einlassen würde, würde ich sowieso bald enttäuscht in meine Geschirrtücher weinen, denn es steht ja sogar deutlich und zur Warnung drauf: Nur für kurze Zeit!
Kaum Jemandem wird’s verborgen geblieben, dass ich öfter mal mit’m Zug fahre; – gestern hab’ ich’s schon wieder getan. Und zwar habe ich’s nach Düsseldorf getan.
In Hannover auf dem Bahnsteig saß ich erst noch ein Viertelstündchen in so einem Draht- ding, die sie einem dort als „Sitzgelegenheiten“ unterjubeln wollen und wo einen der kalte Wind so richtig schön von unten und von hinten erwischen kann. Ein Pärchen setzte sich neben mich und dann roch es plötzlich sehr unfein. Ich dachte schon: Puh, da ist aber bestimmt jemand ziemlich krank oder so. Aber als ich vorsichtig rübergucke, stelle ich fest, dass die Beiden nur ihr Frühstück ausgepackt haben. Aus so braunen Papiertüten, die man bei diesem einen Frikadellenbrater bekommt. Sie hatte sich wohl so ein komi- sches Eidings einpacken lassen, und dem Geruch nach musste das fast älter sein als ich. Was Leute so runterkriegen, morgens um achte!
Als unser Zug dann kam, stiegen da auch ein paar Jungs ein, die schon ein 5l-Bierfäss- chen ernsthaft in Arbeit hatten. Also wirklich. Was Leute so runterkriegen, morgens… Zum Glück setzten die sich aber eine ganze Ecke weit weg von mir und der Zug war ohne- hin himmlisch leer. Leider bin ich mit diesem Zug nur eine halbe Stunde gefahren, bis ich in Minden umsteigen musste.
Und in Minden schwante mir Böses. Denn der Mindener Bahnhof, der übrigens eine sehr interessante Anordnung der Gleise hat (Gleis 1 führt irgendwie vor dem Bahnhofsgebäude lang. Da muss man, wenn man drauf angewiesen ist, auch erstmal drauf kommen.), war voll mit Geradeerwachsenen in unterschiedlich stark angetrunkenen Zuständen. Wie ge- sagt, was die Leute so runter… Ich brachte mich fix auf einem Fensterplatz unter, meinen Koffer vor dem Sitz neben mir, als die Mindener schon unter Getöse den Zug stürmten. Vor mir nahm ein netter junger Mann Platz, und fragte mich gleich: „Na? Fährste auch zur Love-Parade?“ Und da hat’s dann aber ganz ordentlich gedämmert in meinem Oberstüb- chen! „Äh, nee. Wo ist die denn dieses Jahr?“ – „Na, in Dortmund!“
Bis Dortmund waren’s noch zweieinhalb Stunden, mindestens. Eher drei. Ach, – hab’ ich schon erwähnt, dass der Zug übrigens ein Regionalexpress war? So einer, der alle zehn Meter anhält? Jetzt wurde mir auch klar, wieso ich kein vernünftiges ICE-Ticket mehr be- kommen hatte. Sondern nur so eins, mit dem ich zweimal umsteigen musste, um an meinen Zielort zu kommen. Love-Parade! Und keine Zusatzzüge für die erwarteten 2 Millionen Besucher. Na klar! Deswegen. Na, das konnte ja lustig werden…
Wurde es leider nicht. Es wurde sehr schnell sehr eng. Neben mich quetschte sich ein Mädchen, dem es zum Glück nichts ausmachte, dass wir unsere Beine um meinen Koffer drapieren mussten (in Regionalzügen sind die Über-Kopf-Gepäckträger-Regale nämlich in so einer wahnwitzigen Schräglage angebracht, dass kein kleinstes Köfferchen reinpasst. Höchstens mal ein Tütchen Erdnüsse oder so). Das Mädchen packte mal gleich ein Grapefruitbier aus (Grapefruit ist ja auch sehr gesund zum Frühstück) und dazu noch so ein kleines Püllchen, bei dem man wohl erstmal anklopfen muss, bevor man’s öffnen darf. Fiel aber gar nicht weiter auf. Eigentlich war ich die Auffällige, weil ich als Einzige keinen Flaschenhals im Gesicht hatte.
Mein „Prost!“ hat sie bestimmt auch gar nicht gehört, dafür war die Musik zu laut. Ich bin mir jedenfalls relativ sicher, dass da Techno lief, irgendwo unter dem Geschrei („Nee, das macht voll blass, da sieht man ja aus wie son Gothik-Vieh!“ „Intim mach’ ich mir nicht, das ist doch voll hässlich!“ „Boah, ich muss voll pissen, Alter, ich glaub’, der Urin zirkuliert bei mir schon bis in die Herzkammern!“) und den Fußballgesängen („Oleeee, wir fahr’n zur Love-Parade!!!“ „Es gibt nur ein’n Rudi Völler!“). Es war aber auch sowieso kein besonders guter Techno, eher so das, was man an der Tanke als Sampler-CD kaufen kann, deswe- gen war’s auch nicht richtig schade drum.
Schade war, dass in mir Panik aufstieg, weil ich mir vorkam wie in einem Viehtransporter. Eng zusammengequetscht, keine Aussicht darauf, eventuell irgendwie zum Klo zu kom- men oder auch aussteigen zu können, um dann drei Stunden in, sagenwirmal, Beckum rumzustehen und zu warten, bis alle Sauftüten in Richtung Dortmund durchgerauscht sind. Das war nix für die alte Bromine, das kann ich Euch sagen. Das Feiern, Rauchen, Saufen und die aufgeregte Vorfreude hätte ich noch prima ausgehalten, wenn da nicht noch diese drangvolle Enge und der unglaubliche Lärm gewesen wären.
In jedem Bahnhof versuchten sich noch Hunderte dazuzuquetschen, was dazu führte, dass wir jeweils mindestens eine Viertelstunde standen und mehrfach die Durchsage kam, wir sollten doch bitte endlich die Türen freigeben, damit’s weiter gehen kann. Und natürlich fingen auch welche an, sich zu buffen, weswegen dann auch noch Spezialpolizei in voller Montur anrückte, um „zu schlichten“. Da standen wir schon in Hamm und eigent- lich wär’ es jetzt nicht mehr weit gewesen. Das ging natürlich schon ein bisschen auf die allgemeine gute Laune. Ich konnte eigentlich schon länger nicht mehr, wenn ich ehrlich bin. Irgendwann setzte sich in mir ein Mantra durch: „Halt durch, Baby. Halt durch.“ Komisch, ich hab’ mich noch nie von Ir-gend-wem „Baby“ nennen lassen, nicht mal von mir selber. Half aber. Muss ich mir also mal merken.
In Dortmund kamen wir jedenfalls nach vier Stunden an, kurz bevor die ersten anfingen, in die Ecken zu pinkeln oder sich zu übergeben. Der Zug leerte sich und zurück blieben eine Handvoll „Normalreisende“ wie ich, die wortlos erschöpfte, aber bedeutungsvolle Blicke tauschten. Dazu tonnenweise leere Flaschen (was eine eigentlich interessante Geräusch- kulisse abgab, wenn wir z.B. in Kurven fuhren oder hielten), Müll und eine gefühlte 1-cm dicke klebrige Bodenschicht aus Asche, Bier, Wodkairgendwas, Kippen und zertretenen Chips. Was eben von der Liebe übrig blieb…
So sehr hab’ ich echt mich noch nie gefreut, Düsseldorf zu sehen.
Da war der Rest der Fahrt (immerhin noch anderthalb Stunden) die reinste Kreuzfahrt. Nächstes Jahr soll die Love-Parade ja in Bochum sein. Aber dann ganz sicher ohne mich. Bochum liegt ja noch hinter Dortmund, also, von Hannover aus gesehen.
Nee, echt. Voll sorry.
(Der Text ist übrigens nur deshalb so lang, weil mir die Fahrt fast wie ein halbes Leben vorkam…)