Gestern habe ich mich was getraut. Etwas, wovon ich bis vor einem Jahr nicht gedacht hätte, dass es für mich mal was mit „sich trauen“ zu tun haben könnte. Ich hab‘ nämlich einigen Kollegen erzählt, dass ich bald schon wieder umziehen werde. Nicht, dass das nun was besonders Schlimmes wäre. (Mal abgesehen vom Umziehen an sich.) Allerdings bin ich ja gerade erst vor 3 Monaten nach Duisburg gezogen, zu meinem werten Herrn Ehegatten. Das hatte ich im Büro schon relativ freimütig erzählt, obwohl es ja eher ungewöhnlich ist, dass wir zwar verheiratet sind, jedoch vorher noch nie zusammen gewohnt haben. Aber dass wir jetzt nach bald sechs Jahren Fernbeziehung auch nur übergangshalber zusammen wohnen, weil der Plan immer klar war, dass wir auch in der selben Stadt wieder getrennte Wohnungen haben möchten, – das hatte ich bisher eher unter den Tisch fallen lassen.
Ich hatte schlichtweg keine Lust, mich zu erklären, womöglich zu rechtfertigen. Keine Lust auf Reaktionen wie: „Ahaaa… Das ist ja interessant… Naja, jeder wie er mag… Hm. – Aber ich könnte das nicht!“ Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich mittlerweile in einem Unternehmen beschäftigt bin, in dem man fast Beamtenstatus hat, also ist alles ziemlich konservativ. Ich wirke dort ja bereits ein wenig flippig, weil ich morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit komme und nicht mit dem regelmäßig frisch polierten Wagen. Und in der Pause esse ich Bio(!)joghurts oder auch schon mal Curry oder selbstgemachte thailändische Sommerrollen. Das ist fast hippiesk. Wenn die wüssten, das ich auch gar nicht CDU wähle! Und nun bin ich zwar verheiratet, will aber gar nicht mit meinem Mann zusammen sein! Und davor bloß Fernbeziehung, aber heiraten! Versteh‘ das einer! Was ist das denn für ’ne Beziehung!? Und was das auch kostet, so mit zwei Wohnungen!
Meine neuen Kollegen hier sind aber übrigens alle sehr nett und manche sind sogar deutlich witzig. Einige von denen habe ich mittlerweile richtig gern. Vielleicht habe ich mich deswegen gesorgt, dass sie mich erst recht „komisch“ finden, wenn ich ein anderes Lebensmodell habe als sie. Ich hatte es hier im Blog ja noch nicht richtig erzählt, aber in der letzten Stelle in Hannover (im selben Unternehmen *räusper*) hatte ich zwei sehr garstige Kolleginnen, die übel mit mir umgesprungen sind. Ich verwende in diesem Zusammenhang selbst nicht gern das Wort „Mobbing“ (jedoch allerdings einige, die es direkt mitbekommen haben oder denen ich davon erzählt habe), aber eine deutliche Vorstufe war’s ganz sicher. Diese Kolleginnen waren sehr gehässig, gern schadenfroh und jederzeit auf lustige Macht- bzw, Erniedrigungsspielchen aus. Wer da ein bisschen anders war und es auch bleiben wollte, kriegte den ganzen Tag auf’s Fell. Leider war meines bald dünn und an einigen Stellen sogar kahl. Hilfreich beigesprungen ist mir leider erstmal niemand, teils aus Angst, selbst zur Zielscheibe zu werden (Kollegen), teils wegen Nicht-mitgekriegt (Chefs). Da wird man natürlich ziemlich vorsichtig, traurig und wütend. Auch als Individuum möchte man doch ganz gern einer Gruppe zugehörig sein oder wenigstens nicht dauernd beharkt werden. Vor allem, wo man doch im Job so viel Lebenszeit miteinander verbringt!
Die Reaktion auf meine Erzählung gestern war denn auch erstmal genau wie oben erwähnt, erstaunt, verwundert und irritiert. Aber dann glücklicherweise trotzdem nett. Nach kurzer Erklärung, wieso und warum, waren wir dann schnell schon wieder bei Mietverträgen, Quadratmetern, Wohnvierteln, Umzugsorganisation und schlimmen Tapetenmustern. Vermutlich wird man demnächst trotzdem hinter meinem Rücken so ein bisschen rätseln, wie eine Beziehung denn überhaupt so funktionieren kann, aber nuja…
Aber jetzt mal meine Frage: Wieso denn eigentlich nicht??? Verdorrinochmal!
Bloß, weil es eben allgemeiner Standard ist, dass Paare auch zusammen wohnen? (Erst recht verheiratete?) Die Zimmer teilen, Tisch und Bett und Unterbuxe? Das hatte ich übrigens schon zweimal, beide Male über Jahre (bis auf die Sache mit der Unterbuxe). Und war beide Male froh, als ich hinterher wieder meine eigene Bleibe hatte. Erstens bin ich einfach unheimlich gern alleine in meiner Wohnung, mache die Tür von innen zu und bin „für mich“. Punkt. Das kennt vermutlich fast jeder. Zweitens ist es so, dass sobald da noch mehr Leute sind, ganz viel von mir eben „für Andere“ ist. Meine Aufmerksamkeit richtet sich offenbar rasch nach außen. Wenn nämlich außer mir noch jemand da ist, bekomme ich auch immer nebenbei mit, was er gerade tut, sebst wenn wir grad‘ gar nichts zusammen machen. Ich sitze vielleicht einfach im Wohnzimmer und kriege mit: Aha, er geht in die Küche und trinkt ein Glas Wasser. Jetzt geht er ins Bad. Er sucht im Flur in seiner Tasche herum… – Ich habe also quasi immer meine Antennen draußen. Ich weiß, dass viele Menschen es total beruhigend finden, wenn da jemand in der Nähe ist. Mich macht das irgendwann unruhig, es kann mich sogar stressen (dafür gibt’s allerdings auch handfeste, uralte Gründe). Ich komme nicht richtig in die Ruhe, die ich brauche, um mich vom „Draußen“ und den Anforderungen des Alltags zu erholen. Auch nicht, wenn mir der Mensch sehr, sehr lieb und vertraut ist.
Also nehme ich mir die Freiheit, den Liebsten dann um mich zu haben, wenn wir beide das gern wollen und uns danach ist. – Erfreulicherweise ist das erstaunlich oft der Fall! Und ebenso erfreulicherweise braucht und genießt er sein Alleinsein dazwischen ebenso wie ich. Es wurde natürlich auch von außen mal kritisch gemutmaßt, wir kennten so ja nur die Sonnenseiten miteinander; – zur Beruhigung kann ich aber versichern, dass dem nicht so ist. Auch wir haben ab und zu hohe Wellen und müssen uns dann wieder einkriegen. Übrigens: Nicht etwa, dass ich ein Fan von Jürgen von der Lippe wäre. Echt nicht. Aber er wurde in einem Interview mal gefragt, wie das denn käme, dass er nun schon soundso viele Jahre mit seiner Ehefrau glücklich sei. Das wäre doch gerade im Showbiz ziemlich selten… Seine gut gelaunte Antwort: „Getrennte Wohnungen.“ Und ich weiß genau, was er meint. Der Liebste sieht mich normalerweise nicht mit Lockenwicklern und halbleergefutterter Pralinenschachtel in einem Zeitschriftenhaufen liegen, und ich rege mich nicht über schlecht zugeschraubte Zahnpastatuben auf, über nicht runtergebrachten Müll, oder darüber, wer mit was „dran“ ist. Sind wir bei mir, ist er ein bisschen mein Gast, bin ich bei ihm, ist es andersherum. Der Gastgeber kauft jeweils ein und kocht und hat meistens sogar sauber gemacht. Man geht auch irgendwie anders miteinander um. Das ist schön (weniger kompliziert, als man meint) und für uns ganz normal. Außerdem hat jeder gleich zwei Zuhause. Und dazu teilen wir die gemeinsame Zukunftsidee, eines Tages wohl auch mal ein gemeinsames Häuschen zu bewohnen: Einer unten, einer oben.
Und wisst Ihr, was auch ganz witzig ist? Manche sind erst mal verwundert wegen unseres Wohnmodells, besonders Paare, aber oft kommt nach einer Weile einer von Beiden (häufiger die Frau…) und raunt: „Könnt‘ ich mir, ehrlich gesagt, auch mal ganz gut vorstellen, sowas.“, gern mit verstohlenem Augenrollen zum Partner hin.