Ostern in südwestlicher Richtung

Ehrlich gesagt, ist mir gerade gar nicht so nach Schreiben, weil mein Kopf ganz voll ist mit noch ungedachtem, aber eigentlich dringend mal gründlich zu denkendem Zeug. Das rümpelt mir das Oberstübchen ein bisschen voll und ich hab‘ dieser Tage zu wenig Zeit, da mal ordnend zu Stapeln. Und Ostern ist ja nun auch schon wieder eine Woche her, aber ich wollte trotzdem eben noch ein bisschen von meiner Reise erzählen. Das kann ich ei-
gentlich auch ruhig noch machen, weil ja gar nicht so viel mit Ostern drin vorkommt. Und die Vorgeschichte mit dem missglückten Fahrkartenkauf hatten wir ja sogar schon… 

Ich fahre ganz gern mit der Bahn, auch vor dem Umsteigen habe ich inzwischen keinen Bammel mehr. Wenn die Züge so halbwegs pünktlich sind, ist das ja auch gar nicht so schwer und verwirrend, wie man sich das vorher immer ausmalt. Als ich diesmal in Han-
nover am Bahnsteig stand und auf meinen Zug wartete, stand eine Frau in meiner Nähe, die mit weit aufgerissenen Augen und Hilfe suchend um sich blickte. Als sie merkte, dass ich in ihre Richtung schaute, sprach sie mich an: Ob sie denn hier richtig sei, sie wolle da und da hin… Der Zug würde doch unterwegs geteilt, und sie habe Angst, aus Versehen in das falsche Ende einzusteigen. Die Lautsprecherdurchsagen dazu würden sie eher verwir-
ren. Genauso ging es mir auch vor nicht allzu vielen Monaten, aber weil ich inzwischen schon gelassener bin, konnte ich sie beruhigen, sie stehe hier ganz prima und goldrichtig und ihr Waggon 11 würde auch hier ungefähr zum Stehen kommen und so weiter. Danach sah ich sie nicht mehr, denn ich musste zwei Wagen davor einsteigen, aber bestimmt ist sie gut angekommen und vielleicht beim nächsten Mal auch schon etwas weniger nervös.

Zug

Mir wird ja immer wieder nahe gelegt, während der Fahrt doch aus dem Fenster zu schau-
en, aber das tue ich eher selten, höchstens vor und nach Bahnhöfen. Ich mag diese olle, schruddelige Atmosphäre um Bahnhöfe herum, das ganze rostige Zeug, das da oft so vergessen im Gestrüpp herumliegt. Natürlich schau ich mir manchmal auch die Land-
schaft an, aber dabei denke ich an ganz andere Sachen, deshalb vergesse ich das, was ich sehe, gleich wieder. Meistens lese ich oder begucke meine Umgebung im Waggon, die Mitreisenden, höre heimlich ihren Gesprächen zu, ab und an mache ich mir Notizen.

RaucherfleckenDiesmal habe ich mich zum Beispiel gefragt, wie ungeschickt man sich als Raucher eigent-
lich anstellen muss, damit der Sitz hinterher so aussieht. Und wie ich wohl reagieren wür-
de, wenn vielleicht plötzlich jemand neben mir (womöglich an mehreren Stellen gleichzeitig) anfangen würde, zu brennen. Nur weil er zu doof zum Schmeuken ist. Wahrscheinlich würde ich ihn spontan mit knallheißem Tee aus meiner kleinen Thermoskanne löschen. Und das würde uns beiden wohl nicht gefallen, denn ich hätte danach schon mal nix mehr zum Trinken. Allein deshalb bin ich auch ganz froh, dass das Rauchen in den Zügen jetzt nicht mehr erlaubt ist.

Meine Güte, das hier ist ja jetzt schon ein halber Roman, dabei ist meine Erzählung doch noch nicht mal am Zielort der Reise angekommen! So geht das aber nicht. Deshalb behal-
te ich jetzt frech das freudige Ankommen und sogar auch den Rest des verschnäbelten Ankommenssamstags für mich.

Am Sonntag also, nach dem Osterfrühstück, bekam ich ordentlich viel eiförmige, leckere Schokolade geschenkt. Angeblich von einem Hasen, in Wirklichkeit aber wohl von einer Zimmerpflanze. Ich kann mich natürlich täuschen, aber die Fakten sprechen alle dafür. Und weil nun Ostern war, und man zu Ostern traditionell spazieren geht, ging es dann an eine Bushaltestelle, dann in einen Bus, und mit dem Bus ein Stückchen raus aus der Stadt, und dann sogar raus aus dem Bus.

Und da standen wir. In einem ruhigen Wohnviertel vor einem kleinen Berg. Aber das war ganz richtig so, denn auf diesen Berg wollten wir ja rauf, weil dort ein spezieller Punkt liegt. Es war kalt, aber die Sonne schien schön, und durch einen besonderen Umstand ging ich nicht nur bergan, also so wie mein gastgebender Begleiter und alle anderen hier, sondern auch gleichzeitig (oder vielleicht zusätzlich?) seitlich an einem kleinen, unsicht-
baren, quasi selbstverschuldeten, Berghang entlang.

Ich hatte nämlich am Samstag in der Losreiseeile nur eine meiner Schuh-Einlagen in die Stiefel getan, und zwar die linke. Immerhin aber schon mal passend in den linken Stiefel… Dabei hatte ich hier doch neulich gerade noch über meine Schuheinlagen geschrieben, darüber, dass ich die manchmal ganz schön kompliziert finde. Jedenfalls war ich noch ein bisschen schräger als sonst unterwegs, konnte mich aber zum Glück bequem bei mei-
nem lieben Gefährten einhaken, und brauchte so wenigstens keine Angst zu haben, vielleicht in einer scharfen Kurve plötzlich umzufallen oder sowas.

topografische_KarteIm Spazieren kamen wir an einer Landkarte vorbei, die ich zunächst für topografisch hielt, bei näherem Hinsehen stellte sich aber her-
aus, dass wohl bloß der olle Kartenherbergs-
kasten nicht ganz dicht war. Eventuell war es auch ein Vorschlag, wie man die Landschaft in Kürze gestalten könnte. Hier was weg und da was hin…

Vielleicht handelte es sich aber auch um eine neue Art von Seersucker-Karte. Könnte ja sein. Kochwäsche und bügelfrei.

Oben auf dem Berg angekommen, setzten wir uns in die Sonne und beguckten uns die ganzen Touristen, die da hin- und herliefen, uns zurückbeguckten und sich aufgeregt ge-
genseitig fotografierten. Niederländer, Belgier, Deutsche. Wir waren nämlich am Dreilän-
derpunkt, wo sich eben diese drei Länder treffen. Und auch alle Hundehalter der Gegend. Den Hunden war diese ganze Länderei bestimmt schnuppe, die markierten sich sicherlich sowieso alle paar Meter gegenseitig über.

gut_sitzende_klamotten_im_sIm Souvenirshop der Niederländer gab es den Postkarten- und  Schlüsselan-
hängertinnef, den es immer überall gibt. Man müsste vielleicht mal eine Sammlung aufmachen mit Schlüssel-
anhängern, die alle gleich aussehen, aber dann eben regionale Aufdrucke haben.

Wozu braucht mein Schlüsselbund denn so ein Gebimsel, auf dem mei-
netwegen sagenwirmal „Nederlands“ draufsteht? Ich wohn‘ da doch gar nicht! Und wenn ich den Schlüssel dann mal verliere, kann ich noch nicht mal darauf hoffen, dass im richtigen Land nach der Besitzerin gesucht wird.

Das bleibt also unklar.

Gelernt habe ich aber doch was in dem Laden: Dass es unheimlich wichtig ist, dass die Klamotten gut sitzen, – auch im Stehen.

Bei den Belgiern drüben (ca. 100m weiter) wollte ich dann was Süßes und bestellte im Cafè eine Appeltart mit Sahne und eine Schokomilch. Mein Begleiter bestellte ebenfalls Appeltart. Als unsere Tarts kamen, war aber keine Sahne drauf. Wahrscheinlich, weil die auch nicht mehr auf die kleinen Untertassen gepasst hätte. Dafür war die Gabel so fest in den Kuchen gerammt, dass ich sie mit beiden Händen herausziehen musste. Die Tart wäre also was für ollen Artus gewesen, s
chmeckte mir aber gut.

appeltart

Dem Begleiter hingegen fiel plötzlich ein, dass er eigentlich und sowieso vielviel lieber Pommes gehabt hätte und er guckte immer zum Nebentisch rüber, wo ein stilles Pärchen vor zwei riesigen Tellern mit Pommes saß. Das Mädchen nagte ein bisschen lustlos an ihrer Portion herum und ließ dann fast alles stehen. Ich musste an Freundin T. denken, die jetzt vielleicht eventuell gefragt hätte: „Isst Du das gar nicht mehr?!?“, aber so  was würde mein überaus wohlerzogener Begleiter natürlich niemals tun.

Also saßen wir da, schauten aus dem Fenster und lauschten der Musik. Schon komisch, da sitzt man genau zwischen Belgien, Niederlanden und Deutschland, und was läuft für Musik? Zucchero! Italienischer Schlimmpop. Den mag ich schon nicht, wenn ich nur in einem Land bin. Ich versuchte aber, mich zu freuen, dass es wenigstens nicht der andere war, dieser Polypenmann. Der, der angeblich so sexy sein soll. Vielleicht ist er das immer nur, wenn ich grade nicht hingucke. Die Stimme von dem mag ich jedenfalls noch viel we-
niger. So gesehen, hatten wir natürlich richtig Glück.

Laternenmutter

 

 

 

 

 

 

In diesem Wissen, zudem angenehm müde, doch weiterhin gut gelaunt, wanderten wir irgendwann zurück zur Bushaltestelle, wo es dann doch noch ein kleines bisschen religiös wurde, denn wir trafen dort noch Maria, die ganz versonnen in Richtung einer dreifaltigen Laterne blickte, die sie und das Jesukind wahrscheinlich an jedem Abend auf’s Neue erleuchtet…

Q10

Mensch, ich komm’ ja zu nix mehr. Andauernd Renovieren und dazwischen Verreisen, und hier stauen sich schon die Geschichten… Gestern ist mir schon wieder eine Leiter an die Beine gewachsen und erst abends um acht wieder abgefallen.

Das Letzte, was ich von gestern Abend noch weiß, ist, dass ich vor dem Fernseher lag und dann sagte eine Stimme: „Was ist noch besser als Q10?“

Wie??? Watt?!? Quiz? – Entschuldigung, ich war nur kurz ein bisschen eingenickt…
Ich sah eine Frau, die sich zart über die Wangen strich und mich dann aufmunternd anschaute. Was hat die denn? Und da kam auch schon die Antwort: Doppeltes Q10!“

Ja, dann ist das doch Q20, oder wie? – Was soll denn das?
Ich mecker‘ also in Richtung der Kiste: “Und wie wäre es mit Q10 hoch meinetwegen 378?!? Oder sprengt das dann deinen Tiegel?“ Aber das Streichelfrollein ignoriert mich freundlich und beguckt sich mit schmelzendem Blick im Spiegel.

Irgendwer sagt noch: “Denn Schönheit ist ein Versprechen…!“

Ach ja? Kommt die Schönheit vielleicht rein und sagt: „Wenn Du lieb weiter renovierst, gehen wir am Sonntag fein in den Zoo und da kriegst Du dann ein dickes Eis!“, oder wie?
Oder hat sich da eventuell jemand versprochen und es heißt eigentlich „Dröhnheit“…?

Gute Karten, schlechte Karten

Wenn ich über Ostern verreise, dann geht das so: Ich laufe schon Tage vorher zum Bahn-
hof, mit der Befürchtung, dass die Schlange vor den Kartenschaltern bestimmt irre lang sein wird. Und tatsächlich: sie ist irre lang. Und anscheinend ist sie tot, denn sie bewegt sich nicht. Andererseits kann man das gerade bei Schlangen nie so genau wissen. Als ich eine halbe Stunde gewartet habe, weiß ich, die Patientin lebt zwar doch, aber sie ist schwach. Gerade mal vier Kunden hat sie ausgespuckt, dabei sind alle 10 Schalter geöffnet. Soll ich vielleicht…?

Also traue ich mich zum ersten Mal an einen Automaten. Hoch konzentriert (jetzt bloß nix verkehrt machen!) drücke ich mich durch das Menü. Plötzlich komme ich nicht weiter. Irgendwas muss ich doch falsch gemacht haben. Aber zum Glück stehen hier einige jun-
ge Leute in roten T-Shirts herum, die den Automatendoofen helfen sollen. Ich frage eine junge Frau, die garantiert nicht mal halb so alt ist wie ich und wohl keine Lust hatte, ihr Taschengeld in den Ferien durch Babysitten oder im Callcenter aufzubessern. Das hat sie jetzt davon. Sie besieht sich mein Problem für mindestens eine Zehntelsekunde, drückt frech auf „Abbruch“ und fragt mich dann patzig: „Wo wollense denn hin?!“ Ich schaue lieb, antworte brav und hoffe, ich muss nicht auch noch ein Gedicht aufsagen, denn ich bin to-
tal geschafft vom Renovieren und mir fällt jetzt bestimmt gerade keins ein. Sie will aber zum Glück kein Gedicht, sondern tippt meinen Zielort neu ein und lässt mich dann mit einem „Das müssen sie jetzt alles noch mal neu machen!“ stehen. Ich überlege, aber nur kurz, ob ich das jetzt vielleicht auch in ein Hausaufgabenheft eintragen muss.

Also mache ich noch mal neu und wohl gar nicht so verkehrt, und freue mich, als der Au-
tomat tatsächlich handliche Tickets und Reservierungen auswirft. Mit Dauersparpreis und allem! Und viel billiger als am Schalter!

Glücklich fahre ich nach Hause und greife sofort zum Telefon, um die Bahnautomaten und mich zu preisen: „Toll! Und richtig gespart! Ich bin ganz stolz auf mich. Das mache ich jetzt immer so.“ usw., usw…

Das war Dienstag. Am Samstag wollte ich ja fahren. Und am Freitag schaue ich noch mal ganz verliebt auf die Tickets und da steht plötzlich: 29.3. und 2.4. Klar, von Samstag bis Mittwoch. Aber irgendwas ist doch trotzdem falsch. Und dann ruckt es mir durch’s Hirn: Verdammt, Du hast das falsche Wochenende gebucht!!! Deswegen war das auch so günstig zu kriegen. Kein Mensch will an diesem Wochenende reisen. Mistmistmist! 

Und, auch klar: Als ich nun, drei Tage später, wieder zum Bahnhof komme, ist die kranke Schlange immer noch da. Und ich muss 15,- Euro Strafe zahlen für’s Umbuchen. Und ich bekomme keine billigen Tickets mehr. Und ich bezahle einen saftigen Preis für die neuen Tickets. Und das, liebe Kinder, nennt man Lehrgeld.

Zum Glück war die Hinfahrt dann aber wenigstens recht bequem, das Umsteigen klappte auf Anhieb, die Ankunft war vergnüglich, der Aufenthalt schön und abwechlungsreich (darüber erzähle ich später mehr) und auch die Rückfahrt war eigentlich, wie sie sein soll. Nur, dass es ab Dortmund im ganzen Wagen durchdringend nach Kloseife roch und der Schaffner uns mit seinem vergnügten, aber viel zu laut durchgesagten: „Guuuten Tach!“ erschreckte. Aber es gibt ja nun wirklich Schlimmeres.

Und das schöne Geld hätte ich ja doch bloß wieder nur für Süßigkeiten, schöne Männer und modischen Schnickschnack ausgegeben…

In den Seitengassen des Trubels

Armer_Hase

Dieser kleine Hase wird dieser Tage leider nicht gefeiert. Eigentlich auch andere Hasen kaum, denn die meisten von denen, die man jetzt so zu sehen bekommt, sind eigentlich Kaninchen. Dieser übrigens auch. Und er ist vielleicht ein wenig betrübt, dass seine Schokokollegen mit bunter Folie und nichtsnutzigen Glöckchen (die man irgendwie nie wegschmeißen möchte, deshalb hängen sie einem noch monatelang im Weg rum) heraus geputzt werden. Man schiebt ihnen leckere Schokoeier unter und bettet sie gemütlich in Körbchen. Die lebendigen Geschwisterchen werden fleißig in Kameras gehalten, kriegen Schleifchen um, und kommen so wenigstens kurzfristig mal aus den Tierheimen raus. Nach zwei Wochen müssen ja sie leider wieder zurück, aber immerhin: Zwei Wochen all-inclusive mit behätschelt und betätschelt werden; – dafür müssen andere lange mümmeln. 

Ihre Gesichter werden wie Popstarfotos sogar auf Gebäckteilchen gemalt (ich weiß das, denn ich musste vorgestern im Zug einen Amerikaner mit einem wie auf Extasy grinsen-
den Hasengesicht drauf essen, das war mir doch irgendwie peinlich), und flauschige Junghühner stehen ihnen überall zur freien Verfügung.

Das alles kriegt unser Häschen nicht. Es hockt jahrein, jahraus in einer kleinen Bäckerei in einer dunklen Ecke und wird nur kurz beachtet, wenn jemand Zigarettenschmacht hat. Er muss dafür aber dauergewellten Hausfrauen beim Plattenkuchenkauf, unrasierten Spät-
aufstehern beim Holen von Joggerbrötchen und beparkaten Männern beim Kaffeetrinken zusehen. Er wird nicht nur nicht geschmückt, sondern muss sich sehr anstrengen, den Kopf immer von der hässlichen und gar nicht meisterlichen Lampe weg zu drehen, und hat zudem sogar unbequemerweise den Arsch ab. Eigentlich kein Wunder, dass er da ein bisschen unzufrieden guckt, oder? Armes Häschen.

Telekommt Donnerstag

Eigentlich sollte das ein vergnüglicher Abend werden, gestern. Aber als ich noch mal schnell ins Blog wollte, bevor Freundin S. mit den Getränken einbummelt, stellte ich fest, dass mein Internet tot ist und mein Telefon auch. Forschende Anrufe ergaben, dass das langhaarige Flatrate-Frollein keine Schuld trifft, sondern die gute alte Tante Teledings an meiner Leitung herumgeruckelt hat. Und zurückruckeln sei erst morgen, am Samstag möglich. Von wegen! Ist es nämlich nicht, weil ich da dann weggefahren sein werde…
Und wenn ich das nicht persönlich beaufsichtigen kann, ruckelt niemand an meinen Sachen herum! So weit kommt’s noch.

Also wird die Leitung erst nächste Woche Donnerstag untersucht und hoffentlich auch gleich durchgepustet. Freundin S. hat mich beim Telefonieren übrigens tatkräftig unter-
stützt, in dem sie jedes Mal, wenn ich zur Weiterleitung in der Service-Hotline ein Wort besonders deutlich sagen musste, mit den Bierflaschen in Kühlschrank herumgeklötert hat. Und dann sagte die automatische Servicemamsell: „Hm. Ich habe sie leider nicht verstanden. Wiederholen sie bitte.“ Ich erwarte von einem Apparat sowieso kein Verständ-
nis, denn das setzt ja Verstand voraus. Aber ich möchte auch irgendwie nicht, dass er „Hm.“ zu mir sagt. Da bin ich eigen, sowas irritiert mich. Später hatte ich dann eine patzige Schwäbin dran, die verstand mich eben sowenig. Wahrscheinlich aus den selben Gründen. Donnerstag jedenfalls kommt der Techniker, bis dahin kann ich ja eventuell von unterwegs bloggen. Jetzt sitze ich glücklicherweise gerade beim lieben Freund M. am Rechner. – Danke, M.

Trotzdem wurde es gestern noch ein toller Abend, denn S. und ich schauten, so wie wir uns das vorgenommen hatten, Germanysnexttopmodel und regten uns so richtig schön über diesen Viehmarkt auf. Als erstes fiel mir auf, dass Frau Klum in ihrer schmalen Hose sehr dünne Beine hatte, und spekulierten, ob das vielleicht ein neues Vakuumhosenmo-
dell sei. Und ob man das nicht eventuell mal mit Bratschläuchen in der eigenen Küche ausprobieren sollte, – oder doch lieber nicht.

Eins der ausgestellten Mädchen erklärte ernst, dass sie von Klamotten und ihrem Kauf eher wenig Ahnung hätte. Sie sprach: „Ich kaufe lieber Pferde ein, die halt etwas teurer sind. Davon hat man dann aber auch länger was.“
Finde ich ja auch, aber sie sind schwerer zu tragen, oder?

Später wurde dann noch „das Gesicht für den TV-Spot ‚Schuhe‘gesucht, und ein anderes Mädchen berichtete aufgeregt, sie habe ein „breites, langes Kleid“ angehabt. Genau. Das ist es, wonach ich auch immer noch suche, leider vergebens. Vielleicht könnte ein Kleiderhersteller sich das mal zu Herzen nehmen: Wir wollen breite Kleider, bittesehr. Und tief. Tief sollen sie auch sein. Ginge das?

Der Rest des Abends führte dann noch mit immer unverständlicherem, aber höchst vergnüglichem Durcheinandergerede in die Nacht…

Heute Morgen…

…gings eigentlich. Ich hab’ mir jedenfalls diesmal beim Aufstehen keins von diesen Trian-
geldingern gewünscht, die im Krankenhaus gern mal über den Betten angebracht sind, – zum Hochziehen. Zum Renovieren geh’ ich auch nur noch bis mittags, danach bereite ich mich und meine Wohnung innerlich auf den Besuch von Freundin S. vor. Wir wollen heute Abend lecker essen, Getränketrinken, uns über Frau Klum aufregen und dann bis in die Puppen ratschen und so. Das ist schon lange mal dran, und ich freu’ mich da auch richtig drauf. Mit ein bisschen Glück macht Freundin M. auch noch mit, dann werden wir hier ordentlich rumhühnern.

Vorgestern war ich übrigens sehr traurig, dass ich kein Foto von M. machen konnte (Ka-
mera wieder nicht dabei): Als ich zu ihr rüber guckte, stand sie nämlich auf der untersten Stufe der Leiter und kratzte weit vorgebeugt mit einem Spachtel an der Fußleiste herum! Immerhin hatte sie sich dafür die niedrigste Leiter genommen… Aber ich würde sagen, auch die liebe M. braucht langsam jetzt mal ’ne Pause.

"Und?" – "Geht so."

Ich hab’ mir aus Rückenschonungsgründen mal so Einlagen für die Schuhe gekauft. Und damit ich die vielen Einzelteile nicht verwechsle, sind da so zwei kleine Kästchen draufge-
druckt, in denen in schicker Goldfarbe „L“ und “R“ steht. Nützt aber nix, wenn ich die dann trotzdem falschrum reintu, nämlich mit der Hacke nach vorne. Ich fordere jetzt Totalbe-
schriftung! Mit „hinten“, „vorne“, „oben“, „unten“, „hier bitte drauftreten“ und „gehört in die Schuhe rein, aber immer nur eins auf einmal!“

Renovier, renovier, renovier, renovier, renovier, renovier, renovier…

Eigentlich isses ein kleines Wunder, dass meine beiden Zeigefinger noch kräftig genug sind, die Tasten runterzudrücken. Ich hab’ nämlich Muskelkater so ziemlich überall. Ich glaube sogar, außerhalb meines Körpers.

Und die Arbeit geht nicht alle. Gestern stand ich z.B. 9 Stunden auf einer Leiter, die mir morgens noch 14m hoch vorkam, mittags fühlte sie sich dann schon wie ein natürlicher Teil meines Beinapparats an. Hatte ich schon geschrieben, dass die Baustelle verflixt kalt ist? Bald bin ich so dick angezogen, dass ich mich nur noch millimeterweise bewegen kann. Trotzdem frier’ ich wie eine arme Näherin… Gestern habe ich eine Gewerkschaft gegründet, die nur aus mir selber besteht, und die Hausherrin genötigt, einen Wasserko-
cher aufzustellen, damit ich mir das warme Wasser in die Hosentaschen schüt mal einen Tee kochen kann. Ich hab’ einfach gesagt, wenn sie das nicht endlich macht, fahren die Züge nicht mehr! Das wirkt ja immer.

Der „Schlimme-Sprüche-Mann“ hat mich auch gestern wieder mit allerlei duften Bonmots erfreut. Eigentlich schade, dass ich nicht einfach über psychosomatische Temporärtaub-
heit
verfügen kann. Also muss ich mir doch anhören, dass „die Wikinger in der Regel rote Bärte haben“ und dass man nach einem Arbeitsunfall „als allererstes die Hände aus den Taschen nehmen soll, bevor der Rettungswagen kommt. Sonst isses kein Arbeitsunfall! Hähähä!!!“ Inzwischen bin ich zu entkräftet, um mich zu wehren…

Und dann sitz’ ich hier, versuche, meine restlichen Kräfte zu sammeln, dieweil ich die „Frühschicht“ auf Radio Unerhört Marburg höre. Und watt machtadie HikE? Gerade neulich bedank’ ich mich noch, dass sie nix über J. Rush geschrieben hat, da spielt die die olle Knödelfrau volle Pulle in der Sendung, dass mir hier der Kartoffelteig nur so ausse Boxen quillt! Na wachte! Wo ich doch im Moment zu schwach bin, den kleinen Lautstärkenupsie auf „leise“ zu drehen…