Oben, unten und dazwischen

Das war vielleicht ’ne Woche! Da war wirklich alles dabei, was ein Stimmungsbauchladen so anzubieten hätte, wenn es sowas Unheimliches denn gäbe… Hier hängen noch viele Sätze in der Luft. Aber auch, wenn Zwei dann schweigen, finden sie manchmal zu was, das ohnehin nicht gut in Worten gesagt werden kann.

Nachdem ich nun gestern auf dem Bahnhof den Abschied von meinem liebsten Besucher wieder mal tapfer überstanden hatte, bin ich gleich zu meinem nächsten Einsatz gehas-
tet: Freunde M. und A. mit der lütten M.N. ziehen ja in zwei Wochen um und brauchen dringend Hilfe beim Renovieren ihrer neuen Wohnung. Wie dringend, sah ich, als ich dort ankam. Ich kann ein bisschen praktisches Tun im Moment ganz gut gebrauchen, aber: Jungejunge, da steckt noch Arbeit drin! Oder, wie ich neulich aus dem Fernseher lernte: „Das wird kein Kinderschlecken!“ Die kleine M.N. würde es wahrscheinlich auch nur kurz-
fristig dulden, von ihren Eltern abgeschleckt zu werden, dann gäb’s sicher irgendwann Gemaule.

Die Renoviererei hingegen wird sich lohnen, denn die Wohnung ist groß und toll, in einer hübschen Gegend und der Vormieter hat 53 Jahre drin gewohnt. Leider ist sie nicht im Haus meinem gegenüber, so wie die alte, aber ich durfte ja auch wieder mal nicht mit-
reden…

Aber Tapetenabkratzen darf ich! Komischerweise ist das ja eine „Frauenarbeit“. Ich habe selten Männer bei dieser interessanten, lehrreichen Tätigkeit beobachten können, dabei habe ich schon ganze Paläste renoviert (wenn man’s mal zusammenzählt). Das Interes-
sante ist mitunter, welche hübschen oder grässlichen Tapetenmuster aus vergangenen Zeitschichten frei gekratzt werden können. Das Lehrreiche fällt mir jetzt gerade nicht ein. Der Vormieter hat jedenfalls einen beträchtlichen Teil der 53 Jahre mit dem Übereinander-
kleben von langweiligen Tapeten und dem wahllosen Verlegen von elektrischen Leitungen zugebracht. Aber als kleine Überraschung hat er immerhin schöne Stuckdecken hinter einer Deckenabhängung aus Hartschaumplatten versteckt.

Jedenfalls arbeitet dort auch ein Herr mit, der irgendwie zur Familie gehört und den gan-
zen Tag nix wie Unsinn redet. Das meiste versteht man zum Glück sowieso nicht, weil er wie ein Zahnloser spricht, aber wenn man doch mal was versteht, ist es eigentlich immer dümmlich-zotig. Gestern erklärte er mir beispielsweise, der Vorteil daran, ein Kleinkind zu sein, sei der, dass man allen Frauen einfach an den Busen fassen dürfe. Nu joh, ich hab’ da jetzt ohnehin kein großes Verlangen in dieser Richtung, aber ich bin eigentlich auch ansonsten ganz froh, nicht mehr unter 1m Körpergröße zu sein. Ich käme ja sonst kaum an meinen eigenen Busen dran.

Das restliche Gefasel von dem Mann habe ich dann einfach mit lauten Spachtelschabe-
geräuschen zugedeckt. Überraschend, dass ich dieses metallische Gekratze manchmal doch ganz gern höre… Zum Glück kam später Freundin M. dazu und wir konnten uns z.B. darüber unterhalten, wie das wohl kommt, dass Männer bei einer einfachen Tätigkeit wie dem Zähneputzen oft den ganzen Badezimmerspiegel einsauen. Muss eine besondere Technik sein. (Übrigens hat sie damit angefangen, nicht ich.) Die dürfen das aber gern, wenn sie ansonsten lieb sind. Man möchte ihnen gutmütig durchs Haar wuscheln und sagen: „Du bist mir vielleicht einer…!“ M. könnte es sogar auf Japanisch sagen. Sie könn-
te dann aber auch ganz was anderes sagen, A. würde es wahrscheinlich ohnehin nicht merken.

Heute ist übrigens renovierungsfrei, damit die neuen Nachbarn nicht schon vor dem Ein-
zug durchdrehen und sich vornehmen, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zurück zu krachen und meinetwegen nachts um drei im Wohnzimmer den Laubsauger anwerfen oder so. Morgen geht’s dann weiter mit Putzen und Streichen. Und leider wohl auch mit den Zoten. Nehm‘ ich halt den breiteren Spachtel.

Gebongt!

Nee, ich bin nicht verschollen, ich hab’ bloß gerade mal wieder charmanten Besuch, darum bin ich dieser Tage so unbloggig…

Am Sonntag haben wir ja nun wie angekündigt mit Sachen geworfen und prompt scheint seitdem die Sonne. Wenn wir das nicht sauber hingekriegt haben! Nur das mit dem Wind, das müsste nicht sein. Beim Kastanienschmeißen haben wir lecker Sekt getrunken und sind dann kichernd zum Maschsee gewandert, weil es da nämlich gute Pommes gibt. Und auf den guten Pommes ist auch anständige Mayonnaise drauf, ganz genau wie jetzt auf meinem Mantel, denn es war wirklich ziemlich windig am Sonntag.

Den Rest des Tages verbrachte ich dann mit beiden Unterarmen in geschmolzener Scho-
kolade, weil ich Trüffelpralinen für die liebe Freundin S. gemacht habe. Sie hatte zwar schon längst im Januar Geburtstag, aber hätte ich die Pralinchen schon im Januar gebas-
telt, dann hätten sie jetzt, zum Zeitpunkt des Endlich-Hinfahrens, ja nun gar nicht mehr geschmeckt. Caramel- und Amaretto-Marzipantrüffel übrigens, die mir ganz gut gelungen sind. Das findet der Besucher auch, und schnürt jetzt immer mal um die beherbergende Blechdose herum.

Gestern, nach einem Stadtbummel, – also eigentlich wollten wir bloß Bärlauchbrot kaufen, es gab aber noch keins, weil die Bären im Schwarzwald wohl noch nicht abgelaucht haben, und dieser speziell schwarzwäldische Bärlauch aber nötig ist für dieses besonders leckere Brot -, wurden wir Zeuge, wie Lebensmittel auch ganz ohne Gentechnik stark ver-
ändert werden können. Nein, es wurde leider kein normaler Lauch in Bärlauch verwandelt, sondern eine Tomate in ein Ei, und dann wieder in eine Tomate. (Dabei fällt mir ein, dass ich selber mal eine Riesenerdbeere in ein Ei verwandelt habe! Das war eine Bildretusche für ein Kräutersalz. Ein Kind saß auf einer Bank, aß nun ein leckeres Ei, wo vorher eine Beere gewesen war und schien sich nicht im Mindesten über die Geschmacksverände-
rung zu wundern.)

Wir wollten jedenfalls gern gebackenen Schafkäse essen. Dazu gibt es normalerweise etwas müden Salat und ein lustiges Mangochutney. Das schmeckt viel besser, als man denkt. Ganz früher, als das Gericht noch neu auf der Karte war, gab es Tomatenscheiben dazu. Ich fand auch immer, dass das die ideale Ergänzung zu diesem leckeren Schafkä-
se sei, und war enttäuscht, als man die Tomaten eines Tages anscheinend in andere Salate abkommandiert hatte und stattdessen geraspelte Zucchini und Möhren zum Käse tat.

Deswegen erkundigte ich mich gestern bei der Tablettmamsell, ob es wohl machbar sei, dass ich ein paar Tomatenscheibchen dazu bekommen könne. Augenblicklich sah ich, dass ich sie verunsichert hatte. So schräge Wünsche waren ihr offensichtlich noch nicht untergekommen. Ratlos hob sie die Schultern: sie wisse nicht, wolle aber mal fragen gehen…

Ein Weilchen später kam sie ganz aufgeregt zurückt und sagte den eigentlich sehr hüb-
schen Satz: „Die Küche hat gesagt, ich muss ein Ei bongen!“ Ich schaute fragend, worauf sie noch dranhängte: „Das kostet 80 cent!“ Sie riss die Augen auf und hielt sich an ihrer kleinen Piepskiste fest, die heutzutage diese kleinen Kellnerblöckchen ersetzen. Ich also: „Ja, wenn sie das müssen, dann machen Sie das doch ruhig…“

Und dann warteten wir bestimmt eine halbe Stunde auf unser „gebongtes Ei“. Vielleicht hatte die sprechende Küche Probleme, das Ei aus dem Bongapparat wieder raus zu kriegen. Oder sie kochten die arme Tomate hart und versuchten, sie in einem Eierbecher zu stecken. Jedenfalls schien unser Wunsch starke Bremswirkung zu haben. Mein Besu-
cher hatte schon einen richtigen Hunger-Ast und war kurz davor, selber mal mit dieser ominösen Küche zu sprechen, als endlich die Teller kamen. Und siehe da: Das Ei hatte sich wieder in eine Tomate verwandelt! Und sie war nicht gekocht und auch nicht gebongt, sondern nur in Scheiben und schmeckte nach nix.

Ei_Bon

 Dafür haben sie übrigens das Dressing(!) weggelassen.

Dressing!

Beim Einkaufen:

A: „Dann mache ich uns einen Gurkensalat dazu, ja?“

B: „Au Lecker!“

A: „So, hier hab’ ich die Gurke schon mal…“

B: „Gut. Was brauchst Du denn noch dazu?“

A: „Dressing.“

B: „Ach nee. Und was brauchst Du dafür?“

A: „Ja. Dressing!“

B: „Ja, Essig und Öl? Hätt‘ ich zuhause… Zitrone?“

A: „Ja. Nein.“

B: „Oder Joghurt und Kräuter, oder wie?

A: „Nein! Dressing.“

B: „Dill?“

A: „Nee, Dressing!“

B: „So Pulver? Aus der Tüte?“

A: „Neiiiiin! Doch kein Pulver! … Dressing!“

B: „Jetzt sag’ doch nicht andauernd Dressing zu mir! Herrjeh! Was brauchst Du denn dafür, das will ich doch nur wissen…“

A: „Ja, sag’ ich doch die ganze Zeit: Dressing! Ich brauch’ Dressing!!!

B: „???…!!!“

A (aufgeregt): „Das gibt es hier nicht! Dressing! Zuhause kaufe ich immer so ein leckeres bei K***! Aber das gibt es hier nicht.“

B: „Manno! Wieso sagst Du das denn nicht einfach gleich? Und was jetzt?“

A: „Ja. … – Weiß nicht?“

B (abwartend): „…“

A: „???“

B: „Los! Wir kaufen jetzt ein Tütchen! – Ich hab’ die Faxen dicke hier mit Dressing…

"Hallo? Wer ist denn da?!?"

Vor ein paar Tagen schon hatte ich die neuen Bücher bei der Post mitgehen lassen und mich noch gewundert, dass ich diesmal gar kein Kärtchen bekommen hab‘. Gestern lag’s dann doch noch im Kasten, und ich muss sagen: Das haben sie fein gemacht da, die Kartenleute in der Marketingabteilung.

Telefonbuch

Sonst hätte ich jetzt gar nicht gewusst, dass im Telefonbuch neuerdings satte 30% mehr Inhalte drin sind. Wow! Dabei fühlt es sich noch nicht mal schwerer an! Haben sie sich denn jetzt einfach noch 150.000 Namen mehr ausgedacht? Oder haben sie mal eben den Zeilendurchschuss vergrößert, damit mehr Seiten rumkommen? Das würde auch erklären, warum das Gewicht gleich geblieben ist: Höhere Zeilen wiegen ja nix. Aber nö, sieht alles ganz normal aus.

Detail_Telefonbuch

Gar nicht mehr eingekriegt habe ich mich aber über die „Nutzerführung“. Die ist jetzt nämlich alphabetisch sortiert! – Spitze, oder?

Früher haben sie ja alle Inhalte einfach so reingekübelt und man musste auf gut Glück drauflos suchen. Bestimmt kam es häufig vor, dass Leute dann einfach nach ein paar Stunden Egalwen angerufen haben. Und ganz bestimmt haben sich so manchmal beim Plaudern die tollsten Neufreundschaften ergeben. Na, damit ist’s natürlich vorbei, – aber man spart jetzt eben total viel Zeit; – die kann man ja zum Beispiel verschlafen oder so.

Find’ ich super.

Sonntag fliegt sie!

Beinahe hätte ich sie schon vor zwei Wochen rausgeschmissen, denn es sind ja schon überall Knospen an den Bäumen; – manche blühen sogar schon! Aber dann kam’s eben doch noch nicht dazu. Das liegt an den besonderen Umständen in diesem Jahr. Zum ers-
ten Mal soll sie nämlich nicht alleine fliegen, die kleine Taschenbewohnerin. Sie hat sozu-
sagen eine nette Flugbegleiterin bekommen.

Und2_Kastanien damit diese fliegen kann, muss
ihr Werfer erst extra aus der Ferne anreisen. Ja, die Logistik von Groß-
ereignissen…

Jedenfalls: erfreulicher Weise
tut er das auch, und zwar am
Wochenende. Und dann flie-
gen diese beiden Hübschen
ins Ungewisse. Einen Para-
belflug werden sie wohl nicht hinbekommen, aber Parallelflug
ist durchaus im Bereich der Mög-
lichkeiten. Dazu gibt’s vielleicht noch ein Schlückchen Sekt, um den Winter zu verabschieden und den Frühling wach zu prosten.

Vielleicht wird er dann ja sogar wirk-
lich mal richtig munter, auch wenn’s
im Moment noch nicht recht danach aussieht. Die Kastanien haben jetzt aber lange genug in den Taschen ge-
wohnt, meine ist sogar immer von einer in die andere umgezogen… Mit den Finger-
spitzen erkenne ich nun jede Rille und jede Delle.
Übrigens die rechte da, das ist sie. Ich finde, man
kann sie ganz gut wieder erkennen.

Rebhuhn wird zwar nicht extra anreisen, aber sie hatte mir ja neulich hier einen Kommen-
tar geschrieben, dass auch sie und ihr Freund noch ihre flugbereiten Kastanien haben. Sie hatte außerdem vorgeschlagen, wir könnten uns doch auch zum Werfen verabreden! Darü-
ber habe ich mich riesig gefreut, und vielleicht gibt es ja auch noch ein paar Leutchen, die so kleine Schrumpelmieter haben. – Annemikki, was ist mit Dir? – Netrat? (Naja, sie sam-
melt Wespengallen, die wird sie wahrscheinlich nicht wegwerfen wollen, aber vielleicht irgendwas anderes?)

Bestimmt ist das der Anfang einer mittelgroßen Bewegung: Die der Kastanienwerfer! Ich finde, das ist eine ausgesprochen hübsche Bewegung und stelle mir vor, wie wir jedes Jahr mehr werden. Es ist ein schönes und tröstliches Gefühl, die Taschenkastanie in die Hand zu nehmen, an das nahende Ende des Winters zu denken, und zu wissen, da sind noch ein paar, die machen das auch.

Also, das wird jetzt wahrscheinlich den Meteorologen nicht so gefallen, aber ich schlage mal vor: wir beenden den Winter dann übermorgen um zwölf.

Volker, häng‘ meine Gardinen auf!

Ich muss schon den ganzen Morgen an Volker denken. Ihr wisst schon, den, der immer diese Signale hört. Bestimmt kommt jetzt gleich einer und sagt: „Das heißt aber doch Völker!“ Als wenn Völker ein anständiger Namen wär’… Jedenfalls war ich heute Vormit-
tag ungeheuer fleißig, habe drei Paar Gardinen abgehängt, gewaschen, gebügelt (jaha, gebügelt… Die sehen sonst wie Altpapier aus.), aufgehängt. Und immer, wenn ich die Leiter hoch stieg, summte ich: „Auf zum letzten…“ Nur, dass ich das eben dann doch glatte sechsmal mit der Gardinenstange gefochten habe.

Und weil ich schon mal auf der Leiter stand, habe ich meine Regalwand mal von oben gestaubwischt. Als ich fertig war, hörte ich einen Satz, der normalerweise nicht zu mei-
nem Repertoire gehört, nämlich: „Na, die hat’s aber echt mal nötig gehabt!“ Und weil ja sonst keiner da war, muss ich den wohl selber gesagt haben. Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist. Den Pony habe ich mir auch geschnitten, und dann noch einigen Blumentöpfen ein paar Händevoll frischer Erde spendiert. Übrigens liegt draußen etwas Schnee, dabei habe ich gestern am Telefon noch fest behauptet, Hannover sei wohl die einzige Stadt in Deutschland, in der es in den letzten beiden Tagen nicht geschneit habe. Das haben wir jetzt davon, tut mir leid.

Ab sofort werde ich also behaupten, dass es in Hannover eigentlich dauernd und ständig schneit, und dass mehr Schnee nun eigentlich gar nicht nötig tut. Wenigstens scheint die Sonne. Deswegen kann man auch ganz deutlich sehen, dass ich zwar vor drei Wochen die Fenster geputzt habe, aber sie jetzt trotzdem irgendwie schon nicht mehr zu den fri-
schen Gardinen passen. Und weil mich das irritiert, gehe ich jetzt raus und gucke mir den Schnee an (der ja ganz sicher gleich wieder verschwindet), damit ich Irgendjemandes Enkeln später mal davon erzählen kann.

‚Wildes‘ aus’m Fundus

Untenrum-OtterImmer, wenn Freundin T. hier zu Besuch war, und sie im Flur steht, um ihre Jacke anzuziehen und ihre vierhundert Sachen zu schultern, guckt sie an meine Fitzelwand und grient. Manchmal sagt sie auch: „Im-
mer, wenn ich das Bild da sehe, muss ich grinsen.“ Als ob ich das nicht selber sehen würde!

Ich muss aber selber noch manchmal grin-
sen, dabei habe ich das Foto bestimmt schon vor 6-7 Jahren gemacht, damals noch per analoger Kamera. Ich gehe beim Einkaufen nämlich oft an dieser Litfasssäu-
le vorbei und dachte damals: Sieht ja ulkig aus, die zwei Plakate da, besonders von Weitem. Morgen nimmste mal die Knippse mit… Im dritten oder vierten Anlauf klappte das dann sogar.

Jedenfalls wirkt das Foto besonders gut, wenn man die Augen beim Begucken ein bisschen zukneift.