draußen wird es zunehmend kalt und zugig, die Tage werden kürzer, immer öfter weckt morgens der Laubbläser. Schon bald werden Mantelkragen hochgeschlagen und dicke Wollmützen aus dem Schrankdunkel gekramt. Das Licht wird weniger, und das verträgt nicht jeder gleich gut. Melancholie oder sogar depressive Stimmungslagen klopfen an. Zeit also für das bewährte Gegenmittel. Zeit, sich etwas Warmes & Gutes zu tun und für Herbst und Winter vorzusorgen, indem wir uns eine tröstende Hand- schmeichlerin zulegen. Nicht wenige von Euch haben mir ja schon geflüstert, dass sie ihre diesjährige Kastanie bereits gefunden und adoptiert haben. Für alle anderen gilt: Raus mit Euch, Taschenbollen suchen!
Diese sollen über die kalten Monate in unseren Mantel- taschen wohnen und uns daran erinnern, dass es irgendwann ja wieder Frühling werden MUSS. Denn dann werden wir an einem ganz bestimmten Tag alle (jeder an seinem Ort) unsere Kastanien hervorholen und mit ihr die kalten, dunklen Stunden des Winters weit fortwerfen. Dorthin ist’s von hier aus ein ziemlich langer Weg, und bis wir wieder soweit sind, soll sie unser lieber Gast sein.
Mitmachen? Ist ganz einfach:
Finde eine Kastanie. Die erste, die Dir vor die Füße rollt, ist Deine Winterkastanie. Deine Taschenbewohnerin. Deine Bollenfreundin. o
Knips‘ ein hübsches Foto von ihr und schreibe in den nächsten Tagen einen kleinen Blogeintrag, in dem Du hierher verlinkst. Das da oben rechts ist meine Kleine. Ich hab‘ sie schon vor zwei Wochen gefunden, inzwischen ist sie deutlich angehutzelt. (Das sage ich ihr aber nicht. Ich weiß ja nicht, ob sie vielleicht eitel ist.) o Du kannst übrigens, wenn Du magst, gern das obige Text-Banner in Deinen Eintrag einbauen. Du findest es in meinen Medien. Schön wäre es, wenn Du das tag „Kastanienbewegung“ verwenden würdest. o
Kommentiere hier und füge in Deinen Kommi den link ein, unter dem ich Deinen Eintrag finden kann. (Auch wenn Du kein Blog hast, kannst Du natürlich gern mitmachen! Dann wäre es toll, wenn Du mir zumindest einen Kommentar hier lässt. Sonst weiß ja niemand davon…) o
Ich nehme Dich dann in die Liste der Teilnehmer auf und verlinke wiederum zu Deinem Blog.o
Die Kastanie wandert nun in Deine Mantel- oder Jackentasche. Dort bleibt sie bis zum Frühjahr. Wenn Du die Jacke wechselst, wandert die Kastanie natürlich immer mit, denn sie soll ja bei Dir sein, wenn Du draußen unterwegs bist und es dort mal ungemütlich wird. Dann seid Ihr schon mal zu zweit. Und außerdem sind da ja noch all die anderen Kastanienbeweger, denen es womöglich gerade ebenso geht. Es hat sich herausgestellt, dass das gegen Trübsinn ausgezeichnet hilft. 😉 o
Wenn es in einigen Monaten dann ganz langsam wieder heller, wärmer und zartgrün wird, dann rufe ich hier einen bestimmten Tag, eine bestimmte Stunde aus, zu der jeder von uns (an seinem Ort), die Kastanie wieder hervorholt, sich freundlich bei ihr bedankt, und sie dann mitsamt dem Winter weit, weit, weit fortwirft. So läuten wir den Frühling ein! Wirst sehen, bis dahin wird sie Dir ans Herz gewachsen sein, und sie dann wieder „frei“ zu lassen, wird ein besonderer und auch feierlicher Moment sein. Das ist jedes Mal so, und je mehr von Euch mitmachen, umso schöner wird’s.
So, und jetzt freu‘ ich mich auf Euch, Eure Kastanien und Eure Einträge!
PPS: Wer nahezu verzweifelt, weil er/sie unbedingt auch mal mitmachen will, sich aber nach Kastanien bekloppt gesucht hat, und sogar im Stadtpark (wo’s eigentlich immer welche gibt) keine einzige, klitzewinzige gefunden hat, kann mir eine PN mit Adresse schicken. Ich habe einen kleinen Vorrat an von theobromin’scher Hand gesammelten Kullerbollen, die ich zur Not auf Reisen schicken würde…
Die Treppen sind nämlich, das habe ich am Wochenende wieder mal eben persönlich nachgeprüft, fast immer so konstruiert, dass man sie unmöglich benutzen kann, wenn man eine Schuhgröße zwischen 32 und -nasagenwirmal- 168 hat. Für noch kleinere Füße sind die meisten Stufen kein Problem, denn diese sind so schmal, dass ich sie eigentlich seitwärts betreten müsste. Für richtig große Füße gibt’s dann noch die andere Sorte: Die Ultrabreitstufentreppe. Als normal gewachsener Mensch kann man jedoch auf beiden kaum bequem laufen, keine Ahnung, wie die Holländer das hinkriegen. Überall bauen sie diese verrückten Dinger in teilweise enormer Länge hin! Unsereins meint dann immer: Eigentlich hätt’s hier genauso gut eine Rampe getan. Eben eine steile oder flache, je nachdem.
Was Holländer dagegen richtig gut können, ist Sachen frittieren. Jedenfalls habe ich mich das ganze Wochenende von Frites, Kibbeling, wieder Frites und Zeug ernährt. (Und zurück in Duisburg beim Thai Sonntagabend gleich noch mal Frittierte-Vorspeisen-Platte und gebackene Banane. Dann war’s aber wirklich genug.) Zwischendrin gab’s zur Abwechslung eine ziemlich schlecht gesicherte Pizza, von der mir das, was meinen Mund erreichte, aber sehr gut schmeckte. (Und es ist übrigens ganz schön niedlich, wenn holländische Kellner einen auf schwungvoller Italiener machen.)
Das Wetter war der Jahreszeit angemessen. Also, mal so und mal so. Wenn es so war, saßen wir eben drinnen. Und wenn es wieder so war, gingen wir z.B. barfuß am Wassersaum entlang. Schließlich hatte ich einen therapeutischen Auftrag und sollte einen weißen Stein finden! Und jetzt finde mal einen Stein am Domburger Strand! Das gibt’s nämlich keine! Sand, Möwen, Muscheln, Tobehunde, Algengedöns, Drachensteiger, … – alles voll! „Steine gibt’s hier nicht. Das ist ein Sandstrand.“ stellte der Liebste trocken fest, aber ich glaubte ihm natürlich nicht. Tagelang drehte ich Muscheln um und rief mehr als mehrfach: „Verdammt! Das gibt’s dochnich!“ oder sogar: „Ach, am Arsch! Wieder ’ne Muschel!“ Doch am Sonntag lag da endlich einer: Ein kleiner weißer Stein. Wozu ich den brauche? Na, das behalte ich für mich. So. Aber ich kann nun verkünden: Domburgs Strand ist jetzt in der Tat absolut steinfrei.
Die kuschelige Pensionsdoppelvilla (mit Prachtkastanie von dem Haus!), in der wir wohnten, wird von einem sympathischen Ehepaar geführt. Um uns herum Kölner, Essener und Holländer. Man erkennt sie sehr gut daran, wie sie die Treppen herunter in den Frühstücksraum kommen. Das Frühstück selbst war liebevoll bereitet, lecker und sogar gänzlich unfrittiert. Unser Zimmer war direkt unterm Dach, weswegen wir nachts sogar Sterne gucken konnten. Leider auch unterm Dach, nämlich ebenfalls im hübschen Pensionszimmer, wohnte ein kleiner Kühlschrank, der aber brummen konnte wie ein großer. Im 10-Minuten-Takt sprang er uns ins direkt Ohr, bis ich rigoros den Schalter auf „aus“ zwirbelte. Zumindest nachts konnten wir auf die Kühlung der putzigen kleinen He*neken-Bouteillen, die wir uns da immer holen, ja verzichten. Hauptsache man weiß, wie sie, wenn sie kalt genug sind, aufgehen… Was der Kühlschrank konnte, vermochte die Heizung übrigens bedauerlicherweise noch nicht. Nämlich zutraulich brummen. Nicht mal ganz leise. Aber dafür waren wir ja nu‘ zu Zweit…
Ich habe, das habe ich gestern schon erwähnt, viele Talente. Das mit der Wertverdopplung von Eintrittskarten hatte ich ja dann auch beschrieben. Auf dieses Talent würde ich aber sofort wieder verzichten, wenn ich dafür dasjenige bekommen könnte, mit dem man Lotterielose zu saftigen, lebenslangen Renten umfunktionieren kann. (Wenn ich es allerdings hinbekomme, von den ganzen, neulich gewonnenen 10 Euro meinen Rest- bestand an Lebenszeit sinnvoll zu finanzieren, wäre es mir bereits gelungen. Leider ist es dafür jetzt schon wieder zu spät, der Gewinn wurde bereits verprasst. Und zwar dergestalt, dass es nur so geklingelt hat, Potztausend!)
Ein anderes Talent ist, dass ich, auch ohne Uhr, immer ziemlich genau weiß, wie spät es gerade ist. Ich irre mich selten um mehr als sagenwirmal eine Viertelstunde, oft liege ich tatsächlich nur wenige Minuten daneben. Leider ist dies eine zwar rare Fähigkeit, aber auch eine, die auf dem offenen Arbeitsmarkt nur sehr selten gefragt ist. Vermutlich, weil sie eigentlich nicht zu bezahlen ist. Dabei stelle ich mir das so nett vor: Ich hätte ein hübsches, kleines, ganz und gar puscheliges Büro, in dem eine gemütliche Couch stünde. Neben der Couch eine Leselampe, vielleicht so eine mit Plüschbommeln oder Seidenfransen, jedenfalls so eine mit einer echten old-school-Glühbirne drin, die ein heimeliges Licht verbreitet. Vor der Couch läge ein flauschiger Teppich und auf der Couch drauf: Ich, unter einer kuscheligen Decke. Das Bild würde komplettiert durch einen niedlichen kleinen Beistelltisch in knapper Armlängenentfernung, darauf ein Kistchen feinster Schokoladentrüffel, ein altmodisches Telefon, das noch klingeln kann und nicht etwa enervierend herumfüdelt, und einen waghalsig aufgetürmten Stapel interessanter Zeitschriften.
So, und wenn jetzt einer meiner Kollegen in der natürlich riesigen Firma (ich sag‘ nur: Sozialleistungen!) mal wissen möchte, wann es zum Beispiel Zeit für ein Käffchen, die Mittagspause, andere wichtige Termine oder gar Feierabend ist, dann ruft er mich an, und ich sage ihm dann mit freundlich-weicher Stimme, wie spät wir es jetzt ungefähr fast ganz genau haben. Sehr, sehr nette Kollegen dürfen auch mal vorbeikommen und persönlich nach der Uhrzeit fragen, einen Tee mitbringen, ein bisschen schwatzen und sich eine Handvoll Pralinchen nehmen. Aber wirklich nur die netten. Solche, die kleinen Omis nicht die Tür aufhalten, können mich natürlich mal, die kriegen keine Schokolade.
Sicher seid Ihr mit mir einer Meinung, dass es so einen internen Service dringend in jeder vernünftigen Firma geben müsste, und dass er dann auch gar nicht großzügig genug honoriert werden kann. Was ich bloß nicht verstehe, ist, wieso sich das noch nicht richtig in den Stellenanzeigen durchschlägt. Hm.
Übrigens weiß ich auch ganz genau, wann es Zeit ist, ans Meer zu fahren.
(Foto: Schauzeit)
Nämlich morgen früh. Da geht’s für ein kurzes verlängertes Wochenende nach Domburg/ Zeeland/NL. Zwar nicht in unser heißgeliebtes Strandhuisje, aber dafür in eine nette Pension. (Das war eins meiner tollen Geburtstagsgeschenke im Mai.)
Die dOCUMENTA13 lief ja nach 100 Tagen am Sonntag aus, und so bin ich geschwind am Donnerstagmorgen noch in den Zug und kriege gleich mal Druck. Und zwar auf die Ohren. Man fährt nämlich durch ca. 3874,2 Tunnel, und das wirkt ungefähr so, als würde man im Flugzeug dauernd Sinuskurven rauf und runter fliegen. Ohrenkämmerchen auf, Ohrenkämmerchen zu. Die Rentner um mich herum, die wohl zur Kur oder zum Wandern oder sonstwas nach Berchtesgaden wollen, stört das nicht im Geringsten. Oder das Kauen ihrer Leberwurschtsstullen wirft einen ohrenkämmerchenschonenden Bann um sie. – Magischer Tieraufstrich!
Nach einer Stunde bin ich aber auch schon am Bahnhof Kassel/Wilhelmshöhe angekommen und werde vom Liebsten abgeholt. Er guckt ebenfalls ein bisschen unfrisch, denn auf der Autobahn hat es kraftraubende Elefantenrennen nicht zu knapp gegeben, und die bösen Kopfschmerzen hatte er sowieso schon vorher. Die besten Voraussetzungen also für: Zwei Tage Kunst! Ich sag‘ jetzt aber gleich dazu, dass ich hier über die Kunstwerke im Einzelnen nix berichten werde. Dazu gibt’s wahrscheinlich ohnehin schon 3.000 Blogs. Außerdem, Kunst wird ja doch immer sehr persönlich wahrgenommen. Was den einen umhaut, lässt den andern Koppkratzen oder folgern: „Na, das kann doch jeder!“ Kann er übrigens nicht, aber das ist eine Diskussion für sich. Aber vom Drumherum kann ich ja ruhig ein bisschen erzählen.
Das Auto geben wir im Parkhaus mit dem wohl naheliegendsten Namen für Parkhäuser schlechthin ab:
Als wir zurück auf die Straße treten, sehen wir uns einem Schild gegenüber, das uns freundlich „Beulenpflege + Fahrzeugkosmetik“ anbietet. Klingt schon verlockend, aber wir wollen ja Kunst gucken. Zuerst aber wollen wir noch lieber Getränk gucken. Am Bahnhof ist plötzlich alles lila, und wir haben kurz Angst, versehentlich auf einem Kirchentag gelandet zu sein, aber dann scheint die Sonne so schön, die Getränkemamsell nennt mich „Gnädigä Frrrau“ und mir ist alles gleich. Ich will nur hier sitzen und mit meinem Kandis rumknuspern.
Was wir aber von hier aus schon sehen können: Überall Schlangen. Das reinste Terra- rium. Die längste Schlange gehört zum Glück zu einem Angebot, für das wir gar kein Interesse mitgebracht haben. Und im Vergleich schneidet nun die Reihe vor den Ticketschalter geradezu zierlich ab. Um im Bild zu bleiben: Boa Constrictor gegen Blindschleiche. Ungefähr.
Wir sind bald im Besitz zweier 2-Tages-Karten, vor dem Bahnhof zücke ich noch mal den Übersichtsplan, und wir bummeln los, Richtung Documentahalle. Kassel ist -sagenwirmal- belebt. Alles voll mit Leutchen wie uns, die noch schnell die Gelegenheit ergreifen wollen, mal zu gucken. Damit meine ich die dOCUMENTA13, denn Kassel selbst…, naja. Ich bin ja nicht so für Städte-Bashing und so. Wer aus Hannover kommt, stellt früh fest, wie sinnlos das ist. Und deshalb bin ich mir sicher: Die Kasselaner wissen bestimmt, wieso sie da so vor sich hinwohnen. Und ein bisschen heimelig ist dieses 50er-Jahrige ja durchaus. Ich muss immerzu an Sonntagsausflüge mit den Großeltern denken.
Vorm Fridericianum, einem der Hauptausstellungsorte, wieder eine Mordsschlange. Wir beschließen, uns das lieber für später aufzuheben, ich zücke noch mal den Plan, und wir bewegen uns weiter zur Documentahalle. Dort merke ich, dass meine Eintrittskarte weg ist. Richtig weg. Futsch. Zusammen mit dem Übersichtsplan aus der Tasche gezogen und ab die Flatter. Ich habe viele Talente. Offenbar auch das, Kunsttrubelkarten binnen 10 Minuten doppelt so viel Wert zu verpassen, denn ich muss mir eine neue kaufen. Also, ich habe 35,00 Euro schon schöner ausgegeben! Für Schokolade zum Beispiel. Da hatte ich anschließend auch viel bessere Laune.
In der Halle aber also nun die erste Kunst. Und total viele Kunstgucker. Man sieht die Kunst kaum. Vor allem erlebe ich sie kaum, weil ich ständig ausweiche, jemandem Platz mache, warte, bis ich auch mal gucken kann… So teilt sich mir nur wenig mit. Mein Liebster hat Mühe, anständige Fotos zu machen, denn alle wollen Fotos machen. Die Kunst wird zwar kaum gesehen, aber dafür fleißig reproduziert. Ich versuche, mich nach außen hin möglichst dicht zu machen (was mir eigentlich immer schwer fällt), um ein bisschen Wirkung aufzunehmen. Und das Eine und Andere gefällt mir dann doch.
Als wir irgendwann wieder rauskommen, scheint die Sonne immer noch und da ist ein freundlicher Rasen. Wir legen uns ein paar Minütchen drauf und beschließen, es als nächstes in der „Neuen Galerie“ zu versuchen. Dort wartet ein großes Schnipselwerk aus 50 Jahrgängen „Life“-Magazin, das möchten wir sehen. Ich mag ja aus Zeitungen Ausgeschnittenes, aber das ist hier nun wirklich keine Neuigkeit. Erst gucken wir uns aber noch amüsant-assoziative Bilderpaare an, bevor wir uns in die Schnipselschlange einreihen. Dem dazu gehörigen Ordner passt nicht, wie wir Wartenden da stehen und er möchte, dass wir uns entlang der Wand im Viereck aufreihen. Es gibt auch so ein Absperrband, das irgendwie konfus herumsteht. Wir wissen nicht, was er will. Und vor allem nicht, warum. Er kann’s auch nicht vermitteln, und schon gibt’s Diskussion. Uns allen ist warm, wir stehen doch hier nur so, ganz freundlich und er „macht nur seinen Job“. Nach einer Weile hab‘ ich rausgefunden, was er meinte, aber da sind wir schon drin und finden die Schnipselkunst prompt gut.
Es ist nun Zeit für ein längeres Päuschen, also verdrücken wir erstmal ganz gute Pommes und fahren dann ins Hotel, um ein Weilchen auszuruhen. Gegen Abend zieht es uns wieder los, den Kulturbahnhof ansehen. Hier fühle ich mich gleich viel wohler, denn die Luft hat sich abgekühlt und es staut sich auch nicht alles so. Einige Installationen sprechen mich an, aber die meiste Zeit bin damit beschäftigt, die Fotos, die ich im Vorfeld gesehen hatte, mit dem Erleben in Einklang zu bringen. Am schönsten sind eigentlich die Sachen, von denen ich vorher nichts wusste, die Klanginstallation an den abendlichen leeren Gleisen zum Beispiel. Hier schweift der Geist dann auch endlich und dabei geht die Sonne kunstvoll unter.
Über den jetzt folgenden Restaurantbesuch könnte ich einen eigenen Eintrag machen. Mach‘ ich aber nicht. Nur so viel: Wir werden wegen Andrangs mit zwei älteren Damen an einen Tisch gesetzt. Die eine hat eine furchtbare Stimme und beginnt ihre Sätze gern mit: „Sorry!..“ Ich mümmle meinen Lady-Toast, so schnell ich kann. Mir tun die Beine ordentlich weh und ich will ins Bett.
Nächster Tag. Wir sind schon morgens total matschig und beschließen, es ganz ruhig angehen zu lassen, Was wir nicht sehen, sehen wir eben nicht. Es ist ohnehin unmöglich, in zwei Tagen alles zu schaffen. Heute soll die Karlsaue, ein riesiger Park im Herzen Kassels, in dem sich locker 30 Kunstwerke und Performances befinden, drankommen. Doch zuerst zieht’s uns in die noch stille Orangerie. Wir finden einen Liebesbriefgenerator und eine Art Sex-o-meter, der bei Handauflegen Geräusche macht. Mein Sexgeräusch scheint ein tiefes Brummen zu sein. Erst als der Liebste dazukommt, steigt der Ton höher, keine Überraschung also.
Im Park umwandern wir dann einen hübsch bunt bewachsenen Hügel, unter dem Zivilisationmüll schlummert und kommen bald zu einem Häuschen mit Garten, das mit Tropenvogelstimmen lockt. Wir treten ein und finden: Wurst. Überall Wurst. In den Regalen, auf den Sitzmöbeln, dem Boden, auf dem Bett. Ich bin vergnügt.
Als ich wieder vor die Tür in den Garten treten will, stehen die beiden jungen Ordner mit dem Rücken zu mir. „Boh, voll runtergedonnert!“ – „Jaaa! Von dem Baum da. Krass!“ Ich schlängel‘ mich vorbei und sehe, um was es geht. Eine Kastanie ist wohl eben wie ein Meteorit vor den Türstufen im Rasen eingeschlagen. Da liegt sie. Da sich die Jungs nicht rühren und schon wieder auf ihren Smartphones rumwischen, ist mir klar: Das ist sie. Punktlandung. Diesmal hat sie mich gefunden. Sofort habe ich verschmitzte Laune und möchte ein Wasser trinken.
Als nächstes suchen wir ein winziges Bootshaus, denn dort soll ein Archiv eingerichtet sein, in dem sich unter anderem Filme von Marina Abramović finden. Diese Frau wird von mir höchstverehrt! Wir finden es auch, doch mit dem Film wird es nichts. Der wird gleich morgens um zehn auf der Leinwand gezeigt, wir sind also zu spät, und die paar Monitore, an denen man was anwählen kann, funktionieren leider nicht mehr alle. Schade ist das, aber ich verschmerze es, wir begeben uns auf die Rückschleife und gucken noch hier und da, kaufen ein Tütchen Kunst-Zwetschgen und etwas Kunst-Mangoldtarte, finden auch noch eine Kastanie für den Liebsten, essen Kekse, gehen eine Limo trinken und das war’s.
Wir beschließen, dass es auch Leute geben muss, die eben nicht im Fridericianum waren, um sich Hitlers Badetuch mit kitzligem Grusel zu beäugen. Nämlich uns.
Im Vorbeilaufen hatten wir außerdem gesehen, dass in einer Kirche, mitten im Geschehen, still und leise eine kleine Balkenhol-Ausstellung läuft. Die gucken wir uns noch in sakraler Ruhe an, das ist ein prima Abschluss.
Fazit vons Janze: Es war gut, endlich mal eine Documenta gesehen zu haben, denn das wollte ich schon sehr lange. Und vielleicht lag’s an mir und meiner Verfassung, aber ich fand es teilweise ganz schön erschöpfend, mich durch die vielen Menschen zu schieben und weite Strecken abzulaufen, – so richtig angezündet hat mich da nichts. Zwar habe ich viel Schönes gesehen, manches hätte ich mir wohl in größerer Ruhe auch noch erschließen können, aber insgesamt war’s mir so zu glatt, zu harmonisch, ich blieb weitestgehend unbeteiligt.
Aber ich würd’s sofort wieder tun! Oder in fünf Jahren.
Hallo, Ihr süßen Hasen! (Das wollte ich Euch schon immer mal als Anrede vorsetzen.)
Im Freundeskreis recken und strecken sich Blogs und werden renoviert oder sogar verpflanzt. Scheint gerade Zeit dafür zu sein, denn auch ich habe hier wieder mal umgeräumt, es ist ein bisschen wie ein Schiebepuzzle… Man muss ja auch aufpassen, dass man sich nicht selbst total verwirrt mit Blogs überall und Webseite und Fatzebuch und Kram. Neulich bin ich jedenfalls erstmal heimlich, still und leise „Pro“ geworden, denn ich will zum Einen bald mal meine ganzen alten Einträge (natürlich samt Eurer ganzen Kommentare dazu!) als PDFs exportieren, zum Andern habe ich ein zweites Blog erstellt und kann so sinnvoll umschichten und meine Schnökerzeugeinträge, die ja verlockend zur Theobromina-Webseite rüberreichen sollen, in einen eigenen Extrablog sortieren. Den hier nämlich. Auch wenn da zeitweilig wenig passiert, ist es für mich immer noch wichtig, mich da ein wenig herzuzeigen und auf der Schiene weiterhin sinnvolle Kontakte zu knüpfen.
Und hier kann ich dann wieder ab und an in altgewohnter Form, eben als die Theo, die Ihr kennt, Einträge hinservieren. Es ist jetzt wohl genug Zeit vergangen und ich habe wieder Lust dazu. Prost.
(Ich fürchte übrigens, eben beim Umschichten der Süßkrameinträge in den neuen Zweitblog sind eventuell kurz mal „Geistereinträge“ in Euren Neue-Einträge-meiner-Freunde-Listen erschienen, weil ich die Zeitstempel zuerst ein bisschen vertüdelt hatte, aber jetzt müsste alles wieder hübsch in Reihe sein.)
Ach so, in diesem Blog tauchen bald wohl (fast) alle alten Posts wieder auf, die ich mal in mühseliger Heimarbeit einzeln privat geknipst hatte. Sind ja bloß umdieungefähr Tausend. Also alles wieder zurück; – das wird ein Weilchen dauern, puh! Aber dann finde ich’s wieder ziemlich sinnvoll aufgedröselt. Mal sehen, wie lange… *g*
Nachtrag: So. Das Archiv ist wieder da. Ich war fix! Aber es war ’ne ganz schöne Reise in die Vergangenheit, Jungejunge. Manches habe ich auch im Keller gelassen, wo es hingehört und von mir aus verstauben kann. -Guckt Ihr eigentlich manchmal Eure alten Einträge durch? Und seid Ihr dann auch so auf Zeitreise? Mir sind eben ständig Sachen wieder eingefallen, die vorher ganz weg waren…
… noch ist ja Sommer, zurzeit sogar mal recht angenehm, doch die Zeichen kündigen bereits zaghaft den Herbst an. Will sagen: Neulich ist mir die erste, klitzewinzige Kastanie über’n Weg gelaufen.
Natürlich ist das Quatsch, denn sie lag eigentlich halb unter einer Brombeerhecke, halb in Brennnesseln, und ein tapferer Recke hat sie mir am langen Arm hervorgeangelt. Aber es dauert nun nicht mehr lang, bis sie ihre dickeren Schwestern herpfeift, und dann geht sie wieder los: Die phänomenale, internationale, lichtbewahrende, über-den-Herbst/Winter-wärmelnde Kastanienbewegung. Und weil es zum jeweiligen Starteintrag oft ungefähr solche Kommentare gab: „Das ist ja mal ’ne hübsche Idee, da würd‘ ich ja gern mitmachen, aber jetzt finde ich doch nie und nimmer mehr eine Kastanie!“, hier eben also mal diese kleine „Vormerkerei“. Wem somit jetzt in den nächsten Tagen und Wochen eine Kastanie vor die Füße rollt, der kann sie vorbereitend einsammeln und steht, wenn’s bald losgeht, gut da.
Hier noch mal eben die Idee, sowie die Regeln in Kürze (Ausführlicheres findet sich in den älteren Einträgen dazu):
Idee: Da ich zum Herbst hin immer ein bisschen schwermütig und melancholisch werde, weil ich die Dunkelheit und ungemütliche Kälte, die sich dann für ein halbes Jahr einstellen, nicht besonders mag, fing ich vor vielen Jahren mal an, mir jeweils die erste Kastanie des Jahres in die Jacken-/Manteltasche zu stecken. Sie sollte mich einfach daran erinnern, dass es irgendwann auch wieder hell und warm werden wird. Also blieb sie einige Monate und tröstete mich als Handschmeichlerin, bis endlich der Frühling wieder auftauchte, ich sie wieder in die Freiheit werfen konnte und mit ihr die dunklen Tage und mumpeligen Stimmungslagen. Nachdem ich diese Geschichte vor einigen Jahren hier erzählt hatte, gab’s zu meiner freudigen Verwunderung nicht wenige, die mitmachen wollten und es entstand die jährliche Kastanienbewegung. – Wie geht die nun?
Regeln: Im Herbst rufe ich also hier den Start aus. Wer mitmachen möchte, braucht bloß eine frisch gefundene Kastanie, schreibt einen kleinen Blogeintrag (möglichst mit Bildchen der kleinen Runden) und verlinkt darin freundlicherweise hierher zum Startartikel. Wer keinen Blog hat, kommentiert einfach unter dem Startartikel. Ich nehme dann alle Teilnehmer (samt Verlinkungen) in meine Liste auf.
Dann tragen wir die Kastanie bis zum Frühjahr in unseren Jacken- und Manteltaschen herum, wo sie uns z.B. bei besonders zugigem Fieswetter daran erinnert, dass wir erstens nicht alleine sind, und zweitens es bald ein gemeinsames Aufatmen gibt. Wenn es dann deutlich Frühling wird, rufe ich hier einen festen Termin an einem Wochenende aus, an dem wir gemeinsam (jeder an seinem Ort, Grüppchenbildung ist jedoch sehr erwünscht und hat’s auch schon gegeben!) die Kastanie mit Schmackes weit fort in die freie Wildbahn zurück werfen.
Jetzt wundern sich vielleicht welche, weil hier bisher nix vom KaterMurr stand, dem ich die Bewegung vor zwei Jahren angetragen hatte und der sie wirklich liebevoll betreut und umgesetzt hat, wofür ich ihm zutiefst dankbar bin. Damals brauchte ich dringend Abstand von blog.de und hatte mich auch bereits innerlich verabschiedet. Nur die Bewegung sollte eben nicht eingehen, und der liebe Murrekater machte und tat, illustrierte, bastelte und kümmerte sich rührend, für und für!
Na, und mittlerweile kommen zwei Dinge zusammen: Er hat inzwischen zu meinem großen Bedauern verflixt wenig Zeit zum Bloggen, was furchtbar schade ist, und ich habe so langsam wieder Lust, mich hier öfter zu zeigen. Und darum ist die Kastanienbewegung nun wieder zurückgewandert an den Ursprungsort, so ist das.
KaterMurr, wir danken Dir herzlich für’s Hochhalten der Kastanie!
Das musste unbedingt gesagt werden. – Na, und Ihr geht Euch mal schön umgucken, denn zum Startschuss kann es jetzt nicht mehr so lang sein! Ich habe übrigens wispern hören, dass man Kastanien besonders oft unter Kastanien findet, – wenn Ihr wisst, was ich meine…