ich bin ebenfalls auf der anderen Seite angekommen!
In der Silvesternacht wurde sehr gut gegessen, viel getrunken, geredet, geflucht (das einzig verfügbare Feuerzeug, meins, hatte noch ungefähr 3mm Benzin), mutig geballert, gelacht, warm umarmt, herzlich geküsst und getanzt. (Deswegen lag ich gestern dann auch entsprechend und verdient darnieder. Aua.)
Mit etwas Verspätung wünsche ich Euch also ein „Frohes Neues!“ mit allem Zipp’n’Zapp, weniger Sorgen und mehr Licht.
Mir ist gestern, dank der guten Freundin T. am Telefon, eins aufgegangen. Und ich werd‘ mich jetzt mal drum kümmern, dass es nicht gleich wieder ausgeht…
Das hab‘ ich ja noch gar nicht erzählt! Zwei Wochen ist das jetzt schon wieder her, da waren Freundin T. und ich erneut in der Sauna. Also, als wir rein gingen, waren wir eher renovierungsbedürftig, erneut waren wir erst beim Rauskommen.
Man kennt das ja: erst heiß, dann kalt, dann liegen. Dann Hunger. Wir gehen in den Bistrobereich. (Ich mag ja irgendwie das Wort „Bereich“. Während man sich da aufhält, müsste man doch eigentlich Kohle bis Dorthinaus kriegen, oder?) Freundin T. entdeckt auf dem Nachbarsteller Kartoffelknödel und will sofort auch welche, – egal was es dazu gibt! Mir ist das aber nicht egal, denn sie versucht mir den dazugehörigen Sauerbraten aufzuschwatzen, obwohl ich heute die Entenbrust will, die ich beim letzten Mal leider nicht bekommen habe, weil sie „aus“ war. Da will T. auch lieber Ente, mit Klösschen.
Die Servierkraft ist neu hier und kriegt nichts auf die Reihe. Wir bestellen zweimal Ente, einmal mit Klösschen-wenn-das-geht, einmal normal. („Normal“ ist mit Schupfnudeln, das sind übrigens Klösschen-in-längs.) Dazu wollen wir spontan beide ein schönes, perliges Malzbier. Die Kellnerin gibt alles in eine Art PS2-Controller ein und meint, sie müsste aber erstmal gucken, ob Malzbier überhaupt noch da sei.
„Och nee!“, sage ich, „Machen’se mich nicht schwach… Ich brauch‘ jetzt’n Malzbier!“ Also geht sie nachgucken und kehrt bald darauf zurück: „Malzbier haben wir!“ Dann steht sie kurz da, rollt die Augen und spricht: „Ich müsste auch mal fragen, ob wir noch Ente haben…“ – „Nicht ihr Ernst!!!“ Sie zuckt die Schultern, schiebt ab und kommt wieder: „Doch. Ist auch noch da.“
Kurz überlege ich, noch etwas Drittes zu bestellen, verkneife mir das aber dann doch. Wir müssen schließlich irgendwann auch mal wieder nach Hause, und wenn’s noch so lustig ist. Um den Hunger zu überbrücken, fange ich an, von einer ausgesprochen interessanten Begebenheit zu erzählen. Aber bloß kurz. Der Nachbartisch mischt sich ein und wünscht viel Glück mit der Ente. Wir bedanken uns artig und ich fahre fort: „Jedenfalls hat er…“ Da kommt ein Malzbier. Eins. Diskussion. Ich fahre fort: „Jedenfalls habe ich…“ Da kommt das zweite Malzbier. Ich fahre fort: „Wo war ich? Also…“ Nachfrage: Ob wir denn wirklich nur eine Ente möchten. Nein, wir möchten zwei. Zwei Enten! Eine mit Klösschen, eine normal. Diskussion. Ich lege die Stirn zum Kühlen auf die Tischplatte und seufze laut: „Ichkannimehr!“ Die Kellnerin guckt erschrocken. Freundin T. bekringelt sich. „Ich versu- che hier schon die ganze Zeit, was zu erzählen, stattdessen muss ich immerzu dieselbe Bestellung aufgeben!“ Nun schleichen sich erstmal alle. Unser Tisch ist vorübergehend Bannzone. „Jeeeedenfalls…“, – jetzt habe ich natürlich den Faden verloren, und das Malzbier ist auch noch total warm.
Das Essen kommt. Ohne Besteck. Dafür mit Kännchen. „Sie können sich ja schomma um die Sauce streiten!“ ruft die Serviermamsell schmissig. Mit nachgeliefertem Besteck stellen wir dann fest, dass die Ente in etwa die Temperatur des Malzbieres hat. Mittel- europäische Durchschnittstemperatur, wahrscheinlich. Ich überlege kurz, den Teller später mit in die Sauna…, aber ich hab‘ wirklich Hunger.
(Ach, und von dem Rentner, der die ganze Zeit, mindestens dreimal mit seinen Quietsche- latschen ganz nah am Tisch hin und her gelaufen ist, will ich hier mal lieber gar nicht erst anfangen…)
Später, in dem schon mal beschriebenen wunderschönen Ruheraum mit dem großzügig ausgestreuten „Spezial“granulat, überlegen wir kurz, womit wir denn so einen Raum aus- legen würden. Wir sind uns einig, dass edler Holzfußboden schick passen würde, auch Naturstein oder ein dicker luxuriöser Teppich. Lustiger wären aber noch Reisszwecken, gekochter Sushireis, Kirschtomaten, Luftpolsterfolie…
…konnte ich gestern mal wieder ein bisschen zu Freundin T.s Belustigung beitragen, weil ich mich nämlich irgendwie außerirdisch-stimmbrüchig anhöre und unabsichtigt Kiekser und Pfeitöne einbaue, wo ich’s gar nicht vorhabe. Das liegt aber bloß daran, dass ich total heiser bin. Offenbar springt mich im Moment alles an, was in der Luft liegt. Naja, und wenn man erstmal damit angefangen hat… – Vielleicht macht’s mir ja irgendwann sogar Spaß.
Das Lustige daran ist, dass ich gestern wieder total viel zu erzählen hatte und T. immer bloß ansetzte: „Hab‘ ich Dir denn schon erzählt, dass ich meinen Geburtstag erst im Januar…?“ – „Hast du.“ – „Und dass wir die Reise schon gebucht…?“ – „Neulich am Tele- fon.“ – „Wie nett meine neue Kollegin..?“ – „Bekannt.“ – „Mist. Ja dann musst Du!“ und schon ging das Gekicher wieder los.
Ich glaube, die Nachbarn denken, ich hätte mir einen sprechenden Raben angeschafft.
Eben stand ich schon an der Straßenbahnhaltestelle und wollte zur Arbeit, als ich ich gemerkt habe, es geht einfach noch nicht. Mir ging’s zum Freitag hin eigentlich wieder gut, aber dann hat’s mich am Wochenende mittenmal umgerissen. Seit drei Tagen bös- artiges Magenkniepen, Bauchweh und einen Presslufthammer im Kopp. Und essen kann ich natürlich auch nichts, außer mal ein Zwiebäckchen und gestern ein halbes Tellerchen weißen Reis mit nix. Und deswegen seh‘ ich auch so ca. aus wie der Tod auf Latschen. (Sowas pflegte meine Mutter früher gern zu sagen, alternativ zu: …wie’n Schluck Wasser in der Kurve. Was Passenderes fällt mir grad‘ leider nicht ein.)
Also geh‘ ich lieber mal gleich zum Arzt, obwohl ich mir am liebsten nur noch die Decke über’n Kopf ziehen möchte. Aber es muss ja sowieso auch Tee und sowas eingekauft werden und vielleicht tut mir die frische Luft ganz gut…
Ach so, und was ich auch noch vermelden wollte: Die Jobaussichten in Braunschweig haben sich jetzt doch erledigt. Zwar schade, denn das wäre eine hübsche Überraschung geworden, aber realistisch gesehen ist es einfach nicht zu machen. Ich bleib‘ aber dran, im Moment habe ich gerade wieder ein paar Bewerbungen unterwegs. Für eine davon drücke ich mir selbst ganz doll die Daumen, denn da hätte ich auch wirklich große Lust drauf. In den nächsten Tagen rufe ich dort mal an und horche, wie die Stimmung ist…
Also ehrlich, hier habe ich lange nicht gele- gen… Tja, trauriger Mangel an Gelegenheit.
Aber ich bin gerade mal ein bisschen krank geschrieben und wo könnte man überraschend geschenkte Zeit besser verstreichen lassen als auf einem gemütlichen Sofa. Mit einer schönen Tasse Tee, warm in meiner Hand, die heute mal ganz ohne Eile getrunken werden kann.
Damit bin ich schon direkt beim heutigen Thema, das seit Wochen klammheimlich immer ein Stückchen näher an mich rückt, wie ein schüchterner Verehrer neben einem auf der Parkbank. Heute hat er dann endlich seinen Arm um mich gelegt und ich genieße das.
Die Sinnlichkeit hat mich wieder.
Nein, hier geht’s nicht um Sex… Jedenfalls nicht vordergründig. Wer was über Sex lesen möchte, muss auf der Plattform nicht lange suchen, bis er unter eine gelüpfte Bettdecke schauen darf. Der Brominen Decke bleibt gefälligst ungelüpft.
Es geht ja bloß um Schmecken, Riechen, Hören, Sehen, Fühlen.
Ungefähr seit einem Vierteljahr schleicht er sich wieder an, einer meiner liebsten Lebens- begleiter, der Geschmackssinn, der Hochgenuss beim Essen. (Nicht ganz umsonst zeige ich der Welt schließlich meine Zunge.) Natürlich habe ich auch vorher alles schmecken können, aber ich hab‘ immer wieder Phasen, in denen ich verstärkt zur Geschmacksjäge- rin werde. Dann will ich Neues, Ungewöhnliches, noch unbekannte Kombinationen, mir Gutes tun, mich verwöhnen und mal überraschen. Und dann darf es gerne, muss aber gar nicht unbedingt Schokolade sein. Ein feiner Wein, ein gutes Brot, ein neues Gewürz tun’s auch. Sich etwas genussvoll auf der Zunge zergehen zu lassen, von dem man weiß, dass in dieses Produkt vielleicht viel Sonne, Liebe und Könnerschaft eingegangen ist, ist doch wohl eine friedlichsten Handlungen überhaupt! So, eine kleine, zarte Praline zum Beispiel, an deren entzückender Form, Textur und komponierten Aromen sich ein Confiseur lange gemüht hat, happst man nicht einfach so weg wie Stulle.
Komm‘ mir jetzt bitte keiner mit getrüffelter Stopfgänseleber! Davon ist hier ja gar nicht die Rede. Ebensowenig wie von Austern oder Kaviar. Sowas hat Liebhaber, zugegeben. Vor allem doch aber, weil es teuer ist. Wer isst sowas schon zuhause, wenn keiner guckt? Eben. Natürlich mag ich auch mal einen schönen Champagner trinken, aber ein gut ge- machter Crémant für 8 Euro ist auch was Feines und ich behaupte auch gar nicht erst, dass ich den Unterschied überhaupt schmecken würde.
Aber den Unterschied zwischen einem Brot, das in Folientüte für 59 ct. beim Discounter rumliegt und einem, das ein guter Bäcker ganz in Ruhe und aus wenigen Zutaten bäckt, den schmeckt man sofort! Und den sollte man sich ruhig ab und an gönnen, auch wenn für’s Gönnen eigentlich nichts auf Tasche ist. Das hat auch was mit Selbstwertgefühl zu tun. (Ich weiß, wovon ich rede, denn auch hier gab’s Hartz-IV-Zeiten.)
Aber mal weg vom Essen, ich krieg‘ hier langsam Appetit und habe nix Anständiges mehr im Haus…
Der Geschmackssinn ist mir also wichtig, aber er ist ja nun nicht der Einzige. Ich war wohl schon immer ziemlich sinnlich und das auf allen Ebenen. Das hab‘ ich vermutlich von der Mutter. Gerüche z.B. rufen schnell Gefühle oder Erinnerungen in mir auf, aber das geht ja eigentlich jedem so. Ob es ein leicht feuchter Kellergeruch ist, der mich an das stets gefüllte, dämmrige Vorratslager meiner Oma erinnert oder aktuell der herbe Geruch von Herbstlaub, das feucht auf den Wegen liegt. Der metallische Geruch, den die Stadtluft im Sommer nach einem Regenguss hat, der Gestank nach Schwefel in der Silvesternacht (den ich aber komischerweise mag) oder wenn mein Nachbar eine seiner scheußlichen Zigarillos raucht (was ich eher nicht so…). Und dann wieder: frisches Brot, Gurkensalat, Erdbeeren, Freilandrosen, Kaffee, das Fell einer Katze, die eben in der Sonne gelegen hat, und natürlich: frisch gemähtes Gras. Stars der Geruchshitparade.
Und jetzt das Hören: Die Geräusche im Haus, Kinder streiten sich auf der Straße, ein Auto fährt langsam vorbei. Im Sommer zirpt’s im Gras und wer Glück hat, hört Lerchen über den Feldern. Mein Lieblingsgeräusch? Das kennt ihr: Das Rauschen der Pappel vor meinem Haus. Das zweitliebste? Das lass‘ ich Euch mal raten… Mal abwarten, ob Einer drauf kommt. *g* – Wo war ich? Ach ja: Und Musik! Natürlich…
Und Stille.
In der Stille zu zweit sein und sie teilen. Unvergleichlich. Da ist viel Platz zum Sehen und Fühlen.
Kleiner Schlenker: Gestern hab‘ ich einen kurzen Bericht über James Turell und sein „Wolfsburg-Projekt“ (Video beachten!) ferngesehen, da ging’s unter anderem um die Fühlbarkeit des Lichts. (Ich weiß von mir, dass ich auch mit verbundenen Augen sagen kann, ob das Licht an oder aus ist. Ist gar nicht so schwer, lohnt sich mal, zu probieren.) Turell hat übrigens schon vor Jahren einige Installationen im Hannöverschen Sprengel-Museum angelegt, die mich immer sehr angesprochen haben. Die Stadt Wolfsburg an sich hingegen fand ich bisher immer eher uninteressant, weil ich da eigentlich bloß an Autos denken muss, aber jetzt will ich dann doch mal hin!
Ich weiß nicht, wieso, aber manchmal frage ich mich, ob ich ohne das Sehen auskommen könnte. Ich hoffe, das ist keine schlimme Vorahnung oder sowas. Jedenfalls denke ich dann: ich habe soviele Bilder in mir, die könnte ich dann doch aufrufen… Trotzdem, wen überrascht’s, hätte ich das eher ungern, denn gerade in der Gegend rumgucken gefällt mir besonders gut.
Das Fühlen und der Tastsinn; – ich glaube, von diesen Beiden kriegen wir oft gar nicht so viel mit, denn die Wahrnehmung nimmt uns viel weg, damit wir nicht plötzlich mal balla balla werden. Dass wir Klamotten tragen, merken wir z.B. über’n Tag kaum, wenn nicht gerade die Hose kneift. Eigentlich müssten die Nerven die ganze Zeit Funken: Kontakt hier, Kontakt da. Machen sie aber nicht, weil sie oft viel lernfähiger sind als ihre Besitzer. Trotzdem lege ich Wert darauf, mich lieber mit angenehmen Materialien zu ummanteln. Am liebsten habe ich ganz, ganz weiche, zarte Baumwolle. Samt ist auch schön. Seide ist mir zu kühl und Wolle darf auf gar keinen Fall kratzen, schon allein, weil mein zarter Schwanenhals so empfindlich ist, dass ich das Kitzeln meiner eigenen Haare daran schon manchmal zu viel finde. Polyester soll übrigens meinetwegen bleiben, wo sie will. Und das sind jetzt nur Materialien, die in der Kleidung stecken können und Berührung ganz neben- bei und unbewusst auslösen.
Da gibt’s aber auch noch die ollen Küsse der ungeliebten Tante, die man jahrzehntelang lieber vergessen möchte. Oder einen frischen Luftzug im Wohnzimmer. Strahlende Ofen- wärme. Haareziepen beim Kämmen. Das Gefühl, barfuß in ’nem Bachbett herumzulaufen. In eine heiße Wanne zu sinken. Sonne auf der Haut zu haben, oder sogar geliebte fremde Haut. Ausgekitzelt werden. Eine glatte Kastanie in der Tasche umfassen.
Wie gesagt, die Sinnlichkeit hat mich wieder, ist hochwillkommen und darf sich oft über volle Aufmerksamkeit und Zuwendung freuen. Und jetzt muss ich mal einkaufen: Gucken, Tasten, Schnuppern…
…dass ich vielleicht bald ein Riesenproblem weniger habe.
Und das kommt so: In meinem Job, der mir ja eigentlich Spaß macht, der mir aber durch die harten und ner- venraubenden Bedingungen immer wieder verleidet wird und mich oft zuviel Kraft gekostet hat, gibt’s bald Veränderung. Und die kommen jetzt direkt von der Geschäftsleitung, die offenbar Pläne hat, die ich noch nicht ganz durchschaue, aber ich rechne mit Allem.
Klarer: Mir wurde Anfang der Woche mitgeteilt, dass bei uns umstrukturiert wird. Veran- staltungen finden ab Jahreswechsel nur noch zu zwei bestimmten Tagen in der Woche statt, einige werden ganz gestrichen. Zu den gestrichenen gehört die am Mittwoch, der somit jetzt bald nicht mehr mein Horrortag ist. Jeden Mittwoch bin ich in diesem Jahr völlig fertig nach Hause gekommen und das steckte mir dann in den Knochen bis zum Wochenende. Auch Führungen werden bald bis auf Weiteres nicht mehr durchgeführt. Das bringt Ruhe rein und leichtere Planung. Allerdings bedeutet das auch, dass ich in Zukunft kaum noch mit Gästen zu tun bekomme, was ich natürlich total schade finde, weil genau das mir (wenn die Gäste nett waren, und das waren sie zum Glück oft) be- sonders viel Spaß gemacht hat.
Im Moment sieht es so aus, als hätte ich dann nur noch mit Vorbereitungen und Büroar- beit zu tun. Entschieden wurde das, weil wir immer wieder geklagt haben, dass die viele Arbeit zu Zweit (oder vielmehr zu Anderthalbt, weil die Kollegin ja keine volle Stelle hat), eigentlich kaum zu schaffen ist. Oder eben nur, wenn wir ständig am Rande der gerade noch so rausleierbaren Kapazität gearbeitet haben. Eigentlich wollte die Kollegin mehr Stunden machen, aber das wurde abgelehnt. Nun wird also das Arbeitsaufkommen angepasst.
Allerdings wurde jetzt so sehr angepasst, dass mir heute blitzartig der Gedanke kam, dass man eventuell nicht vorhat, meinen Vertrag zu erneuern, der ja Ende Januar ausläuft. Dann kann die Kollegin die Chose zur Not nämlich alleine wuppen.
Wie es auch ist, ist es für mich gut.
Wenn mir der Teil, der mir am ehesten Ausgleich für den Stress war, genommen wird, fällt es mir gleich viel leichter, die Segel dort zu streichen. Und wenn sie mir doch einen weiteren Vertrag anbieten, und ich erstmal bleibe, muss ich mich nicht mehr so abschuf- ten. Aber ich bin trotzdem weg, sobald sich eine neue Tür öffnet. Die haben mir da echt das Mark aus den Knochen gezogen, und die Kollegin hat mich mit ihrer falschen Art unheimlich aufgerieben. Solche Leute darf man nicht zu lange um sich haben.
Ich bin ja immer froh, wenn ich weiß, wo ich anpacken kann, damit’s weitergeht. Die nächsten Wochenenden verbringe ich mit Stellenzeigen und leiser Vorfreude, glaube ich.
Freundin T. hat rigoros entschieden, ich bräuchte jetzt „was Warmes, Kuscheliges“, und wo sie Recht hat, hat sie nun mal Recht. Es stellt sich dann aber raus, dass sie bloß mit mir in die Sauna will. Und weil ich am Wochenende direkt mal eben 1 1/2 Kilo abgenom- men habe, finde ich mich auch ausreichend schön dafür. Das finden eventuell auch die anderen Saunierer, denn wenn nicht neugierig geguckt wird, dann erklärt man uns sogar gerne, wo wir was am schönsten machen können, obwohl wir eigentlich gar nicht gefragt haben und nur so gucken.
Wir saunen antizyklisch, Freundin T. und ich. Antizyklismus bringt’s. Das ist nicht etwa ein neuer Wellness-Trend, sondern bedeutet lediglich, dass immer da, wo wir reingehen, die Anderen gerade rauswollen. Das Gute dabei ist natürlich, dass wir auch in der Sauna schwatzen können und uns ohne die Aufgüsse dabei sogar sehen können, weil keine lästigen Dampfschwaden zwischen uns wabern.
Wenn wir fix und fertig sind, gehen wir ins Wasser. Und dann kommen wir wieder raus und legen uns in den Ruheraum.
Einer der beiden Ruheräume ist ein riesiges Holzgebäude im Garten, mit luftiger Decke und Kamin. Es heißt sogar „Silentium“ und drinnen herrscht absolute Stille. Bis auf das Herumgekrame der Ruhenden natürlich.
Außerdem ist ein Holzgranulat ausgestreut, das fast soviel Lärm macht wie frisch ge- harkter Kies. Und wenn man die Schlappen auszieht, muss man ganz tapfer sein und sich zusammenreißen, um nicht vor Fuß- schmerzen laut „Kartoffelsalat!!!“ zu rufen.
Der Planer muss ein Witzbold gewesen sein, der bestimmt immer noch zuhause sitzt und sich verschmitzt die kleinen Händchen reibt vor Schadenfreude.
Kaum, dass wir liegen, kommt ein Fräulein vom Personal sehr leise durch die Tür, macht sehr leise die Kamintür auf, legt ausgesprochen leise ein paar Scheite hinein und versucht dann, leise ein Blatt Zeitungspapier zu zerknüllen. Wer Spaß dran hat, kann jetzt ja mal raten, ob es ihr gelungen ist…
Als wir fertig „geruht“ haben, und wieder in den Saunabereich wollen, hält uns ein netter Herr die Tür auf. Prompt kommen noch jede Menge andere Gäste und er kann die Tür nicht loslassen. Verdammte Höflichkeit. Ich sage noch: „Na, da haben sie jetzt aber den Abend lang zu tun, was?“, da hält uns zufälligerweise sein Freund gleich noch die zweite Tür dahinter auf. Wir bedanken uns artig und bekommen daraufhin den Türaufhalter sofort als „Hermann“ angeboten. Ich gucke kurz, brauchbar sieht er ja aus, der Hermann, aber dann fällt mir ein, dass ich ja noch drei Hermänner zuhause habe. Bei denen handelt sich zwar um Teig, aber Kuchen ist mir eventuell zurzeit ohnehin lieber. Der streitet sich nicht mit mir rum, und wenn, bring‘ ich ihn einfach um die Ecke und trinke noch Tee dazu.
Wir lassen Hermann also links liegen und muckeln uns wieder ins Warmheiße, bevor ich mich unter Fiepen komplett in sehr, sehr kaltes Wasser tunke, und wir danach im zweiten Ruheraum landen. Dort überlege ich bald, mal heimlich eine Kamera aufzustellen, die den ganzen Tag nur das ewige Deckenauf- und Zugefalte filmen darf. Jeder, der kommt, findet eine gefaltete Decke vor und hinterlässt eine ebensolche. Ein Kommen und Gehen und Wedeln und Ausschütteln und Falten ist hier an der Tagesordnung, dass die Luft nur so zirkuliert! Später stellen wir sogar fest, dass es wohl sogar den Beruf des Deckenfalters geben muss, denn da läuft einer vom Personal herum, der tut nichts anderes, als Decken zu falten. Ich stelle mir dann vor, wie ich irgendwo einen netten Herrn kennenlerne, und dann frage ich ihn, was er denn so beruflich tut. Und dann sagt der: „Ich bin Plaidfolding Manager in einem großen Wellness-Unternehmen!“
Weil T.’s Magen inzwischen so laut grumbelt, dass wir gegen die Ruheverordnung versto- ßen, kehren wir im Bistro ein. Ich bin entsetzt, dass sie dort gar nicht mehr dieses irre leckere Roastbeef mit Bratkartoffeln auf der Karte haben, auf das ich mich schon den ganzen Tag gefreut habe. Als ich mich dann endlich für die Entenkeule in Orangensauce entscheide, gibt’s die auch nicht mehr. T. bemüht sich, während des Essens nicht einzu- schlafen und ich versuche, die Beinchen adrett übereinanderzuschlagen. Es geht leider nicht, weil der Tisch zu niedrig ist. Wahrscheinlich hat den ebenfalls das Männlein entworfen, das auch das Granulat auf den Gewissen hat.
Als wir kurz darauf noch mal ruhen wollen, sind T.s Füße vom Essen so schwer gewor- den, dass sie ihre Liege fast nur mit tatkräftiger Hilfe nach hinten gekippt bekommt. Zum Glück ist Hermann grad‘ außer Sichtweite. Ein paar Reihen hinter uns hält sich jemand auf, den wir zwar auch nicht sehen können, aber: Ey du! Du, mit der rascheligen Plastik- tüte, in der du minutenlang herumgesucht hast, nur unterbrochen vom hektischen Auf- und Zuziehen des Reißverschlusses deiner Sporttasche, bis du dann unter lautem Schlapfen und Türenklappen den Raum verlassen hast: sag‘ uns ruhig nächstes Mal Bescheid, wenn du in die Sauna gehst! Ich bring‘ dann meine Bohrmaschine, den Staub- sauger und meine anstrengende Kollegin mit, dann wollen wir doch mal sehen! – Keine Ahnung, wie T. bei dem Lärm schlafen kann… Ich liege wach, gucke den hellen Nebel- schwaden draußen zu, die vom Solebecken aufsteigen und versuche, was Schönes zu denken.
Als T. wieder wach wird, saunieren wir noch mal, tauchen uns in noch kälteres Wasser (mindestens – 10 °C, wahrscheinlich Flüssigstickstoff), ruhen noch mal (eine Frau, die vor uns schläft, seufzt auf eine Weise, der man anmerkt, dass sie sich im Traum ausgespro- chen wohl fühlt. Ich würde ja jetzt gern behaupten, dass ich das war, aber das wäre leider gelogen.), dann reibt sich T. aus Versehen noch statt mit Körperlotion mit Duschgel ein, und dann gehen wir.
Und sind uns wieder mal einig: sowas machen wir jetzt öfter.
Als etwas größeres Kind wollte ich mal eine Weile Journalistin werden. Eigentlich schade, dass das nicht geklappt hat, denn als Journalist ist man ja immerzu dran an den aller- spannendsten Sachen und an pulserfrischender Action! Was so ein Artikel wie dieser deutlich vor Augen führt: Ich vermute, in der Redaktion hieß es: „Mach‘ mir 28 Zeilen voll, aber zackich!“ Naja, und dann hat er/sie das eben ge- macht…
Koalitionverhandlungen! Phhh, mir doch egal… Hauptsache, ich kriege detailliert berichtet, was in Bremer Fitzelfleisch- bratereien so los ist!
Zunächst fällt das hübsche Wort Rangelei auf. Für Klopperei hat es vermutlich nicht gereicht, da war ja wohl der vollgeschmierte Tresen dazwischen, aber Rangelei kann man ja schon hinschreiben, wenn Einer dem An- deren ziemlich unangenehm den Zeigefinger in die Schulter piekt.
Außerdem erfährt man, dass es in Bremer Kindergärten offenbar schon länger nicht vermittelt wird, dass man sich nicht mit Sachen beschmeißt. Schon gar nicht mit Essen. Und wenn, dann trifft man doch wenigstens! Aber vielleicht ist da auch bloß mal ’ne Brille fällig. Gut, dass die Polizei schlichten konnte.
Ich frage mich allerdings, ob die sowieso in der Gegend waren, oder ob wirklich einer angerufen hat: „Kommsema schnell! Das ist dringend! Der Wirt hier bewirft mich mit ge- fährlicher Soße!“ Leider erfährt man ja nicht, wieviel Hektopascal Scoville die Soße nun hatte. – Aber: Soßenopfer wird mal eben mein Lieblingswort der Woche.