Mir stinkt’s.

Irgendwer hier im Haus brät oft und gern morgens schon Zwiebeln, Speck, Knoblauch oder ähnliche geruchsintensiven Zutaten an und macht mir damit meine zierlich und unbelastet vor sich hinschwebende Wohnzimmerluft regelmäßig küchenschwer und fettig. Das ist nicht so schön. Aber auch nicht ganz so schlimm wie Werbespots gucken, in denen Leute mit verbundenen Augen an alten Socken oder Pissoirs riechen und behaupten, das rieche so wie „wenn meine Frau Wäsche wäscht“. Das soll wohl bedeuten: Künstlich-frisch-blumig-parfümiert. Angeblich kann wohl alles Miefig-Eklige von einem Gestanks- zustand in den anderen gebracht werden, wenn man es nur ausreichend beherzt mit chemisch Erlaboriertem aus schmissig gestalteten Püsterflaschen benetzt.

Bin ich dagegen. Nicht nur, weil ich ganz nebenbei finde, dass nicht nur „meine Frau“ ab und zu Wäsche waschen sollte, sondern weil ich allgemein der offenbar etwas altmodischen Meinung bin, dass etwas, das stinkt, schlichtweg gereinigt oder gelüftet gehört. Egal übrigens, von wem. – Waschen, Wienern, Wedeln lautet das bewährte Prinzip!

Das Übersprühen mit Anderstinkendem mag ja nun verblüffende Ergebnisse erzielen (beispielsweise, wenn sich irgendwann ebenso verblüffende Allergiemuster auf Oberflächen ansiedeln, auf denen man sie ungern sieht), bleibt aber doch eine der beklopptesten Formen der Selbsttäuschung. Das Riechzentrum des Menschen ist ja nicht zum Behumsen da. Ich jedenfalls möchte nicht, dass meine ganze kleine Welt riecht, wie sich Leute aus Holzminden (wo eine der größten Aroma- und Duftschmieden steht) das so in ihren Labors und Stahltanks zusammenrühren.

Also vermeide ich wo es geht, Duftstoffe, Parfums und Co und mache mich damit zum nörgeligen Außenseiter. Wenn ich Apfelduft möchte, dann halte ich mir einen Apfel unter die Nase. Und kein Shampoo. Oder gar ein Pappding von der Tanke. Es interessiert mich auch nicht für fünf Pfennig, wie ein gecasteter „Wüstenwind“ aus der Flasche riecht, oder ein im Schrank stattfindendes „Frühlingserwachen“. Ich glaube übrigens auch nicht an den Nutzen von „Aroma-Therapy“ mittels Raumparfum, (sondern vermute sogar eher, dass das krank macht). Dagegen finde ich es sehr gut, wenn’s auch mal weiträumig nach Nix riecht, obwohl das selten vorkommt, und ansonsten die Sachen und Leute nach sich selbst oder wenigstens nach sorgfältig aus der Natur extrahierten Zier- und Schmückgerüchen.

Oder eben, wenn’s sein muss, nach nebenan live gebratenen Zwiebeln…
Und wenn’s mal nicht zusagt, dann mache ich eben das Ding auf, wo die Fenstergriffe dran sind.

Radommski!-Marsch.

(Mit selbstausgedachter, aber bitte zackiger Melodie zu singen…)

Ich wohne unter einer Randalistin!
Ich wohne unter einer Randalistin!

Sie bollert früh am Morgen,
sie rumpelt auch bis nachts.
Das macht ihr keine Sorgen,
doch ich lieg‘ nachts dann wachts.

Sie hustet mir den Schlaf fort,
und wummert mit der Tür.
Das scheint ihr wohl ’ne Art Sport,
mit Pflichtteil und mit Kür.

Ich wohne unter einer Randalistin!
Ich wohne unter einer Randalistin!

Sie trampelt wie ein Nilpferd,
und schmeißt auch mal mit Kisten.
das find‘ sie nicht verkehrt,
und hält sich nicht an Fristen.

Die Nachbarin kracht ständig,
sie kracht von früh bis spat.
Sie ist dabei echt wendig
und kracht beruflich und privat.

Ich wohne unter einer Randalistin!
Ich wohne unter einer Randalistin!

Es donnert laut von oben,
es rackelt mein Geschirr,
Sie ist ein rechter Kloben,
und ich werd‘ hier noch irr.

Die Möbel tut sie schieben,
und wirft wohl auch mal eins.
Ich find‘ das übertrieben,
bin froh, sie wirft nicht meins.

Ich wohne unter einer Randalistin!
Ich wohne unter einer Randalistin…

Augenschmaus im Treppenhaus

Mein Nachbar auf der Etage stellt immerzu Zeug ins Treppenhaus. Beispielsweise seine unappetitlichen Mülltüten, die er dann anscheinend Stunden oder Tage später in den Hof mit runter nehmen will. Und damit er den Müllmief nicht solange in der Wohnung haben muss, stellt er das Gelump vor seine Tür, wo ich dann immer wieder dran vorbei muss und (ohne es zu wollen) mitkriege, dass er z.B., wattweißich, Mikrowellen-Chilli-Wraps isst und dazu literweise H-Milch trinkt.

Mitunter werden aber auch aussortierte Wohnungsteile vor der Tür aufbewahrt. Dann ste-
hen da wochenlang halbe Reale, kaputte Lampen, Bretter oder bunte Plastikwannen mit ineinander verkeiltem Kram drin. Ich hab’ dann immer ein bisschen Angst, der Nachbar wächst jetzt langsam aus seiner Wohnung raus und baut demnächst sein zweites Wohn-
zimmer im Treppenhaus auf. Ich mag also kaum rausgehen, weil ich denke: wenn ich das nächste Mal nach Hause komme, sitzt er vor meiner Tür im Hausflur in ausgebollerter „Freizeithose“ vor’m Fernseher und zieht sich Flips essend irgendwelche Pathologenkri-
mis rein. Und ich muss dann an seinem Fernsehsessel vorbei, schmeiße aus Versehen seine Cola um und muss dann womöglich noch sagen, dass es mir Leid tut und ihm noch ’nen schönen Abend wünschen.

Am Schlimmsten aber finde ich, dass er morgens nach dem Joggen immer seine total vollgemieften Sportschuhe neben die Fußmatte stellt!

Kein schöner Anblick auf nüchternen Magen, diese völlig zerlaufenen, grauen Biester. De-
ren Zurschaustellung sollte meiner Meinung nach in der Hausordnung deutlich untersagt werden. Egal, ob jetzt Fenster auf oder zu. Schließlich ist das sehr unhöflich und auch belastend; – man traut sich ja gar nicht mehr, Besuch einzuladen! Höchstens, wenn man den Kuchen lieber alleine verspachteln möchte. Leider habe ich wenig Hoffnung, dass so ein Passus bald mal in unsere Mietverträge einzieht. Und ob der Nachbar sich dran halten würde? Die Leute lärmen ja auch noch abends spät in ihren Wohnungen herum, obwohl auch diese spezielle Herumlärmungsart deutlich untersagt ist.

Jedenfalls, solange nichts geschieht, stelle ich mir eben weiter vor, dass ich ihm vielleicht doch eines Tages mal klammheimlich die Schuhe mit Weltraumkleber an der Matte fest-
mache und dann noch einen schönen halben Liter olle, fies gewordene Vanillesauce da reinkippe…

Bellissima…

Isch glaub’, isch dreh‘ langsam dorsch. – Huch! Was macht’n der Fisch jetzt hier, es geht doch eigentlich um einen Hund!?

Genau. Um einen Hund. Vorgestern stand ich nämlich im Badezimmer und hörte plötzlich einen kleinen Hund bellen, der meines Wissens ca. 400 Kilometer weit weg ist. So laut bellt aber eigentlich kein Hund, dass man den noch so weit hört. Es war reine Einbildung.

Ich selber war nämlich vorletzte Woche ungefähr 400 Kilometer weit weg, und da hörte ich den Hund ganz deutlich, denn er wohnt im Haus neben dem meines Gastgebers. Das Haus ist quasi direkt an sein Badezimmer drangebaut, könnte man sagen. Und in dem Haus sitzt eben jener kleine Kläffer den ganzen Tag auf einer der Fensterbänke und bellt die Fensterscheibe und vorbeiwehende Zettelchen und Passanten an. Oder die Luft. Man weißes nich.

Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass er auch jedes Mal mitkriegte, wenn ich z.B. im Badezimmer mein Handtuch wieder auf den Haken hängte, weil er dann direkt anfing, die Welt eifrigst vor gefährlichen, eben aufgehakten Handtüchern zu warnen. Also, da traut man sich ja kaum noch, die kleinste Bewegung zu machen und steht dann da, mit dem Handtuch am ausgestreckten Arm. Irgendwann brachte mich das dazu, aus lauter Daffke einfach mal zurück zu kläffen, schon allein, weil sowas im Bad auch prima hallt. Jetzt wurde das Vieh aber richtig lebendig und wäre da eine Pfanne in der Nähe gewesen, – ich weiß ja nicht… Das ging ein Weilchen hin und her und dann dachte ich mal wieder diesen Gedanken, den ich ab und zu mal spontan denke, nämlich: Was mache ich hier eigent-
lich?
Wieso stehe ich in einem Badezimmer und kläffe? Ich hab’ das aber lieber doch nicht zuende gedacht, sondern mir die Zähne geputzt.

Jedenfalls scheint der Hund mich jetzt irgendwie zu verfolgen. Mit im Zug saß er aber nicht, das wäre mir sicher aufgefallen (und den anderen Reisenden auch). Ich hab‘ ihn vorgestern trotzdem wirklich deutlich gehört, und zwar genau so, als kläffe er im Nachbar-
haus neben meinem Badezimmer. Dabei ist da gar kein Nachbarhaus, sondern höchsten ein Treppenhaus dran. Und in meiner Nachbarschaft gibt’s zwar auch ’nen Kläffer, aber der klingt ganz anders. Er wird besonders gern um die Mittagszeit in den Hinterhof entlassen, wo er sich dann mal ordentlich ausspricht. Meistens am Wochenende, wenn man die Ge-
legenheit hätte, sich mittags ein bisschen hinzulegen. Wahrscheinlich möchten das die Hundehalter auch gern und sind froh, dass das Gebell draußen ein bisschen leiser ist als drinnen.

Ich glaube jetzt übrigens, dass es immer und überall einen kleinen, aufgeregten Hund in Hörweite gibt. Das ist sicher auch in den Grundbüchern eingetragen. Also, wo nun der nächste Hund postiert ist, so zur Orientierung für die Anwohner, und damit auch ja nie-
mand leer ausgeht. Und diese Hunde werden vermutlich irgendwie von der Grundsteuer mitfinanziert. Doch, doch. Da bin ich mir inzwischen ziemlich sicher. Und e-ven-tu-ell steht im Grundbuch sogar auch was über Hunde drin, die es fertigbringen, nur im eigenen Kopf zu bellen…

 

Artistin, die Text ertastet.

Ach, in letzter Zeit fühle ich mich öfter wie diese Artisten im Zirkus, die auf einem Brett-
chen balancieren, unter dem so eine Walze liegt. Und oben rum wird onnoch wild jongliert. Ich hab’ eben mal versucht, rauszukriegen, wie dieser spezielle Balance-, oder vielmehr Equilibristik-Akt eigentlich heißt. Das war gar nicht einfach. Das Walzen-/Brettchendings heißt also Rola Bola.

Ich kann somit jetzt immerhin, wenn jemand fragt: „Wie geht’s?“, antworten: „Och, ich füh-
le mich wie auf einem Rola Bola!“ Und dann weiß sicher sofort jeder Bescheid und wird mich mit weiterbohrenden Fragen verschonen.

(Übrigens kann ich mich im Moment nur ganz schlecht konzentrieren, weil über mir gera-
de eine Gitarre verhauen wird. Also, jetzt nicht direkt über mir, sondern natürlich in der Wohnung über meiner. Ich hab’ ja eigentlich schon den Friedhelm nebenan, der seit min-
destens acht Jahren seine arme Gitarre beschrummelt. Neulich kam ich mal nach Hause, da erklang aus der Nebenwohnung plötzlich virtuoses Geperle. Toll, dachte ich, er lernt’s nach all‘ den Jahren doch noch! Das ist ja ein richtiges Konzert! – Und dann sprach mitten-
mal der Radiomoderator… Und nun noch so einen Kandidaten über mir? Im Moment hört es sich an, als versuche er? sie? wenigstens erstmal, die Gitarre zu treffen. Klappt…)

Hm. Was liegt denn hier noch?
Noch4

Ach so. Das sind ja bloß die vier Damen aus der Mückenvergrößerungsabteilung, die sich da gerade ihre verdienten Feierabendbiere bestellen…

Erstmal: Herzlich Willkommen, Rrrita!

Falls einer fragt, wer mich vorgestern freundlicherweise eingeladen hat, und wessen Einladung ich natürlich freudig angenommen habe: Rrrita war’s. *g*

Was gibt’s noch zu erzählen?

Seit Samstag renoviere ich nicht mehr bei Freundens herum, sondern erstmal an mir selber. Will heißen: Ich hab’ zwei Tage nicht viel mehr gemacht als Rumliegen, Lesen, Keksverkosten, Carameldinger mit Schokoklecks drauf aus ihren Plastiknäpfchen pulen, immer mal den Fernseher umschalten und dabei gelegentlich wegratzen. Das tat gut.

Gestern hab’ ich mich sogar mal wieder rausgetraut, aber da hat’s dann geregnet, also hab’ ich mich so schnell wie möglich wieder reingetraut. Vorbei an dem Autorepariermann hinten im Hof. Der hat da seine Werkstatt und lauert hinter seinen zerlegten Patienten auf mich. Wenn ich mein Fahrrad aus dem Schuppen hole, schleicht er sich gern von hinten an, und wenn ich mich umdreh’, fragt er: „Hallo, wie geht’s?!? Was gibt’s Neues?“ und dann muss ich ganz knapp antworten: „Gut. Nix. Schöntachnoch!“, sonst komm’ ich da nie wieder weg und muss mir womöglich den Durchzug der Jahreszeiten hinten im Hof angucken. Und seinen ulkigen, wattierten 70er-Jahre-Overall dazu. Das will man ja nich.

Die Freundereifamilie von der Renovierstelle will übrigens am Samstag endlich umziehen, aber da habe ich gleich meine arme verknickte Wirbelsäule vorgeschoben, also zumindest theoretisch. Ich bin mir übrigens sicher, dass dieser Umzug nervenfetzend chaotisch wird, denn wahrscheinlich sind bis morgens noch keine Kartons gepackt, die Klamotten werden schnell in Plastiksäcke gestopft und es müssen bestimmt erst noch mehrere Schränke auseinandergebaut werden. Beschriftet wird sicher auch nix, weswegen alles in den fal-
schen Zimmern landen wird.

Ich weiß übrigens nicht, wieso das so ist, vielleicht kann mir das ja endlich mal einer er-
klären, aber sowas wie einen Umzug zu organisieren, gilt in manchen Kreisen immer noch als total unlässig. Meiner Meinung nach ist es eher unzulässig, deshalb halte ich mich da sicherheitshalber raus. Sonst muss ich mir noch gutgelaunte Sprüche anhören, in denen dann „Schrebergartenmentalität“ oder „vollverspießt“ vorkommen.

Außerdem bekomm’ ich übermorgen endlich mal wieder Besuch bis Sonntag, und das wurde auch langsam mal Zeit, aber eben die hatte ich vorher ja nicht. Deswegen gehen dieser Besuch und ich erst abends mal gucken und kontrollieren, ob nun alles vorschrifts-
mäßig herumtransportiert wurde. Wir ziehen dann vielleicht auch eine von mir noch zu schmiedende Spinatquiche mit um, denn der gute Umzugs-Freund A. hat es passender-
weise so arrangiert, dass er am Samstag auch gleich noch Geburtstag hat, darum rechne ich mit ordentlich Hallo und mehreren Kisten Bier in der Bude.

Und heute? Wenn ich die „Frühschicht“ auf RUM zuende gehört habe, geh’ ich erstmal schön in die Stadt. Kontrollgang, selbstverständlich. In den Lieblingsbudiken mal wieder die Kleiderbügel grade rücken und so…

1x Entstauben, bitte.

Jetzt weiß ich endlich wieder, was ich schon seit Wochen suchend im Hinterkopf herumrolle. Es wollte und wollte mir einfach nicht einfallen.

Es hat was mit einer Madeleine zu tun. Eigentlich mit dem Gebäck, und nicht mit der verschwundenen kleinen Maddie. Im Moment regen sich ja gerade alle wegen dieser T*tanicsache auf. Ich kann dazu nur sagen: Satire darf alles. Muss alles dürfen. Man muss das Ergebnis aber nicht gut finden. Das Nichtgutfinden drückt man dann eben über’s Nichtkonsumieren aus. Das funktioniert immer noch am Besten. Mir kann keiner erzählen, dass die Titanic mit dem aktuellen Heft plötzlich eine Mörderauflage hat.
Ich glaub’, da wird mal wieder am falschen Ende gestritten.

Aber ich wollte ja über Gebäck schreiben. Nee, über’s Vergessen und Erinnern! Was denn jetzt? Man steigt ja nicht mehr durch! Gebäck, Satire, dicke Schiffe, wieder Gebäck, dann plötzlich Vergessen? Spinnt die Theobromine jetzt oder wie? Neenee, alles gut.

Also: Seit ungefähr zwei Wochen versuche ich mich zu erinnern, wie dieser Schriftsteller hieß, der immer im Zusammenhang mit Madeleines genannt wird. Madeleines sind näm-
lich so kleine französische Küchlein, oft mit zartem Orangen- oder Mandelaroma.
Und dieser Schriftsteller hatte was geschrieben über Erinnerungen, die verknüpft sind mit Düften oder Geschmäckern. Und ich hatte mich darüber unterhalten, wusste aber nicht mehr, wer. Gestern habe ich mir sogar Madeleines gekauft, weil mir nun ebenfalls wieder eingefallen war, dass ich die auch lange nicht gegessen hab’. Heute hat’s mir dann gereicht und ich hab’s im web gegockelt.

Proust war’s nämlich, der wohl in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ die Pforten der Erinnerung mit einer Madeleine öffnete. Hab’s nie gelesen. Vielleicht fiel es mir deswegen nicht ein. Gut, dass man heutzutage ein mobiles Gedächtnis wie den Gockl hat. Eigent-
lich macht man sich’s zu einfach, wenn man da reinguckt, aber ich hab’ ja wenigstens zwei Wochen gewartet.

Was ich nicht im web fragen konnte, war das andere, was mich ebenfalls beschäftigte. Vor gut zwei Wochen war ich nämlich in Begleitung im „Mezzo“, das ist hier so ein Kneipencafé in der Innenstadt. Da bediente uns eine junge Frau, die mir bekannt vorkam. Ich kam aber nicht drauf. So eine ganz hübsche Rotblonde mit Knutschmund, aber ernstem Blick.
Ich fing an zu grübeln. Eine Freundin von Freunden? Hätte ich jetzt ausführlicher „Hallo“ sagen sollen? Falls sie mich kannte, ließ sie sich nichts anmerken. Sie war recht jung, vielleicht aus einer mal besuchten WG? Oder hatte ich sie am End’ mal im Fernsehen gesehn? Eine junge Schauspielerin vielleicht? Oder eine Poetry-Slammerin? Kannte ich sie aus einer anderen Kneipe vom Sehen? Mein Begleiter wusste auch nichts dazu zu sagen. Doch mich beschäftigte das. Tagelang. Immer wieder tauchte das auf. 

Und vorgestern saugte ich Staub. Und dachte daran, dass meine Nachbarn unter mir bestimmt gerade die Motten kriegen, weil ich so herumbollerte. Und ZACK! – da war’s. Sie hieß D. und hatte unter mir gewohnt vor ein paar Jahren. Und da immer ihren Hund angeschrieen. Wenn der bellte, schrie sie sofort: „GAYA! AUS!!! AAAAAHUUUUS!!!“ und war viel lauter als der Hund. Irgendwann fing das richtig an, mir auf die Nerven zu gehen. Gaya bellte natürlich trotzdem, – wenn Frauchen immer so schön zurückbellt…

Außerdem spielte Frauchen gern nachts um Dreie, oder tagsüber um Einse, egal wann, „Just like a pill“ von Pink. Und zwar volle Pulle, achtmal hintereinander weg und sang dazu. Und Gaya… Lassen wir das.
Jedenfalls, und was ich eigentlich sagen wollte, es müssen nicht unbedingt zarte Gebäckteilchen sein, wenn’s in der Erinnerung hakt.

Staubsaugen tut’s auch schomma..

Komme schon!

Heute hatte ich hier eigentlich Einiges zu tun…

Stattdessen saß ich am Rechner und zuckte immer wieder zusammen. Das liegt nur daran, dass ich oben an der Wohnungstür keine Klingel hab’. Also, doch, ich hab’ schon ’ne Klingel, bloß klingelt die nicht. Auch nicht, wenn man drauf drückt.

Den Klingeldraht hat meine frühere Hausbesitzerin mal durchgeknipst, weil mein Vormie-
ter sich beschwert hatte, dass es aus dem Klingelkasten immerzu summte. Nun hatte die gute Frau den Herrn sowieso gefressen, seit er mal versucht hatte, eine ziemliche Menge benutzter Katzenstreu über den Abfluss der Spüle zu entsorgen. Das hatte zur Folge, dass einige Rohre nicht nur verstopften, sondern richtiggehend zubetoniert waren und mehrere Wände aufgestemmt werden mussten, um da Abhilfe zu schaffen und anschlie-
ßend wieder neues Geröhr reinzuverlegen. Trotzdem war ihm das gar nicht peinlich und er beschwerte sich bei ihr ständig wegen Irgendwas. So eben auch über den Klingeldraht, den summenden. Die Vermieterin kam also mit der Zange, machte kurzen Prozess, knipste das Ding durch, fragte: „Besser so?“ und ging wieder.

Das hat sie mir später selbst erzählt, als ich hier gerade einzog. Wir mochten uns näm-
lich auf Anhieb und hielten öfter mal Schwätzchen auf dem Hof oder bei den Briefkästen. Und als sie vor ein paar Jahren das Haus verkaufen musste und wegzog, strickte sie mir zum Abschied sogar noch zwei Paar Socken! Das war damals ihr neuestes Hobby, weil sie sich das Kettenrauchen gerade abgewöhnte und die Hände lieber nicht frei haben wollte, so abends beim Fernsehen. Und sie hatte schon ihre ganze Familie mit Socken und mehr Socken und auch noch Socken terrorisiert. Ich war dagegen dankbare Abneh-
merin, denn ich liebe selbstgemachte Socken. Vor lauter Erleichterung darüber strickte sie mir gleich noch passende Pulswärmer dazu, bevor sie verschwand.

Jedenfalls: Die Klingel. Weil die nicht tut, klebt daneben ein Schildchen: „Klingel geht nicht. Bitte klopfen!“ Jetzt haben wir aber die Handwerker im Haus, in der Wohnung unter mir. Und die schrauben und bohren und stemmen und bollern, dass es eine reine Pracht ist. Oft aber wird auch nur mal eben behutsam was beklopft. Und dann zucke ich jedes Mal und will zur Tür rennen, weil ich denke, da will bestimmt einer was…

So kommt man doch zu nix!

"Oh, Du…"

Ich fasses nicht: Unter mir übt jemand Blockflöte!
Und zwar, festhalten: „Oh, Du Fröhliche“!
Naja, immerhin, wir haben den 1. September. Gerade gestern sprach ich mit Freundin M., die Japanerin ist (und just von einem Besuch aus Japan zurück), darüber, dass es ja schon wieder Lebkuchen gibt. Jedes Jahr das Gleiche. Ich merk’ das schon gar nicht mehr. Ihr fällt das ja noch auf, weil sie erst seit ein paar Jahren in Deutschland lebt. Ich erzählte ihr, dass sich auch jedes Jahr alle drüber aufregen, dann aber trotzdem zugreifen. Und dem Handel somit wieder die Bestätigung geben, dass es sich lohnt, im August Lebkuchenherzentütendisplays aufzustellen. Da zog sie die Augenbrauen hoch und dachte bestimmt: „Die Deutschen! Ein verrücktes Volk!“

Und gestern Abend fiel mir mal so auf, dass es eigentlich fast nur noch Serien über Tote gibt. Allein diese ganzen Sachen über Gerichtsmedizin! Ich guck das ja nicht, deshalb kann ich nur Vermutungen anstellen… Ich vermute, dass die Leichen in diesen Serien so ausführlich gefleddert werden, dass der Gerichtsmediziner genau sagen kann, ob der Täter wirklich eine schlechte Kindheit hatte, ob er zum Frühstück Marmeladenbrot hatte, welche Musik er beim Morden hörte und auf welcher Seite er seinen Scheitel trägt. (Dazu fällt mir jetzt ein, dass im aktuellen „stern“ zum Thema Haare steht: „Jesus. Erfinder des Mittelscheitels. Jörg Wontorra dankt es ihm bis heute.“)
Jedenfalls gibt es nicht nur Serien über kluge Pathologen, sondern sogar mindestens zwei über Frauen, die Gespenster sehen und mit ihnen sprechen können.
„Na? Wie isset?“
„Muss ja!“
„Und sonst so?“
„Och…“
Das sind natürlich Frauen, weil Frauen ja so viel empfindsamer sind.
Männer schneiden auf, Frauen hören erstmal zu.

Jetzt ist unten von Blockflöte auf Trompete gewechselt worden! Herrjeh! Was soll’n das für’n Lied sein? Hä? Oh, ich glaube, jetzt erkenne ich: „Hänschen Klein“. Na fein. Da will jemand offensichtlich ernsthaft das Spielen eines Blasinstruments erlernen.
Ich bin begeistert.

Moment mal, das kommt gar nicht von unten… Das kommt von oben! Von der Nachbarin, mit der ich gerade neulich noch sprach. Vielleicht hat sie deswegen so gelächelt, weil sie dachte: „Ach, Regalbollern. Ach, Handyrappeln. Wart’s ab! Ich hab’ mir ’ne schöne Pustefix bestellt, hehehe…“
Solange um zehn Ruhe ist, meinetwegen.

Theobrominenvormittag (ganz normal)

Als ich neulich aufwachte, lag ich tatsächlich diagonal, ja fast quer im Bett, das passiert mir sonst nie. Sonst liege ich immer schön parallel zur Bettkante, wie mit’m Lineal gezogen (nee, ehrlich gesagt, stimmt das eigentlich gar nicht). „Na“, dachte ich, „das geht ja schon mal ein bisschen schräg los, heute.“

Ein bisschen später fiel mir auf, dass ich ja noch ganz schnell meine Steuererklärung machen musste! Ich hatte gemeint, noch ein paar Tage Zeit zu haben, bis ich ganz zufällig noch mal auf das Erinnerungsschreiben des Finanzamts guckte. Das Ausdrucken der Steuerformulare dauerte fast ewig, weil man die Winzbuchstaben darauf nur lesen kann, wenn man das Zeug in Superqualität druckt. Beinahe wäre schon wieder die nächste Steuererklärung fällig gewesen… Zum Glück ging das Formulare ausfüllen doch um einiges schneller. Munter kreuzte ich an, trug überall Nullen ein, oder ähnlich niedrige Beträge, und unterschrieb schwungvoll. Und weil ich sowieso zum Einkaufen radeln wollte, tütete ich alles ein, ums unterwegs in den Briefkasten zu schmeißen.

Dann quetschte ich den Rucksack voll mit leeren Petflaschen, klemmte mir noch einige davon unter den Arm, nahm die Mülltüte aus dem Eimer, holte den Brief aus dem Wohnzimmer, klemmte ihn zwischen die Lippen, fand meine Jeansjacke im Wohnzimmer liegen, nahm sie gleich mit in den Flur, wo ich sie im Vorbeigehen aufhängen wollte, dann fiel mir ein, dass ich vielleicht das Handy mitnehmen sollte, also rannte ich noch mal in die Küche ums zu holen und zurück, und dann endlich fiel die Tür hinter mir ins Schloss. Erst unten im ersten Stock merkte ich, dass ich die Jeansjacke blöderweise mitgenom-
men hatte, statt sie an die Garderobe zu hängen. Also ging ich tatsächlich noch mal zurück. Tür auf, Jeansjacke in den Flur gefeuert, Tür wieder zu.

Unten im Hof traf ich auf die Nachbarin, die über mir wohnt. Gute Gelegenheit, sie mal anzusprechen! Sie ist nämlich sehr laut und neulich musste ich doch wirklich und tat-
sächlich mal mit einem Besenstiel an die Decke bumpern, was überhaupt nicht meine Art ist, weil sie abends gegen zwölf noch Regale montiert hat, mit Getöse! Dass ihr Akku-
schrauber etwas schwach auf der Brust war, bekam ich auch gleich mit, denn der schien immer wieder aus dem kleinen Kreuzchenloch der Schraube zu springen und hoppelte dann so, dass ich es unten gut hören konnte. Außerdem ließ sie immer wieder Teile (Schraubenzieher) fallen, bzw. lösten sich welche (Regalbretter), die dann knapp über mir auf dem Boden auf-, ach was, einschlugen. Fast wäre ich hochgegangen, um ihr das Mistteil mal eben selber zusammenzuschrauben. („So! Bidde sehr! Geht doch! Schüss!!!“) Ich konnte mich aber gerade noch so zusammenreißen. Ich war ja auch bettfertig, quasi in Pyjamajacke, wenn ich da schon eine gehabt hätte.

Also redete ich sie nun im Hof von der Seite an und es entwickelte sich ein durchaus nettes Gespräch. Es stellte sich heraus, dass sie gar keine Ahnung hatte, wie laut sie manchmal wird und dass das Haus überhaupt so hellhörig ist. Sie wohnt ja ganz oben, da kriegt sie das nicht so mit. Am besten war, als ich ihr sagte, dass ich weiß, dass ihr Handy mit der Titelmelodie der „Simpsons“ klingelt und dass ich mal fast vor Schreck aus dem Sessel gekippt wäre, als sie es auf Vibrationalarm gestellt und dann auf ihrem Laminatboden abgelegt hatte, wo es natürlich auch prompt loswuchtbrummte.

Da war sie baff und ich schob gleich hinterher, dass sie tagsüber ja nun meinetwegen machen kann, was sie will. Meinetwegen kann sie Reitturniere da oben ausrichten oder Square Dance-Nachmittage, aber gegen zehn hätte ich eben gern meine Ruhe, weil ich da schon mal so durchgedrehte Sachen mache wie lesen und später einschlafen.
So’ne Ausgeflippte bin ich!

Die Nachbarin war aber ganz lieb und einsichtig und grinste, weil ich sie so freundlich angesprochen hatte, und da war ich richtig froh, dass wir uns begegnet waren. (Übrigens ist das auch die Nachbarin, die nächtens Bettkastenkonzerte veranstaltet, aber dazu sagte ich nichts und hoffte, dass sie diese Querverbindung auch ohne meine Hilfe zöge.) Als sie weg war, schloss ich den Fahrradschuppen auf und fing an, meinen Krempel ins Fahrradkörbchen zu packen. Dabei fiel mir auf, dass ich immer noch den ollen Müllbeutel dabei hatte! Deswegen hatte die Nachbarin vielleicht so ein bisschen vergnügt geguckt.
Dicken Rucksack, angeknüdelte Flaschen unterm Arm, Briefumschlag im Gesicht und Mülltüte dabei, und dann was von Hausordnung erzählen! Das hätte ich auch komisch gefunden. Also schnell in den Müllcontainer mit der Tüte.

Beim Einkaufen war alles wie sonst auch. Das heißt, ich vergaß, Joghurt zu kaufen und es fiel mir erst ein, als ich schon wieder in meine Straße einbog. Dafür hatte ich immerhin den Brief eingschmissen, wenn auch erst auf dem Rückweg, so dass er wohl etwas ange-
knüllt bei den Herren Finanzbeamten auf dem Tisch landen wird.

Und als ich im Hof ankam, tummelten sich da vier Jungs im Alter von vielleicht 8-12 Jahren und spielten Verstecken. Als der eine anfing, zu zählen (und zwar: „10, 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80, 90, 20, 21, 22, 23, 24…“), hob einer der anderen Jungs den Deckel der Mülltonne, in der nicht nur meine Tüte lag. Zum Glück rief er: „Boh! Stinkt schlimm!“ und klappte sie wieder zu. Ich sammelte meine Einkäufe aus dem Fahrradkorb (6er-Pack Wasserflaschen, vollen Rucksack, Laminierzauberkasten) und guckte kurz nicht hin. Als ich den Fahrradschuppen wieder abschloss, sah ich noch, wie der Deckel der Wertstofftonne zuklappte… „Hoffentlich wird die jetzt nicht gleich geleert“, dachte ich noch. Und:„Wie lange der jetzt wohl da drin hocken muss? Aber ist ein gutes Versteck, muss ich mir merken…“ Schließlich weiß man ja nie. Vielleicht muss ich mich eines Tages mal  wegen einer horrenden Steuerforderung vorm Gerichtsvollzieher verstecken.

Und als ich meine Einkäufe die Treppe hoch gewuppt hatte und in meine Wohnung kam, schaffte ich es sogar, beinahe nicht über die im Flur liegende Jeansjacke zu stolpern.
So hatte ich schon mittags das gute Gefühl, eigentlich für heute alles prima hingekriegt zu haben und legte mich für den Rest des Tages mit einem Buch aufs Sofa. Vorsichtshalber.