Küchensofagedanken am Morgen (Teil 7) – Vom Mögen

Theobrominenfuesse_HerbstwiIch hab’ ja vor ein paar Tagen schon davon er-
zählt, dass ich neuerdings versuche, mich mit Lakritze anzufreunden. Bisher klappt das recht gut. Der Geschmack von Süßholz & Salmiak wird es bei mir zwar nie auf die oberen Plätze meiner Geschmacksrangliste schaffen, (schon allein, weil man hinterher erstmal eine Weile nix anderes mehr schmeckt als das), aber ich erkenne schon deutliche Unterschiede und stelle erste Neigungen fest. Mit schwelgerisch-
er Liebe wird es bei uns Beiden wohl nichts, aber Freundschaft könnte es werden, wenn wir uns bemühen. Außerdem bin ich ja mal vor langer Zeit eine feste Beziehung mit gefühlvoll conchierten Kakaoprodukten eingegangen und immer noch sehr verliebt.

Etwas, das man vorher immer abgelehnt hat, plötzlich allein durch Vorsatz zu mögen, ist schon interessant und mir auch schon öfter passiert. Der persönliche Geschmack ändert sich ja schließlich auch mit den Jahren. Wenn ich überlege, was ich als Kind alles nicht mochte… Spargel zum Beispiel. Paprika. Tomaten. Pilze.

O.k., Pilze mag ich noch immer nicht. Mir reicht die Konsistenz schon. Geh mir weck.
Aber Paprika und Tomaten esse ich heutzutage, ohne mit der Wimper zu zucken.
Und Spargel liebe ich inzwischen geradezu. Immer her damit!
Man sollte vielleicht alles, von dem man glaubt, es nicht zu mögen, alle paar Jahre mal neu probieren. Nachher mag man’s doch! Eventuell war es beim ersten Probieren auch nur schlecht oder lieblos zubereitet. Damit kann man noch jedes Lebensmittel versauen.

Oder man macht es so wie die Restauranttester, die da ganz analytisch dran gehen. Sie müssen ja auch gelegentlich Sachen probieren und bewerten, die sie eigentlich nicht mö-
gen und gewöhnen sich das richtig an. (Es müssen ja nicht gleich frittierte Würmer oder karamellisierte Insekten sein. Da wäre meine Grenze auch längst erreicht.) Zunächst Fremdartiges kann sich dann durchaus zum Knüller entwickeln.

Ich probiere z.B. manchmal Merkwürdigkeiten der japanischen Küche, die meine Freundin M. mit aus der Heimat rübergeschickten Originalzutaten zubereitet. Sogar Natto habe ich mal getestet. Das ist schon mächtig ungewohnt und hat es auch nicht in die Top 10 geschafft. Aber sehrsehr salzig eingelegte japanische Pflaumen, Ume heißen die wohl, die schmecken mir sehr gut. Von köstlichen, salzigen Knabbermischungen, die kleine getrocknete Fischlein enthalten, fange ich jetzt lieber gar nicht erst an, sonst wird hier noch jemandem schlecht. Das will man ja nicht.

Ich kann das nur, weil ich es inzwischen meistens hinkriege, meine Erwartungshaltung und mein Misstrauen abzulegen, und erstmal loszuschmecken. Ich glaube, bei Lakritze war ich wohl auch deshalb etwas voreingenommen, weil ich beobachtet zu haben glaube, dass Menschen, die Lakritze lieben, allgemein und ansonsten eher nicht so anspruchsvoll sind in Essensdingen und den dazugehörigen Geschmacksfragen. Sie sind froh, wenn das Essen schmackhaft ist, reichlich und heiß. Gedrechseltes Verfeinertes ist ihnen nicht wichtig, der ganze Aufwand ist ihnen schleierhaft und auch zuviel. Sie fahren auch nicht durch die halbe Stadt, weil es da den leckeren Balsamico gibt. Oder diese vorzüglichen, sahnigen Trüffel. Hoffentlich fühlt sich von dieser etwas gewagten These nun niemand abgefrühstückt; das würde mich durchaus betrüben. Ausnahmen bestätigen da sowieso mal wieder die Regel, und auch der Umkehrschluss funktioniert nicht.

Mir wäre es übrigens manchmal lieber, wenn mir der Essgenuss nicht so wichtig wäre, denn dann bräuchte ich mich nie zu grämen, wenn das Geld gerade wieder nicht für die Feinkostbude reichen will. Wo ich doch so gerne Entdeckungen mache! Auch beim Ein-
kaufen im Urlaub gucke ich stundenlang in den Geschäften, was es dort an Leckerem oder Speziellem gibt. Ein toller, neuer Geschmack interessiert mich mehr, als beispiels-
weise schicke Schuhe es jemals könnten… *g*

Allerdings niemals, auch nicht mit dickstem Konto, würde ich mir ein Wasser kaufen, dessen 0,7l-Flasche mit Glitzerkristallen beklebt ist. Das verschwurbelt, gefiltert und mit Sauerstoff beschossen wird, und dann tatsächlich 75,- Euro kostet. Entschuldigung, da bin ich voreingenommen. Von dem Geld kann man in einem Dürregebiet ’nen ganzen Brunnen bohren, wahrscheinlich. Ich glaube nicht, dass so ein Wasser jemals allein im Kämmerchen getrunken wird, sondern bestimmt nur vor Publikum. Es wundert mich noch etwas, dass es das nicht in einer 0,2l-Miniflasche gibt, aus der man dann auf Parties mit Silberstrohhälmchen trinkt. Oder noch kleinere, die man dann gleich als Ohrringe tragen kann. Das passt doch viel besser zu den Klamotten als eine Dreiviertelliterpulle.

Zum Glück müssen weder mein Essen noch meine Getränke zu meinem Outfit oder dieser location passen. Dann gäb’s hier womöglich nur noch Wollkürbis und gestreifte Radieschen. Und die mag ich ja nun überhaupt nicht…

Noch mehr Freundinnen

Heute hatte ich mal wieder Lust, was vorzulesen. Ich habe nämlich noch eine schöne Stelle gefunden, in der Freundinnen zusammen Getränke trinken. Mal sehen, ob ich es hinkriege, daraus eine Art Serie zu machen. Bestimmt finde ich aber auch mal ein anderes Thema. *g*

Es handelt sich diesmal um Judith und Tine.
Judith, die Protagonistin und Ich-Erzählerin in Jenni Zylkas „1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit tun kann“, ist Textredakteurin einer Morgensendung beim Fernsehen. Ein Job, den sie übrigens nur macht, um ihre Brötchen zu verdienen.

Ihre Freundin Tine ist Wirtin, und die Beiden verköstigen Weine, die Tine eventuell in ihrem Lokal ausschenken möchte. Dabei geht’s dann erst um den Wein, dann um Politik und schließlich noch um den Papst (den alten, das Buch ist von 2003)…


Weinprobe_Zylka

(MP3 – 4,3 Mb)

Wenn Frauen sich Getränke kochen

Aaaahhh, erst mal ein Schlückchen Tee…!
So. Ja. Die Theobromine meldet sich zurück, übrigens. Obwohl, neee, wir sind ja hier nicht in der Bundeswehr. Ich wollte sagen: Da bin ich wieder. Genau. Und in mir streiten sich seit zwei Tagen Leukozyten gegen Schnupfentierchen, wer wohl zuerst da war:

„Ätsch! Du bist erkältet!“
„Bin ich nicht!“
„Doch, wohl!“
„Garnicht!“
„Wohle!“

„Nein!“
„Erster Jasager mit Rechthaben!“
„Von wegen!“

Dabei ist mir gestern noch verordnet worden, ich könne ja gerade gar keine Erkältung bekommen, denn schließlich würden wir ja in diesen Tagen aufbauend an meinem Immunsystem arbeiten (ich bekomme nämlich zurzeit so kleine Spritzen, aber die sind zum Glück gar nicht schlimm). Hoffentlich haben das die Schnupfenviecher auch gehört und halten sich da mal dran.

Ich könnte es so machen wie eine gemeinsame Bekannte von Freundin T. und mir, die sich mal einen Grog gegen Erkältung machen wollte, aber nicht so richtig wusste, wie das geht. Also machte sie sich Rum heiß und trank eine ganze Tasse davon. Und weil es so schön war, gleich noch eine. Danach schlief sie wie eine erkältete Tote. Aber als sie wie-
der wach wurde, war die Erkältung tatsächlich geflüchtet. Na, vielleicht hat sie sie auch bloß nicht mehr gemerkt, das würde mir jedenfalls so gehen, wenn ich zwei Tassen Rum trinken würde. Ich tu’ ja immer nur so, als würde ich so viel zwitschern. In Wirklichkeit vertrage ich nicht viel.

Dann schon lieber Glühwein auf Freundin-T.-Art. Das fiel mir gestern wieder so ein, als ich meinen lieben Besucher zum Zug brachte. Wir sprachen nämlich über Weihnachtsmarkt und Glühweintrinken und so. Und da dachte ich plötzlich wieder daran, wie T. mal in der Werkstatt gegen Feierabend meinte, sie hätte jetzt total Lust auf einen Glühwein, und sie hätte da ja auch noch so was im Schrank. Da ich was zu tun hatte, bekam ich erstmal nicht mit, was sie tat, hörte aber bald die Mikrowelle pingen.

Als ich guckte, hatte sie eine Tasse, aus der ein Faden raus hing. An dem Faden ein Papierchen, das ich als Glühf*x-Papierchen erkannte. Stimmt, da war immer ein Päck-
chen Glühf*x-Beutel im Schrank gewesen. Und Wein kriegte sie ja ständig geschenkt, da musste sie noch eine Pulle gehabt haben. Sie zupfte eine Weile an dem Fädchen herum, guckte immer wieder in die Tasse und meinte, das sähe aber komisch aus. Dann probier-
te sie ein Schlückchen und meinte, das schmecke sich auch komisch an. Da wollte ich’s doch genauer wissen, denn ich ahnte schon was. Ein Blick in die Tasse bestätigte mir, dass sie den Beutel lediglich in heißes Wasser gehängt hatte, in dem Glauben, da sei  „alles irgendwie mit drin!“. Ich möchte übrigens wetten, dass das viele Leute so machen.

Ich hingegen trinke ja sowieso keinen Glühwein, ich kann den Geruch schon nicht ab, weil ich früher immer auf dem Weihnachtsmarkt arbeiten musste, wo man den Geruch und die Auswirkungen täglich, zwar in bunten, aber den immer gleichen Farben, erleben kann. Und wo ich deutlich mitgekriegt habe, dass sich hinter den Buden genau die gleichen Tetrapacks stapeln, die beim Pennie auch im Regal stehen. Wenn ich mir das Zeug zuhause nur ein paar Stunden in einem ganz ollen Topf erwärmte und dann noch eine Zimtstange, ordentlich Zucker und eine kleine Orange reinschmisse, hätte ich dasselbe Ergebnis. Aber ich könnte es aus viiiel hübscheren Tassen trinken, als aus diesen furchtbaren Becherdingern, die sich jedes Jahr an Hässlichkeit überbieten und sogar (wahrscheinlich aus Trashigkeitserwägungen) gesammelt werden. Ich mach das aber wahrscheinlich nicht.

Lieber koche ich mir gleich noch einen Tee, schaffe ich mir etwas frische Luft an und schlafe nachmittags mal ein Stündchen. Noch ist ja auch nix entschieden, – die innere Abstimmung läuft noch.

Taschenbewohnerin

Ich fürchte, nun lässt es sich nicht mehr ignorieren: Herbst.
Das ist die Jahreszeit, die ich am wenigsten mag. Könnte man meinetwegen weglassen. Denn nun wird das Licht immer weniger, alles legt sich schlafen und es wird ewig dauern, bis da wieder Leben reinkommt. Das lässt mich jedes Jahr durchhängen, mal mehr, mal weniger. Da hilft eigentlich nur noch Likör. Freundin T. z.B. hingegen liebt den Herbst und auch den Winter, und jedes Jahr streiten wir gutmütig darüber, wer von uns Recht hat. Sie mag die bunten Blätter, und auch Schnee findet sie zum Seufzen schön. Ich muss aber doch schlucken, wenn die Blätter fallen und alles so braun und abgestorben aussieht. Und Schnee: na ja, mal so für eine Woche, bitte sehr… Ach so, und das „gemütliche Teetrin-
ken“ mache ich doch sowieso das ganze Jahr über! Zur Not backe ich mir sogar Bratäpfel im Sommer, während es vor Hitze nur so summt…

Die schönste Jahreszeit ist jedoch für mich der spätere Frühling, wenn es wieder heller wird und schon alles erkennbar grün ist, und ich weiß, das bleibt jetzt auch erstmal so; – es wird sogar immer besser und üppiger. Übrigens hat das rein gar nichts mit den Temperaturen zu tun. Es scheint eher eine Art Familienkrankheit zu sein, denn das Väterchen in Berlin wird ab Oktober auch immer grummeliger. Mendelsche Herbst-
depression, quasi.

KastanieAlso habe ich mir vor Jahren eine Art Ritual entwickelt:
Die erste Kastanie, die ich im Herbst finde, stecke ich in meine Jackentasche. Sie wandert dann immer mit durch alle Jacken und Mäntel, dabei wird sie immer schrumpeliger und leichter. Sie erinnert mich daran, dass es irgendwann auch wieder heller und wärmer
und grüner werden wird. Ich muss eben Geduld ha-
ben, dann wird’s schon.

Und wenn ich im Frühjahr dann endlich die erste grü-
ne Knospe sehe, nehme ich die Kastanie heraus und schleudere sie weg, soweit ich kann. Geschafft. Das mache ich bestimmt schon 10 Jahre so und irgendwie tröstet es mich, wenn ich zwischendrin immermal nach
der Kastanie in meiner Tasche taste und weiß, irgendwann
kommt wieder der Tag, an dem ich sie durch die Luft sausen lasse.

Doch wenigstens ein Gutes haben ja die kalten Jahreszeiten auch: Man hat plötzlich wieder Taschen, in denen sich Portemonnaie, Schlüssel, Telefon, Taschentücher, Notizbuch und Bollos verstauen lassen. Und eben eine wartende Kastanie.
Der Likör steht ja zuhause.

Wie ich Samstag dreimal nass wurde

Zurück zuhause. Im Briefkasten war lauter gute und sogar tolle Post, das ist auch selten. Dafür ist der Kühlschrank leer bis auf eine Tube Tomatenmark, ein Glas Tahina und eine schöne Pulle Schokolikör. Wer dafür ein Rezept hat, darf’s mir schicken. Zum Glück fährt aber der gute Freund M. gleich mit mir einkaufen. Ich weiß schon, was ich mir in den Einkaufswagen häufen werde: Himbeerbollos. Viele. Da, wo ich war, herrschte Bollodürre. Trotzdem fahre ich wieder hin, sobald es geht, denn die Nusstörtchen da… Ich gebe zu, das ist nicht der einzige Grund.

Zum Zurückkommen gab’s aber auch Grund. Der M. hatte Geburtstag, den wievielten verrate ich nicht. Aber er hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Grill anzuwerfen. Hat es eigentlich irgendwo nicht geregnet am Samstag? Da waren wir jedenfalls nicht, sondern in Hannover. Ich kam vom Bahnhof (übrigens auch diesmal: keinen Grund zum Meckern über die Bahn gehabt, außer, dass der Mann neben mir Käsemauken hatte, aber darüber…), fuhr mit der Bahn bis Linden,  – wurde nass.

Schmiss zuhause den Inhalt des Koffers in den Wäschekorb, zog mich schnell um, fuhr mit dem Fahrrad zur Party, – wurde nass.

Setzte mich dort an den Ofen, trocknete, tratschte mit Freundin M. und Freundin S., freute mich, den guten C. mal wieder zu sehen, während sein kleiner Hund vom jüngsten Partygast (Matilda, 1 Jahr 4 Monate) um Tische und Bänke gejagt wurde. Freund M. kann jetzt die nächsten Wochen damit zubringen, zu lesen, dabei „White Stripes“ zu hören, zu rauchen wie ein Schlot, und dazu Honig zu schlecken, weil er eigentlich alles doppelt und dreifach geschenkt bekommen hat. Gut, dass er noch Urlaub hat. Ich versuchte, eine Forelle im Halbdunkeln zu grillen, zu essen und auch bei mir zu behalten, als plötzlich am Tisch über Aggregatzustände verschiedener Lebensmittel gesprochen wurde. B. trank aus Versehen (war dunkel) alkoholfreies Bier und wurde trotzdem so lange betrunken, bis wir ihn aufklärten. Da ich Hannöversches Bier bevorzuge, kann mir das nicht passieren, denn das erkenne ich auch im Dunkeln an der Flaschenform. Deswegen war ich auch um elf schön angeschusselt und müde, verabschiedete mich, fuhr nach Hause, – und wurde nass.

Gestern war ich dann auch nur mal kurz draußen. Zum Brötchen holen.

Ich will Himbeerbollos, verdorri nomma!

Freundin T. hat Schuld.
Vor ein paar Wochen hat sie mich mit Himbeerbollos infiziert. Ein berühmter Hersteller von so Hustelutschsachen hat eine neue Sorte mit Himbeergeschmack in so niedliche kleine Schachteln getütet und Freundin T. ist denen prompt auf den Leim gegangen und hat sie probiert. Und mir begeistert davon berichtet. Also habe ich auch probiert, und das habe ich jetzt davon. Ich kann nicht mehr ohne. In Hannover gibt’s die Dinger an jeder Ecke zweimal. Da, wo ich zurzeit weile, nirgends.

Nicht im Superladen, nicht im Kaufhaus, nicht in der Drogerie. Ich war überall. Freundin T. wird mir eine Schuhneubesohlung springen lassen müssen, das ist das mindeste! Ich sitze hier in einer fremden Stadt, die so schön sein könnte, wären die Einwohner fähig und willens, Himbeerbollos einer ganz bestimmten Sorte feilzubieten oder im Laden danach zu verlangen. Mir ist nämlich schon ganz blümerant. Wenn ich nach Hause komme, kaufe ich sofort eine Anstaltspackung und kippe die Hälfte davon in meinen Koffer, damit mir das nicht wieder passiert!

Monday, Monday, nanaaa… nanananaaa…

Das ist von „The Mamas and the Papas“, oder? Jedenfalls geht’s mir heute nicht aus dem Sinn. Aber es passt ja ganz gut. Ein anderes Montagslied ist „I don’t like Mondays“ von den Boomtown Rats. Meiner Freundin T. (die ja jahrelang meine Chefin war) und mir war damals mal in der Werkstatt aufgefallen, dass das eigentlich nie montags im Radio läuft. Wir hörten es vor allem dienstags, und das fanden wir merkwürdig. Ob die Radiostationen-
betreiber Angst hatten, montags einen zerstörerischen Impuls auszulösen? Einen, der an den anderen Tagen der Woche nicht funktioniert? Wahrscheinlich waren wir aber wieder mal die einzigen, denen so was überhaupt auffiel. Zudem stellten wir fest, dass Phil Collins fast immer um „20 vor“ gespielt wurde. (Wir hörten aus Kompromissgründen ein sog. Formatradio, das nur mal zur Erklärung der Senderwahl.)

Heute also „Nanaaa, nanananaaa…“ Das kann ich nachher in der Praxis vorsingen, in die ich heute gehe. Mal sehen, was sie dort für einen Zinnober mit mir veranstalten werden. Nee, ich bin nicht krank. Nur schlapp. Man weiß ja gar nicht mehr, ob das noch Früh-
jahrsmüdigkeit ist (oder haben wir schon Sommer? Watt denn? Der war schon?!? Das müsst Ihr mir doch sagen!) oder Herbstdepression oder eventuell Winterschlaf. Die gute Frau L. soll mir mal sagen, welche Ausrede ich benutzen soll, wenn ich mal wieder ab Mittag ins Stottern und Spotzen komme, um dann langsam auszurollen und für den Rest des Tages zu müde bin, um die Arme richtig zu heben. Also, nicht, dass ich die nun unbedingt in einer Tour heben müsste, aber vielleicht will ich das ja mal und dann kann ich’s vielleicht gerade nicht.

Mein Hausarzt sagt immer, ich soll mich mehr bewegen. „Was meinen sie denn, Herr Dokter, wie ich hierher gekommen bin? Teleportation, oder wie?“ Da guckt der nur. Ich hab’ dem schon mehrfach aufgezählt, was bei mir an Bewegerei so zusammen kommt, und finde, das ist nun wirklich nicht zu wenig. Aber er ist auch so ein sehniger Mara-
thontyp und bestimmt jedes Wochenende mit so einem benummerten Leibchen unterwegs, Bananenstücke vom Straßenrand pflücken.

Sport ist einfach meine Sache nicht. Tut mir leid. Bewegung ja. Am liebsten zackig ein Stündchen durch die Landschaft marschieren. Aber bitte ohne Stöckchen. Ein richtig netter Orthopäde hat mal zu mir gesagt: „Schnelles Gehen! Das ist alles, was man braucht. Gehen sie immer so, als bräuchten sie unbedingt noch einen Liter Milch und ED*KA machte in drei Minuten zu!“ Den Mann hätte ich küssen mögen, denn er hatte meine bevorzugte Fortbewegungsart erkannt und sie mir quasi verschrieben. Und wenn nicht gegangen wird, wird Rad gefahren. Und dann wohne ich auch noch in der dritten Etage, da muss man ja auch mehrmals täglich raufkommen. (Der Trick wäre, gleich oben zu bleiben, aber das machte nur halb soviel Spaß.) Und dann noch die schon mal hier beschriebenen Pilates-Übungen dreimal die Woche. Also, Bewegung habe ich eigentlich durchaus.

Mal sehen, welche Erkenntnisse ich heute Mittag dazu gewinnen werde. Frau L. weiß vielleicht mehr als der Marathonarzt. Eventuell muss ich in die isses Jodmangel und ich soll mich ab sofort täglich von Kopf bis Fuß mit orangefarbener Tinktur bepinseln. Vielleicht muss ich auch Kaffeebäder nehmen, mir Traubenzucker spritzen und dazu den ganzen Tag über Kopfhörer Pauken- und Trompetenkonzerte hören.

Och watt, ich kauf’ mir einfach ’ne Brille, wo vorne so Augen draufgemalt sind…

Gaumenkitzel

Schon wieder Sonntag. War nicht vorgestern erst Sonntag? Die Wochen fluppen nur so durch, der September ist auch schon halb rum. Die Freundinnen beschweren sich, dass sie seit soundso vielen Wochen nichts mehr von mir hören. Allerdings sind sie nicht richtig böse, die Guten. Nur neugierig.

Und ich sitze hier und plane herum, weil ich ja auch mal was schaffen will, und esse dazu Oliven, die mit Mandeln gefüllt sind. Eigentlich mag ich gar keine Oliven, aber ich esse fast alles, wenn Mandeln drin sind. Freundin A. schleppte mir mal, weil sie das weiß, eine leckere Süßigkeit an. Sie war ganz begeistert, sie mir zu überreichen und meinte: “Guck mal! Marzipan, mit Mandeln drinne! Das müsste doch was für Dich sein!“ Mein Blick muss wohl Bände gesprochen haben, trotzdem fragte ich sie in aller Ruhe noch mal, was sie denn meint, woraus Marzipan normalerweise bestünde. „Öh. Äaah… So wie guckst… aus Mandeln? Wahrscheinlich?“ Dann wurde schwesterlich geteilt.

Zum Glück hat sie mir kein Marzipan mit Oliven drin mitgebracht. Da wäre die Freude wohl weniger ausgeprägt gewesen. Ich hatte aber auch schon mal eine Schokolade mit Hirschschinken drin. Und ob man’s glaubt oder nicht: Die hat geschmeckt. Dabei waren gar keine Mandeln drin. Aber Rosmarin.

Neulich habe ich ein Gemüsegratin gemacht, da waren welche von diesen dunkelroten Möhren drin, die man jetzt überall kaufen kann. Eine alte Sorte, die man jetzt wieder nachzüchtet. Die wollte ich natürlich probieren und habe sie zu den Kartoffeln, den Zucchini, Paprika, Lauchzwiebeln dazugeschnibbelt, alles fein mit Sahne übergossen und in den Ofen gesperrt. Als ich’s wieder rausholte, war das Gratin rosa. Pink! Also, ich fand’s gut, aber der liebevoll Bekochte auf dem Sofa fand, ich solle mal lieber das große Licht ausmachen, das wäre ja sowieso viel gemütlicher. Im Halbdunkel verputzte er dann drei Portionen, während ich Mühe hatte, meinen Teller zu finden und mich nicht mit der Gabel zu pieksen.

Ob die Tartuffeln im Gratin aus Sülze waren, kann ich nicht sagen.
Ach so: Nee, nicht aus der Sülze. Sondern aus Sülze! Da ist nächste Woche richtig was los. Im Sinne von: Pommes. Mit Pommes dazu.

Kartoffelfest

Wir sehen uns dann nächste Woche auf einen Salinenschnappes in der „Sülzer Kartoffelfalle“!

 


SCD

Nee, nicht CSD. Das ist ja was ganz anderes und dieses Jahr auch schon gewesen…

SCD kann man immer haben. Wann man will. Ich selbst habe mich noch vor zwei Tagen dabei erwischt, wie ich vor meinem Schrank stand und zu ihm sagte: „Ich hab’ irgendwie garnix anzuziehn!“ Peinlich. Allerdings liegt das daran, dass mir erstens die Mode der letzten paar Jahre oft nicht recht behagt, ich zweitens neulich ganz viel weggeschmissen habe und drittens meine Piepen zusammenhalte, wenn’s geht. Aber der Ausspruch rächte sich prompt. Ich hatte nämlich noch am selbigen Tag ein tolles „Magazin“ im Briefkasten: Es heißt „For me“ und ist ein Kundenmagazin von Protector & Gähnbel. Darin zu lesen auf Seite 15 unter folgender Überschrift:

 Hilfe

Also, ich als Frau habe natürlich schon von der Anlage her immerzu die dollsten Gefühle. Das ist ja bei uns so eingebaut. Ab Werk, quasi. Deswegen müssen wir ja z.B. auch immerzu heulen und können auch keine Bierkisten tragen. (Also, wenn ich mal welche tragen soll, kommen mir jedenfalls immer die Tränen, das hat noch jedes Mal gewirkt.)

Aber es gibt nun wohl ein „Gefühl, das jede Frau kennt.“ Also wahrscheinlich bedeutet das, dass jede Frau dieses Gefühl schon mal hatte (ein viel benutztes, also), und nicht, dass es ein Gefühl gibt, dass so ein dickes Adressbuch hat, dass es alle Frauen kennt. Ist ja auch egal jetzt.

Die Wissenschaft hat es nun aber erforscht, das Gefühl. Es heißt SCD. Und jetzt festhalten! Denn das bedeutet: Seasonal Clothes Disorder bzw. „Jahreszeitlich bedingte Kleidungsstörung“. Ich musste mehrfach lesen, aber das stand da wirklich!

Und damit Ihr mir’s glaubt: SCD















Verdammt, ich muss sofort Vanilletee kaufen, denn ich habe eine Kleidungsstörung!!! Hoffentlich finde ich einen guten Therapeuten! Vielleicht auch eine Selbsthilfegruppe, denn nicht nur mir geht es so schlecht… Auch diese Frau hier ist total verzweifelt und klagt den Baumwollgöttern ihr Leid.

 das_hilft


Dabei müsste sie bloß mal nach unten gucken, da steht ja die Lösung. Grob zusammen gefasst, besteht sie aus folgenden Tipps:

1) Accessoires an die gestörte Kleidung pinnen, z.B. Ansteckblüten aus Wildleder (aha).

2) Im Internet einzwei schicke Gürtel ersteigern (soso).

3) Topmoderne Ketten und Ohrringe anbringen (hm, hm).

(Meiner Meinung nach ist das ja eigentlich nur ein Tipp, aber da kommt ja noch was: )

4) Klamottentausch-Party mit Freundinnen machen.


Na, die kennen meine Freundinnen nicht! Die haben doch ganz unterschiedliche Figuren, die guten. Bei einer Hose von Freundin T. wären mir die Beine viel zu kurz, bei einem Kleidchen von Freundin M. kriegte ich schomma den Reißverschluss gar nicht zu und Freundin S. wird bestimmt ihre Cowboystiefel nicht rausrücken und stattdessen nach Prosecco und Schnittchen verlangen. Die Freundinnen hätten natürlich ähnliche Probleme mit meiner Garderobe, und großartig was zu bieten hätte ich auch nicht, denn das, was ich kürzlich nicht weggeschmissen habe, will ich ja schließlich behalten. Das gibt doch bloß Gezeter. Muss ich mich wohl mit meiner Störung abfinden.

Vielleicht gibt’s ja bald ein lustiges Medikament dagegen. In Größe 38, bitte.

Freundinnen

In den letzten Tagen hatte ich endlich mal wieder Gelegenheit, mich mit meinen Freundinnen zu treffen. Am Mittwoch besuchte mich Freundin S., um mich über die allerneusten Neuigkeiten auszuquetschen und indiskrete Fragen zu stellen.
Ganz nebenbei und unauffällig füllte sie mich mit Prosecco ab. Kaum, dass ich zwinkerte, war mein Glas schon wieder voll und S. rief zackig: „Nur keine Müdigkeit vorschützen! Hopp, weg damit, Puppe!“ Nach kurzer Zeit war mir ziemlich schwurbelich zumute und ich konnte die Buchstaben aus Russisch Brot, die an meiner Kühlschranktür kleben, kaum noch lesen. Aber die Laune war prächtig, denn so was war längst überfällig gewesen.

Am Donnerstag, also gestern, kam Freundin T. Sie hatte eine Flasche Wein in ihrem umfangreichen Gepäck. T. hat immer reichlich Zeug dabei. Sie gehört zu den Frauen, die z.B. immer ein Nagel-Nessesaire dabei haben. Wahrscheinlich verbergen sich in ihrer Tasche auch eine Wasseraufbereitungsanlage, ein Iglu-Zelt, ein Lagerfeuer und mehrere Schrankwände. Sie ist also die Freundin, die man dabei haben sollte, wenn man in der Wildnis ausgesetzt wird. Wein schleppt sie normalerweise aber nicht herum, das war eine Ausnahme, denn T. trinkt selten mal was. Aber auch sie wollte mit mir anstoßen und das Neueste der letzten Wochen hören. Als wir nämlich zuletzt miteinander gesprochen hatten, hatte sie eigentlich gar nichts gesagt, weil sie eine furchtbare Stimmband-
entzündung hatte. Diesmal sagte sie auch wieder nicht viel, aber das lag zum Glück nur daran, dass ich einfach so viel mehr zu erzählen hatte. Und sie hatte ja auch mit ihrem Wein zu tun.

Wenn ich den Besuch beider Freundinnen auf einen Abend gelegt hätte, dann hätten wir auch fast Rommee spielen können. Ich kenn’ mich mit Kartenspielen nicht so gut aus, glaube aber, dass man für Rommee zu viert sein muss. Dazu hätten wir also noch eine weitere Freundin am Tisch gebraucht. Gut gepasst hätte die gute A. aus Berlin, die ich hier übrigens mal ganz lieb grüßen möchte! Huhu!

Und dann wäre der Abend vermutlich ähnlich verlaufen wie der in dieser kleinen Geschichte von Fanny Müller (deren Miniaturen aus dem hamburger Schanzenviertel ich liebe), die ich mal spaßeshalber mit meinem neuen Headset aufgenommen habe, das mir ein sehr lieber Mensch neulich geschenkt hat. Die Aufnahmequalität ist noch nicht so, wie sie sein sollte und die Datei ist dicke 3 MB groß, aber ich wünsche trotzdem:

Viel Spaß!


Rommee

(MP3 – 3,2 Mb)

Fanny Müller: „Wenn Frauen zu sehr Rommee spielen“, gelesen von Theobromina