…gings eigentlich. Ich hab’ mir jedenfalls diesmal beim Aufstehen keins von diesen Trian- geldingern gewünscht, die im Krankenhaus gern mal über den Betten angebracht sind, – zum Hochziehen. Zum Renovieren geh’ ich auch nur noch bis mittags, danach bereite ich mich und meine Wohnung innerlich auf den Besuch von Freundin S. vor. Wir wollen heute Abend lecker essen, Getränketrinken, uns über Frau Klum aufregen und dann bis in die Puppen ratschen und so. Das ist schon lange mal dran, und ich freu’ mich da auch richtig drauf. Mit ein bisschen Glück macht Freundin M. auch noch mit, dann werden wir hier ordentlich rumhühnern.
Vorgestern war ich übrigens sehr traurig, dass ich kein Foto von M. machen konnte (Ka- mera wieder nicht dabei): Als ich zu ihr rüber guckte, stand sie nämlich auf der untersten Stufe der Leiter und kratzte weit vorgebeugt mit einem Spachtel an der Fußleiste herum! Immerhin hatte sie sich dafür die niedrigste Leiter genommen… Aber ich würde sagen, auch die liebe M. braucht langsam jetzt mal ’ne Pause.
Eigentlich isses ein kleines Wunder, dass meine beiden Zeigefinger noch kräftig genug sind, die Tasten runterzudrücken. Ich hab’ nämlich Muskelkater so ziemlich überall. Ich glaube sogar, außerhalb meines Körpers.
Und die Arbeit geht nicht alle. Gestern stand ich z.B. 9 Stunden auf einer Leiter, die mir morgens noch 14m hoch vorkam, mittags fühlte sie sich dann schon wie ein natürlicher Teil meines Beinapparats an. Hatte ich schon geschrieben, dass die Baustelle verflixt kalt ist? Bald bin ich so dick angezogen, dass ich mich nur noch millimeterweise bewegen kann. Trotzdem frier’ ich wie eine arme Näherin… Gestern habe ich eine Gewerkschaft gegründet, die nur aus mir selber besteht, und die Hausherrin genötigt, einen Wasserko- cher aufzustellen, damit ich mir das warme Wasser in die Hosentaschen schüt mal einen Tee kochen kann. Ich hab’ einfach gesagt, wenn sie das nicht endlich macht, fahren die Züge nicht mehr! Das wirkt ja immer.
Der „Schlimme-Sprüche-Mann“ hat mich auch gestern wieder mit allerlei duften Bonmots erfreut. Eigentlich schade, dass ich nicht einfach über psychosomatische Temporärtaub- heit verfügen kann. Also muss ich mir doch anhören, dass „die Wikinger in der Regel rote Bärte haben“ und dass man nach einem Arbeitsunfall „als allererstes die Hände aus den Taschen nehmen soll, bevor der Rettungswagen kommt. Sonst isses kein Arbeitsunfall! Hähähä!!!“ Inzwischen bin ich zu entkräftet, um mich zu wehren…
Und dann sitz’ ich hier, versuche, meine restlichen Kräfte zu sammeln, dieweil ich die „Frühschicht“ auf Radio Unerhört Marburg höre. Und watt machtadie HikE? Gerade neulich bedank’ ich mich noch, dass sie nix über J. Rush geschrieben hat, da spielt die die olle Knödelfrau volle Pulle in der Sendung, dass mir hier der Kartoffelteig nur so ausse Boxen quillt! Na wachte! Wo ich doch im Moment zu schwach bin, den kleinen Lautstärkenupsie auf „leise“ zu drehen…
Das war vielleicht ’ne Woche! Da war wirklich alles dabei, was ein Stimmungsbauchladen so anzubieten hätte, wenn es sowas Unheimliches denn gäbe… Hier hängen noch viele Sätze in der Luft. Aber auch, wenn Zwei dann schweigen, finden sie manchmal zu was, das ohnehin nicht gut in Worten gesagt werden kann.
Nachdem ich nun gestern auf dem Bahnhof den Abschied von meinem liebsten Besucher wieder mal tapfer überstanden hatte, bin ich gleich zu meinem nächsten Einsatz gehas- tet: Freunde M. und A. mit der lütten M.N. ziehen ja in zwei Wochen um und brauchen dringend Hilfe beim Renovieren ihrer neuen Wohnung. Wie dringend, sah ich, als ich dort ankam. Ich kann ein bisschen praktisches Tun im Moment ganz gut gebrauchen, aber: Jungejunge, da steckt noch Arbeit drin! Oder, wie ich neulich aus dem Fernseher lernte: „Das wird kein Kinderschlecken!“ Die kleine M.N. würde es wahrscheinlich auch nur kurz- fristig dulden, von ihren Eltern abgeschleckt zu werden, dann gäb’s sicher irgendwann Gemaule.
Die Renoviererei hingegen wird sich lohnen, denn die Wohnung ist groß und toll, in einer hübschen Gegend und der Vormieter hat 53 Jahre drin gewohnt. Leider ist sie nicht im Haus meinem gegenüber, so wie die alte, aber ich durfte ja auch wieder mal nicht mit- reden…
Aber Tapetenabkratzen darf ich! Komischerweise ist das ja eine „Frauenarbeit“. Ich habe selten Männer bei dieser interessanten, lehrreichen Tätigkeit beobachten können, dabei habe ich schon ganze Paläste renoviert (wenn man’s mal zusammenzählt). Das Interes- sante ist mitunter, welche hübschen oder grässlichen Tapetenmuster aus vergangenen Zeitschichten frei gekratzt werden können. Das Lehrreiche fällt mir jetzt gerade nicht ein. Der Vormieter hat jedenfalls einen beträchtlichen Teil der 53 Jahre mit dem Übereinander- kleben von langweiligen Tapeten und dem wahllosen Verlegen von elektrischen Leitungen zugebracht. Aber als kleine Überraschung hat er immerhin schöne Stuckdecken hinter einer Deckenabhängung aus Hartschaumplatten versteckt.
Jedenfalls arbeitet dort auch ein Herr mit, der irgendwie zur Familie gehört und den gan- zen Tag nix wie Unsinn redet. Das meiste versteht man zum Glück sowieso nicht, weil er wie ein Zahnloser spricht, aber wenn man doch mal was versteht, ist es eigentlich immer dümmlich-zotig. Gestern erklärte er mir beispielsweise, der Vorteil daran, ein Kleinkind zu sein, sei der, dass man allen Frauen einfach an den Busen fassen dürfe. Nu joh, ich hab’ da jetzt ohnehin kein großes Verlangen in dieser Richtung, aber ich bin eigentlich auch ansonsten ganz froh, nicht mehr unter 1m Körpergröße zu sein. Ich käme ja sonst kaum an meinen eigenen Busen dran.
Das restliche Gefasel von dem Mann habe ich dann einfach mit lauten Spachtelschabe- geräuschen zugedeckt. Überraschend, dass ich dieses metallische Gekratze manchmal doch ganz gern höre… Zum Glück kam später Freundin M. dazu und wir konnten uns z.B. darüber unterhalten, wie das wohl kommt, dass Männer bei einer einfachen Tätigkeit wie dem Zähneputzen oft den ganzen Badezimmerspiegel einsauen. Muss eine besondere Technik sein. (Übrigens hat sie damit angefangen, nicht ich.) Die dürfen das aber gern, wenn sie ansonsten lieb sind. Man möchte ihnen gutmütig durchs Haar wuscheln und sagen: „Du bist mir vielleicht einer…!“ M. könnte es sogar auf Japanisch sagen. Sie könn- te dann aber auch ganz was anderes sagen, A. würde es wahrscheinlich ohnehin nicht merken.
Heute ist übrigens renovierungsfrei, damit die neuen Nachbarn nicht schon vor dem Ein- zug durchdrehen und sich vornehmen, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zurück zu krachen und meinetwegen nachts um drei im Wohnzimmer den Laubsauger anwerfen oder so. Morgen geht’s dann weiter mit Putzen und Streichen. Und leider wohl auch mit den Zoten. Nehm‘ ich halt den breiteren Spachtel.
Immer, wenn Freundin T. hier zu Besuch war, und sie im Flur steht, um ihre Jacke anzuziehen und ihre vierhundert Sachen zu schultern, guckt sie an meine Fitzelwand und grient. Manchmal sagt sie auch: „Im- mer, wenn ich das Bild da sehe, muss ich grinsen.“ Als ob ich das nicht selber sehen würde!
Ich muss aber selber noch manchmal grin- sen, dabei habe ich das Foto bestimmt schon vor 6-7 Jahren gemacht, damals noch per analoger Kamera. Ich gehe beim Einkaufen nämlich oft an dieser Litfasssäu- le vorbei und dachte damals: Sieht ja ulkig aus, die zwei Plakate da, besonders von Weitem. Morgen nimmste mal die Knippse mit… Im dritten oder vierten Anlauf klappte das dann sogar.
Jedenfalls wirkt das Foto besonders gut, wenn man die Augen beim Begucken ein bisschen zukneift.
Kinder. Ich selber hab’ ja, aus verschiedenen Gründen, keine, könnte mir aber wohl jeder- zeit welche borgen. Vielleicht mache ich das sogar mal. Gestern jedenfalls war ich mit meiner japanischen Freundin M. und ihrer bald zwei Jahre alten Tochter M.N. in der Stadt. Freundin M. hatte einen Arzttermin und M.N. sollte solange im Wartezimmer auf mich aufpassen.
Damit uns die Zeit nicht zu lang wird, bekamen wir eine schöne Tüte Tierkekse für auffe Faust. Im Wartezimmer stand zudem ein Körbchen mit bunten Bauklötzen, und zwischen den Bauklötzen fanden sich so hübsche, flache, klar lackierte Holztiere. Kekslöwe in der rechten Hand, Holzlöwe in der linken, kann es schnell schon mal zu Verwechslungen kommen. Beinahe hätte ich einen Zahnarzttermin gebraucht. Von M.N. war kein Trost zu erwarten, sie versuchte nämlich gerade, einer Wildfremden unauffällig in die Handtasche zu steigen.
Später, wieder zu dritt, untersuchten wir das Sortiment eines skandinavischen Klamotten- verjublers. M.N, die gerade sprechen lernt, kann drei Wörter schon besonders gut und benutzt sie gern: „Mehr!“ (Variante: „Mehrmehr!“), „Bitte!“ und „Liebe!“. Die daraus zu bildenden Kombinationen kann sich ja jeder selbst ausrechnen und wer gestern in der Innenstadt war, konnte sie auch deutlich hören. Ebenso die mütterliche Antwort über zwei Kleiderständer hinweg: „Ja, gleich…!“ oder: „Jetzt nicht…!“
Weil ich mir schon morgens beim Hochheben der kleinen Rackerin irgendwie den Rücken verknorzelt hatte, dauerte der Bummel nicht so lang wie sonst, und trotzdem kriegten wir Hunger. (Keine Sorge, der Rücken hat sich gegen Abend geräuschvoll wieder in seine für ihn vorgesehene Position eingefunden.) Beim Sushi (was sonst) fiel mir ein, dass es hier zum Glück ausnahmsweise mal keine Anwendung gibt für eine inflationär gebrauchte Redewendung, die mir neuerdings ständig aus dem Fernseher entgegenfällt. Bald fange ich eine Strichliste an. Neee, nicht „in aller Munde“. Das wird ja unappetitlicherweise dauernd über Zeitungsartikel geschrieben: „Bio (bzw. Health food, xyz…) ist in aller Munde“.
Sondern das, was in diesen Kochshows jetzt immerzu alle sagen; – müsst Ihr mal drauf achten, nämlich: „…auf den Punkt gegart!“ Das konnte man vom Sushi nun wirklich nicht behaupten.
… liebe mokkasin, lieber Jenne (inlimbo), in meiner lütten Kakaostube! Ich freu’ mich sehr! Da auf dem Sofa sind noch zwei schöne Plätze frei, wenn Ihr mögt… – Und gegen die vorfrühlingshafte Kälte und für Theobrominzufuhr:
Und erst kürzlich sind dem hannöverschen Sprengel-Museum ja onnoch zwei Picassos, die in die Schweiz ausgeliehen waren, gemopst worden. Eines tauchte überraschender- weise gestern wieder auf. Allerdings keines der geklauten. Eigentlich nicht einmal ein richtiger Picasso, – aber egal!
Es entstammt der graublauen Periode und Pablo hat’s gemalt, als er in seinem saukalten Atelier wie ein Schneider gefroren hat. (Die Äste hat er übrigens hinterher verheizt.)
Bevor es jedenfalls wieder abtauchte, gelang es mir, ein echtes Foto davon zu knipsen:
Gestern lag ich, zugegeben, den lieben langen Tag auf dem Diwan und streckte nur immer mal die Hand aus, um in den Korb zu greifen, der auf dem Boden neben dem Diwan steht. Allein das Geräusch, das Knistern und Rascheln, das dann entsteht, ist fast so schön wie Vogelzwitschern. Noch schöner ist nur noch, wenn ich dann eins der bunten Papierchen abpelle und es ist was Leckeres drin. Man weiß es ja vorher nicht immer…
Ich konnte mich jedenfalls nicht losreißen davon und deshalb kann ich erst heute Bericht erstatten, wie nun überhaupt alles war:
Als wir aus dem Bahnhof Köln/ Deutz traten, war olles Fissels- wetter, grau und nieselig. Doch das interessierte mich fast gar überhaupt nicht. Wir gingen auf die Treppe des Messeeingangs zu, und ich dachte mir noch: So ungefähr fühlen sich doch bestimmt Hollywoodstars, die über den roten Teppich zur Oscar-Verleihung gehen. Ich muss mal Julia Roberts fragen, ob sie sich dann auch so königlich fühlt…
Am Eingang wurden unsere Karten gescannt, dann gab’s noch Lanyards (so Umhänge- schildchen am Bande) um sie hineinzustecken, und dann waren wir drin. Einfach so. Ich konnte gar nicht viel sagen, außer: „Ich fasses nicht! Ich bin hier!“ Meine Hand tastete an meinem Begleiter herum.
„Hey! Du bist mir ja gerade an den Hintern gegangen!“
„Na und?!? Ist doch schließlich ne Süßwarenmesse hier!“
In der ersten Halle waren vor allem spanische und italienische Aussteller. Und wenig Pub- likum. Sehr wenig. So konnten wir uns gar nicht richtig abgucken, wie man sich hier wohl korrekt verhält. Wahrscheinlich schleicht man nicht mit offenem Mund durch die Gänge, wie ich es tat. Und ganz bestimmt hustet man auch nicht alles an, so wie es eine Frau tat, die ziemlich lange mit uns auf einer Höhe war. Mein Begleiter (im Folgenden einfach mal „B.“ genannt) ging fröhlich drauf los und hatte schon drei Sachen probiert und ein Eis in der Hand, als ich mich noch sortieren musste. Dass ich nun wirklich hier war! Und alles sah genauso super aus, wie ich’s mir erhofft hatte. Boah!
„Kann man das wohl alles einfach so mitnehmen? Probier’ doch mal! Ist lecker! Du musst Dich doch mal trauen!“ – „Nee, ich bin noch zu schüchtern. Außerdem muss ich mir das einteilen, sonst ist mir womöglich gleich schlecht. Bestimmt kommen da noch ganz viele tolle Sachen.“
Er also immer fröhlich drauf los, ich staunend und noch etwas verlegen hinterher. Bis wir herausbekamen, dass man nicht alles mitnehmen darf, was herumsteht, sondern eigent- lich nur das, was auf Tabletts, Tellern und in Körbchen in mundgerechten Happen präsen- tiert wird, dauerte es etwas. Zum Glück hatte B. da schon drei Tafeln feinste Schoki für mich eingesackt, und noch so Manches mehr. Ich alte Schissbutze! Später immerhin gelang es mir unter Einsatz eines gekonnten Augenaufschlags, ein paar sehr spezielle Bonbons zu erbitten, die ich morgen mal auf eine kleine Reise schicken will.
An den Gängen standen jeweils die aus den Supermärkten und Läden bekannten Displays, die zwar verführerisch lockten, aber beim Näherkommen sah man die Klebestreifen, mit denen die be- gehrten Packungen gesichert wa- ren. Eigentlich war überall fast alles festgeklebt, nur die zugehö- rigen Mitarbeiter durften sich noch relativ frei bewegen.
Dabei war doch schon der letzte Messetag, da hätten sie die ollen Streifen ruhig wieder abnehmen können, finde ich.
Was allerdings passiert, wenn jemand seinen Stand nicht gewissenhaft verklebt, und dann nur mal kurz ein Wurstbrötchen essen geht, kann man hier sehen:
Weil so wenige Besucher da waren, trauten wir uns eher selten auf die Stände. Sobald man nämlich einen Hauch von Interesse zeigte, kam sofort jemand vom Standpersonal und versuchte, ein Verkaufsgespräch einzuleiten. Da wir ja nicht so richtig ganz offiziell auftreten konnten, und nun auch nicht das Blaue vom Himmel erzählen wollten, vermieden wir diese Situation überwiegend. Die leckersten und besten Sachen lagen natürlich auch nicht als Mitnehm-Proben bereit. Höchstens mal als streng bewachte Häppchen. Gleich essen oder gar nicht.
Das war mir aber vorher klar gewesen: Wer was auf sich hält, haut keine Riesenmengen an Proben raus. Und wer soll das auch alles schleppen? Hauptsächlich war ich ja nun zum Gucken da. Mit dem richtigen Probieren wartete ich, bis wir bei „Noble“ vorbei ka- men, wo ein edles Silbertablettchen feinster Pralinen bereitstand. Ich will jetzt gar nicht versuchen, zu beschreiben, wie lecker das war… Das würde mir sowieso nicht gelingen. Hm. Vielleicht ungefähr so lecker, die das, was ich später bei „Godiva“… – Ach, ich hör’ ja schon auf. Zum Glück hab‘ ich ja kein Foto davon. Jedenfalls: Allein dafür hat sich’s schon dreimal gelohnt.
So durchkämmten wir eine Halle nach der anderen, entdeckten viel Bekanntes, ab und zu Kurioses, ich machte viel zuwenig Fotos, und die Taschen wurden immer schwerer. Wir fanden die Messe- Cafeteria, in der gerade ordentlich Andrang war. Hier waren also alle!
Der liebe B. stellte sich in die Warteschlange, damit ich uns schon mal Plätze sichern konnte. Nach ungefähr sagenwirmal ein- zwei Stunden er mit unserem Tablett und war froh, sich auch endlich setzen zu dürfen. Er sah ein bisschen erschöpft aus. Der Mann hinter dem Tresen, der ihm Nudeln mit Pesto warm machen sollte, war damit wohl an die Grenzen seiner Belastbarkeit geraten, obwohl er das eigent- lich ja den ganzen Tag machte. Ich konnte es von weitem nicht verfolgen, aber vielleicht hatte er es mit Streichhölzern unter der Pfanne versucht. Gut, dass ich mir einen Salat bestellt hatte. Irgendwie hing über dem ganzen Lokal diese erschöpfte Stimmung, die sich sogar auf den Blumenschmuck auszuwirken schien:
Vielleicht jappsten die Rosen aber auch nach Zigaretten? Oder ihnen war schlecht vom vielen Campari. Uns war zum Glück noch lange nicht schlecht, und wir zogen neugierig weiter, um die restlichen tollen Stände zu bestaunen, solange unsere Füße noch halbwegs konnten. Die Messe ist riesig! Es gibt alles, sogar Ramadan-Kalender, die in Ungarn hergestellt werden.
Außerdem habe ich drei der unvermeidlichen Schokoladenbrunnen und
einen -vulkan gesehen. Keine Ahnung, was daran so toll sein soll. Kleine Schokoladenbrunnen stehen ja inzwischen in jedem zweiten Haushalt herum. Wahrscheinlich dort, wo auch die Crèpe- pfannen stehen und die Pizzadome und die Popcornmaschinen. Ich hab’ lieber handliche Pakete handfester Schokolade im Schrank.
Was ich aber nicht gesehen habe, war das „Zungentattoo“. Das klingt jetzt schmerzhafter, als es ist. Ich hatte nämlich noch letzten Sonntag auf WDR einen Bericht über die Messe gesehen, in dem die Zungentattoos gezeigt wurden. Es handelt sich hierbei um Esspa- pier, das mit schwarzer Tinte bedruckt ist. Man legt sich die Oblate auf die Zunge, zieht sie wieder ab, und dann steht auf der Zunge „I love you“. Oder meinetwegen: „Wer das liest ist doof!“. Das würde ich jedenfalls vielleicht drauf drucken, wenn ich der Hersteller wäre. Oder noch ganz andere Sachen.
Erwähnt wurde in dem Beitrag auch extra, dass die Messe nur für Fachbesucher sei. Echt? Für Fachbesucher? Nur? Vielleicht sollten sie das Wort Fachbesucher ins Logo aufnehmen. Statt ISM dann ISMNFFDIGWDWWKDSVDSSWNF! („Internationale Süß- waren-Messe nur für Fachbesucher, das ist ganz wichtig, denn wir wollen keine daher- gelaufenen Schnökermäulchen von der Straße, sondern wirklich nur Fachbesucher!“). Das kann man sich doch auch gleich viel besser merken.
Na, dank der beherzten Unterstützung durch die liebe Juleika waren wir ja nun Fachbesu- cher, die sich nur so gewaschen hatten! Denen haben wir’s jetzt aber gezeigt! Nee, warte mal: Die uns! So rum.
Es war jedenfalls wunderbar. Paradiesisch. Lustig. Beeindruckend. Lecker. Erschöpfend. Süß. Bunt. Glücklichmachend. Und ganzganzganz toll. Ich werde sicher noch sehr lange draran denken.
Gestern habe ich irgendwoher aus’m Fernseher gelernt, dass Leute, die sich viel mit an- deren Leuten unterhalten, ein besseres Gedächtnis haben sollen, als solche die weniger Gelegenheit dazu haben. Weil so ein Gespräch irgendwelche Hirnareale anschieben soll.
Da musste ich kichern. Wieso?
Weil ich, wie aus der Pistole geschossen, gleich drei Menschen aus meinem näheren Umfeld nennen kann, die sehr gern und viel gesprächeln, aber (auch nach eigenen Aus- sagen!) über ein sagenwirmal ausbaufähiges Gedächtnis verfügen. Eine Freundin sagt sogar lachend, wenn ich mal überlegen muss, ob ich was Bestimmtes wirklich raustun soll: „Erzähl’ doch ruhig! Hab’ ich doch übermorgen sowieso wieder vergessen!“
Das ist also durchaus mal praktisch. Ich kann auch alle Lieblingsgeschichten immer wieder erzählen, sie klingen wohl immer wieder neu. Allerdings sehe ich (das ist ein Lerneffekt und reiner Selbstschutz) möglichst davon ab, mir von diesen Personen längere Witze erzählen zu lassen.
Ob ich mich viel und oft unterhalte? Hmm, …wann war das noch, das letzte Mal…?
Ich träum’ vielleicht in letzter Zeit ein wildes Zeug! Morgens wache ich auf und kratz’ mich erstmal am Kopf. Was da so alles drin ist… Aber ich bin froh, dass ich wieder träume, denn im Sommer hatte das mal für ein paar Monate ausgesetzt und das fand ich noch befremdlicher. Nein, – was ich geträumt habe, erzähle ich nicht. Es gibt ja wohl nichts Stinklangweiligeres, als anderer Leut’s Träume erzählt zu bekommen! Es sei denn, man kennt den Erzähler sehr gut, oder der Traum ist sehr witzig und gut erzählt.
Freundin T. und ich haben uns, als wir uns noch täglich sahen, oft Träume erzählt und gegenseitige Analysen versucht. Damals träumte sie immer wieder von rotweißen Bussen oder Schiffen, die sie fast über den Haufen fuhren. Wir wissen bis heute nicht, was das bedeutet und es ist ihr zum Glück auch nie passiert. Deswegen hat sie dann wohl auch aufgehört, davon zu träumen. „Hat ja doch keinen Zweck“, wird sich ihr Unterbewusstsein gedacht haben, „die kriegen das ja doch nicht raus.“
Ich hingegen habe zu jener Zeit immer wieder geträumt, dass ich irgendwo alleine herum-
stehe und es kommt ein Mann, der gar nichts sagt und mich einfach ganz ruhig umarmt. Meistens bin ich dann aufgewacht und mit diesem Umarmungsgefühl den halben Tag herum gelaufen. Das war gar nicht mal schlecht und ich konnte das damals richtig gut gebrauchen. Netterweise ist mir das seither auch gelegentlich mal im Wachzustand passiert. Wie gesagt: gar nicht mal schlecht, kann man immer gut gebrauchen…
Nun habe ich ja doch von Träumen erzählt!
O.K., also was Anderes.
Vorgestern war Freundin M. mit ihrer Lütten hier. Sie sollte ja auch noch diese bunten Dinger aus Holland kriegen (s. weiter u.). Ich glaube, sie hat sich beim Anblick etwas erschrocken. Leider sind die „Kinder-Petitfours“ auch gar nicht aus Marzipan, sondern aus einer merkwürdig schmeckenden Baisermasse. Die kleine Matilda hat eins davon immer wieder in den Mund gesteckt und dann mit verwirrtem Geschichtsausdruck wieder heraus-
gezogen. Auf den Tisch damit. Ein paar Sekunden später wieder das gleiche Spiel. So zehnmal vielleicht. Zumindest hat sie nun gelernt: Was lecker aussieht, kann durchaus, na ja ich will nicht sagen unlecker, aber doch zumindest ganz schön anders schmecken. M. und ich haben gleichzeitig überlegt, ob man da nicht einfach Magnete auf die Rücksei-
ten kleben kann, um sie an den Kühlschrank zu pappen. Vielleicht isst A. (M.s Mann) sie auch auf, – das wäre zu freundlich.
Ganz nebenbei erzählte mir Freundin M. von der neuen Wohnung, in die sie Anfang April umziehen werden. Jetzt wohnen sie noch schräg gegenüber, im selben Haus wie Freund M., aber bald dann auf der anderen Seite der Innenstadt, in der List. Sie haben guten Grund, eine größere Wohnung zu nehmen, denn sie werden ab Sommer mehr Platz für Nachwuchs brauchen. Natürlich freue ich mich für sehr sie, aber die spontanen Besuche auf einen Tee werden doch wahrscheinlich seltener werden…
Auch Freund M. ist nicht gerade begeistert. So halten wir jetzt hier die Stellung „im Dorf“. Na, vielleicht findet sich ja jemand im Freundeskreis, der die Wohnung übernehmen will. Eigentlich ist das nämlich schon so eine, die man über’s Hörensagen findet. Vor zwei Jahren hätte ich noch ganz laut „HIER!“ gerufen, aber dann wurde mir hier ein neues Bad in die Wohnung gebaut, und jetzt müssten sie mich schon mit den Füßen voran hier raus-
tragen. Am besten in der Badewanne. Naja, sie müssten die Wanne dann mal auf die Seite kippen, um durch die Tür zu kommen, denn das ist so ein großes, viertelkreisför-
miges Modell, und ich würde wahrscheinlich auch raus rutschen, aber davon merk’ ich dann ja nix mehr. Wenn sie mich nur hinterher wieder reinlegen.
Aber damit ich wenigstens vorher noch ein bisschen was sehen kann, werde ich mal gleich beim Optiker anrufen, ob meine neue Brille fertig ist. Eigentlich war sie schon letzte Woche soweit, aber als ich sie dann dort aufsetzte, „schwamm“ mir so merkwürdig der Blick. Das Brillenfrollein meinte erstmal ganz überzeugt, das könne ja an der anderen Form der Gläser liegen. Meine beiden älteren Brillen haben breitere, aber nicht so hohe Gläser, sind fast rechteckig. Sie sehen aber durch die starken Rahmen etwas streng aus. Vor zwei Jahren fand’ ich das ganz stylish, wie man ja immer so schön sagt. Was haben wir eigentlich gesagt, bevor wir stylish hatten? Modisch klingt ja wohl wie Frisierkommode. Außerdem war das Strenge zu dieser Zeit ganz gut, weil ich beruflich immerzu mit reni-
tenten Handwerkern zu tun hatte, die spurten dann irgendwie besser. Wirklich wahr!
Allerdings ist es nicht immer von Vorteil, streng zu wirken. Zum Beispiel, wenn der Umarmungsmann aus dem Traum auftaucht und dann sagt: „Nimm’ doch erstmal die Brille ab!“
Wo war ich? Achso, der schwimmende Blick. „Nee“, dachte ich und sagte sogar laut: „das kann nicht an der anderen Form liegen. Und die Sehstärke hat sich auch nicht geän-
dert. Ihre Kollegin hatte das doch extra noch mal durchgemessen!“ Also verschwand die Brille mit der Optikerin in einem Kämmerchen. Wahrscheinlich haben sie dort irgendwas besprochen, denn als sie wiederkamen, sagte das Frollein: „Jetzt weiß ich, was es ist: Die Kollegin hat auf dem Formular was falsch ausgefüllt. Es sind aus Versehen beide Gläser auf -1,75 Dioptrien geschliffen worden.“ Jetzt muss man wissen, dass ich zwar links kurzsichtig bin, dafür rechts kein bisschen. Rechts sehe ich zwar nur unter 15%, das dafür aber scharf. Das weiter zu erklären, würde jetzt zu weit führen. Es stört mich jedenfalls nicht, weil’s schon immer so war, und man sieht es mir auch nicht an. Bis eben auf die Brillen, die ich seit ein paar Jahren trage. Da kann man natürlich schon auf die Idee kommen, ich sei eventuell kurzsichtig. Aber eben nurlinks.
Jedenfalls setzte ich die Brille noch mal auf, kniff diesmal das rechte Auge zu und alles war prima! Aber so kann ich natürlich nicht rumlaufen, wie sieht das denn aus…
Also habe ich das neue Gerät noch ein wenig in der Obhut der Brillenmeisterinnung gelassen, damit sie mir da ein schönes Fensterglas rechts reinfummelt. So schwer kann das ja eigentlich nicht sein. Mal gucken.