Nestwärmehaushalt.

(Heute kommt mal was, das so gar nichts mit irgendeiner Kastaniensache zu tun hat. Ich weiß, ich rühr‘ mich hier nur noch höchst selten, aber das liegt erstmal daran, dass ich aus dem Schreiben mittlerweile sowas von raus bin… – Und dann isses noch so, dass ich auch nicht immer nur klagen will, wenn ich mich denn mal herbequeme.)

Aber. Mir. Geht’s. Manchmal. Nicht.        So.        Gut.

Ich fühle mich schwer, fremd und traurig. Ich möchte mich fragen: „Was mache ich eigentlich hier?“, traue mich aber nicht. Als ich aus dem geliebten Hannover schweren Herzens wegging, sah trotzdem erstmal alles ganz ansprechend aus: Hier in Duisburg erwarteten mich ja liebe Menschen und sogar ein neuer Job in einem netten Team! Ich würde mich schon eingewöhnen, schließlich war ich ja immer sehr anpassungsfähig. Was folgte, war erstmal wahnsinnig viel Arbeit und irgendwann die Erkenntnis, dass da zwar tatsächlich auch wirklich Nette in dem Team waren, es aber nach wie vor reicht, wenn eine Intrigenspinnerin im Hintergrund immer wieder dicht ihr Netz webt, durch das die Vorgesetzten irgendwann nichts mehr sehen. Und so wurde ich kontinuierlich an den Rand manövriert und letztlich rausgemobbt. Und das z.B. macht ganz schön was mit einem…

Hannover und alles was für mich dazu gehört, habe ich die ganze Zeit schmerzlich vermisst, aber ich war auch durch den täglichen Kampf im Job immer wieder abgelenkt. Nun aber habe ich zum ersten Mal viel Zeit, meine eigenen Gedanken wieder deutlicher zu hören. Und stelle fest: Ich fühl‘ mich hier oft ganz schön einsam.

Mir fehlt nicht nur meine Stadt und mein schönes Zuhause dort, sondern auch meine „persönliche Infrastruktur“. Meine Freunde. Menschen, die mich zum Teil seit Jahrzehnten kennen und sofort sehen, wenn mich etwas beschäftigt. Vor denen ich mich ohne Scheu ausbreiten kann, die mir geduldig zuhören, sich mir zeigen, selbst mal meinen Rat suchen, meine Unterstützung möchten, mit denen ich Nähe austausche. – Nestwärme, könnte man auch sagen.

Und natürlich, ja, hier sind ein paar liebe Menschen, die mich gut leiden können und mir das auch zeigen. Meistens Freunde des Liebsten, allesamt feine Leute. Aber irgendwie gelingt es mir nicht (mehr) so recht, aus den warmen Berührungsflächen richtige Verbindungen zu zaubern. Ich stelle an mir auch neuerdings so eine komische Verzagtheit fest, wegen der ich mich gar nicht mehr traue, mich auf jemanden zuzubewegen; das ist mir früher ganz klar leichter gefallen.

Ich krieg‘ mich selbst zudem irgendwie nicht verbunden und falle so wie in zwei Teile: Die D. in Hannover (die die Ruhrgebietler nicht kennen) und die D. In Duisburg (die die Hannoveraner nicht kennen). Der einzige, der beide ganz gut kennt, ist der Liebste. Der hört mir viel zu, tröstet und versucht, gute Ideen zu haben. Das und die Telefonate mit Freundin T. in Hannover halten mich ganz gut über Wasser.

Aber es gibt eben auch Tage wie heute…

Mottoparty.

In letzter Zeit habe ich eigentlich ziemlich viel nachzudenken, habe aber kaum mal die Ruhe dazu, so dass ich eher das Gefühl habe, dass „es“ mich nachdenkt. Hat man ja manchmal so.

Das geht dann vermutlich irgendwie unterirdisch. Wahrscheinlich gibt’s unter dem Stra- ßenpflaster extra so Kanäle, wo das Nachdenken dann stattfindet, während es versucht, mit dem Nachzudenkenden Schritt zu halten. Und wenn dann alles fertig überlegt und durchdacht ist, geht irgendwo hinter mir ein Kläppchen auf und das Nachgedachte rennt ein Stückchen hinter mir her, bis es mich von hinten so geschickt anspringt, dass ich nicht den Eindruck habe: „Huch, es hat mich was angesprungen!“, sondern es wären plötzliche Erkenntnisse und Geistesblitze, die mich durchzucken.

Aber vielleicht ist alles auch ganz anders; – wer weiß das schon.

Wozu ich allerdings höchstselbst gekommen bin, ist, mal darüber nachzudenken, ob ich eigentlich ein Lebensmotto habe. Und überraschenderweise habe ich sogar drei!
(Gelogen. Eigentlich ist das überhaupt kein bisschen überraschend, denn die Drei ist schon immer meine Zahl gewesen.)

Das erste ist schon sehr alt:
„Solvitur ambulando“ – Es wird im Gehen gelöst.

Jeder der weiß, wie sich Gedanken beginnen, im Gehen aufzutüdeln und wieder ordentlich aufzuwickeln, weiß, was ich meine. Das Gehen ist irgendso’n altes nomadisches Ding im Menschen, das Denkprozesse anstösst und durch den Rhythmus ordnet. Dafür braucht’s nicht mal Jakobswege oder so. Ein langer Spaziergang, einmal die Woche, tut’s auch. Das ist mir in letzter Zeit ein bisschen abhanden gekommen, aber verloren gehen wird mir das glücklicherweise nie. Geschrieben hab‘ ich auch schon ab und an mal was dazu.

Das zweite habe ich mal irgendwo aufgeschnappt. Vielleicht von Konfuzius oder einfach aus einem Glückskeks:
„Wenn im Zweifel, tue es nicht.“

Das schöne an diesem Motto ist, dass man ziemlich schnell weiß, ob man wirklich im Zweifel ist. Es hängt nämlich von der Fragestellung ab, die man sich dann zu Hilfe nimmt. Schließlich kann man ja zweifeln, ob man etwas tut oder ob man lieber etwas lässt… Wenn ich tatsächlich nicht weiß, wie ich die Frage stellen soll, weiß ich zumindest, dass ich sie vertagen muss.

Das dritte Motto lautet, und darauf bin ich eventuell sogar selbst gekommen:
„Frauen halten die Welt zusammen!“

Das erlebe ich immer wieder, und in letzter Zeit besonders. Frauen melden sich, schrei- ben mal eben, rufen an, kommen vorbei, haben Kuchen und/oder hilfreichen Likör dabei, hören zu, sehen mehr, verstehen deshalb, umarmen, erfassen die Situation, wissen, was zu tun ist, krempeln mal eben die Ärmel hoch und packen an. Sie kümmern sich, nicht nur in Notzeiten. Weil sie wissen, wie es geht. Und weil sie wissen, wie sehr es hilft. Und wichtig: Ratschläge, die man gebrauchen kann, kommen von Frauen meistens auch erst dann, wenn man sie auch gebrauchen kann. Auch außerhalb von kritischen Phasen sind es doch eher die Frauen, die das Rad am Laufen und das Feuerchen warm halten. Natür- lich gibt’s auch Männer, die „soziale Kompetenz“ gut können, ich kenne sogar welche persönlich, aber ehrlich gesagt, gibt’s mir noch zuwenige davon. Ich hoffe aber.

Jedenfalls finde ich, mit diesen drei Mottos, Motti, Weisheiten kommt man ziemlich gut von einer Woche in die nächste. Eins davon passt immer, um sich wieder ein Stückchen zu bewegen. Das wollte ich nur eben sagen, bevor ich auch schon wieder weiter muss…

Mühsam nährt sich das Brominchen.

Echte Gartenwalnüsse.
ImKorbwälzensichWalnüsserum

Die sammle ich morgens auf dem Weg zur Arbeit auf.

Und wenn ich abends aus dem Wohnzimmerfenster schaue und sehe, wie der Wind so in die Bäume fährt, dann weiß ich: Prima, morgen gibt’s wieder eine reiche Ernte. Eigentlich sollte ich ja keine Nüsse essen, aber ich bin einfach bockig und esse sie trotzdem, weil ich fast mit jeder Nuss etwas Schönes bekomme.

Meine Großeltern hatten einen Walnussbaum in ihrem handtuchschmalen Garten und ich hab‘ als Kind immer ganz ungeduldig darauf gewartet, dass er die holzigen Dinger mit dem Schnäbelchen endlich fertig hat. Ich hab‘ nicht viel Familie und noch weniger schöne Kind- heitserinnerungen, deshalb hüte ich die ebenso wie in einer festen Schale. Besonders gern mochte ich, wenn die Nüsse noch so waren, dass man die bittere, frische Haut von den Kernen abziehen konnte. Ich hockte mit den Nüssen am Fenster und pulte sie ge- duldig, bis ich eine kleine Handvoll hatte, die ich dann langsam und mit Genuss aß…

Die Nüsse, die man normalerweise beim Weihnachtszeug im Laden findet, stammen bekanntermaßen meist aus Kalifornien, sind oft trocken und oll, weil sie vom Vorjahr sind, und außerdem sind sie gebleicht. – Wozu eigentlich?!? Wo doch dort sonst alles extra gebräunt wird.

Wer die nicht mag, muss schauen, dass er französische aus dem Périgord bekommt, jetzt ist immerhin die Jahreszeit dafür. In unserer Markthalle kostet ein Kilo aber schon mal 6-7,-€, das kann man sich auch nicht dauernd leisten. Falls aber doch, wird man mit Geschmack belohnt. Als ich in selbiger Markthalle noch französische Feinkost verkauft habe, gab’s in unserem Sortiment eine Art Praline, die sich „Les Harlequines de Périgord“ nannte. Es waren ankaramellisierte Walnusshälften im Kakaomantel und so ungefähr das Leckerste, was man mit den Dingern anstellen kann. (Abgesehen von, natürlich, Likör.) Leider gab’s die Harlekine nur bei uns (den Laden gibt’s inzwischen zum Glück nicht mehr, aber das ist eine andere Geschichte) und über’s Internet findet man diese Köst- lichkeit nicht.

Nachts liege ich deshalb wach und verzehre mich danach. Und der, der mir ein Tütchen davon bringt, darf die Prinzessin zur Frau haben. Aber wenigstens habe ich die Nüsse vom Bürgersteig. Was brauch‘ ich da einen Prinzen.

Alle, Alle!

Gerade vor ein paar Tagen bin ich mal wieder drüber gestolpert.
Nämlich über das Argument: „Wenn das Alle machen würden!“

Wenn ich mich dann nicht gerade über den Anlass an sich ärgern muss, fange ich hier an zu schmunzeln. Denn dieser Ausspruch wird von mir fast immer auf dieselbe Art und Wei- se beantwortet, mit: „Ja, es machen aber nicht alle!“ Diese Antwort ist zwar fast genau so sinnvoll wie das Jägerzaun-Rasen-betreten-verboten-Argument selbst, aber sie löst immer- hin verwirrte Blicke aus. Und das ist doch auch schon was.

Ich glaube, „Wenn das Alle machen würden!“ rufen vor allem Leute aus, die sich selber nie irgendwas trauen, das vom geliebten DIN A4-Format abweicht. Solche Leute haben auch immer frisch rasierte Hecken mit scharfen Kanten, polieren samstags ihr Auto, schnippen Papierfitzel in den Rinnstein und gucken vor allem drauf, wo Andere sich Verfehlungen leisten, damit sie sich die Mütze des Allgemeinwohlhüters aufsetzen können. Dabei sind sie vielleicht klammheimlich ein bisschen neidisch, wenn Einer quer über’n Rasen läuft, denn das würden sie selbst sich niemals trauen. Erst, wenn’s noch 20-30 Andere tun, seufzen sie erleichtert und probieren auch mal aus, wie verwegen sich das anfühlt. Und wenn dann einer fragt, sagen sie: „Das haben doch aber Alle so gemacht…“ In der Herde muht sich’s eben am schönsten.

Und dann muss man ja auch mal gucken, dass man in einem angemessenen Verhältnis bleibt. Wenn eben einer über’n Rasen läuft, sogar mit gutem Grund vielleicht, kann man das anders betrachten, als wenn einer aus purem Daffke durch die Rabatten trampelt und dabei alle Tulpen zerknittert. Das nennt man übrigens „Ausnahmen bestätigen die Regel“.

Wenn jemand andere oder neue Wege geht, sind die Allgemeinwohlhüter grundsätzlich misstrauisch, denn neue Ideen widersprechen dem Glaubensgrundsatz des „Das haben wir schon immer so gemacht!“. Es gibt aber doch zum Glück immer Welche, die sich darin nicht einrichten wollen und deren Ideen über Zäune gucken und dann eben gern da hin wollen. Und eine neue Idee ist ja nicht automatisch eine schlechte Idee. Sondern eine schlechte Idee ist schlechte Idee. Dann wird sie sich aber höchstvermutlich auch nie durchsetzen. Wenn sie aber gut ist, dauert’s manchmal nicht lange, und dann machen es auch Alle so.

Und wenn es Alle so machen, dann weil sie es wollen. Und dann werden auch ganz fix die Regeln geändert. – Von Allen.

So. Und ich geh’ jetzt über einen Rasen laufen…

Fürsiche an und pfirsich.

In ein paar Wochen ist es soweit: Miss T. durchbricht eine Schallgrenze! Beziehungsweise steigt sie mal eben über ein zierliches Mäuerchen. – Ja, was denn nu? Herrjeh, es fühlt sich eben mal so und mal so an…

Tausende Artikel sind darüber bestimmt schon weltweit verfasst worden. Es passiert stän-
dig überall. Mir ist es zwar noch nie passiert aber es wird mir bald passieren. Zum Glück aber wohl nur einmal. Wissenschaftliche Untersuchungen führender Labors auf der ganzen Welt haben ergeben, dass es Jedem eigentlich nur einmal passiert. Reicht ja auch. Aber es wird eben darüber geredet und auch geseufzt. Also bitte, hier kommt jetzt die Stelle, an der geseufzt wird: Seufz.

Wieso seufz? Hatte ich das noch gar nicht gesagt? Ach so. Ich werde 40.

Ja, seufz. Sag’ ich doch. Die alte Leier.
Ist schon komisch, dass man sich von einem Datum so erschrecken lässt. Es ist ja nicht so, dass ich über Nacht, BAM!, altere, und wenn ich dann morgens in den Spiegel gucke, sind da plötzlich 20 Jahre mehr im Gesicht abgeheftet.

Trotzdem wird mich die Zahl stören, weil ich finde, sie steht mir nicht. Mir sind nämlich manche Zahlen schon immer unsympathisch, und die 2 und die 4 mochte ich noch nie, ganz besonders die 4 nicht. Die ist mir irgendwie zu pieksig. Meine Lieblingszahl ist und bleibt die 3, und die gebe ich jetzt auch ganz ungern her. Meinetwegen könnte ich jetzt noch 10 Jahre lang irgendwas mit 3 davor sein, und dann direktemang 50 werden. Die 5 hab’ ich nämlich auch ganz gern und die steht mir dann bestimmt auch wieder viel besser.

Eventuell hat der Argwohn gegenüber der 40 auch was mit solchen Zeichen zu tun, dass z.B. die Damen in „Liebe her!“-Anzeigen immer höchstens 39 sein sollen und wollen. Dahinter beginnt wohl so eine Art Niemandsland. Wer will da schon hin. Das hätte dann also was mit der Angst vor schwindender Attraktivität zu tun. Jetzt sagen natürlich alle: „Quatsch! Wieso soll eine Frau mit 40 denn nicht attraktiv sein? Da musste doch drüber stehen!“ Schon, aber deswegen kann es mir ja trotzdem mal auffallen, oder? Das merke ich aber sowieso schon länger, dass die Jungs nicht mehr so gucken wie früher. Zuerst dachte ich: nanü, die gucken ja gar nicht mehr. Werde ich vielleicht langsam unsichtbar? Aber weil im Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich niemand Probleme hatte, mich optisch auszumachen, dachte ich dann: Ach, phhhh…, wer will denn schon von Jungs beguckt werden! – Die Männer, die gucken nämlich schon noch… 

Und Frauen, die vierzig sind, kriegen außerdem meistens keine Kinder mehr. Da findet also schon eine Art heimliche Staffelübergabe statt und da sagt irgendsoein Steinzeittrieb eventuell „Abwinken“. Da kann man sich noch so gut gehalten haben.

Was die Kinderfrage angeht, bin ich ja sowieso etwas verdreht. Früher wollte ich durchaus eines Tages Mutter werden. Aber irgendwie wollten die Männer, mit denen ich ernsthaft zusammen war, auf gar keinen Fall Kinder. Bis auf einer. Der sagte irgendwann, er wün-
sche sich sogar ganz doll eins von mir. Bevor ich aber richtig überlegen konnte, ob ich ihm das nun zum Geburtstag oder lieber zu Weihnachten schenken soll, machte er sich vom Acker. Man gut, dass wir noch nicht angefangen hatten damit! Direkt auf der anderen Seite des Ackers stand übrigens die Frau, der er das Kind noch viel lieber machen wollte. Und heute bin ich amüsiert und sogar richtig froh drüber, dass es so gelaufen ist. Der wär’ nämlich wirklich der Falsche dafür gewesen. Das eigentlich Irre ist aber: Alle diese Herr-
schaften, mit denen ich länger zu tun hatte, wurden in der Beziehung nach der unseren Vater. (Bis auf Freund M. Der will das nämlich wirklich nicht.)

Eventuell bin ich also keine Frau, mit der man Kinder will, obwohl ich eigentlich gar nicht so richtig wüsste, wieso. Und vielleicht ist das auch gar wirklich nicht so, es wäre aber eigentlich nicht schlimm. Mit dem Thema bin ich inzwischen sowieso, nach sorgfältiger Auseinandersetzung damit, durch. Nur, wenn mal wieder eine Freundin muttert (so wie Freundin M. zurzeit), flackert kurz auf, dass das ja eigentlich schon ganz schön ist, so was… – Aber ich kenn’ das schon, das ist nichts Ernstes, dauert ungefähr 2-3 Monate und geht dann von alleine wieder weg. Was man von Kindern nun wieder nicht behaupten kann.

Müsste ich mich jetzt eigentlich für diesen ziemlich privaten Exkurs entschuldigen? Nö. Da denke ich halt so drüber nach. Ich behaupte jetzt mal frech: Das ist evolutionär so angelegt, das Frauen um die vierzig immer mal über Quark nachdenken müssen. Da können die nix für. Aber es reinigt die Hirnwindungen, also lass ’se mal.

Das sind eben die Sachen, die einem so einfallen können, wenn man 40 wird. Ob Männer das dann wohl mit der 50 haben? Dieses etwas unangenehme Gefühl, mal gucken zu müssen, was man eigentlich bis hier geschafft hat, und ob man noch irgendwo hin will? Hin will ich schon irgendwo, weiß aber im Moment nicht so Recht, wohin.

„Wohin?“ fragen mich gelegentlich auch Freunde und so. Da denke ich manchmal direkt bergeweise drüber nach, und weiß hinterher immer: Nee, da war jetzt noch nix dabei. Es muss schon laut und deutlich „PLINGGG!“ machen. Und Vieles hab’ ich ja auch schon gemacht: Ausbildung, Arbeiten in einigen total unterschiedlichen Sparten, Entwicklung von Universaltalenten, Musikmachen, Selbständigkeit, Liebe mit Zusammenwohnen, Liebe mit Getrenntwohnen, Freundschaft, Trennung, Krisen, Wiederaufstehen, Weitermachen.

Soweit also die Bilanz.

Und was mache ich denn an meinem Geburtstag? Also, soll ich das auch noch feiern, oder wie? Und mir launige Sprüche über die 40 anhören? Mich „altes Haus“ nennen lassen? Mein ganzes Taschengeld für Bier ausgeben, damit die Gäste dann fröhlich behaupten, ich sähe „keinen Tag älter aus als 39!“? Ich sehe sowieso höchstens wie 36 aus, dass das mal klar ist.

Eigentlich würde ich viel lieber wegfahren, ich vermisse das Meer sowieso schon seit län-
gerer Zeit. Und Muscheln stellen auch keine doofen Fragen und schenken einem keine T-Shirts, auf denen draufsteht: „Ich bin 40, bitte helfen sie mir über die Straße!“ O.K., das machen auch meine Freunde nicht, da würd’ ich denen nämlich was husten. Ebenso, wenn mir einer auf die Schulter haute und riefe: „Na? Und? Schon Mitleidskrise? Hahaha!“ Schließlich habe ich das oder Ähnliches im letzten Jahr bei Freundin S. beobachten kön-
nen, die mir zum Glück neulich mal erzählte, ihr sei die 40 auch immer noch nicht recht geheuer, obwohl sie schon ein Jahr damit rumläuft. Leider reicht aber meine Haushalts-
kasse nicht so richtig zum Wegfahren. Und wenn ich nach Hause käme, müsste ich die Biere ja trotzdem noch ausgeben. Ich könnte mich eventuell tot stellen. Aber auf Beerdi-
gungen wird ja für gewöhnlich sogar noch mehr gesoffen als auf runden Geburtstagen. Weiß ich also noch nicht…

Na, bis mir was einfällt, altere ich einfach noch ein bisschen vor mich hin…

Küchensofagedanken am Morgen (Teil 10) – Schweigend genießen

TheobrominenfuesseEigentlich, wenn man’s genau nimmt, sollte hier heute gar kein Text neben dem Foto ste-
hen. Aber noch eigentlicher spreche ich ja nicht, weil ich das, das ich sagen will, schließ-
lich schreibe. Und die Zeiten, in denen ich beim Schreiben noch mitsprechen musste, sind zum Glück ungefähr 30 Jahre her. Weil das Schreiben aber nun mal eine Form des Sagens ist, kann man wiederum auch nicht richtig behaupten, dass ich heute schweige. – Sei’s drum.

Es geht also ums Schweigen. Schweigen ist eigentlich ganz einfach. Man muss nur mal eben den Mund halten. Dennoch fällt es vielen Menschen immer schwerer. Sie haben das Bedürfnis, sich immer und überall mitzuteilen. (Manche führen sogar ständig Selbstge-
spräche, – aber das ist ein ganz anderes Thema.) Es soll ja beispielsweise überall und ständig telefoniert werden, aus dem Fernseher heraus teilen uns ebenfalls dauernd Leute ihre privaten Ansichten mit. Und wenn sie nicht im Fernseher sind, dann bloggen sie viel-
leicht. Entschuldigung, aber: Ist doch wahr. Klar, man will ja auch irgendwohin mit den ganzen Eindrücken, die man so aufnimmt.

Hingegen ein Freund von mir ist ein ziemlicher Schweiger. Seine Antworten bestehen oft aus Einwortsätzen. Es macht ihm nichts aus, Pausen entstehen zu lassen, da bleibt er ganz er selbst. Eigentlich spricht er nur, wenn er auch wirklich was zu sagen hat. Oder wenn seine extrem redefreudige Frau mal ein Päuschen macht. (Oder aber, wenn er ziem-
lich betrunken ist. Das ist allerdings auch wieder ein ganz anderes Thema. Und außerdem versteht man das, was er dann sagt, sowieso nicht. Zum Glück ist ihm das aber ganz egal.) Er und seine Frau passen erstaunlich gut zusammen. Ihn stört’s nicht, dass sie viel redet. Sie mag’s, wenn er schweigt.

Ich weiß eigentlich erst seit Kurzem, dass ich auch gern mal schweige. Früher war mir das gar nicht so aufgefallen. Ich dachte nämlich immer, dass ich eher gern überall meinen Senf dazu gebe. Vielleicht hat das mit dem Gelegentlichgernschweigen aber auch gerade erst angefangen, das weiß ich nicht so genau. Eine Freundin von mir könnte jetzt protes-
tieren und sagen: „Aber so bist Du doch, seit ich Dich kenne!“, und das sind immerhin gute 12 Jahre.

Es gab nämlich zwischen uns ziemlich häufig folgende Situation: Wir gehen spazieren, die Sonne scheint, das Gras ist grün, der Himmel blau, und vielleicht sind da auch Blüm-
chen irgendwo. Vermutlich rauscht auch ein Bach oder ein Baum, und es piepen Vögel. Aber davon höre ich kaum was, weil die Freundin die ganze Zeit (und immer wieder von vorn) aufzählt, was sie sieht: „Hach…! Guck’ mal, wie blau der Himmel ist! Und wie toll die Sonne scheint! Ist das schön! Und da ist ein Baum! Und da ist noch ein Baum! Und da ist noch…“ Jaja, wahrscheinlich sind wir im Wald.

O.k., ich gebe zu, ich habe jetzt ein bisschen übertrieben, wir führen häufig auch gute Ge-
spräche über Dinge, die uns gerade beschäftigen, – sie wird es mir hoffentlich nachsehen. Aber garantiert sagt sie irgendwann noch: „Hör’ mal: die Amseln (die Meisen, der Bach, usw.)! Ist das schön!!!“ Schon oft habe ich zu ihr gesagt: „Ja-ha, ist ja gut jetzt! Ich bin doch auch hier und sehe das alles!“ Und ich würde das auch alles hören, wenn… Hält sie mich vielleicht für tumb? Wir könnten doch auch mal ein paar Minuten nicht sprechen und die Umgebung einfach wirken lassen. Aber es will unbedingt aus ihr heraus, da kann man wohl nichts machen.

Das ist ähnlich wie mit dem Publikum eines Feuerwerks. Überall wird „Oooooooooh!“ und „schööööön!“ gerufen und fleißig kommentiert, oder sogar gefachsimpelt. Wozu nur? Mir schmälert es das Vergnügen, wenn gleich alles so abgehandelt wird. Ich finde Feuerwerke fast immer ergreifend und möchte dieses Ergriffenwerden gern genießen können. Ein eifri-
ger Kommentator in meiner Nähe wirkt dann auf mich schon mal so wie eine Praline, die mittenmal eine Leberwurstfüllung hat. Wieso drängt der mir seine Gefühlsäußerungen auf? Dass er Feuerwerk schön findet, kann ich mir doch denken, sonst wäre er schließlich zu-
hause geblieben! Vielleicht sollte auch lieber ich zuhause bleiben, aber da gibt’s so selten Feuerwerk. Eigentlich sogar nie. Die Decken sind zu niedrig. Aus diesem Grund suche ich mir, wenn ich ein Feuerwerk besuche (und es möglich ist), einen Platz abseits, von wo ich es vielleicht nicht ganz so gut sehen kann, aber dann wenigstens in Ruhe.

Aber ich bleibe jetzt mal beim Spazierengehen, weil das so ein schönes Beispiel ist. Und schön ist eben auch, wenn man mal gemeinsam ein Stückchen schweigend gehen kann, in einem guten Rhythmus. (Ich hatte nämlich vor langer Zeit mal einen Freund, der blieb immerzu stehen, wenn er einen Gedanken ausformulieren wollte. Das hat mich ganz be-
kloppt gemacht. Irgendwann verlor er meine Hand aus seiner, weil ich einfach weiter ging. Aber das ist nun wirklich ein ganz anderes Thema.)

Vielleicht bin ich einfach zu oft allein spazieren gegangen. Das mache ich nämlich schon seit vielen Jahren. Auch, weil das Gehen mir den Kopf sortiert, ohne dass ich viel dazu tun muss. Dabei beobachte ich und lausche. Es werden Pflanzen beschnuppert, angefasst. Ich mache den Kopf frei, nehme Eindrücke, Bilder, Geräusche auf. Und dabei schieben sich heimlich innere Dinge zurecht. Und wenn ich in Begleitung gehe, dann genieße ich das alles ebenfalls, und dazu das Zusammensein, ein gutes Gespräch. Wenn ich aller-
dings immerzu sagen soll, wie schön ich nun alles um uns finde, komme ich kaum zum Genießen. Und das lässt sich zwar nicht auf alle, aber doch auf viele Situationen über-
tragen.

Irgendwer hat mir mal erklärt, dass, wenn man ein Gefühl eilig herauslässt, dann ist es: draußen. Und eben nicht mehr drinnen. Ich finde das eigentlich ganz treffend, denn man-
che Gefühle behalte ich wirklich ganz gern erstmal ein bisschen drinnen. Und wenn man sich ein bisschen kennt und mag, dann teilt man eine schöne Stimmung doch auch mal ein paar Minuten ohne Worte…

Sonntag fliegt sie!

Beinahe hätte ich sie schon vor zwei Wochen rausgeschmissen, denn es sind ja schon überall Knospen an den Bäumen; – manche blühen sogar schon! Aber dann kam’s eben doch noch nicht dazu. Das liegt an den besonderen Umständen in diesem Jahr. Zum ers-
ten Mal soll sie nämlich nicht alleine fliegen, die kleine Taschenbewohnerin. Sie hat sozu-
sagen eine nette Flugbegleiterin bekommen.

Und2_Kastanien damit diese fliegen kann, muss
ihr Werfer erst extra aus der Ferne anreisen. Ja, die Logistik von Groß-
ereignissen…

Jedenfalls: erfreulicher Weise
tut er das auch, und zwar am
Wochenende. Und dann flie-
gen diese beiden Hübschen
ins Ungewisse. Einen Para-
belflug werden sie wohl nicht hinbekommen, aber Parallelflug
ist durchaus im Bereich der Mög-
lichkeiten. Dazu gibt’s vielleicht noch ein Schlückchen Sekt, um den Winter zu verabschieden und den Frühling wach zu prosten.

Vielleicht wird er dann ja sogar wirk-
lich mal richtig munter, auch wenn’s
im Moment noch nicht recht danach aussieht. Die Kastanien haben jetzt aber lange genug in den Taschen ge-
wohnt, meine ist sogar immer von einer in die andere umgezogen… Mit den Finger-
spitzen erkenne ich nun jede Rille und jede Delle.
Übrigens die rechte da, das ist sie. Ich finde, man
kann sie ganz gut wieder erkennen.

Rebhuhn wird zwar nicht extra anreisen, aber sie hatte mir ja neulich hier einen Kommen-
tar geschrieben, dass auch sie und ihr Freund noch ihre flugbereiten Kastanien haben. Sie hatte außerdem vorgeschlagen, wir könnten uns doch auch zum Werfen verabreden! Darü-
ber habe ich mich riesig gefreut, und vielleicht gibt es ja auch noch ein paar Leutchen, die so kleine Schrumpelmieter haben. – Annemikki, was ist mit Dir? – Netrat? (Naja, sie sam-
melt Wespengallen, die wird sie wahrscheinlich nicht wegwerfen wollen, aber vielleicht irgendwas anderes?)

Bestimmt ist das der Anfang einer mittelgroßen Bewegung: Die der Kastanienwerfer! Ich finde, das ist eine ausgesprochen hübsche Bewegung und stelle mir vor, wie wir jedes Jahr mehr werden. Es ist ein schönes und tröstliches Gefühl, die Taschenkastanie in die Hand zu nehmen, an das nahende Ende des Winters zu denken, und zu wissen, da sind noch ein paar, die machen das auch.

Also, das wird jetzt wahrscheinlich den Meteorologen nicht so gefallen, aber ich schlage mal vor: wir beenden den Winter dann übermorgen um zwölf.

Als Kind…

Kueche1

…bin ich oft in dieser Küche gewesen. Wenn wir hinfuhren und angekommen waren, war ich immer ganz vorfreudig, diesen Raum zu betreten, und lief als erstes vor.

Und immer waren da gerade volle Schüsseln und ich hätte gern auch in die Töpfe geguckt, wenn ich es gedurft hätte. Aber es hieß immer: „Nur gucken! Nix anfassen.“ Dabei hätte ich mir am liebsten einfach ein paar Würstchen aus der alten Porzellandose auf dem Bu-
ffetschrank genommen und mich still in die Ecke gesetzt, um zu gucken, wie hier fleißig gewerkelt wird. In dieser Küche habe ich mich immer aufgehoben und ganz ruhig gefühlt, denn sie blieb immer, wo sie war, während ich alle paar Jahre wieder umziehen musste. Und wenn ich heute da bin, fallen mir unzählige Geschichten wieder ein…

 Kueche2

Ich besuche sie noch manchmal, – sie steht im Historischen Museum in Hannover und ist Teil eines alten Puppenhauses…

Intern

Seit Wochen hadere ich ein bisschen mit meinem Blog. Ich weiß nicht, ob man’s merkt. Als ich es eröffnete, war ich natürlich begeistert und schrieb ein Durcheinander aus lus-
tigen, nachdenklichen, zum Teil auch sehr persönlichen Einträgen. Mit den Monaten sind die Einträge dann eigentlich immer mehr in eine Richtung gelaufen: Ich hab’ überwiegend versucht, mich und Andere zu unterhalten.

Die Begeisterung für’s Bloggen und alles, was dazu gehört, ist immer noch da, fast unge-
brochen, aber immer öfter denke ich: „Wenn meine Laune eben nun mal nicht lustig ist, wieso schreib’ ich das eigentlich nicht mehr?“ Oder nicht so richtig. Immer mehr von dem, was mich außerdem noch beschäftigt, deute ich nur noch vage an oder spare es ganz aus. Ich weiß gar nicht, wann ich mich dazu entschlossen habe.

Schließlich habe ich hier gar keine schlechten Erfahrungen gemacht, eigentlich eher im Gegenteil. Und trotzdem wird man irgendwann zurückhaltender. Naja, „man“ weiß ich nicht. Ich jedenfalls. Einschränken muss ich mich doch aber im Alltag schon oft genug. Wozu also? Ich kann hier doch eigentlich schreiben, was ich will! Freunde, die mich gut kennen, sind manchmal erstaunt darüber, wie groß der Kontrast sein kann zwischen dem Blogeintrag und dem, wie sie mich am Küchentisch erleben.

Und irgendwas in mir sagt: Da ist was quer. Das sollte anders. Und wird es.

Ich habe zudem den Eindruck, die große Müdigkeit hat sich über’s Blogland gelegt. Ich lese überall: „Ich mache Pause.“ „Ich bin Blogmüde.“ „Letzte Aktivität vor 11 Tagen.“ „Wenn ich wieder mehr Zeit habe, dann…“ Letzteres habe ich selbst schon manchmal geschrieben, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, wenn ich durch das sog. echte, richtige, reale Leben in Anspruch genommen war.

Vielleicht ist das ja die normale Winterstimmung im Blog. Das kann ich nicht beurteilen, ich bin erst seit einem guten halben Jahr dabei. Muss man sich denn, um neue Impulse zu bekommen, wirklich immer neue Blogfreunde suchen? Ich weiß, es hilft mitunter sehr, ein schönes Blog zu entdecken, das neben dem eigenen vor sich hinwächst und tolle Gedanken rüberwehen lässt. Doch meine Freundesliste ist überschaubar und es betrübt mich schon jetzt, wenn ich nicht alle Bildchen sehen kann. Außerdem habe ich jetzt schon gelegentlich das Gefühl, viel zu selten einen „Rundgang“ zu machen, obwohl ich doch fast alle Einträge lese. Wahrscheinlich kennt das jeder hier. Aber ich will mich jetzt nicht verzetteln, denn ich wollte ja was ganz anderes…

Was ich eigentlich nur sagen wollte, ist, dass ich von nun an wieder etwas freier von der Leber weg bloggen will. Na, das hätte eigentlich auch in einen Satz gepasst. Hapuh.