Gerade vor ein paar Tagen bin ich mal wieder drüber gestolpert.
Nämlich über das Argument: „Wenn das Alle machen würden!“
Wenn ich mich dann nicht gerade über den Anlass an sich ärgern muss, fange ich hier an zu schmunzeln. Denn dieser Ausspruch wird von mir fast immer auf dieselbe Art und Wei- se beantwortet, mit: „Ja, es machen aber nicht alle!“ Diese Antwort ist zwar fast genau so sinnvoll wie das Jägerzaun-Rasen-betreten-verboten-Argument selbst, aber sie löst immer- hin verwirrte Blicke aus. Und das ist doch auch schon was.
Ich glaube, „Wenn das Alle machen würden!“ rufen vor allem Leute aus, die sich selber nie irgendwas trauen, das vom geliebten DIN A4-Format abweicht. Solche Leute haben auch immer frisch rasierte Hecken mit scharfen Kanten, polieren samstags ihr Auto, schnippen Papierfitzel in den Rinnstein und gucken vor allem drauf, wo Andere sich Verfehlungen leisten, damit sie sich die Mütze des Allgemeinwohlhüters aufsetzen können. Dabei sind sie vielleicht klammheimlich ein bisschen neidisch, wenn Einer quer über’n Rasen läuft, denn das würden sie selbst sich niemals trauen. Erst, wenn’s noch 20-30 Andere tun, seufzen sie erleichtert und probieren auch mal aus, wie verwegen sich das anfühlt. Und wenn dann einer fragt, sagen sie: „Das haben doch aber Alle so gemacht…“ In der Herde muht sich’s eben am schönsten.
Und dann muss man ja auch mal gucken, dass man in einem angemessenen Verhältnis bleibt. Wenn eben einer über’n Rasen läuft, sogar mit gutem Grund vielleicht, kann man das anders betrachten, als wenn einer aus purem Daffke durch die Rabatten trampelt und dabei alle Tulpen zerknittert. Das nennt man übrigens „Ausnahmen bestätigen die Regel“.
Wenn jemand andere oder neue Wege geht, sind die Allgemeinwohlhüter grundsätzlich misstrauisch, denn neue Ideen widersprechen dem Glaubensgrundsatz des „Das haben wir schon immer so gemacht!“. Es gibt aber doch zum Glück immer Welche, die sich darin nicht einrichten wollen und deren Ideen über Zäune gucken und dann eben gern da hin wollen. Und eine neue Idee ist ja nicht automatisch eine schlechte Idee. Sondern eine schlechte Idee ist schlechte Idee. Dann wird sie sich aber höchstvermutlich auch nie durchsetzen. Wenn sie aber gut ist, dauert’s manchmal nicht lange, und dann machen es auch Alle so.
Und wenn es Alle so machen, dann weil sie es wollen. Und dann werden auch ganz fix die Regeln geändert. – Von Allen.
So. Und ich geh’ jetzt über einen Rasen laufen…
Nja, je nach Situation kann „Wenn das ALLE machen würden“ sicherlich so zu verstehen sein, dass es um eine neue Idee geht, die man nicht mittragen möchte.
Aber wenn mir der Ausdruck begegnet, versteh ich ihn in aller Regel als vereinfachte Beschreibung des kategorischen Imperativs. Nämlich in Fällen, in denen sich jemand durch anderes Handeln als alle anderen einen persönlichen Vorteil verschafft. Sei es durch banales Vordrängeln in der Schlange, oder auch z.B. indem man irgendwo, wo man was ausfüllen muss, den Kugelschreiber mitnimmt.
Und da ist dann ein „Wenn das ALLE machen würden!“ (dann würde da gar kein Kugelschreiber mehr hingelegt werden und allen wäre geschadet) meiner Meinung nach schon ein zulässiges Argument bzw. ein gerechtfertigter Vorwurf, und die Entgegnung „Es machen aber nicht alle“ ein gutes Stück egoistisch auf Kosten der Allgemeinheit.
Was übertragen auf das Rasen-Beispiel bedeutet: Wenn du morgens immer eine Abkürzung über den Rasen nimmst, schadet das dem sicherlich nicht. Wenn aber ALLE diese Abkürzung nehmen, dann ist der auch innnerhalb kurzer Zeit zumindest an der Stelle kaputt (OK, man kann sicher darüber diskutieren, ob das schlimm ist…). Wenn das so ist, finde ich es schon gerechtfertigt zu sagen: Es geht nicht, dass alle die Abkürzung nehmen, weil sonst der Rasen kaputt geht, also nimm du sie auch nicht.
So, jetzt hab ich doch wesentlich mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte. Wenn das Alle machen würden…
Hallo Marco,
ich glaube, wenn Alle nach dem kategorischen Imperativ zu leben imstande wären, dann bräuchten wir kaum noch niedergeschriebenes Regelwerk. Ich würde das sehr begrüßen, denn ich halte mich für ziemlich eigenverantwortlich handelnd, umsichtig und sozial eingestellt.
Ich kann einen persönlichen Vorteil, den sich jemand verschafft, nicht grundsätzlich schlecht finden, solange da nicht einem Anderen was abgeknapst wird. Hier muss man also unterscheiden. Und genau um diesen Unterschied geht es mir eben auch hier.
Und die Entgegnung „Es machen aber nicht alle!“ wende ich keinesfalls für egoistische Aktionen an, sondern ich mag schlichtweg keine Verallgemeinerungen. Und gerade die, die es eben anders machen als die anderen, finden oft Wege, die später der Allgemeinheit dienen. Ich lebe lieber in einer Gesellschaft, in der es Freiräume für individuelles Handeln gibt. So ist mir z.B. ein Naturgarten inmitten einer Schrebergartenkolonie ein Augengenuss.
Und wenn der Weg über den Rasen eine Abkürzung für alle ist, dann ist es u.U. gut, den Weg dort entlang zu verlegen und dafür auf dem alten, jetzt ungenutzen Weg Gras auszusähen. 😉
Ich glaube aber, wir Beide sind gar nicht weit voneinander entfernt. Es geht darum, dass man sich selbst fragt: was ist gut und richtig? Dann müssen sich Andere nicht drüber echauffieren und können sich auch ein bisschen entspannen…
Gruß, Theobromina
Ja, ich glaube auch, dass wir nicht weit voneinander liegen, und dein letzter Absatz fasst es eigentlich recht gut zusammen.
Gruß Marco
Das freut mich! 😀
Noch ’nen Gruß! – Theo
… – um Himmels Willen, was soll´n denn da die Nachbarn denken? 😉
du meinst, wenn ALLE Nachbarn denken? hui…dann sind ja ALLE Nachbarn! meow…
@ KaterMurr:
Tja, was sollen die denken? Hm, mal überlegen… Also, wenn’s nach mir geht und meinetwegen: „Kartoffelsalat, Kartoffelsalat, Kartoffelsalat, Kar…“ :))
@ HikE:
Meinst Du, alles, was wir denken, materialisiert sich zu NACHBARN? Hua! 😉
Kartoffelsalat? Mit Würstchen? – Ach, wenn das doch alle machen würden… :lalala:
Das seh‘ ich auch so, lieber Murr. Mein Nachbar denkt allerdings die ganze Zeit: „Poltern! Poltern! Noch mehr Poltern!…“
Du traust dich ❓ 😉
Wir versuchtem von unserem Vater mal (für was genau weis ich nicht mehr – Kino, Disco oder sowas) ne Erlaubnis mit dem Argument zu bekommen mit der Begründung ‚Das machen doch alle‘
Darauf mein Vater ‚Wir sind die Fronczeks was alle denken, machen geht uns nix an‘
Damals waren wir Kinder recht sauer aber im nachhinein hat uns diese Grundhaltung doch sehr erleichtert unabhängig und selbständig zu denken, leben.
Na, siehste mal. So umgeht man das Thema „Alle“ professionell… Das lob‘ ich mir, – immer schön selber denken! 😀
Es gibt ja auch noch die entgegengesetzte Seite, die in allen neuen Ideen auch stets gute Ideen sehen, einfach weil sie neu sind. Das ist genauso blöd.
Ja, stimmt. Die gibt’s auch noch. Deswegen bin ja für die Abschaffung von Verallgemeinerungen. Und zwar ALLEN! ;D
Kurz und knackig:
Ausnahmen haben die Regel!
Deswegen! ;D Dann dürfen die sowieso alles…
„das machen aber alle!“ – „du bist aber nicht alle!“
jetzt muss man gar nicht lange raten, woher dieser dialog kommen könnte.
O.K., dann rate ich nur kurz: von bei Euch zuhause?
(Ich find‘ das aber nicht nett vom Töchterlein, dass sie Dir nix gönnen gönnen will.) 😉
wenn das alle machen würden!
als ich gerade eben theobrominas eintrag alle, alle! las, musste ich schmunzelnd daran denken, dass ich als erzieherin auch so ein paar sprüche auf lager hab, die ich den kindern mit schöner regelmäßigkeit um die ohren haue. (eigen…