Q10

Mensch, ich komm’ ja zu nix mehr. Andauernd Renovieren und dazwischen Verreisen, und hier stauen sich schon die Geschichten… Gestern ist mir schon wieder eine Leiter an die Beine gewachsen und erst abends um acht wieder abgefallen.

Das Letzte, was ich von gestern Abend noch weiß, ist, dass ich vor dem Fernseher lag und dann sagte eine Stimme: „Was ist noch besser als Q10?“

Wie??? Watt?!? Quiz? – Entschuldigung, ich war nur kurz ein bisschen eingenickt…
Ich sah eine Frau, die sich zart über die Wangen strich und mich dann aufmunternd anschaute. Was hat die denn? Und da kam auch schon die Antwort: Doppeltes Q10!“

Ja, dann ist das doch Q20, oder wie? – Was soll denn das?
Ich mecker‘ also in Richtung der Kiste: “Und wie wäre es mit Q10 hoch meinetwegen 378?!? Oder sprengt das dann deinen Tiegel?“ Aber das Streichelfrollein ignoriert mich freundlich und beguckt sich mit schmelzendem Blick im Spiegel.

Irgendwer sagt noch: “Denn Schönheit ist ein Versprechen…!“

Ach ja? Kommt die Schönheit vielleicht rein und sagt: „Wenn Du lieb weiter renovierst, gehen wir am Sonntag fein in den Zoo und da kriegst Du dann ein dickes Eis!“, oder wie?
Oder hat sich da eventuell jemand versprochen und es heißt eigentlich „Dröhnheit“…?

Das richtige Vokabular

Kinder. Ich selber hab’ ja, aus verschiedenen Gründen, keine, könnte mir aber wohl jeder-
zeit welche borgen. Vielleicht mache ich das sogar mal. Gestern jedenfalls war ich mit meiner japanischen Freundin M. und ihrer bald zwei Jahre alten Tochter M.N. in der Stadt. Freundin M. hatte einen Arzttermin und M.N. sollte solange im Wartezimmer auf mich aufpassen.

Damit uns die Zeit nicht zu lang wird, bekamen wir eine schöne Tüte Tierkekse für auffe Faust. Im Wartezimmer stand zudem ein Körbchen mit bunten Bauklötzen, und zwischen den Bauklötzen fanden sich so hübsche, flache, klar lackierte Holztiere. Kekslöwe in der rechten Hand, Holzlöwe in der linken, kann es schnell schon mal zu Verwechslungen kommen. Beinahe hätte ich einen Zahnarzttermin gebraucht. Von M.N. war kein Trost zu erwarten, sie versuchte nämlich gerade, einer Wildfremden unauffällig in die Handtasche zu steigen.

Später, wieder zu dritt, untersuchten wir das Sortiment eines skandinavischen Klamotten-
verjublers. M.N, die gerade sprechen lernt, kann drei Wörter schon besonders gut und benutzt sie gern: „Mehr!“ (Variante: „Mehrmehr!“), „Bitte!“ und „Liebe!“. Die daraus zu bildenden Kombinationen kann sich ja jeder selbst ausrechnen und wer gestern in der Innenstadt war, konnte sie auch deutlich hören. Ebenso die mütterliche Antwort über zwei Kleiderständer hinweg: „Ja, gleich…!“ oder: „Jetzt nicht…!“

Weil ich mir schon morgens beim Hochheben der kleinen Rackerin irgendwie den Rücken verknorzelt hatte, dauerte der Bummel nicht so lang wie sonst, und trotzdem kriegten wir Hunger. (Keine Sorge, der Rücken hat sich gegen Abend geräuschvoll wieder in seine für ihn vorgesehene Position eingefunden.) Beim Sushi (was sonst) fiel mir ein, dass es hier zum Glück ausnahmsweise mal keine Anwendung gibt für eine inflationär gebrauchte Redewendung, die mir neuerdings ständig aus dem Fernseher entgegenfällt. Bald fange ich eine Strichliste an. Neee, nicht „in aller Munde“. Das wird ja unappetitlicherweise dauernd über Zeitungsartikel geschrieben: „Bio (bzw. Health food, xyz…) ist in aller Munde“.

Sondern das, was in diesen Kochshows jetzt immerzu alle sagen; – müsst Ihr mal drauf achten, nämlich: „…auf den Punkt gegart!“ Das konnte man vom Sushi nun wirklich nicht behaupten.

Iris Berben…

…hat mich vor’n paar Tagen gefragt, ob mir auch schon aufgefallen sei, dass „pralle Haut weniger Falten“ habe. Och, nu. Na ja. Ehrlich gesagt, es gibt vielleicht sogar so fünf bis sechs Sachen, die mir außerdem noch aufgefallen sind. Zum Beispiel, dass Frauen, die ihre Familien versorgen, das neuerdings umschreiben müssen mit: “Ich führe ein sehr er-
folgreiches kleines Familienunternehmen!“, damit sie nicht in die Eva H.-Sitzecke gesetzt werden. Und dass in den tollen Familienküchen immer noch die Frauen die Saucen-Tüt-
chen aufreißen dürfen. Wenn’s nämlich ein Mann macht, dann macht er das dermaßen verschmitzt und zwinkerzwinker, dass man gleich merkt: Achtung, hier kommt die Aus-
nahme! Und beim Vorführen von Putzsachen oder Waschmitteln ist es ganz genau so. Aber jetzt hätte ich beinahe die Iris verbummelt… 

Also pralle Haut, ja? Iris sagt, da gibt’s jetzt eine neue Paste für. Mit Rotbuche drin. Also, der Extrakt wird „in umweltfreundlichen Entwicklungsverfahren aus der Rotbuche gewon-
nen“. Gewonnen! Das finde ich toll. Und die Rotbuche fand ich schon immer den prallsten Baum von allen. Echt. Bestimmt träumen Buchen auch sogar nachts davon, von Iris und mir extraktiös ins Gesicht geschmiert zu werden. Höchstvermutlich kostet eine kleine Tube voller Pro-Xyladings-Moleküle nur ungefähr 20-30 Euro und reicht für glatte 6-7 Tage. Ich krieg’ mich partout gar nicht mehr ein!

Ich hab’ jetzt aber noch eine viel bessere Idee, die überhaupt kein bisschen was kostet: ich geh’ raus, setze ich unter die nächste Rotbuche und lasse die ganzen feinen Moleküle einfach auf mich draufregnen… Gratis!

Prall, was?

Ohrkonfetti

Ich glaube, es war vorgestern oder so, da sah ich eine hübsche Doku über Hamburg in den 70er Jahren. Und unter anderem wurde auf Hamburgs Straßen ’78 eine Umfrage gemacht, was denn bitteschön „Punkrock“ sei. Eine ältere Dame, vielleicht hatte sie schon ein bisschen was an den Ohren, meinte: „Das ist: Pleite gehen! Wenn Firmen kein Geld mehr haben.“ Das fand ich sehr süß.

Und dann höre ich in letzter Zeit immer mal, dass Dinge oder Ereignisse „zunehmend weniger“ werden. Na, das möchte ich aber gerne mal sehen!
Am liebsten
aber habe ich den Ausspruch, den ein Korrespondent mal in einer seriösen Nachrichtensendung zu irgendwelchen wichtigen politischen Verhandlungen machte: „Zwischen diesen beiden Positionen türmte sich eine Lücke!“

Und leider weiß ich jetzt den Wortlauf nicht mehr ganz genau, aber der Gewerkschafts-
chef der Bahn/GDL,
Manfred Schell, sagte gestern vor laufender Kamera, dass das Arbeitsgericht zur Stunde noch tage, aber eigentlich spräche nichts mehr dagegen, da man ja ein 50-seitigiges Dokument zur Darlegung der Gründe für den Streik eingereicht habe, welches bis zur Stunde geprüft werde, den nötigen Streik zu verbieten.

Da hat er aber echt Schwein gehabt, denn soweit ich das mitgekriegt habe, wird nun leider doch gestreikt…

So ja nun nicht.

Gestern hatte ich mal wieder die Postille meiner Krankenkasse im Briefkasten. Und gleich auf der Titelseite blafft mich der Herr Wickert an:

 Wickert

Unsere Kinder?
Entschuldigung, – aber: Lieber Ulrich, wir haben ja gar keine Kinder!

Ich weiß nicht, wie Du darauf kommst, aber ich bin mir da eigentlich ziemlich sicher. Woher auch? Wenn Du mal in meinem Wohnzimmer aufgetaucht bist, dann ja wohl eher aus Versehen. Und gelaufen ist da sowieso nie was! Das hätte ich doch wohl merken müssen, nein? Naja, und wenn dabei womöglich mehrere Kinder rumgekommen wären, hätte mir das doch wohl als Erster auffallen sollen, oder wie?

Zur Sicherheit und damit Ruhe ist, habe ich aber eben noch mal überall nachgeguckt. Da sind wirklich keine.

Aufregend

Minze Wenn ich will, kann ich mich in einer Tour über Kleinigkeiten aufregen. Meistens will ich das zwar nicht, aber manchmal komme ich irgendwie nicht dazu, was nicht zu wollen.

Es fing meines Wissens damit an, dass ich vor ein paar Tagen den Fernseher anmachen wollte, um „Die Ludolfs“ zu gucken. Da waren aber keine Ludolfs drin. Nicht mal was anderes. Nur eine Anzeige: „kein Signal“. Genauso gut hätte da stehen können: „Bin mal eben Milch holen“. Nach kurzer Forschung bekam ich heraus, dass es meinem uralten Fernseher gut geht, aber mein neuer DVB-T Receiver sich wohl hinge-
legt hatte. Na gut, dachte ich, dann gucke ich eben vom Schlafzimmer aus was anderes. Da habe ich nämlich noch einen kleinen Fernseher, den ich mir mal für Messegäste ausgeliehen hatte. Auch hier ist ein solcher Receiver angestöp-
selt, allerdings hat der ein paar Mucken. Seine Einstellungen sind nämlich über einen Code einbetoniert. Natürlich weiß inzwischen niemand mehr, welchen Code man da mal vor Jahren eingegeben hat, so dass ich keinen Sendersuchlauf machen kann. So ist es also Essig mit einigen Kanälen. Das hatte ich aber vorher einkalkuliert.

Was ich nicht wusste war, dass auch dieser Fernseher schwarz bleiben würde.
Das war mir dann aber doch komisch. Wenn aus beiden Fernsehern am selben Tag nix mehr rauskommt… Für einen Moment dachte ich: Jetzt isses soweit! Die Außerirdischen sind da und haben alle Fernseher tot gemacht!!!

Dann merkte ich, dass der Leihfernseher lediglich den Geist aufgegeben hatte. Dabei gehört der mir gar nicht! Hätte er mit dem Sterben nicht warten können, bis ich ihn wieder zurück gebracht habe? Na, das wird noch was.
Immerhin geht aber der geliehene DVB-T Receiver noch. Jedenfalls empfängt er eine Handvoll Programme. Zur Belohnung durfte er mit meinem Fernseher im Wohnzimmer zusammenziehen, und ich lag den ganzen Abend meckernd davor.

Ein paar Tage später wollte ich unbedingt Minze kaufen. Es gab aber keine. Und zwar überall. Den letzten Versuch unternahm ich in einem Laden mit einem beeindruckenden Kräuterregal. Auch hier: keine Minze. Bis ich dachte: Die Petersilie hier sieht aber komisch aus! Und die riecht auch komisch. Das ist doch… Nanü? Hömma, dat IS doch Minze! Wieso schreiben die denn da Petersilie drauf? Wollen die mich hier verkohlen oder was? Vielleicht waren die Petersilien in den anderen Läden auch schon alle Minzen gewesen. Und ich gökel’ durch die halbe Stadt und hab’ ja sonst nix zu tun! Jedenfalls kam die Minze mit und zuhause sah ich auch, dass auf dem kleinen weißen Aufkleber-
chen auch tatsächlich „Minze“ steht. Wahrscheinlich, damit die, die mich da verkohlen wollten, selber noch durchsteigen. Ich komm’ Euch schon auf die Schliche!
Irgendwo ärgert sich jetzt vielleicht einer, weil ich den Trick durchschaut habe. Ätsch, war lecker, Dein Kraut! Aber wehe, Du machst das noch mal und schreibst demnächst an die Kartoffeln womöglich „Vollmilch“ dran…

Und gestern musste ich mich sogar zweimal aufregen!
Zuerst darüber, dass ich schon wieder was lesen musste, worin jemand Hartz IV und Bier zusammen schmiss. Es sollte wohl für den Reim sein, aber mich strengt das kolossal an. Es steht nämlich keinesfalls im Antragsformular für Arbeitslosengeld II, dass man nur dann Leistungen beziehen kann, wenn man sie ausführlich in Bier investiert. Das weiß ich zufällig ganz genau. Und es soll sogar Hartz IV-ler geben, die überhaupt nie Bier trinken! Und auch gar keine Jogginganzüge tragen! Und die noch nicht mal richtig prollig sind! Ich weiß; – wenn das bekannt wird, löst es einen deutschlandweiten Skandal aus.

Und als ich mich gerade so richtig schön aufregte, beschloss ich, ein Bad zu nehmen. Und wollte gerade heißes Wasser einlassen, da blieb das Wasser einfach kalt. Beziehungsweise, es wurde sogar immer kälter. Da ging doch mittenmal die Therme nicht mehr! Onnoch! Na, da hat sich aber bestimmt jemand gewundert, wie viele Rohrspatzen in der Theobromine wohnen. Und was die plötzlich für Wörter kennt. Und wie energisch die mit dem Hausbesitzernachwuchs telefoniert, damit der gleich heute Morgen („Spätestens!“) einen Thermenheilpraktiker schickt.

Immerhin. Geholfen hat’s. Das Wasser sprudelt wieder mollig warm, später wird gebadet. Beruhigungsbad. Ist aber eigentlich nicht mehr nötig. Hab’ mich abgeregt und schon längst wieder prima Laune, das geht ja fix bei mir. Außerdem ist noch genug Schokoladeneis im Haus.

"Oh, Du…"

Ich fasses nicht: Unter mir übt jemand Blockflöte!
Und zwar, festhalten: „Oh, Du Fröhliche“!
Naja, immerhin, wir haben den 1. September. Gerade gestern sprach ich mit Freundin M., die Japanerin ist (und just von einem Besuch aus Japan zurück), darüber, dass es ja schon wieder Lebkuchen gibt. Jedes Jahr das Gleiche. Ich merk’ das schon gar nicht mehr. Ihr fällt das ja noch auf, weil sie erst seit ein paar Jahren in Deutschland lebt. Ich erzählte ihr, dass sich auch jedes Jahr alle drüber aufregen, dann aber trotzdem zugreifen. Und dem Handel somit wieder die Bestätigung geben, dass es sich lohnt, im August Lebkuchenherzentütendisplays aufzustellen. Da zog sie die Augenbrauen hoch und dachte bestimmt: „Die Deutschen! Ein verrücktes Volk!“

Und gestern Abend fiel mir mal so auf, dass es eigentlich fast nur noch Serien über Tote gibt. Allein diese ganzen Sachen über Gerichtsmedizin! Ich guck das ja nicht, deshalb kann ich nur Vermutungen anstellen… Ich vermute, dass die Leichen in diesen Serien so ausführlich gefleddert werden, dass der Gerichtsmediziner genau sagen kann, ob der Täter wirklich eine schlechte Kindheit hatte, ob er zum Frühstück Marmeladenbrot hatte, welche Musik er beim Morden hörte und auf welcher Seite er seinen Scheitel trägt. (Dazu fällt mir jetzt ein, dass im aktuellen „stern“ zum Thema Haare steht: „Jesus. Erfinder des Mittelscheitels. Jörg Wontorra dankt es ihm bis heute.“)
Jedenfalls gibt es nicht nur Serien über kluge Pathologen, sondern sogar mindestens zwei über Frauen, die Gespenster sehen und mit ihnen sprechen können.
„Na? Wie isset?“
„Muss ja!“
„Und sonst so?“
„Och…“
Das sind natürlich Frauen, weil Frauen ja so viel empfindsamer sind.
Männer schneiden auf, Frauen hören erstmal zu.

Jetzt ist unten von Blockflöte auf Trompete gewechselt worden! Herrjeh! Was soll’n das für’n Lied sein? Hä? Oh, ich glaube, jetzt erkenne ich: „Hänschen Klein“. Na fein. Da will jemand offensichtlich ernsthaft das Spielen eines Blasinstruments erlernen.
Ich bin begeistert.

Moment mal, das kommt gar nicht von unten… Das kommt von oben! Von der Nachbarin, mit der ich gerade neulich noch sprach. Vielleicht hat sie deswegen so gelächelt, weil sie dachte: „Ach, Regalbollern. Ach, Handyrappeln. Wart’s ab! Ich hab’ mir ’ne schöne Pustefix bestellt, hehehe…“
Solange um zehn Ruhe ist, meinetwegen.

Evakuierung

Gerade gestern habe ich’s wieder im Fernseher gehört: Angeblich mussten auf den Kanaren wegen der Waldbrände Anwohner und Touristen evakuiert werden. Die Brände sahen wirklich schlimm aus, und mir blutete das Herz, denn ich war schon zweimal auf den Kanaren und fand es da z. T. beeindruckend schön. Dennoch fällt es mir schwer, zu glauben, dass dort Menschen evakuiert werden mussten. Zumindest hoffe ich das sehr für die gebeutelten Leutchen da. Evakuiert werden nämlich normalerweise Gebiete oder meinetwegen Gebäude. Das Wort kommt wohl ursprünglich von „Ausleeren“, ja sogar „ein Vakuum schaffen“. Ich möchte jedenfalls nicht gern von Sicherheitskräften ausgeleert werden, und wenn es noch so brennt. Vor allem meine Organe behalte ich lieber selbst.

verreistZum Glück verreise ich für ein paar Tage, bevor hier jemand auf komische Ideen kommt. Vielleicht wird meine Wohnung dann etwas evakuiert wirken, aber ich werde mich hoffentlich dennoch sehr unausgeleert fühlen, wenn ich Ende nächster Woche wieder zurück-
komme.
Mal sehen, vielleicht schaffe ich es sogar, von unterwegs mal ein paar meiner Eindrücke aus meinem Gedächtnis zu evakuieren und in den Blog einzufüllen…