Darauf warten die doch nur!

Als ich noch bei Freundin T. angestellt war, hatten wir tagsüber jede Menge Zeit, uns Zeug auszudenken. Diese Zeit haben wir oft genutzt. Beispielsweise fiel uns beim täglichen gemeinsamen Frühstück auf, dass wir süße Frühstücksflocken immer langweiliger fanden.
Und schließlich will ja auch gar nicht jeder süß frühstücken!

Also überlegten wir uns ganz neue herzhafte Sorten, die man mit Milch löffeln könnte: Flakes mit Kräuter-Creme-Fraiche-Geschmack, Schinken-Käse-Crispies, Tomate-Mozzarella-Kringles.
Heute fallen mir noch Vitello-Tonnato-Roasties ein und Chicken-Madras-Currytos. Eigentlich doch erstaunlich, dass es so was noch nicht gibt! (Hey, die Rechte an dieser Idee gehören aber nach wie vor T. und mir! Wir wollen also was ab!)

Zur ungefähr selben Zeit erfanden auch welche das Bierpulver. Oder war’s eine Biertablette? Man sollte das Produkt hübsch mit Wasser auffüllen und angeblich ein leckeres Bier erhalten, mit Schaum und Geschmack und allem. Ist leider gefloppt. Oder weiß da einer heute noch was von?

Mit Wasser aufzufüllende Pülverchen sind eine feine Sache, besonders „für unterwegs“.
Meine ergänzende Idee dazu war, Reiseexpeditionen mit Tütchen auszustatten, in denen Wasserpulver drin ist. Kommt man nun mal in eine dürre Gegend, braucht man die Tütchen nur aufzureißen, das Pulver fix mit Wasser aufzufüllen, um was Erfrischendes zu Trinken zu haben…

Führerschein (4. und letzter Teil)

Die Fahrstunden wurden langsam, sehr langsam, besser. Spaß hatte ich an der Sache trotzdem nicht richtig, das enttäuschte mich schon. Eine Landstraße mit über 100 kmh langzubrettern liegt mir einfach nicht. Plötzlich kam H. damit rüber, dass er mich für den 13. Dezember für die Prüfung angemeldet hatte! Das war schon in der darauf folgenden Woche! Inzwischen hatte ich 18 Fahrtermine gehabt und das Gefühl, ich bräuchte eigentlich noch mal so viele. Allerdings wurde das Geld auch schnell weniger. Insgeheim vermutete ich, H. wolle mich vielleicht loswerden, um einem Infarkt lieber aus dem Wege zu gehen, denn wir stritten oft im Auto.

„Du machst mich fertig!“
„Aber dafür bin ich lustig!“
„Das glaubst Du auch nur!“
Also noch eine Woche zum Üben. Wir machten eine richtige Intensiv-Woche draus und fuhren fast jeden Tag zweimal. Immer noch machte ich dämliche Fehler, rief dann immer gleich: “Sach nix!“, während H. sich wortlos einen Schoko-Taler aus dem Handschuhfach fummelte.
„Ich will auch!“
„Nö. Haste nicht verdient.“

Dann kam der Tag der Prüfung.
H. hatte mich eigentlich an diesem Tag angemeldet, weil er gesehen hatte, dass ein bestimmter netter Prüfer an diesem Tag dran sein sollte. Leider kam es anders und irgendwas wurde getauscht, so dass ausgerechnet Prüfer G. zuständig war, ein so genannter “scharfer Hund“! Dass wir den 13. hatten, amüsierte mich eher, außerdem war’s ein Mittwoch.
Zuerst sollte der „Ponyhof!“-Kollege mit einer seiner Schülerinnen geprüft werden. Danach waren wir mit Herrn G. auf einem Parkplatz verabredet, um ihn aufzunehmen. Als wir dort ankamen, gingen die beiden Lehrer erstmal schön mit Herrn G. Kaffee trinken im Imbiss. Ich wurde allein im Auto gelassen wie ein Hündchen. Die andere Schülerin hatte locker bestanden und war schon längst auf dem Weg nach Hause. Ich saß also im Fahrschulauto und wartete. Ich schüttelte mich immer wieder vor Aufregung, guckte ständig zum Imbiss und meckerte leise vor mich hin. Die Herren hatten Zeit. Nach fünf Stunden kamen sie zurück und Herr G. guckte mich gleich biestig an. Großartig!

Als er und H. eingestiegen waren, ging’s auch schon los mit der Fragerei. Ich sollte sagen, was mir zu Reifen einfiel. Da ich wusste, dass mir dazu vier Sachen einfallen mussten, überlegte ich kurz, ob ich „Rund, schwarz, Gummi, Luft drinne“ sagen sollte, um die Situation aufzulockern. Aber ein Blick auf Herrn G. genügte. Ich spulte drei der vier Dinger (allgemeiner Zustand, Profil und noch was) ab und grade als H. schon heimlich dicke Backen machte, fiel mir noch „Luftdruck prüfen!“ ein. Die andere Frage, die er mir stellte, habe ich schon wieder vergessen, so puppig war die. Also gings nun los. Die Strecke hatte H. mit mir mehrfach in verschiedenen Kombinationen geübt. Es gab „Fallen“, die ich aber nun zum Glück kannte und auf die ich nicht mehr reinfiel. Allerdings sind auch Prüfer manchmal überrascht. Das merkte ich, als wir zu einer großen Kreuzung kamen, über die ich fahren sollte. Die Ampelanlage war nämlich ausgefallen. Ich musste mich vortasten und hatte wohl gewaltiges Glück, dass da kein Laster oder sowas kam. Eisiges Schweigen im Fond.
Dann ging es Richtung Schnellweg. H. hatte mir eingebläut, sollten wir hier lang müssen, auf jeden Fall und unbedingt 100 km/h zu fahren, denn der Herr G. hatte schon Prüflinge durchrauschen lassen, die dort langsamer gewesen waren. Kaum, dass ich von der vorgelagerten Kreuzung herunter war, ging ich schon auf’s Gas und zischte ab. Herr G. guckte überrascht und ärgerte sich offensichtlich, dass ich diese Hürde locker genommen hatte. In einer 30er Zone lief vor uns eine schwarze Katze über die Straße, aber sowieso von rechts nach links. Herr G, war erleichtert. Offenbar war er abergläubisch.

Eine Kurve fuhr ich zu weit aus, da war es schon wieder vorbei mit seiner guten Laune. Säuerlich gab er Anweisung zum Parken. Das klappte richtig gut. Ich sah, dass H. zufrieden war. Als wir endlich am TÜV-Gelände ankamen, konnte ich aber immer noch nicht sagen, ob ich nun bestanden hatte oder nicht. Wir waren nur 35 Minuten gefahren.

Herr G. holte Luft und meckerte sich richtig frei. Er zeigt mal allen Anwesenden, was Korinthenkacker so drauf haben, zeigte uns seine Harke und motzte dann zum guten Schluss, ich sei mit gerade mal „ausreichend“ noch eben so durch gekommen. Beispielsweise fand er es überhaupt nicht gut, dass ich in Rechtsvorlinks-Zonen nicht nur nach rechts, sondern auch nach links geguckt hatte! Ich gucke aber hin, wo es mir passt. Da ich ja noch recht rege bin, dauert das meistens  auch gar nicht lange. Missmutig überreichte er mir die doofe Plastikkarte und verabschiedete sich noch nicht mal richtig. Der Drecksack, der.
„Ihnen auch’n schön’ Tach noch, Herr G.!“
H. machte ein „Na also!“-Gesicht und fuhr uns zur Fahrschule zurück. Unterwegs wurde ich an jeder Straßenecke ein Kilo leichter.

Meinem Väterchen habe ich übrigens geschworen, dass er das irgendwann heimgezahlt kriegt. Ich überlege aber noch, wie…

Führerschein (Teil 3)

In der Theorie ging alles seinen Gang. Ich ließ mich vom Alleinunterhalter zubrausen mit Geschichten von „neulich“, ertrug seinen Schlachtruf: „Leuteeee! Wir sinn’ hier nich’ aufem Ponyhof!!!“, und lernte zuhause fleißig nach dem Buch und kreuzte in den Bögen herum. Bei H. immerhin lernte ich auch im Unterricht was, den wir irgendwann fast nur noch zu zweit bestritten.

Die Fahrstunden machten mich nach wie vor nervös. Ich mochte die Geschwindigkeit nicht und H. trat immer mal aufs Gas, damit ich nicht mitten auf der Straße das Parken anfing. Irgendwann fuhren wir mal wieder zurück zur Fahrschule, als ich laut feststellte, dass mir das aber grade schneller vorkäme als 20 kmh.
H. guckte mich nur an, als hätte ich sie nicht mehr. Ich hatte nämlich ausnahmsweise(!) auf den Drehzahlmesser geguckt, auf dem Tacho standen 55! Leider habe ich das dann Freundin T. erzählt, die mich seitdem damit aufzieht. Naja, würde ich aber andersrum auch machen…

T. bastelte mir liebevoll einen schönen Adventskalender, in dem dann so lustige Sachen waren wie Fotos von Tacho und Drehzahlmesser (zum Auswendiglernen), ein „Navigationssystem“ (ein Kinderkompass), Schokoladenautos und ein umgestaltetes P*x*-Büchlein mit dem Titel „D**** lernt Autofahren“.

Überhaupt wurde ich ja nun von allen Seiten gefragt, wie es „denn so läuft“. Ich war mit mir überaus unzufrieden und fürchtete, die ganze Sache nicht hin zu kriegen. Alle taten das als Koketterie ab und zogen mich auf, – war aber keine. Ich hatte wirklich oft richtig Muffe vor der Fahrstunde, machte mich ganz verrückt deswegen und wäre so doch gern mit Spaß dabei gewesen. Immer wieder machte ich doofe Fehler, weil ich mich nur schlecht gleichzeitig auf meine Füße, die Lenkung, das restliche Brimborium, Fahrlehrer H., und auch noch auf den Verkehr um mich herum konzentrieren konnte.
Das berühmte Abwürgen des Motors kam gar nicht oft vor, allerdings erschloss sich mir nicht so recht die ganze Kuppelei, und H. versuchte es auch gar nicht richtig mit Erklärungen, sondern meinte nur, ich solle es einfach so machen, wie er’s mir sagt.

Darüber gab’s dann oft Streit und wir wurden auch richtig laut, denn H. war ein mittelschwerer Choleriker. Naja, und ich nervös, halt. Meistens rief er: „Warum? Wa-rum! Warum machst du das nicht so, wie ich dir das sage!“ „Weiß ICH doch nicht! Was haste denn gesagt? Ich muss fahren hier! Scheiße, jetzt hab’ ich wieder das Blinken vergessen!“

Beide kniffen wir dann die Lippen zusammen und versuchten, uns zu beruhigen.

Irgendwann hatte ich dann die Idee, nach dem Belohnungssystem vorzugehen. Ich kaufte eine Schachtel mit besonders guten Schokoladen-Talern. Die kam ins Auto, und die Abmachung war: Wenn ich was besonders gut mache, krieg’ ich einen. Wenn H. sich sehr ärgern muss, bekommt er einen. Das funktionierte ganz gut, aber Nervosität fuhr trotzdem immer mit. H. brachte sogar mal eine gute Jazz-CD mit, um mich ruhiger zu machen, es half aber nur wenig. Schön waren allerdings manchmal unsere Unterhaltungen, denn wir sprachen viel über Kunst und Musik und so. Ich mochte ihn und offensichtlich genoss er es, mal eine Schülerin zu haben, die wenigstens ungefähr in seinem Alter war. Auch wenn sie ihm viel zu langsam fuhr.

In der achten Fahrstunde brauste ich aber tatsächlich zum ersten Mal auf die Autobahn und fand das wirklich gar nicht so schlimm. Heute schüttelt’s mich schon wieder bei dem Gedanken… Ende November machte ich, quasi im Vorbeifahren, die Theorieprüfung und gewann mit 0 Fehlern. Immerhin.
Nun musste ich den Ponyhofmann wenigstens nicht mehr aushalten.

Führerschein (Teil 2)

Im Oktober suchte ich mir eine Fahrschule aus. Ich werde lieber nicht andeuten, welche.
Zuerst musste ich den 1. Hilfe-Kurs machen, in dem uns eine angehende Rettungsärztin eigentlich ständig versuchte, weiszumachen, dass wir das, was sie uns zeigt, bestimmt sowieso nie brauchen werden. Inwieweit das pädagogisch wertvoll war, möchte ich jetzt hier nicht bestimmen. Ich hörte trotzdem aufmerksam zu und empfehle Jedem, sich im Notfall lieber von mir retten zu lassen als von den anderen Kursteilnehmern.

Am 23. Oktober ging es dann mit der Theorie los. Mit mir waren da jede Menge junge Menschen türkischer Abstammung, die sich redlich mühten, sämtliche Klischees darzustellen, die einem zu türkischen Jugendlichen so einfallen wollen. Ein Jungitaliener war aber auch noch dabei, der war sogar noch wilder. Alle konnten prima sehr laut sprechen und Klingeltöne tauschen. Die Mädchen waren nur etwas dezenter als die Jungs, die angeblich schon lange mit Papas oder Bruders Auto herum fuhren. Natürlich hatten sie sich schon eigene BM*s bestellt und brauchten den Lappen nur noch der Form halber.

Das kann ja lustig werden, hoffte ich, und setzte mich trotzdem strebermäßig nach vorne. Schließlich wollte ich die Sache so schnell wie möglich durchziehen und noch vor Weihnachten in trockenen Tüchern haben.

Der Fahrlehrer, der uns die erste Theorie-Stunde erteilte, war so Anfang 30, trug schlimm ausgelatschte Schuhe und schien mir ein richtiger Weiberkönig zu sein. Er kam erstmal eine Viertelstunde zu spät und legte dafür aber gleich richtig los. Volle 10 Minuten lang sprach er über Sinn und Zweck des Fahrenlernens, die Eignung dazu und das nötige Verantwortungsbewusstsein. Dann schweifte er ab, ließ sich mit den Jungs auf lustiges Geplänkel ein und erzählte anschließend eine Stunde lang wildes Zeug aus der Zeit seines eigenen Führerscheinerwerbs und andere Heldengeschichten. Wie man Frauen klar macht, z.B. Vielleicht kann ich das ja noch mal brauchen… Zum Schluss gings noch mal kurz um Verantwortungsbewusstsein. Schien ihm ein wichtiges Thema.

Der andere Fahrlehrer (H.), der sich mit ihm für den Unterricht abwechselte, war dagegen ein bäriger Papatyp mit Bart und Strickpullover, der keine Mätzchen duldete. Ich wusste sofort: bei dem fährste! Außerdem hatte sein Handy „Take five“ als Klingelton, das kriegte ich zufällig mal mit, und das untermauerte die Entscheidung noch.

Nach zwei Wochen traute ich mich und hatte meine erst Fahrstunde.

Das Tolle, wenn man den Führerschein macht, ist ja, dass man plötzlich von allen Seiten die dollsten Geschichten dazu erzählt bekommt, inklusive denen über erste Unfälle. In diesem Fall waren diese Geschichten überwiegend mindestens 20 Jahre im Verklärungstank gewesen, da meine Freunde ja alle so in meinem Alter sind und ihre Führerscheine in den 80ern gemacht haben.

In der ersten Stunde wurde ich erstmal gefahren. Und zwar in ungefährliches Gelände, wo man als Anfänger nicht viel kaputt machen kann. Da musste ich dann hinter’s Steuer und kriegte erst mal die ganzen Klamotten da erklärt. Das gefiel mir gut. Dann sollte ich anlassen. Das gefiel mir nicht mehr so gut. Und schon rollte die Kiste und ich fuhr tatsächlich die Straße runter. „Isch fasset nit!“ und „Was mache ich hier eigentlich? Bin ich total durchgeknallt oder was!“, kriegte der arme H. zu hören. Wahrscheinlich auch seit 20 Jahren wieder und wieder. Daran musste ich immer denken: Wie oft der Mann dieses Kommen und Gehen und diesen Angstschweiß seiner Schüler schon erlebt hat.

Nach einer guten Stunde, in der eigentlich nicht viel passierte, als um-dem-Block-Fahren, ersehnte ich das Ende der Fahrstunde (Dauer: 90 Min.), weil ich meine Konzentration kaum noch aufrechterhalten konnte. Spaß hatte es mir irgendwie auch nicht gemacht.

Das hatte ich mir anders vorgestellt. Ich war immer der Meinung gewesen, dass ich bestimmt eine gute, lässige Fahrerin wäre, so theoretisch. Nun merkte ich, wie anstrengend ich das fand und ahnte, dass das kein Spaziergang würde. Hätte ich das Mistding doch schon mit 20 gemacht! Da hatte ich einfach noch nicht die Lebenserfahrung gehabt, die mir jetzt die Lockerheit verbaute. Auch in der zweiten Stunde wurde ich nicht lockerer, weil mir plötzlich auffiel, dass es eigentlich das reinste Wunder ist, dass nicht ständig alle Verkehrsteilnehmer in einem großen Klumpen zusammengeknüllt werden.

Auch H. merkte, dass ich womöglich ein schwieriger Fall werden könnte, weil ich nicht aufhörte, beim Fahren zu denken.

Führerschein (Achtung: mehrteilig!) – Teil 1

Ich wollte ja mal erzählen, wie das nun war mit meinem Führerschein. Freundin T. hat sich das mal gewünscht, weil ich deswegen Ende des Jahres so rumgehühnert hatte. Und weil das ’ne lange Geschichte ist, kommt die ausnahmsweise in vier Teilen.

Vorgeschichte:
Im Sommer war ich beim Väterchen in Berlin zu Besuch für ein paar Tage. Zuerst liefs ganz gut, wir hockten in Biergärten und beim Inder, gingen ins Technische Museum, saßen abends schön vorm Fernseher und alles war nett. Mittenmal kommt er mir mit so’nem Umschlag an und meint: „Töchterchen! Pass uff. Ick habe mir jedacht, Du musst nu’ mal endlich den Führerschein machen, bevor Du zu alt wirst, wat Neuet zu lernen.“
Ich dachte, ich hab’ Ohrensausen!
Klar hatte ich mal gesagt, dass ich das Mistding irgendwann mal machen will, aber das war doch nur so in die Luft gesprochen gewesen. „Irgendwann“ ist für mich ein Zeitraum, der locker dreißig Jahre umfassen kann. Außerdem wollte ich den 1. selbst bezahlen, und 2. eigentlich erst machen, wenn ich mir mein Traumauto leisten kann: Eine alte Citroen DS. Die Göttin. Darum habe ich natürlich eh’ nie damit gerechnet, dass das noch was wird.

Also gab’s erst mal Diskussion, bis Väterchen fast eingeschnappt war, weil ich den Umschlag nicht wollte. „Du kannst Dir meinetwejen ooch 2.000 Kugeln Erdbeereis davon koofen. Det is’ mir ejal! Du nimmst det jetzt. Det is noch von deine Omi.“
Also gut. Wenn er mir mit der Omi kommt, werde ich weich. Und Erdbeereis mag ich auch überhaupt nicht.

Zurück in Hannover musste ich erstmal zum Augenarzt, wegen besonderer Umstände in meinem peripheren Guckbereich. Die Praxis liegt am Lindener Markt und als ich da rein kam, fielen mir gleich die überaus patzigen, billig aufgedonnerten Sprechstundenmädels auf. Es gab aber auch ein unauffälliges, liebes Aschenputtel, an die wandte ich mich dann. Die Praxis war total oll, die Einrichtung zusammengehauen aus allen Jahrzehnten. Ich wurde zum Sehtest gerufen. Das Behandlungszimmer fiel fast auseinander, der Armstuhl, auf dem ich Platz nehmen sollte, zeigte schamlos seine Polsterfüllung herum. Ich fand das alles immer lustiger und war gespannt auf mehr. Die Buchstaben erkannte ich, die sind ja zum Glück zeitlos (Helvetica?). Dann kam der Farbtest. Das Büchlein mit den Tafeln fiel ebenfalls fast auseinander, der Leineneinband war mit Tesafilm dick überzogen. Ich bestand den Test mit Bravour, obwohl ich meine, die Farben wären schon etwas verblasst gewesen…

Dann kam dieser Gesichtsfeld-Test, wo man ein Summerchen drückt, sobald der helle Punkt ins Blickfeld kommt. Das Gerät war selbstverständlich ebenfalls uralt und musste per Hand bedient werden. Die Sprechstundenmaus hantierte herum und ich konnte natürlich genau vorher sagen, von wo das Pünktchen kommen würde, weil ich ja mitkriegte, wie sie da werkelte. Also summerte ich, bis ihr die Puste ausging.

Dann bekam ich die berühmten Tropfen ins Auge und musste warten. Ich weiß, dass das alle immer sagen, aber das Gefühl ist wirklich komisch. Wenn ich mir vorstelle, dass die Herrschaften des Barock sich Belladonna nicht zu knapp in die Augen geträufelt haben, damit die Blicke verführerischer wirkten, muss ich feststellen, dass die wohl nicht mehr alle an der Kappe hatten.

Nach einer halben Stunde kam ich zum Doc rein. Und Doc war der Knaller!

Ein altes, rundliches Männlein mit weißen Babylöckchen, das vor sich murmelnd in Puschen durch sein vollgerümpeltes Behandlungszimmer eierte. Er wies mich an, Platz zu nehmen und mein Kinn auf einer Art Rahmenkonstruktion aufzustützen.
„Keine Angst.“, versuchte er mich zu beruhigen.
„Ich hab’ gar keine Angst.“, antwortete ich munter und guckte ihn verschmitzt an. Der Typ ist ein Kobold, dachte ich, der tut nur so kauzig. Gefällt mir.
„Doch!“, sagte er, „sie haben Angst. Alle haben Angst! Aber ich mache das schon seit über 35 Jahren, überall auf der Welt mache ich das. Sogar in China! Auf der ganzen Welt mache ich das!. Nur in Russland nicht.“
„O.K., jetzt habe ich Angst!“, grinste ich. Er nickte.

Ich bekam einen Glaskegel direkt auf den Augapfel gesetzt und er schaute sich meinen Augenhintergrund an. Durch die Linsenbrechung konnte ich sogar irgendwie mitgucken und sah ein schönes Muster aus Äderchen. Irre, sich ins eigene Auge gucken zu können. Nebenbei wurde geplaudert.
„Und? Kann ich den Führerschein denn machen, Herr Dokter? Krieg’ ich ihre Freigabe?“
„Das können sie. Aber mit dem Pilotenschein wird’s leider nichts.“
„Och. Schade.“
„Und Rettungswagen fahren wird auch nichts.“
„Und Feuerwehrautos?“
„Tut mir leid. Gar keine professionelle Personenbeförderung. Privat können sie aber machen, was sie wollen!“
„Prima. Dann muss ich den Löschzug donnich abbestellen. Fein, der ist nämlich schon angezahlt.“
Inzwischen guckte er schon mit dem Kegeldings in das andere Auge.
„Wenn sie den Führerschein dann haben und so ein Jahr Praxis, dann leihen sie sich mal einen Porsche aus! Das ist ein Auto!“
„Ich komm’ dann, und leih’ mir ihren…“
Er lächelte mild, wir waren auf einer Ebene.
Nun versuchte er, das Glasding von meinem Auge zu nehmen, aber das hatte sich fest angeschmiegt bzw. fest gesaugt. Er musste etwas nachhelfen, dann war das Ding raus. Zum Glück, sonst hätte ich wie der Terminator nach Hause gemusst, bis das Ding von alleine abfällt. Und das mir! Ich habe so empfindliche Augen, dass ich leider keine Linsen tragen kann, weil ich’s nicht fertig bringe, mir was ins Auge zu pitschen. Auf dem Weg nach Hause schien die allerschönste Septembersonne. Ich drückte mich an den Wänden entlang, weil das Licht mir direkt ins Hirn wollte. Eigentlich eine ganz schöne Vorstellung, aber erst hinterher.

(2. Teil dann morgen…)

Feinkost

Einmal bei „Feinkost Lampe“, einem netten kleinen musikalischen Sofa-Club in Hannover-Linden, spielte sich folgende kleine Szene ab:

Ich gehe auf’s Klo. Das ist ein mittelgroßer, hübsch zurecht gemachter Raum mit Waschbecken und zwei Kabinen, jeweils eine für die Dame und den Herrn. Ebenfalls befindet sich dort eine kleine elektrische Kinder-Orgel. Als ich hereinkomme, ist der Raum leer. Ich gehe also in die Mädchenkabine, da höre ich, wie noch jemand reinkommt und sofort auf der Orgel loslegt. Einfach so lange Töne drückt. Als ich wenig später grinsend wieder aus der Kabine komme, hängt da ein beparkater Mensch in Hexenschusspose vor der Orgel und schreit mich an: „Ey! Super-Publikum!!!“ Ich sage beim Hände waschen: „Joh, das hat doch schon viel Schönes… Bisschen wie bei ’ner Seebestattung.“
Er (begeistert): „Ave Maria!!!“
Ich: „Yeah! Genau!“ und ab.

Im Gehirnkasten hinten liegt noch was

Na, wenn hier schon alles blitzneu aussieht, dann komme ich jetzt mal mit einer ganz alten Meldung, die mir vorhin wieder einfiel, als ich in der Stadt war und eine mächtig dicke Taube ganz knapp an mir vorbei flog. Ich dachte eigentlich, ich hätte die Geschichte schon vergessen.

Es ist schon bestimmt 10-15 Jahre her, da las der Herr Wickert die Tagesschau, und weil nicht viel los war in der Welt, hatte er Gelegenheit, noch eine kuriose Warnmeldung aus zu sprechen: Er bat die Spaziergänger in Münchens Englischem Garten um Vorsicht. Und außerdem darum, die Schwäne dort bitte nicht mehr zu füttern.

Was war passiert?

Eine Frau war im Englischen Garten spazieren gegangen, als ihr plötzlich ein unglaublich dicker Schwan, der hinter ihr zum Flug gestartet war, mit Karacho auf den Kopf fiel!
Für die Frau war das gar nicht lustig, sie erlitt eine Gehirnerschütterung und ich meine, es wäre sogar noch ein Halswirbeltrauma dabei gewesen. Die Schwäne dort im Park sind so überfüttert, dass sie über 20 kg schwer werden, nicht mehr richtig fliegen können und wie olles Obst einfach aus dem Himmel fallen!

Ob die Frau zum Vogelfüttern im Park gewesen war, wurde nicht gemeldet. 
Dass der Schwan den Absturz unversehrt überstand, hingegen schon.

So,

nun ist der Auftrag abgearbeitet und ich bin es auch.

Zwei Wochen lang habe ich über eine Stadt nachgedacht, in der ich noch nie war, und die sich neu präsentieren will. Ob die Agentur, in der ich die letzten zwei Wochen verbracht habe, die Ausschreibung gewinnen wird, ist fraglich, denn es hat schon jemand seinen klobigen Fuß in die Tür gestellt. Trotzdem haben wir unser Bestes rausgequetscht und vielleicht reißen wir das Ruder ja auch herum. Ich kann jetzt jedenfalls erstmal kein Orange mehr sehen, und nächste Woche wissen wir wohl schon mehr…

Hier ist natürlich alles liegen geblieben außer mir.
Auf dem Fernseher sind sogar Spinnweben drauf! Ich dachte, ich guck’ nicht richtig.
Und auf dem Quark im Kühlschrank puschelt es.
Wenn die Herrin aus dem Haus ist, tanzen die Miniorganismen auf dem Tisch!

Also muss ich heute erstmal anständig Einkaufen gehen. Vielleicht begegnet mir ja wieder ein hübscher Verleser, wie manchmal beim Einkaufen. Ich habe schon „Shaolin“-Glasreiniger statt „Sidol*n“-Glasreiniger gesehen, „Grillhäschen“ statt Grillhähnchen und „Langsam-Hemden“ statt Langarm-Hemden. Von der „Göttin“-Wurst hatte ich ja früher schon mal geschrieben.

Also Kühlschrank und Regale auffüllen und dann die Bude durchfeudeln!

Und dann mal die Freunde darüber in Kenntnis setzen, dass ihre Rufe nicht ungehört verschallt sind. Freundin S. könnte inzwischen glatt ein drittes Kind bekommen haben, so lange haben wir uns nicht gehört! (Naja, 5 Wochen oder so…)
Freundin M. ist ja grade wieder in Japan und kämpft mit schwüler Sommerhitze, da hat die genug zu tun. Freundin T. habe ich Dienstagabend in ein Café bestellt und dort nur von mir geredet… Freund M. habe ich immerhin Montag auf der Straße getroffen und konnte mir seine schicke neue Brille schnell begucken. Heute werde ich mal ein Bier mit ihm trinken, ob er nun will oder nicht!

Und hier kann ich mich auch wieder mehr blicken lassen.
Ach, hatte ich schon erzählt, dass mich
Rieta und Knut am Wochenende besuchen kommen wollen? Ich werde dann berichten…

Aber erst muss ich mir deren Besuch ja ausdenken und dafür brauche ich ein schönes

Spinnerset

Fensterfilm

Vor Jahren wohnte ich in Hannovers Nordstadt.
Das ist ein Viertel hinter der Uni und natürlich wohnen dort auch viele Studenten und es gibt ordentlich viele Kneipen, in denen es hoch her geht. Ich wohnte einer solchen Kneipe
gegenüber und hatte das Schlafzimmer unglücklicherweise zur Straße hin. Im Sommer mit offenem Fenster zu schlafen, war schwierig, weil bei jedem Öffnen der Kneipentür laute Musik und anderes Getöse in die Nachtluft schwappte. Aber selbst daran kann man sich irgendwann fast gewöhnen.

Eines Nachts wachte ich jedoch auf, weil auf der Straße ein betrunkenes Paar herumschrie. Dass die Frau Karin hieß, hörte ich bald. Dass sie überaus aufgebracht war, sogar noch davor.
Wie er hieß, weiß ich nicht, sie nannte ihn „Arsch!“, aber das war bestimmt nicht sein richtiger Name. Inzwischen stand ich am Fenster und konnte erkennen, dass er sich rechts davon hinter einem Auto versteckte und sie sich links von mir breitbeinig und vorgebeugt auf der Straße aufgebaut hatte.
Er rief von rechts: „Mensch Karin, jetzt beruhig’ dich doch! Da war doch gar nichts!“

Und sie kreischte von links zurück: „Los komm her, ich hau’ dir auf’s Maul! Komm’ her, jetzt! Oder trauste Dich nicht?“

Und er wieder: „Jetzt komm’ doch mal runter! Ich hab’ mich doch bloß mit der unterhalten!“

Sie wurde noch wilder und schrie: „ Los, Du Schlappschwanz! Du bist so feige! Ich mach’ Dich alle! Komm‘ her, wenn Du Dich traust!“

Ich ging wieder zum Bett, weil ich keine Lust hatte, da länger zuzugucken. Hören konnte man sie ja ganz gut. Dann trat auch sogar für einen Moment Stille ein.
Gerade aber, als ich mich wieder hinlegen wollte, schepperte es ganz gewaltig! Metall quietschte auf Asphalt und das hörte sich nicht gut an für das Metall…
Also
bin ich natürlich schnell wieder hin zum Fenster.

Karin hatte am Zaun Fahrräder entdeckt, die unvorsichtigerweise nicht am Zaun festgeschnallt waren und hatte mit einem von ihnen nach ihm geworfen!!!
Mit sprühenden Funken und allem.

Es dauerte eine Weile, aber als er dann vorsichtig ums Auto herum schielte und sie ihn so sah, mussten beide plötzlich furchtbar lachen. Ich am Fenster auch. Dann legte ich mich kopfschüttelnd und grinsend ins Bett und schlief bald wieder ein .

Am Morgen war weder von den Beiden noch von dem Fahrrad irgendwas zu sehen.