Fensterfilm

Vor Jahren wohnte ich in Hannovers Nordstadt.
Das ist ein Viertel hinter der Uni und natürlich wohnen dort auch viele Studenten und es gibt ordentlich viele Kneipen, in denen es hoch her geht. Ich wohnte einer solchen Kneipe
gegenüber und hatte das Schlafzimmer unglücklicherweise zur Straße hin. Im Sommer mit offenem Fenster zu schlafen, war schwierig, weil bei jedem Öffnen der Kneipentür laute Musik und anderes Getöse in die Nachtluft schwappte. Aber selbst daran kann man sich irgendwann fast gewöhnen.

Eines Nachts wachte ich jedoch auf, weil auf der Straße ein betrunkenes Paar herumschrie. Dass die Frau Karin hieß, hörte ich bald. Dass sie überaus aufgebracht war, sogar noch davor.
Wie er hieß, weiß ich nicht, sie nannte ihn „Arsch!“, aber das war bestimmt nicht sein richtiger Name. Inzwischen stand ich am Fenster und konnte erkennen, dass er sich rechts davon hinter einem Auto versteckte und sie sich links von mir breitbeinig und vorgebeugt auf der Straße aufgebaut hatte.
Er rief von rechts: „Mensch Karin, jetzt beruhig’ dich doch! Da war doch gar nichts!“

Und sie kreischte von links zurück: „Los komm her, ich hau’ dir auf’s Maul! Komm’ her, jetzt! Oder trauste Dich nicht?“

Und er wieder: „Jetzt komm’ doch mal runter! Ich hab’ mich doch bloß mit der unterhalten!“

Sie wurde noch wilder und schrie: „ Los, Du Schlappschwanz! Du bist so feige! Ich mach’ Dich alle! Komm‘ her, wenn Du Dich traust!“

Ich ging wieder zum Bett, weil ich keine Lust hatte, da länger zuzugucken. Hören konnte man sie ja ganz gut. Dann trat auch sogar für einen Moment Stille ein.
Gerade aber, als ich mich wieder hinlegen wollte, schepperte es ganz gewaltig! Metall quietschte auf Asphalt und das hörte sich nicht gut an für das Metall…
Also
bin ich natürlich schnell wieder hin zum Fenster.

Karin hatte am Zaun Fahrräder entdeckt, die unvorsichtigerweise nicht am Zaun festgeschnallt waren und hatte mit einem von ihnen nach ihm geworfen!!!
Mit sprühenden Funken und allem.

Es dauerte eine Weile, aber als er dann vorsichtig ums Auto herum schielte und sie ihn so sah, mussten beide plötzlich furchtbar lachen. Ich am Fenster auch. Dann legte ich mich kopfschüttelnd und grinsend ins Bett und schlief bald wieder ein .

Am Morgen war weder von den Beiden noch von dem Fahrrad irgendwas zu sehen.

6 thoughts on “Fensterfilm

  1. Oh gute Güte… memo to self „Bitte immer mit Anstand besaufen“.
    Wobei… amüsant ausgegangen ist es ja dann doch noch… natürlich kommt es auf die Perspektive an. Der Besitzer des Rades wird sich nicht gefreut haben… aber was macht er das Dingen auch nich‘ fest. 🙂

  2. Aaaaalso…. In der Nordstadt wohnen, glaub ich, n u r Frauen, die mit Fahrrädern werfen können.

    Hab da auch mal gewohnt. Und bei den vorletzten Chaostagen hab ich meine Freundin sicherheitshalber von der Arbeit abgeholt.

    Zu Fuß, war 1.um die Ecke und 2.konnte man der „kleinen Raufereien“ zwischen Staatsgewalt und Anti-Staats-trotzdem-Gewalt sowieso das Auto stehen lassen.

    Kein Witz: Ich hab mir nen Kettenhemd angezogen und fühlte mich bei dem „Spaziergang“ dadurch deutlich wohler.

    😉

  3. Warum sollte ein Mann nicht Arsch heißen? Ich erinnere mich an einen Fernsehserien-Charakter namens Arsch Ibald-Bruster. Keine Ahnung mehr, in welcher Serie das wohl war…

    Im übrigen scheint sich hier ein kleines Theorem aus der Verhaltensforschung zu bestätigen: „Wenn sie betrunken sind, werden die Leute ehrlich“. Hab keinen Schimmer, ob das mit Deiner damaligen Lebenswirklichkeit zu tun hatte.

    Karin hat immerhin die Größe besessen, die fremden Fahrrädern natürlich *nicht* auf das Auto zu werfen, hinter dem sich Arsch wohl verbarg. Ein fremdes Fahrrad zu beschädigen ist eine Sache, aber ein fremdes Auto – das wäre doch gemein, oder? Da kann man so besoffen sein, wie man will, die primären Reflexe funktionieren immer noch.

    Und am Ende gilt erwartungsgemäß die alte Erkenntnis:
    „Pack schlägt sich – Pack verträgt sich“.

  4. Argl! Einprägekommando an das Langzeitgedächtnis zurück:

    Der Arsch Ibald-Brewster hieß in Wirklichkeit jedoch Reg Inald-Prewster! Was man so Wirklichkeit nennt.

    Werch ein Illtum!

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