Sam und ich und die Schützen

Heute in den frühen Morgenstunden bewegte ich mich quasi schrittweise durch den Halb-
schlaf. Schrittweise deswegen, weil ich immer wieder von diffusem Lärm geweckt wurde. Zwischendrin träumte ich in Etappen von einem unbekannten Anrufer, der mir erzählte, dass Sam Earlyman, inzwischen sehr alt und auch leider erblindet, sich meiner erinnert hätte, und er wolle mir etwas Wichtiges hinterlassen. Mir kam zwar der Name bekannt vor, aber ich kam nicht drauf, woher, was mich ganz verrückt machte. Der Anrufer sagte dann aber auch noch, dass der gute alte Sam schon ziemlich verwirrt sei, weswegen es sich bei der „wichtigen Hinterlassenschaft“ durchaus um eine Apfelsine oder sowas han-
deln könne.

Als ich endlich richtig wach wurde, konnte ich mir diesen Traum so gar nicht erklären, wusste aber immerhin, was mich da immer wieder geweckt hatte: Hier in Hannover findet nämlich seit vorgestern das „größte Schützenfest der Welt“ statt, und die Vereine gehen mit ihren Kapellen und Spielmannszügen los und sammeln noch mitten in der Nacht ihre Mitglieder ein, um dann ab vormittags am großen Schützenausmarsch teilzunehmen, der sich immer am ersten Sonntag stundenlang mit Radau durch die Innenstadt zieht. Offen-
bar wohnen in meinem Viertel einige Schützen, die aus dem Bett getrötet und gequerflötet werden mussten.

Jetzt muss ich zugeben, dass ich auch mal an so einem Ausmarsch teilgenommen habe, aber das ist schon 17 Jahre her und gilt somit auch nicht mehr richtig. Außerdem war das beruflich. Ich arbeitete damals gerade in der Markthalle, wo ich französische Feinkost verkaufte. Die Halle hatte in jenem Jahr 100-Jähriges und unser Chef bestand darauf, am Festzug teilzunehmen. Dazu ernannte er einfach eine Mitarbeiterin zur „Champagner-
königin“ und schnallte sie oben auf dem Firmenwagen fest, von wo sie dann stundenlang herunterwinken musste, die Arme.

Ich gehörte mit einigen Kollegen zum „Fußvolk“, unsere Aufgabe war es, den jubelnden Zuschauern in den Straßen unsere Strohhütchen entgegen zu schwenken und Becher-
chen mit Sekt zu verteilen. Aber denkste! Weder – noch… Soweit ich mich erinnere, schenkten wir uns hauptsächlich gegenseitig aus den dicken Pullen nach und für die Zuschauer blieb irgendwie weniger als gedacht. Zum Hütchenschwenken hatten wir jedenfalls keine Hände frei.

Wie wir dann auf dem Schützenplatz angekommen sind, weiß ich gar nicht mehr, aber existierten Fotos davon, wie wir dort versuchten, „Lüttje Lage“ zu trinken. „Lüttje Lagen“ sind eine regionale Spezialität, die sozusagen in Einzelteilen auf den Tresen kommt. Man bekommt ein kleines Glas mit Dunkelbier und ein noch kleineres mit Hochprozentigem. Dann nimmt man beide in die rechte Hand und kippt ganz vorsichtig so, dass zuerst der Schnappes in das Bier und anschließend das Schnapsbier in den Durstigen fließt. Diesen komplizierten Vorgang nennt man „Kaskadentrinken“, und dabei geht immer mal was da-
neben, deshalb ist auch immer ziemliches Hallo in der Bude. Wer mag, bekommt ein Papierlätzchen umgebunden, was besonders an den Schützen mit ihren reich bebam-
melten und dekorierten Fantasie-Uniformen ziemlich albern aussieht.

Eigentlich hätte ich nicht übel Lust, das mal wieder auszuprobieren! Na, nächste Woche bekomme ich lieben Besuch, den zerre ich dann einfach in so ein Festzelt und nötige ihn, mit mir Lagen zu verschnabulieren. Belibt nur zu hoffen, dass er mich auch rechtzeitig wieder hinaus geleitet, bevor ich da womöglich anfange, die „Internationale“ zu singen oder den DJ frage, ob er nicht mal Led Zeppelin auflegen kann.

Eventuell wäre es hilfreich, vorher ein paar Futterbuden abzuklappern, was für mich ja der eigentliche Grund für den Besuch eines Rummels ist. – Waffelbruch! – Gebackener Blu-
menkohl! – Erdbeeren in Schokolade! – Pommes! Ach so, und freitags Feuerwerk.

Heute jedoch zieht es mich woanders hin: Auf dem Lindener Berg findet gleich ein lustig-
es Seifenkistenrennen statt, bei dem sich ein guter Bekannter von mir in einer alten, aber frisch aufgemotzten Kiste den Berg hinunterstürzen wird. Ich werde versuchen, halbwegs anständige Fotos davon zu machen. Beim letzten Mal waren nur bunte Streifen auf den Bildern und ich musste dann immer erklären, was das sein soll…

– Ach, und übrigens habe ich diesen Text zweimal geschrieben, weil mir vorhin der alte Monitor meines PCs endgültig abgeraucht ist, als ich gerade mit der ersten Fassung fertig war. Aber zum Glück habe ich ja noch meinen Laptop, auf dem ich noch mal alles neu schreiben konnte. Und ich weiß jetzt natürlich auch, wer der „alte, erblindete Sam Early-
man“ ist. Ich wusste nur nicht, dass ich meinem Monitor mal irgendwann einen Namen gegeben hatte.

Nun bin ich eigentlich nur noch neugierig, wo er denn die Apfelsine für mich deponiert hat.

In was für ’ner Gegend leb‘ ich hier eigentlich?!?

Heute habe ich mein Badezimmerfenster beschwurbelt. Das muss man jetzt nicht un-
bedingt verstehen; es bedeutet nur, dass ich endlich ein Muster („so Schwurbel“) aus blickdichter Folie auf die Scheibe gemacht habe, damit ich die olle weiße Gardine, die mich da schon lange stört, endlich mal abnehmen kann und mir trotzdem keiner rein-
schmult.

Und während ich so mit dem Cutter an der Fensterscheibe herumtue, höre ich die Kinder draußen auf dem Spielplatz. Neulich hatte ich mich schon mal fast erschrocken über von dort Gehörtes. Das ist nämlich eine Multikulti-Gegend hier und manche der Straßen wer-
den sicherlich auch in irgendeiner Liste für „soziale Brennpunkte“ geführt. Ich fühl‘ mich hier aber pudelwohl.

Hat denn eigentlich überhaupt schon mal jemand solche „brennenden Punkte“ gesehen? Also, ich hatte nur mal Punkte, die gejuckt haben, aber das waren auch bloß Mückensti-
che, und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Irgendjemand darüber Listen führt…

Die Kinder hier sagen jedenfalls den ganzen Tag so Sachen, wie: „Ich mach’ dich fertich, Alter, ich schwöre!!!“ Das ist ganz normal hier im Viertel. Also, bei den kleinen Kindern. Was die größeren Kinder so sagen, das möchte ich hier lieber nicht wiederholen, nachher kriegt mein Blog einen Stempel mit „FKS 18“ oder so.

Was ich aber erzählen wollte: neulich, da hörte ich, wie ein Kind nieste. Dann gab’s ein kleines Päuschen, und dann sprach ein anderes Kind mit hohem Stimmchen: „Oh! Ge-
sundheit!“, worauf das erste Kind höflich sprach: „Danke schön!“ – Potztausend! Da hab’ ich ordentlich gestaunt und gedacht: „Nanü? Etwa zwei verirrte Waldorfschüler? In dieser Gegend?“

Na, und heute?

Da spielte doch erstens irgendwer im Haus Blockföte („ABC, die Katze läuft im Schnee“)! Und unten auf der Straße sangen zweitens tatsächlich zwei Mädchen glockenhell das Vogelfängerlied aus der Zauberflöte!!! Und zwar richtig schön.

„De-her Vogel-fähän-ger bin ich ja, stets lustig, heißa, hoppsassa!
Ich Voho-gehel-fähän-ger bin bekannt bei Alt und Jung im ganzen Land…“

Also, jetzt bin ich ganz verwirrt; – das wird doch wohl jetzt kein gutbürgerlicher Stadtteil hier werden, oder wie?!?

Heiter bis brummig

Gestern habe ich mit der lieben V. unsere kürzlich erfolgten Geburtstage nachgefrüh-
stückt. Hätten wir uns erst nächste Woche getroffen, dann wäre genau ein Jahr seit unserem letzten Treffen vergangen gewesen, aber so weit wollten wir’s nicht kommen lassen.

Natürlich hatten die Damen sich viel zu erzählen, und so wurde fix der der Balkontisch gedeckt, damit wir bald damit anfangen konnten. Ich musste immer schon grienen, weil auf „meinem“ Platz eine kleine Gabenecke eingerichtet war: Ein hübsches Glas mit einer schönen Kerze drin (in transparenter Geschenkverpackung), Schokolade drumherum dra-
piert und eine selbstgebastelte CD lag auch noch dabei. Ich sagte aber noch nix und trug erstmal die leckersten Sachen aus der Küche zum Balkon. Als wir uns setzten, kramte ich dann mein Geschenk für V. raus: Ein paar schöne Kerzen (unverwechselbar aus dem-
selben Laden) und Schokolade. Ich hatte eigentlich auch noch eine CD brennen wollen, war aber nicht mehr richtig dazu gekommen, auch, weil ich nicht recht wusste, was sie zurzeit wohl gerne hören mag.

Da saßen wir dann mit unseren Spiegelgeschenken, lächelten und wunderten uns nicht mal richtig. Sie hat eben mehr Kerzen abbekommen, ich mehr Schokolade. Und weitere CDs gehen da demnächst bestimmt auch noch hin und her.

Erstmal ließ ich mir von V.s Neuseelandreise erzählen (und später wundervolle Fotos zeigen). Zusammenfassend kann man sagen, in Neuseeland gibt es: Bäume, Farben, Wasser, Berge, Bäume, Seehunde, Bäume, Delfine, Himmel, Farn, Bäume, schicke Häuser. Und Bäume, auch. Ich beneidete sie nicht besonders um die Hin- und Rückreise, aber umso heftiger um die dort gewonnenen Eindrücke. Irre!

Dann musste ich auch ein bisschen ausholen, um das vergangene Jahr zusammen zu fassen, da war ja schließlich ebenfalls ein bisschen was los! Später ging’s noch um Be-
stellungen, um die Frage, wieso den meisten Menschen das Meckern eigentlich leichter fällt als das Loben (obwohl ersteres doch viel unhöflicher ist), um „was man so machen soll, überhaupt“, um Herzrasen und Arbeit und Soweiterundsofort. Was Frauen eben so erzählen… Und das war auch echt mal wieder nötig! Als wir uns verabschiedeten, waren wir direkt schon für nächste Woche verabredet. – Nicht, dass das nachher wieder so lange dauert!

Und heute? Brummt’s. Die Stadt brummt.

An diesem Wochenende ist hier nämlich gerade so ein wichtiges Hell’s Angels-Treffen. Europa-Treffen oder so. Ich hör’ die hier jedenfalls immer wieder vorbei blubbern. Gestern fuhren drei norwegische Angels auf ihren Harleys an mir vorbei, die machten einen Krach, den würdest Du mir dreitausend Fahrrädern nicht hinkriegen! Und wenn die noch so klap-
pern und klingeln würden!

Sonst hört man aber nix weiter… Ich stelle mir sowieso vor, dass da auch ziemlich wenig gesprochen wird, bei diesen Treffen. Die müssen doch alle halb taub sein! Wenn alle ihre Maschinen ausmachen, ist es da bestimmt so still wie in der Kirche. Nur lustiger.

Dafür war heute Nacht Randale unter meinem Fenster. Ich nehme an, das waren ein paar begeisterte Portugiesen, davon gibt’s hier im Viertel nämlich so einige… Es können ei-
gentlich nur Portugiesen gewesen sein, denn das euphorische Gejohle wurde lediglich ab und zu unterbrochen von so typisch portugiesischen Rufen nach „Futebol!“ und „Hey! Hey! Champion!“. Und so war’s mir eigentlich auch lieber. Wenn nämlich die Türken gewonnen hätten, hätte ich den Krach noch näher dran gehabt. Aber so war der türkische Student, der direkt unter mir wohnt, natürlich ziemlich still…

17. Dezember

stern17Da auch Trithemius mir gleich ganz schön viele Fragen gestellt hat, fasse ich heute mal drei davon zusammen, denn das bietet sich geradezu an. Er möchte nämlich wissen:

„Bist du Schröder in Hannover schon begegnet?
Was ist mit der Albrecht-Bagage? Und geisterte
nicht auch Herr Dosenpfand in Hannover herum?“


Antwort:

Erstmal vorweg:

– Wer Schröder ist, weiß ja vielleicht noch der Eine oder die Andere.

Ernst Albrecht war mal Ministerpräsident von Niedersachsen, hat uns in dieser Zeit jede Menge Atommüll eingebrockt, und ist außerdem der Vater von reichlich Kindern, eins davon heißt übrigens Ursula von der Leyen und will Kinder als Alkoholkauf-Spione einset-
zen. Herr Albrecht war lange Ministerpräsident (14 Jahre), hat mich als Kind mit seinem berühmten Gutsherrengrinsen ziemlich angestrengt, und wurde dann damals von Gerhard Schröder abgelöst. Das nur zur Erklärung.

– Herr Dosenpfand kann ja nur Jürgen Trittin sein, der tatsächlich auch lange in Hannover herumgewerkelt hat. Allerdings hatte er hier noch eine Schuhbürste im Gesicht, die ich im Geiste immer noch jedes Mal hinzufüge, wenn ich sein Gesicht irgendwo abgebildet sehe.

Und, na klar, kenne ich die alle persönlich, Hannover ist ja eher klein. Nee, stimmt gar nicht, aber ich kann tatsächlich von allen sagen, dass ich sie schon mal live vor der Nase hatte. Allerdings ist dabei nie was Spektakuläres passiert, – schade eigentlich. In den 90ern habe ich nämlich ziemlich viel gekellnert. Das lag daran, dass ich damals mit einem Koch verbandelt war, der hat mich da mit reingezogen… Und irgendwie bin ich wohl öfter mal dahin geraten, wo „man“ eben hinging, wenn man Hüngerchen hatte. Kann ich ja nix für.

Es muss so 1994 gewesen sein, als ich in einem italienischen Restaurant beschäftigt war. Eines Mittags tauchte dort Gerhard Schröder, damals noch Ministerpräsident, mit ein paar Bodyguards auf und bestellte Spaghetti Bolognese. (Er war ja noch mit „Hillu“ Hiltrud verheiratet, und die ist Vegetarierin und weigerte sich, ihm zuhause Schnitzel und sowas zu braten.) Ich war ziemlich nervös und hatte Angst, ihm vielleicht aus Versehen die Nu-
deln in den Schoß zu kippen. Zum Glück war wenigstens der Laden nicht so voll. Herr Schröder war aber wider Erwarten ganz normal nett, geradezu sympathisch, ich beruhigte mich und er aß in Ruhe seine Nudeln.

Da wusste ich ja zum Glück noch nicht, dass er mal Kanzler werden würde, sonst wären die Nudeln vor Aufregung doch sonstwo gelandet. Und wenn ich da schon gewusst hätte, wie sehr er sich mal für „lupenreine“ Demokraten einsetzen würde, hätte ich womöglich sogar nachgeholfen. Nett hin oder her.

Herrn Trittin hingegen hatte ich ein paar Jahre zuvor als eher arrogant und herablassend empfunden. Das war die Zeit, als ich in der Markthalle einen ziemlich umfangreichen Delikatessenstand alleine schmeißen musste. Der Stand war ein Ableger eines französi-
schen Feinkostladens mit kleinem Restaurant. Samstags war immer die Hölle los, denn es kamen nicht nur mehr Kunden zum Einkaufen, sondern auch die Möchtegern-Haute vollée zum Champagner-und-Schnittchen-Umtrunk. Da war der Herr Dosenpfand öfter mal mit seiner Entourage dabei und wollte natürlich immer alles sofort und pronto. Sollten die Anderen doch ruhig warten, und ich war ja eh’ nur die Schnittchenmamsell.

Ungefähr zur selben Zeit tauchte dann auch die Albrecht-Familie mal im dazugehörigen Restaurant auf. Wir hatten sonntags dort ein kleines, aber feines Brunch-Buffet. Die Albrechts kamen, ich weiß es nicht mehr genau, nicht ganz vollzählig, trotzdem sind es richtig viele gewesen. Schließlich hatten wir ja auch noch ein paar andere Gäste. Buffet-
erfahren, wie die Albrechts waren, rasierten sie uns komplett, scheuchten uns getränke-
herbeikarrend durch die Gegend, aber vom typischen Albrecht-Lächeln war nix zu sehen. Eine knappe Dreiviertelstunde später war der Spuk vorbei, sie gingen so schnell, wie sie gekommen waren und ließen uns erschöpft zurück. Danach zitterten wir jeden Sonntag, ob sie vielleicht noch mal kämen.

Mir war der ganze normale Betrieb ohne Promis immer viel lieber, und ich hab’ mich über meine ganz normalen, aber netten Stammgäste viel mehr gefreut. Da fing der Chef auch nicht an, sich zu überschlagen, es gab keinen Grund zur Nervosität und mehr Trinkgeld gab’s meistens noch dazu…

 
So, lieber Jules, eine Deiner Fragen habe ich nun noch übrig; – die kommt dann wohl kurz vor Weihnachten dran. Mal gucken.

Bis dahin, erstmal pinkgefiederte Grüße,

von Theobromina

Wenn Metallsachen frech werden

Also, im Dunkeln gegen eine Leiter zu laufen ist nicht halb so lustig, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Ich werde das also wahrscheinlich nicht noch mal machen. Ich hatte gestern Abend eigentlich gedacht: hier drin kann mir ja nüscht passieren. Und hatte das eben vergessen, dass die da noch im Schlafzimmer stand. Aber jeder weiß ja, dass sich die meisten Unfälle im eigenen Haushalt ereignen. Da war ich wohl zu blauäugig.
Das passt jetzt schön zu meinem Schienbein.

Draußen hingegen bin ich mir der Gefahr bewusst. Wir haben hier nämlich schlimme Parasiten in unserer Gegend, die auf den Straßen und Bürgersteigen herummarodieren. Besonders in der Dämmerung muss man aufpassen, dass man nicht rüde von der Seite angefahren und frech um ’nen Euro angehauen wird. Wer sich dann weigert, muss in den Kindersitz und wird den Lindener Berg runtergerollt. Aber glücklicherweise ist Hilfe unter-
wegs. Beherzte Kerle fangen die schlimmen Randalisten ein und verbinden sie zu einer chain gang, die dann ordentlich eingegattert wird.

Einkaufswagenplage 

Johannes und Helmut, die Zwei. Mutige Männer.
Kann man gar nicht oft genug über’n Kopf streicheln, wenn man mal zufällig dran vorbei kommt.

Und da vorne links rum…

Vorgestern las ich unter der Überschrift „Auf zur letzten Fahrt“, dass eine etwas kuriose Sehenswürdigkeit Hannovers bald in Rente geht: Der einzigartige „Schrägfahrstuhl“* im Turm des neuen Rathauses stellt den Betrieb am 4. November ein.

Der Name „Neues Rathaus“ täuscht übrigens, es ist fast hundert Jahre alt. Aber wir haben eben noch eines, und das ist noch mal 500 Jahre älter. Zum Teil, wenigstens, meine ich.
Jedenfalls, der Fahrstuhl. Ich wohne nun schon 20 Jahre in Hannover, davor schon fast ge-
nau so lang bei Hannover, aber ich hatte es trotzdem nie geschafft, mal mit diesem Fahr-
stuhl zu fahren. Bis zum September dieses Jahres. Da ergab es sich mittenmal so. Man betritt also das Ding im dritten Stock, dann fährt er ein Stückchen nach oben, um dann tatsächlich der Wölbung der Rathauskuppel bis ganz oben zu folgen. Das ist ein ulkiges Gefühl, macht aber doll Spaß und im Dach der schiefen Kabine ist ein Fenster, und wenn man während der Fahrt da durchguckt, sieht man das:

 schacht

 (Die Wölbung der Schienenstrecke lässt sich hier leider nur erahnen. Selber ausprobieren ist schöner.)


Als ich nun las, dass es damit bald vorbei ist, dachte ich natürlich sofort: Mensch, toll, dass ich das neulich noch gemacht habe! Die Aussicht vom Rathausturm ist dann übri-
gens auch beeindruckend, denn man sieht die ganze Stadt von da oben, sogar, wenn man Höhenangst hat und dazu neigt, dann die Augen zuzukneifen. Und wenn es windig ist, wird’s natürlich ganz schön kalt. Wer aber in den nächsten Tagen hier in der Nähe ist, sollte das unbedingt noch mal schnell ausprobieren, bevor’s zu spät ist.

Im Frühjahr, las ich weiter, soll dann zum Glück ein neuer Fahrstuhl eingesetzt werden, der aber nach dem alten System funktionieren soll. Dennoch wird es ein Neuer sein. Also wird auch das Gefühl anders sein, denke ich.

Und wenn man schon mal da ist, kann man, wenn man ganz genau die wunderschöne Fassade betrachtet (liebe Emily, guck’ mal eben weg, bitte), erkennen, dass damals beim Bau des Rathauses wohl eine Vorform der beliebten Legosteine zum Einsatz gekommen sein muss.

Legorathaus

Vielleicht, dass die Unterkonstruktion…?

* Alle sagen hier so, auch wenn’s nicht korrekt ist.

Parallaxenverschiebung

Wenn man tollen Besuch hat, bringt das Vieles mit sich.

Wenn er die Stadt nicht kennt, lernt man sie zwangsläufig auch viel besser kennen und sieht alles mal mit ganz anderen Augen. Zum Beispiel war mir gar nicht klar, wie viel Wasser es in Hannover gibt, im Vergleich zu anderen Städten. Leine, Ihme, Maschsee, Ricklinger Teiche liegen sogar quasi vor der Theobrominen Tür!
O.K., das wusste ich vorher auch schon, aber ich fand’s wohl ganz selbstverständlich, sodass mir der Luxus gar nicht bewusst war. Ich hatte ganz schön zu tun, den Besuch von täglichen, ja fast stündlichen Besuchen des Maschsees abzuhalten. Dass Hannover die grünste Stadt in Deutschland ist, wusste ich hingegen und erzähle es auch immer schamlos in der Gegend herum. Das sieht man ja schon, wenn man hier nur aus dem Fenster guckt!

Lieber Besuch verteilt seine Tabakkrümel großflächig ( sogar im Scanner!), bringt einen aber auch dazu, Dinge zu begucken, die man „schon eigentlich immer mal“ begucken wollte, aber „läuft ja nicht weg“ bzw. „kann man ja immer“. Man wird also plötzlich selber Tourist und findet schöne Wege, die man vorher nicht kannte. Vor allem, wenn man (wie ich) gern auf bewährten Pfaden kreist und feste Ein- und Ausflugschneisen hat. Eigentlich zeigt man sich ja gegenseitig die Stadt. Man legt Vorbehalte ab, besucht sogar mal wieder andere Stadtteile und entdeckt manches. Zum Glück auch, dass man doch noch einzwei Sachen aus dem Grundschulunterricht in Erinnerung hat, die vielleicht die Altstadt oder bestimmte Namensgebungen betreffen. Und es fallen einem wieder Begebenheiten und kleine Geschichten ein, die man eigentlich längst vergessen haben wollte, und die eher Kneipen oder bestimmte Plätze betreffen (zum Beispiel, wo man sich vor Jahren mal mit ziemlichem Brausekopp lustig verlaufen hat und so).

Und man kann endlich mal wieder in Cafés lümmeln, in denen man sich vielleicht früher mal die Hacken schief gelaufen hat, anregende Gespräche führen und doofe Kalauer reißen. Abends kann man die Küche in Schutt und Asche legen und dazu lokale Biersorten trinken. Herrlich ist das!

Nur zum Bloggen kommt man irgendwie nicht…

HA!

Vor ein paar Jahren musste ich mal ein paar Monate in einer Firma arbeiten, die ich sehr bald nur noch „Die Kackbude“ nannte. Mir wurde der Arbeitsvertrag geradezu aufgenötigt, obwohl ich sogar extra mit zerknüllter Bluse und gelangweiltem Gesicht zum Vorstel- lungsgespräch erschienen war, bei dem ich dem Chef auch noch ständig ins Wort fiel und ihm widersprach, wo ich konnte. Das schien ihm entweder zu imponieren, oder gar nicht erst aufzufallen. Er wollte mich unbedingt als Marketingtante einstellen, obwohl ich ihm bestimmt fünfmal gesagt hatte, dass ich von Marketing so viel verstehe wie meinetwegen ein Konditor vom Trampolinspringen.

Die Firma, für deren Marketinggeschicke ich nun zuständig war, vertrieb Software für Kon- strukteure und Architekten. Im Grunde waren das alles Vertreter. Man sagt ja, dass das schon irgendwie eine Gruppe für sich ist, mit ganz eigenen Regeln. Nachdem ich heraus fand, dass offensichtlich niemand genau wusste, was eine Marketingfrau eigentlich so zu tun hat, machte ich einfach, was mir so einfiel, oder was man mir hinlegte.

Der Chef hieß B. und begann jeden Ausspruch mit der Einleitung: „Ich sach’ mal, halt, was könn’wir tun, was könn’wir machen, das ist dann halt die Sache, halt…“  Das machte mich ganz irre, und ich musste bald sehr aufpassen, ihm nicht aus Daffke genauso zu antworten.

Alles, was nicht so anfing, wurde gebrüllt. Und wie! Herr B. genoss es sichtlich, eine At- mosphäre von Angst und Schrecken zu verbreiten. Alle Kollegen sahen immer so aus, als wollten sie lieber zum Schutz unter den Tisch kriechen. Nur ich wieder nicht. Ich blieb ganz unbeeindruckt und antwortete jedes Mal in gut gelauntem Plauderton. Einmal mach- te ihn das so rasend, dass er tatsächlich anbot, mir den Hals umdrehen zu wollen. Ich lehnte das aber genauso ruhig ab wie alles andere. „Ach nein danke, Herr B. , ich hab’ ja auch zu tun.“ Hinterher wollte er das als „Scherz“ gemeint haben. Deswegen also hatte ich so lachen müssen.

Die Kollegin, mit der ich in ein Büro gesetzt wurde, war 22, hatte unterm Bauchnabel so eine Tätowierung, die man wohl normalerweise auf der anderen Seite hat, wo sie dann „Geweih“ heißt. Der Rest von ihr sah wie etwas, dass man erst aus einem rosa Karton pellen muss. Und im Nebenkarton wohnt Ken. Trotzdem verstanden wir uns gut, denn der Rest der Belegschaft war männlich und nicht zum Aushalten.

Ich will sie nicht alle beschreiben, aber in einem Büro saßen z.B. ein Zweitmeterzehn- Mann und ein Terrier von höchstens 1,60 m zusammen, die nebeneinander einfach zum Schießen aussahen. Der Eine bog sich über seinen Schreibtisch wie ein Geier, während der Andere kaum über die Tischkante gucken konnte. Aus der offen stehenden Tür ihres Büros hörte ich immer wieder ein Geräusch wie von einem Nagelknipser, so etwa alle halbe Stunde.

Später fand ich heraus, dass der Geier sich nicht etwa in Zeitlupe die Nägel schnitt, son- dern so ein schickes Knipsfeuerzeug hatte, mit dessen Hilfe er den Terrier mit Zigaretten- rauch einnebelte. Bestimmt, um dessen doofes Gesicht nicht sehen zu müssen. Leider musste er ihn trotzdem weiterhin hören und darum beneidete ich ihn auch nicht gerade. Der Terrier war nämlich nie für irgendwas zuständig oder verantwortlich und sprach in „Wir“-Sätzen, wenn er „Du“ meinte. Zudem kam er aus Sachsen, was man deutlich hören konnte: „Ham wiör dännschö die CäDähs geprannd?“ Und er war ordentlich scharf auf die Barbie-Sekretärin, erklärte ihr ständig die Welt und merkte nicht, dass sie davon völlig unbeeindruckt blieb.

Eines Tages bekamen wir neues Geschäftspapier. Für Hannover und für Hamburg. Damit da keine Verwechslungen aufträten, sollten die Kartons beschriftet werden. Die Beschrif- tung nahm der Chef persönlich vor, mit dickem Filzschreiber. Ein Stapel Kartons wurde mit „H“ beschriftet, ein Stapel mit „HA“. Ich wollte dazu lieber ausnahmsweise nichts sagen. Wir mussten dann jedes Mal überlegen, welche der Kartons nun für welche Stadt waren, bis die „H“-Kartons endlich nach Hamburg gebracht wurden. Übrig blieben dann im Flur der hannöverschen Niederlassung diese Kartons, die sich offensichtlich genauso über die Verhältnisse dort amüsierten wie ich…

lustige_kartons