…und gebadet sei dein Körper!

(Erstveröffentlichung: 16. Mai 2007)

Heute innerlich sowas wie ein stillvergnügtes Jubiläum gefeiert.
Der Umbau ist nun ein Jahr her. Und das kam so:

Als ich hier vor gut sechs Jahren einzog, war die Wohnsituation sagenwirmal studentisch. Das Klo war auf halber Treppe (1/4 qm) und musste auch noch mit dem doofen Nachbarn geteilt werden. Die Dusche stand in der Küche, daneben ein Waschbecken. Das versetzte mich in die angenehme Lage, mich beim Duschen unterhalten zu können, falls zufällig jemand in der Küche war, der dort schon mal seinen Morgenkaffee genoss (kam netter- weise ab + zu vor).

Besucher fanden das grenzwertig, aber für mich war das alles ganz o.k.; was ich mir ersehnte, war eine Badewanne. Ich stellte Überlegungen an, mir ein Planschbecken in die Küche zu stellen, um dem wenigstens nahe zu kommen. Aber dann schreckte mich die Vorstellung, das Badewasser ja auch wieder entsorgen zu müssen, nachdem ich mich, von lauten Quietschgeräuschen begleitet, in der 20 cm tiefen Pfütze geaalt hätte. Das löste keine Euphorie aus. Freund M. erzählte mir, seine Großmutter habe früher mal eine legendäre Faltbadewanne unter der Spüle gehabt, von wo man sie bei Bedarf herauszie- hen konnte. Leider ist der Faltbadewannenmarkt seither eingeschlafen.

Dann wechselte der Hausbesitzer und der Neue war Installateurmeister. Das hieß, immer wenn eine Wohnung leer stand, sanierte er sie und baute Badezimmer ein. Irgendwann schlug ich vor, er solle nicht warten, bis ich auszöge, sondern den Patienten quasi ohne Narkose operieren. Er überlegte ein Weilchen, dann stimmte er zu.

Er schätzte, der Umbau würde so zwei Wochen dauern. Ich legte im Geiste noch eine drauf und fing das Umräumen an, denn schließlich sollte die Küche das neue Bad werden, das Schlafzimmer die neue Küche, das Arbeitszimmer musste mit ins Wohnzimmer gestopft werden, damit ich zukünftig in der Arbeitskemenate schlafen konnte.

An einem Montag ging es los: Die Jungs kamen.

Als erstes wurden die alten Einbauten rausgerockt. Der Geselle trat unter Riesengeklöter meinen Waschtisch zusammen und erklärte seinem Azubi dabei : „Kuck! Eima anne Seite reintreten, dann issi Brause gelutscht!“ Sie stöpseln natürlich ihr mitgebrachtes Radio ein und drehten da einen ganz fiesen Sender rein. Ich saß derweil im Wohnzimmer in der neuen Arbeitecke am Rechner und versuchte, zu arbeiten. Der Azubi übertönte das Ganze mit Heldengeschichten, die er sich am Wochenende ausgedacht hatte: Wie viel er imstande gewesen war zu trinken („Aaaaaal-ther!!!“), was er an seinem Mokick alles so an- und abzuschrauben gedenke und wem er dann mal beim nächsten Piep so richtig aufs Fressbrett hauen wolle.

An Arbeit war nicht mehr zu denken. Ich saß nur da und amüsierte mich.

Wenn die Jungs abends wieder weg waren, legte ich los: Tapeten runterschaben, Küchen- schrank abschleifen, Kartons rumschieben. Überhaupt musste ich ständig alles herum räumen. Ich kam mir vor wie in einer Großversion dieses Geduldsspiels, in dem man kleine Vierecke in einem Rahmen herum schiebt, bis das Bild wieder zusammengesetzt ist. Zum Feierabend gab’s Leckeres aus der Campingküche und die Erkenntnis: Mikro- wellenessen schmeckt wie, na ja, Mikrowellenessen.

Außerdem hatte ich nur noch kaltes Wasser, das quasi direkt aus den Wand kam, aber dafür keinen Abfluss, was hieß, dass ich mit Schüsseln und Eimern hantieren musste, die dann auf dem Treppenhausklo ausgekippt werden mussten. Spätabends kippte ich jedes Mal total fertig zwischen die Kartons und traf fast immer das Bett. Morgens um halb sechse wieder hoch, Campingkatzenwäsche (wat sindn Campingkatzen? Sindi mit Anhänger?), ab vor’n Rechner.

Um sieben spätestens kamen die Jungs. Mit ihren dicken Schuhen bollerten sie profes- sionell durch die Hütte, rissen Bodendielen raus, ramenterten Schutt durche Gegend, klöterten mit Rohren herum, marodierten durch Treppenhaus und knallten alle 5 Minuten meine Wohnungstür ins Schloß.

Das lernen die heute alles auf der Berufsschule.

Irgendwann, es war so nach vier Wochen war auch mal plötzliche Stille. Dann leises Gemurmel, ab und an hörte ich mal: „Scheißescheißescheiße!!!“
Ich schaute aus der Tür: „Alles o.k. bei Euch?“
„Jaja, Frau G., alles in Ordnung!“
Was „Jaja“ heißt weiß ja nun jeder, aber sei’s drum.
Wahrscheinlich so ein Fall von: Nach fest kommt lose.

Und als ich dachte: schlimmer kann es ja nicht werden, kam der Elektriker und stemmte u.A. meine von mir frisch verputzte Wand wieder auf und saute mir nebenbei meine ganze Bude total ein. Als der Hausbesitzer das sah, gab’s Mecker nicht zu knapp und der Elek- triker wurde verdonnert, die Schweinerei (fiesen roten Staub) gefälligst wieder zu beseitigen. Also schnappte er sich meinen Schrubber und beste damit los. Also ein echter Profi. Mannmann, der kannte sich aus. Respektrespekt. Der wusste, wie man’s macht. So sah’s hier dann auch aus, als er „fertig“ war. Den Staub hole ich heute noch aus den Ecken.

Nach fünf Wochen kam der Fliesenleger und zum Feierabend bekam ich mein eigenes Klo. Ich durfte es aber noch nicht gleich ausprobieren, weil der Boden frisch gefliest war. Erst sollte ich einige Stunden warten. An diesem Abend ging ich aus und trank mehrere Biere. Als ich nachts um 3 nach Hause kam, setzte ich mich zum ersten Mal gaaanz vorsichtig auf die Schüssel. Und war selig. Ich saß im Zappendustern, müde und betrun- ken, und war begeistert. Mein Klo! Nagelneu. Da war noch keiner drauf… – War aber auch ein komisches Gefühl, vorher hatte da der Herd gestanden.

Aber was war mit der Badewanne? Das heiß ersehnte Teil war eine Diva. Sie ließ sich richtig Zeit. Die erste Ausführung fiel vom LKW. Neenee, nicht so. Sie war kaputt. Ange- titscht. Ecke ab. Die Neue musste erst bestellt werden. Meine Nerven waren am Ende. Aber nach sieben Wochen war es soweit: Die Wanne war eingebaut! Ich hatte mir extra einen tollen Badezusatz gekauft, um wie eine Königin in die Wasser zu steigen.

Und was soll ich sagen: Es-war-himm-lisch! Bombe. Das Größte. Besser als Schokolade. Und viel besser als Planschbecken. Ich war verliebt.

Bin ich noch. Badewasser läuft.

„Sie will ein Fisch im Wasser sein, im flaschengrünen, tiefen See… Sie will mit Wasser sich besaufen und paar Blasen blubbern lassen…“

Wie ich 1 Tag vor Weihnachten doch nicht in die Luft geflogen bin.

Und das kam so:

Ich fand schon etwas länger, dass es in meiner Küche leicht (sagen wir: zierlich) nach Gas roch, aber in den letzten Tagen vor Weihnachten wurde der Geruch merklich stärker, da roch man’s mitunter schon, wenn man zur Wohnungstür reinkam. Also habe ich immer ordentlich gelüftet und mal meinen Vermieter bzw. das Büro seiner Firma angerufen.

Glücklicherweise ist es nun so, dass diese Firma eine Installationsfirma ist, und sich der Vermieter den ganzen Tag mit Wasser, Abwasser, Leitungen, Thermen, Rohren und Zeug beschäftigt. Und natürlich auch mit Gas. Unglücklicherweise war die gesamte Firma aller- dings schon komplett im Weihnachtsurlaub und es lief nur der AB. Also murmelte ich da was drauf, dass bei mir in der Küche mal schwächer, mal deutlicher Gas zu riechen sei, und dass ich nun nicht wüsste, ob das vielleicht doch was Dringendes wär‘ und ob da mal jemand zurückrufen könnte, dann am 5. Januar… Am privaten Anschluss lief auch nur so eine Box, also ging ich davon aus, dass man sich wohl schon im Skiurlaub befindet und legte auf. Man will ja auch so kurz vor’m Fest nicht mit eventuellen Bagatellen nerven.

Und weil ich ja viel fernsehe, und Fernsehen bildet, habe ich morgens, wenn ich in die Küche kam, erstmal ordentlich Durchzug veranstaltet, bevor ich den Lichtschalter ange- knipst habe. Nur zur Sicherheit.

Einen Tag vor Heiligabend rief der Vermieter plötzlich doch noch zurück, weil er zufällig im Büro gewesen war und mehr so der neugierige Typ ist, was blinkende Anrufbeantworter angeht. Gegen Abend wolle er dann doch mal vorbei schauen, er wäre ja ohnehin in der Gegend… Und ich backte noch seelenruhig Kekse und ärgerte mich hinterher noch ein bisschen darüber, weil es jetzt natürlich mehr nach Keksen als nach Gas roch, und das ist ja nun wirklich kein Notfall.

Als der Herr dann kam, holte er so ein Kästchen mit Rüssel raus, und kaum, dass das aktiviert war, fing es immer wilder zu piepsen an und erzeugte schließlich bald einen durchdringenden Dauerton. Mein Vermieter, sonst die Lässigkeit in Person, wirkte plötz- lich doch unruhig. Vielleicht kam mir das aber auch nur so vor, weil er rief: „Frau G., das ist ja total gefährlich hier! Sie hätten ja in die Luft fliegen können!!! Machense mal sofort die Fenster auf! Da ist was undicht! Mensch!!!“ Dabei räumte er meine Kochbücher von der Fensterbank und zerrte gleichzeitig am Fenstergriff herum.

Und ich wurde in dem Moment wohl auch ein bisschen nervös, denn ich rief: „Ogottogott! Hörnse auf, Herr H., das ist ja schrecklich! Ich weine gleich!“ und hob schnell meine Zi- tronengeranie vom Fenster weg.

Zum Glück kamen wir mit Hilfe hochgezüchteter Technik (Seifenschaum auf verdächtige Stelle, und dann gucken, ob da Blasen kommen) schnell dahinter, dass die Dichtung des Schlauchs von meinem Gasherd aus unerfindlichen Gründen porös ist. („Sowas darf aber nicht sein, dass die undicht sind… Den schicke ich mal ein!“) Kurzerhand wurde der Hahn abgedreht und das Piepsgerät konnte sich und uns langsam beruhigen. Pause. Dann schaute der Vermieter mich an und meinte: „So, da kommt jetzt nix mehr raus… Alles dicht. Hm. Naja. Sie wollen Weihnachten ja bestimmt was kochen, oder?“ Ich sah uns schon bei Knäckebrot sitzen. „Schon, eigentlich.“ – „Dann fahre ich jetzt noch mal in die Werkstatt und hole ihnen einen neuen Schlauch. Den schenk’ ich ihnen zu Weihnachten!“

Ich hätte ja nie gedacht, dass ich mich über einen Gasschlauch mal so freuen würde, ehrlich gesagt.

Zum Abschied kriegte der gute Mann noch ein Tütchen leckerer Kekse auf die Faust und man wünschte sich noch frohe Festtage und das Übliche und vorbei war der Spuk. Und mir kamen in der entstehenden Stille langsam die Bilder einer schrecklichen Explosion in den Sinn, die mich und meinen Liebsten am Heiligabend vom Sofa katapultiert und Löcher gemacht hätte, wo man nicht gerne Löcher hat.

– In der 3. Etage zum Beispiel. Jungejunge.

Deswegen werd’ ich dann heute wohl bei jedem Knall daran denken, dass der zum Glück nicht aus meiner Küche kommt, wo wir nachher hoffentlich gemütlich beim Raclette sitzen werden. Und es riecht höchstens mal nach angebräuntem Käse…

Und was ich noch sagen will: Ich wünsch’ Euch Allen hiermit einen ganz tollen Rutsch und dann ein ganz besonders 2009iges Jahr 2009 mit allem Zipp und Zapp und was eben noch so dazu gehört!!! – Feiert mal schön, gell?

Liebe Grüße von Eurer Theo.

Sie tut’s schon wieder…

Eigentlich wollte ich das nicht mehr. Ich hatte es mir einigermaßen fest vorgenommen. Und ich war auch fast zwei Monate eisernen Willens! Hab’ einen Bogen drum gemacht, mich doof gestellt, wenn ich irgendwo die Utensilien dazu sah, und taub, wenn sie mich leise zu rufen schienen… Ich war stark. Ich habe widerstanden.

Bis gestern. Da bin ich doch wieder schwach geworden:
Ja, ich renoviere wieder!
Jetzt wisst Ihr’s!

Die neue Wohnung meiner deutsch/japanischen Freunde hat noch immer unlackierte Tü-
ren und Türrahmen, die Decke in Wohn- und Schlafzimmer muss dringend auch noch mal… – Nein, das sind keine Ausreden! In spätestens vier Wochen kommt doch das neue Baby, der Kindsvater arbeitet sich in seiner Werkstatt krumm, um dort noch alles fertig zu kriegen und die Mutter der werdenden Mutter kommt schon nächste Woche extra aus Japan angeflogen, da soll doch alles bereitet sein.

Das müsst Ihr doch verstehen! Und so’n Heißluftfön in der einen und ein Spachtel in der anderen Hand, dazu der Geruch von altem, zähem Lack…

Ich höre auch nächste Woche ganz bestimmt auf! Doch, doch.

Wie war noch mal der Name?

TapeteHeute und morgen hab’ ich mal renovierfrei, zum Glück. Hier paaren sich nämlich auch schon die Wollmäuse in den Ecken, – dabei wollte ich mich eigentlich doch mal von dem Staub erholen… Sei’s drum! Im Vergleich zur Tapetenvorhölle ist das hier ein OP.

Außerdem weiß ich vor lauter Baustelle bald bestimmt nicht mehr, wie ich eigentlich heiße. Im Moment wird das gerade noch verhindert von der zweijährigen M.N., die da ja auch rumläuft. Und zwar immer hinter mir her. Dabei ruft sie fast ununterbrochen meinen Namen: „D….! D….! D….! D….! D….! D….!!!“ Wahrscheinlich, weil es in den leeren Räumen so schön hallt.

Es ist wirklich unheimlich viel Arbeit. Aber ganz neben-
bei habe ich in den letzten Tagen herausgefunden, dass meine Gummihandschuhe, wohl, weil sie eine Nummer zu klein sind, ein lustiges Geräusch machen, wenn ich eine Faust balle. Dieses hübsche Geräusch wurde nach einer spontanen Kurzabstimmung in der Teepause „Kin-
derpups“ getauft.

Genau dasselbe hätte ich vorgestern gern mit dem Elek-
triker gemacht, der mittags da war. Ich dachte immer, Elektriker zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass in ihrer Nähe ein unheimlicher Dreck entsteht (das muss so ein altes Elektrikerritual sein, das vor allem mit Putzfräsen gefeiert wird). Dieser aber kam, meckerte erstmal richtig los und schritt dann die Bude ab wie ein Großgrundbesitzer. Es passte ihm nämlich nicht, dass der Schlimme-Sprüche-Typ überall schon neue elektrische Leitungen unter den Putz gelegt hat. Den Auftrag hätte der elektrische Großtön sicher gern selbst gehabt. Jetzt soll er nur noch alles in Betrieb nehmen und den Sicherungskasten…, na ja, eben irgendwie sichern. Mit Elektrik kenne ich mich nicht aus. Ich kann ja nun auch nicht alles wissen.

Jedenfalls polterte der Mann so los, dass Freundin M. und die Lütte richtig Angst beka-
men. Also, ich sollte mit meinen Kunden vielleicht ab demnächst auch so reden, dann gehorchen sie bestimmt gleich viel besser! Und wenn nicht, nehme ich sie eben zusätz-
lich noch ordentlich in den Schwitzkasten!

Jedenfalls hatte der Mann Glück, dass ich da nicht die Hausherrin bin, sonst hätte ich ihm erstmal anständige Manieren abverlangt und dann einen netteren Kollegen herbestellt. So blieb mir nur, die kleine und die etwas größere Freundin beruhigend zu drücken, während Freund A. geduldig Punkt für Punkt mit dem Mann durchging. Bewunderungswürdig. Die Nerven hätt’ ich nicht gehabt…

Und schließlich, gestern Abend, da stand ich so da, guckte dösig auf die vielen leeren und halbvollen Farbeimer, und mir fiel plötzlich auf, dass da überall „Jumbopack“ drauf steht. – Ich dachte bisher ja immer, das wären diese pubertierenden Baldgroßflugzeuge, die hier im Viertel immer an den Häuserecken rumlungern…

Schichtdienst

Boh, Leute… Ich renovier‘ und renovier‘ und renovier‘! Abends, wenn ich nach Hause komme, brauch‘ ich nicht mal mehr was zu Essen, weil ich wieder pfundweise Staub geschluckt habe. Naja, ist auch sättigend, aber immerhin kalorienarm. Wenn ich das richtig überblicke, geht das noch ca. zwei Wochen so weiter, bis die kleine Freundes-
Familie da endlich einziehen kann. Es tauchte nämlich bisher fast jeden Tag eine neue Überraschung auf.

Ein schönes Beispiel dafür sind die Türrahmen: oberste Schicht Binderfarbe, darunter teil-
weise Tapete(?!), darunter auch schomma ’ne Schicht Lack, dann Klebefolie in dunklem Holzdekor, die sich nach Jahrzehnten des dort Gemütlichmachens nur sehr ungern lösen möchte und außerdem einen fiesen Klebefilm hinterlässt, darunter zwei Schichten (wei-
ßen und cremefarbenen) Lack, – und darunter schließlich: Dunkles Holz!

Also, ich hab‘ ja nun auch schon einiges gesehen, aber: Au Mann!

Heute Morgen…

…gings eigentlich. Ich hab’ mir jedenfalls diesmal beim Aufstehen keins von diesen Trian-
geldingern gewünscht, die im Krankenhaus gern mal über den Betten angebracht sind, – zum Hochziehen. Zum Renovieren geh’ ich auch nur noch bis mittags, danach bereite ich mich und meine Wohnung innerlich auf den Besuch von Freundin S. vor. Wir wollen heute Abend lecker essen, Getränketrinken, uns über Frau Klum aufregen und dann bis in die Puppen ratschen und so. Das ist schon lange mal dran, und ich freu’ mich da auch richtig drauf. Mit ein bisschen Glück macht Freundin M. auch noch mit, dann werden wir hier ordentlich rumhühnern.

Vorgestern war ich übrigens sehr traurig, dass ich kein Foto von M. machen konnte (Ka-
mera wieder nicht dabei): Als ich zu ihr rüber guckte, stand sie nämlich auf der untersten Stufe der Leiter und kratzte weit vorgebeugt mit einem Spachtel an der Fußleiste herum! Immerhin hatte sie sich dafür die niedrigste Leiter genommen… Aber ich würde sagen, auch die liebe M. braucht langsam jetzt mal ’ne Pause.

Renovier, renovier, renovier, renovier, renovier, renovier, renovier…

Eigentlich isses ein kleines Wunder, dass meine beiden Zeigefinger noch kräftig genug sind, die Tasten runterzudrücken. Ich hab’ nämlich Muskelkater so ziemlich überall. Ich glaube sogar, außerhalb meines Körpers.

Und die Arbeit geht nicht alle. Gestern stand ich z.B. 9 Stunden auf einer Leiter, die mir morgens noch 14m hoch vorkam, mittags fühlte sie sich dann schon wie ein natürlicher Teil meines Beinapparats an. Hatte ich schon geschrieben, dass die Baustelle verflixt kalt ist? Bald bin ich so dick angezogen, dass ich mich nur noch millimeterweise bewegen kann. Trotzdem frier’ ich wie eine arme Näherin… Gestern habe ich eine Gewerkschaft gegründet, die nur aus mir selber besteht, und die Hausherrin genötigt, einen Wasserko-
cher aufzustellen, damit ich mir das warme Wasser in die Hosentaschen schüt mal einen Tee kochen kann. Ich hab’ einfach gesagt, wenn sie das nicht endlich macht, fahren die Züge nicht mehr! Das wirkt ja immer.

Der „Schlimme-Sprüche-Mann“ hat mich auch gestern wieder mit allerlei duften Bonmots erfreut. Eigentlich schade, dass ich nicht einfach über psychosomatische Temporärtaub-
heit
verfügen kann. Also muss ich mir doch anhören, dass „die Wikinger in der Regel rote Bärte haben“ und dass man nach einem Arbeitsunfall „als allererstes die Hände aus den Taschen nehmen soll, bevor der Rettungswagen kommt. Sonst isses kein Arbeitsunfall! Hähähä!!!“ Inzwischen bin ich zu entkräftet, um mich zu wehren…

Und dann sitz’ ich hier, versuche, meine restlichen Kräfte zu sammeln, dieweil ich die „Frühschicht“ auf Radio Unerhört Marburg höre. Und watt machtadie HikE? Gerade neulich bedank’ ich mich noch, dass sie nix über J. Rush geschrieben hat, da spielt die die olle Knödelfrau volle Pulle in der Sendung, dass mir hier der Kartoffelteig nur so ausse Boxen quillt! Na wachte! Wo ich doch im Moment zu schwach bin, den kleinen Lautstärkenupsie auf „leise“ zu drehen…

Oben, unten und dazwischen

Das war vielleicht ’ne Woche! Da war wirklich alles dabei, was ein Stimmungsbauchladen so anzubieten hätte, wenn es sowas Unheimliches denn gäbe… Hier hängen noch viele Sätze in der Luft. Aber auch, wenn Zwei dann schweigen, finden sie manchmal zu was, das ohnehin nicht gut in Worten gesagt werden kann.

Nachdem ich nun gestern auf dem Bahnhof den Abschied von meinem liebsten Besucher wieder mal tapfer überstanden hatte, bin ich gleich zu meinem nächsten Einsatz gehas-
tet: Freunde M. und A. mit der lütten M.N. ziehen ja in zwei Wochen um und brauchen dringend Hilfe beim Renovieren ihrer neuen Wohnung. Wie dringend, sah ich, als ich dort ankam. Ich kann ein bisschen praktisches Tun im Moment ganz gut gebrauchen, aber: Jungejunge, da steckt noch Arbeit drin! Oder, wie ich neulich aus dem Fernseher lernte: „Das wird kein Kinderschlecken!“ Die kleine M.N. würde es wahrscheinlich auch nur kurz-
fristig dulden, von ihren Eltern abgeschleckt zu werden, dann gäb’s sicher irgendwann Gemaule.

Die Renoviererei hingegen wird sich lohnen, denn die Wohnung ist groß und toll, in einer hübschen Gegend und der Vormieter hat 53 Jahre drin gewohnt. Leider ist sie nicht im Haus meinem gegenüber, so wie die alte, aber ich durfte ja auch wieder mal nicht mit-
reden…

Aber Tapetenabkratzen darf ich! Komischerweise ist das ja eine „Frauenarbeit“. Ich habe selten Männer bei dieser interessanten, lehrreichen Tätigkeit beobachten können, dabei habe ich schon ganze Paläste renoviert (wenn man’s mal zusammenzählt). Das Interes-
sante ist mitunter, welche hübschen oder grässlichen Tapetenmuster aus vergangenen Zeitschichten frei gekratzt werden können. Das Lehrreiche fällt mir jetzt gerade nicht ein. Der Vormieter hat jedenfalls einen beträchtlichen Teil der 53 Jahre mit dem Übereinander-
kleben von langweiligen Tapeten und dem wahllosen Verlegen von elektrischen Leitungen zugebracht. Aber als kleine Überraschung hat er immerhin schöne Stuckdecken hinter einer Deckenabhängung aus Hartschaumplatten versteckt.

Jedenfalls arbeitet dort auch ein Herr mit, der irgendwie zur Familie gehört und den gan-
zen Tag nix wie Unsinn redet. Das meiste versteht man zum Glück sowieso nicht, weil er wie ein Zahnloser spricht, aber wenn man doch mal was versteht, ist es eigentlich immer dümmlich-zotig. Gestern erklärte er mir beispielsweise, der Vorteil daran, ein Kleinkind zu sein, sei der, dass man allen Frauen einfach an den Busen fassen dürfe. Nu joh, ich hab’ da jetzt ohnehin kein großes Verlangen in dieser Richtung, aber ich bin eigentlich auch ansonsten ganz froh, nicht mehr unter 1m Körpergröße zu sein. Ich käme ja sonst kaum an meinen eigenen Busen dran.

Das restliche Gefasel von dem Mann habe ich dann einfach mit lauten Spachtelschabe-
geräuschen zugedeckt. Überraschend, dass ich dieses metallische Gekratze manchmal doch ganz gern höre… Zum Glück kam später Freundin M. dazu und wir konnten uns z.B. darüber unterhalten, wie das wohl kommt, dass Männer bei einer einfachen Tätigkeit wie dem Zähneputzen oft den ganzen Badezimmerspiegel einsauen. Muss eine besondere Technik sein. (Übrigens hat sie damit angefangen, nicht ich.) Die dürfen das aber gern, wenn sie ansonsten lieb sind. Man möchte ihnen gutmütig durchs Haar wuscheln und sagen: „Du bist mir vielleicht einer…!“ M. könnte es sogar auf Japanisch sagen. Sie könn-
te dann aber auch ganz was anderes sagen, A. würde es wahrscheinlich ohnehin nicht merken.

Heute ist übrigens renovierungsfrei, damit die neuen Nachbarn nicht schon vor dem Ein-
zug durchdrehen und sich vornehmen, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zurück zu krachen und meinetwegen nachts um drei im Wohnzimmer den Laubsauger anwerfen oder so. Morgen geht’s dann weiter mit Putzen und Streichen. Und leider wohl auch mit den Zoten. Nehm‘ ich halt den breiteren Spachtel.

Handwerkerinnenbrief

Hab‘ vor ein paar Tagen Post bekommen. Und zwar einen Werkzeugkoffer!

Kofferbrief1

„Irre!“, hab’ ich gedacht, „was die heute alles können: Werkzeugkoffer in Briefumschläge tun!“ Und das war auch wirklich und tatsächlich so… Aber das hab’ ich erst gesehen, als ich den Umschlag umgedreht hatte:

Kofferbrief2

Na, jetzt war ich natürlich aufgeregt. „Bitte schön!“ stand da, und dass ich auch noch einen Geldkoffer haben kann, wenn ich will. Und ich dachte: „Danke schön!, aber Geld kann ich doch gar nicht richtig gebrauchen, – lieber will ich werkeln!“

Ich hab’ zwar schon einen Werkzeugkoffer, noch aus den Jahren in der Werkstatt, aber da sind längst keine 100 Teile drin und manche der Schraubenzieher sind inzwischen auch schon ein bisschen abgenüdelt, weil die hier nämlich ziemlich oft zum Nüdeln kommen. Der Hammer sieht ja noch ganz gut aus, aber auch die Zangen haben alle schon so ihre Schmisse, weil ich da ständig Sachen mit zerknipse, die vielleicht nicht zerknipst werden sollten.

Außerdem fliegen in meinem alten Koffer fast nur noch olle Dübel und Drahtenden rum. Denn was sich nicht dübeln lässt, das kann man ja erstmal mit Draht verzwirbeln. Und an die Enden der Drähte kann man lustige Weibersachen dran hängen. So rosa Puschelfe-
derchenbommelteddyengel-Sachen. Und die Kutte. Das geht bei Dübeln schomma nicht. Und sowieso wollte ich schon immer das kleinste Werkzeug der Welt haben, um zum Beispiel in meiner Puppenstube mal eine Deckenlampe anzubringen oder den winzigen Toaster endlich zu reparieren. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich aber zugeben, dass ich gar keine Puppenstube habe. Aber: wenn!

Jedenfalls, als ich den Koffer endlich aus dem Brief gefummelt hatte und ihn öffnete, musste ich feststellen, dass mir jemand zuvor gekommen war. Und, um mich zu verkoh-
len, einen Zettel hineingelegt hatte. Aber dem glaube ich keinen Buchstaben.

Kofferbrief3

Nie! Und! Nimmer! …sind das 100 Teile!

Komme schon!

Heute hatte ich hier eigentlich Einiges zu tun…

Stattdessen saß ich am Rechner und zuckte immer wieder zusammen. Das liegt nur daran, dass ich oben an der Wohnungstür keine Klingel hab’. Also, doch, ich hab’ schon ’ne Klingel, bloß klingelt die nicht. Auch nicht, wenn man drauf drückt.

Den Klingeldraht hat meine frühere Hausbesitzerin mal durchgeknipst, weil mein Vormie-
ter sich beschwert hatte, dass es aus dem Klingelkasten immerzu summte. Nun hatte die gute Frau den Herrn sowieso gefressen, seit er mal versucht hatte, eine ziemliche Menge benutzter Katzenstreu über den Abfluss der Spüle zu entsorgen. Das hatte zur Folge, dass einige Rohre nicht nur verstopften, sondern richtiggehend zubetoniert waren und mehrere Wände aufgestemmt werden mussten, um da Abhilfe zu schaffen und anschlie-
ßend wieder neues Geröhr reinzuverlegen. Trotzdem war ihm das gar nicht peinlich und er beschwerte sich bei ihr ständig wegen Irgendwas. So eben auch über den Klingeldraht, den summenden. Die Vermieterin kam also mit der Zange, machte kurzen Prozess, knipste das Ding durch, fragte: „Besser so?“ und ging wieder.

Das hat sie mir später selbst erzählt, als ich hier gerade einzog. Wir mochten uns näm-
lich auf Anhieb und hielten öfter mal Schwätzchen auf dem Hof oder bei den Briefkästen. Und als sie vor ein paar Jahren das Haus verkaufen musste und wegzog, strickte sie mir zum Abschied sogar noch zwei Paar Socken! Das war damals ihr neuestes Hobby, weil sie sich das Kettenrauchen gerade abgewöhnte und die Hände lieber nicht frei haben wollte, so abends beim Fernsehen. Und sie hatte schon ihre ganze Familie mit Socken und mehr Socken und auch noch Socken terrorisiert. Ich war dagegen dankbare Abneh-
merin, denn ich liebe selbstgemachte Socken. Vor lauter Erleichterung darüber strickte sie mir gleich noch passende Pulswärmer dazu, bevor sie verschwand.

Jedenfalls: Die Klingel. Weil die nicht tut, klebt daneben ein Schildchen: „Klingel geht nicht. Bitte klopfen!“ Jetzt haben wir aber die Handwerker im Haus, in der Wohnung unter mir. Und die schrauben und bohren und stemmen und bollern, dass es eine reine Pracht ist. Oft aber wird auch nur mal eben behutsam was beklopft. Und dann zucke ich jedes Mal und will zur Tür rennen, weil ich denke, da will bestimmt einer was…

So kommt man doch zu nix!