Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass ich früher eine Zeitlang gekellnert habe.
Und vor ein paar Tagen fiel mir plötzlich wieder diese kackfreche Kollegin ein, die ich damals in dem einen Altstadtlokal hatte. Sie war ca. 1,50 groß, hatte das Temperament eines aufgezogenen Tschingderassabumm-Äffchens und hieß irgendwie Silke oder Sandra oder so.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund genoss sie totale Narrenfreiheit, was den Umgang mit Gästen anging. Der Chef, sonst Choleriker mit starkem Drall zum Alkoholmissbrauch, schmiss nach uns anderen schomma Töpfe oder drohte uns mit dem Messer, wenn wir zur Unzeit was von ihm wollten. Eine Bestellung für den Gast zum Beispiel.
Silke dagegen riss einfach die Klappe auf, nannte ihn „nicht ganz dicht“ oder „wohl schon wieder hacke“, drängte sich an ihm vorbei und holte sich einfach, was sie brauchte. Da lachte der nur. Silke durfte alles. Als wir mal spanische Messegäste hatten, die sich leider wie Sau benahmen, unverschämt waren und dann nicht mal das kleinste bisschen Trinkgeld gaben, schrieb sie ihnen nicht „Speisen und Getränke“ auf die Quittung, sondern setzte stattdessen „Klappräder und Gummimäuse“ ein.
Als im Sommer mal wieder Altstadtfest war, engagierte der Chef eine Klofrau, die 50 Pfennig Zoll erheben sollte, wenn Leute unseren Laden nur zum Pinkeln betreten wollten. Das war total sinnig, denn draußen schoben sich bierseligen Massen nur so vorbei, die Bude war auch voll mit richtigen Gästen, und ständig rannten Pinkeltrüppchen durch den Laden. Wenn es die gute Klofrau nicht gegeben hätte, hätte das Kabäuschen schnell ziemlich fies ausgesehen. Und darum sollte sie dann eben auch gut entlohnt werden.
Ein Pinkelgast regte sich aber über dieses „unverschämte Gebaren“ sehr auf und wandte sich blöderweise ausgerechnet an Silke, um sich lautstark über den „gepfefferten Preis“ zu beschweren. Der Chef stand auch dabei, aber der Gast hatte sich ja nun Silke ausgesucht. Sie ließ ihn einfach erstmal reden und fragte dann ruhig, was er denn jetzt genau von ihr wolle. Überrascht überlegte er kurz und meinte, er wolle eine Quittung! Beifall heischend sah er sich um, ob auch alle zuhörten und wiederholte: „Genau. Eine Quittung über die 50 Pfennig! Dann reiche ich das beim Finanzamt ein! So!“
Silke verzog keine Miene, holte den Block raus, schrieb ihm in aller Seelenruhe eine Quittung und stempelte sie ordentlich ab. Wir warteten unauffällig gespannt, denn wir kannten sie ja nun. „Sooo, bitte. Hier habense ihre Quittung über ihre 50 Pfennig, der Herr!“ Sie faltete das Papierchen noch einmal ordentlich zusammen und lächelte den Verärgerten versöhnlich an. Er steckte das Papier in die Tasche, klopfte da noch mal drauf und meinte: „Na also! Schön! Das kann ich doch bestimmt von der Steuer ab-
setzen…“ Und damit verließ er erhobenen Hauptes das Lokal als Sieger.
Wir guckten natürlich neugierig, da drehte sich Silke zu uns um, grinste und meinte: „Da wird sich der Finanzbeamte aber schön wundern. Ich hab’ dem da gerade für seine 50 Pfennig ’nen schönen Bordellbesuch draufgeschrieben…!“