Total schweres Rätsel für NetRat + „Wir sehen uns in Berlin!“

Bin auf’m Sprung. Gleich geht’s zum Bahnhof und dann ab nach Berlin. Mein Väterchen ruft mich schon den ganzen Morgen an und meint, ich solle mich innerlich wappnen, in Berlin sei plötzlich alles Mögliche los, der Marathon und so. Die Stadt sei voll bis obenhin und ich soll unbedingt dieunddie Bahn nehmen und bloß nicht verloren gehen! Vor lauter Aufregung hat er schon Magenschmerzen, dabei muss er doch eigentlich nur warten, bis ich ankomme. Und das werd’ ich auch bestimmt, schließlich freu’ ich mich nicht nur auf ihn, sondern bin auch ordentlich neugierig auf das Weltbloggertreffen.

Bevor ich aber fahre, lasse ich noch eine kleine Gucksportaufgabe für HikE da, nämlich: Finde das Federvieh auf diesem Bildchen…  (*g* – Nein, ich hab’s immer noch nicht vergessen!)

Raetsel_fuer_HikE

Bei Boltenhagen bollerts.

Boltenhagen

Freundin T. kam ja schon Donnerstagabend angetrudelt, damit wir Freitag schön früh los-
könnten. Das begossen wir direkt erstmal mit Karamelllikör, was bei T. zu vorläufigen leichten Beschwerden führte, weswegen ich gar nicht mehr dran denken konnte, mit auf’s Sofa zu passen, weil sie da nämlich plötzlich der Länge nach drauf lag. Zum Glück war ihr aber bald wieder gut.

Freitagmorgen ging’s dann jedenfalls frisch und munter ab auf die Autobahn. Und völlig ohne Navigationsgeräte oder Routenplaner fanden wir nach Boltenhagen (ich bin nämlich eine altmodische, aber gute Kartenleserin). Im Auto wurde übrigens schön laut gesungen, – das gehört sich schließlich so, wenn man verreist (außer in Zügen).

Angekommen, suchten wir als erstes ’nen Parkplatz, gurkten kurz in so eine Einfahrt zu einem privaten (5,-€ Tageskarte), schauten und gurkten gleich wieder hinaus. Kichernd, aber streng beobachtet vom einem ernsten jungen Mann mit Gürteltasche. Auf dem Ne-
bengrundstück vermuteten wir nämlich Gratisparkplätze, was sich über eine Vermutung leider nicht hinausentwickeln konnte und dann sogar als völlig daneben getippt erwies. Also fuhren wir wieder zu dem Ernsten zurück. Als er uns schon wieder feixend kommen sah, rief er bloß: „Trinkt ihr?!“ und meinte dann knapp: „Da hinten könnt ihr. Zwischen dem Grünen und dem Häuschen…“ Und da haben wir das Auto dann auch brav hin gestellt.

Ich weiß gar nicht, wie andere Leute das machen, dass sie immer noch stundenlang rum-
räumen müssen, bevor sie loskönnen. Ich steh meistens schon hufescharrend an der Tür und will raus. Diesmal stand ich hufescharrend neben dem Auto und wollte das Meer se-
hen, während T. sich zeitweise im Labyrinth ihrer beiden Taschen verlor. So isse halt.

Am Strand war’s voll. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Aber das Meer ist eben das Meer und das darf fast alles. Als erstes ging es auf den Pier, der ordentlich weit ins Wasser reicht.

Boltenhagen_Pier

Danach gab’s (was auch sonst) Pommes und dann legten wir uns endlich in den Sand.
Da gab’s viel zu sehen, vor Allem natürlich sowas:

Boltenhagen_Himmel

Aber nur, wenn man auf den Rücken lag. Von dem, was man sieht, wenn man auf dem Bauch liegt, habe ich leider kein Foto.

Als T. aus dem Meer zurück kam, hatte sie Jemanden mitgebracht. Einen Marienkäfer, der sich offensichtlich etwas überschätzt hatte, was seine Schwimmkünste anging. Naja, das hätte mir aber schließlich auch passieren können… Der Käfer wurde von mir spontan „Luise“ getauft und legte sich unter erheblicher Anstrengung, viel Gestrecke und unseren anfeuernden Kommentaren ausgiebig den rechten Hautflügel trocken. Dann war Luise erstmal rechtschaffen müde und verzog sich zum Verschaufen im Bein meiner weißen Hose.

Boltenhagen_Luise

Ein Weilchen später musste sie neue Kraft geschöpft haben, denn ich sah sie noch aus dem Augenwinkel ausfliegen zu neuen Abenteuern. Na, ich hoffe, sie ist nicht gleich wie-
der Schwimmen gegangen…

Irgendwann bekamen wir deutlich Hüngerchen und enterten ein Strandlokal, um lecker Salat mit gegrilltem Fisch zu speisen, heimlich unter’m Tisch Spatzen zu füttern und die Wespen durch beherztes Gutzureden davon zu überzeugen, dass sie sich doch vielleicht lieber selber eine Cola…

Der anschließende Verdauungspaziergang ging übrigens hier hin:

Boltenhagen_1Boltenhagen_2

Ganz schön, was? Übrigens Vorsicht! Hier ungefähr hängen bestimmt noch zwei kräftige
Damenschreie in der Brise.

Gegen sieben abends fuhren wir dann wieder ab und hörten im Verkehrsfunk, es habe zuhause überall wie verrückt gestürmt, es lägen Bäume herum und bei Hamburg sei eine Vollsperrung und überhaupt… – Überhaupt zog es sich über uns ordentlich zu und es bil-
deten sich Wolkenformationen im unter Meteorologen sicher berühmten Hefezopfmuster:

Boltenhagen_Zopfwolken

Und was das heißt, das kann man sich ja denken. Also, wir brauchten jedenfalls nicht mehr lange, um es rauszukriegen. So einen irren Himmel habe ich bestimmt noch nie gesehen. Aber T. und ich lieben ja Blitze, und als so ein Riesenvieh den gesamten Ho-
rizont mit Schmackes quer erleuchtete, riefen wir wie aus einem Mund: „Booooooh! Geil!“ (Davon habe ich natürlich wieder kein Foto gemacht, ich Schussel.) Und dann ging’s auch richtig rund mit eimergroßen Regentropfen, Blitzerei und Getöse. Zum Glück flogen keine Kühe oder Klaviere oder beleuchteten Dreiecksvitrinen über die Straße…

Nach einer guten halben Stunde war der Spuk aber vorbei und wir sangen uns Hannover gut gelaunt wieder entgegen. Das war wirklich „ein (sehr schöner) Tag am Meer“…

Danke, liebe T.!

Boltenhagen ruft. Dann geh‘ ich mal…

Beziehungsweise: fahre. Heute ist nämlich der Tag, an dem Freundin T. nach langem Hinundher in der Terminplanung ihr Versprechen wahr und mit mir einen Tagesausflug ans Meer macht. Nach Mecklenburg-Vorpommern geht’s… – Wehe, da ist es nicht ordentlich sandig und meerig! Kinder, bin ich gespannt!

(Leider kann ich so heute keinen weiteren Wettbewerb der Bloglympischen Spiele zu bestreiten, was mich schon ein bisschen wurmt. Es ist schließlich das erste Mal im Leben, dass ich mich wie eine richtige Spitzensportlerin fühle.)

Drückt mal die Daumen, dass der Strand nicht so voll ist, wir wollen nämlich mal ordent-
lich aus voller Lunge in Richtung Meer brüllen. Das muss halt ab und zu mal sein.

Könnse ma eben?

So. Die Bromine ist seit eben wieder zuhause.

Und ich behaupte hier einfach mal, dass auf der Rückfahrt kein einziger Technofuzzi im Zug war. In keinem der drei Regionalzüge, mit denen ich gefahren bin. Dafür bin ich jetzt fast so schockgefrostet wie die Spinatpellets in meinem TK-Fach, weil die Klimaanlage in diesen Zügen vermutlich nach dem Kalender funktioniert (und sogar auf Jahre hinaus vor-
eingestellt ist) und nicht nach den tatsächlich vorherrschenden Temperaturen. Demnach hatte man jedenfalls für den heutigen Tag richtig dicken Sommer eingeplant. Sei’s drum. Bahnanmotzung ist schon seit 100 Jahren langweilig, deswegen hör’ ich jetzt auch wieder damit auf.

Der Koffer ist also frisch ausgeleert, der Wäschekorb eingevollt aufgefüllt…

Das bringt mich wieder darauf, dass ich manche Sachen einfach nicht kann. Dazu gehört nämlich u.A. das „Komplett-Leerwaschen-des-Wäschekorbs“. Es soll irgendwo Leute ge-
ben, die diese Kunst meisterlich beherrschen und noch nicht mal damit angeben.

Weitere Sachen, die ich nicht kann:

– Im schwarzen Shirt Zähne putzen, ohne hinterher weiße Pünkte drauf zu haben (bei allen anderen Farben geht’s merkwürdigerweise).

– Morgens schon Bier trinken. (Sekt hingegen: alle Tageszeiten.)

– Meine Augenbrauen so gut wie weg zupfen, um sie mir dann zwei Zentimeter höher wie-
der aufzumalen.

– Hosenröcke tragen. (Das wohl lächerlichste Kleidungsstück aller Zeiten.)

– Salto.

– Geburtstagskarten schön beschreiben (im Gegensatz bspw. zu Einkaufszetteln).

– Mist noch mal…, – was war das noch, was ich mir nie merken konnte?!?

– Morgens schon McDämlich-Kram essen. (Oder nachmittags. Oder überhaupt.)

– Gitarre spielen. (Mein geduldiger Gitarrenlehrer empfahl mir nach 5 Unterrichtsstunden, lieber beim Singen zu bleiben. Da müsste ich wenigstens nix mit den Händen machen. Aber ich könnte seinetwegen natürlich ruhig, wenn ich wollte.)

– Kapuzinerkresse endlich mal ohne Blattläuse haben.

– Pulverige Sachen umfüllen, ohne zu rumzubröseln.

– Salzfässchen aufschrauben, ohne dass ein halbes Pfund Salz verstreut ist.

– Einen Text tippen, ohne wenigstens einmal an der blöden fESTSTELLTASTE hängen zu bleiben (weswegen ich sie auch aus meiner PC-Tastatur heraus operiert habe).

Aber ich kann:

– mich gleich erstmal auf’s Sofa legen. Puh!

Reisen ist toll. Ehrlich.

Dortmund
Kaum Jemandem wird’s verborgen geblieben, dass ich öfter mal mit’m Zug fahre; – gestern hab’ ich’s schon wieder getan. Und zwar habe ich’s nach Düsseldorf getan.

In Hannover auf dem Bahnsteig saß ich erst noch ein Viertelstündchen in so einem Draht-
ding, die sie einem dort als „Sitzgelegenheiten“ unterjubeln wollen und wo einen der kalte Wind so richtig schön von unten und von hinten erwischen kann. Ein Pärchen setzte sich neben mich und dann roch es plötzlich sehr unfein. Ich dachte schon: Puh, da ist aber bestimmt jemand ziemlich krank oder so. Aber als ich vorsichtig rübergucke, stelle ich fest, dass die Beiden nur ihr Frühstück ausgepackt haben. Aus so braunen Papiertüten, die man bei diesem einen Frikadellenbrater bekommt. Sie hatte sich wohl so ein komi-
sches Eidings einpacken lassen, und dem Geruch nach musste das fast älter sein als ich. Was Leute so runterkriegen, morgens um achte!

Als unser Zug dann kam, stiegen da auch ein paar Jungs ein, die schon ein 5l-Bierfäss-
chen ernsthaft in Arbeit hatten. Also wirklich. Was Leute so runterkriegen, morgens… Zum Glück setzten die sich aber eine ganze Ecke weit weg von mir und der Zug war ohne-
hin himmlisch leer. Leider bin ich mit diesem Zug nur eine halbe Stunde gefahren, bis ich in Minden umsteigen musste.

Und in Minden schwante mir Böses. Denn der Mindener Bahnhof, der übrigens eine sehr interessante Anordnung der Gleise hat (Gleis 1 führt irgendwie vor dem Bahnhofsgebäude lang. Da muss man, wenn man drauf angewiesen ist, auch erstmal drauf kommen.), war voll mit Geradeerwachsenen in unterschiedlich stark angetrunkenen Zuständen. Wie ge-
sagt, was die Leute so runter… Ich brachte mich fix auf einem Fensterplatz unter, meinen Koffer vor dem Sitz neben mir, als die Mindener schon unter Getöse den Zug stürmten. Vor mir nahm ein netter junger Mann Platz, und fragte mich gleich: „Na? Fährste auch zur Love-Parade?“ Und da hat’s dann aber ganz ordentlich gedämmert in meinem Oberstüb-
chen! „Äh, nee. Wo ist die denn dieses Jahr?“ – „Na, in Dortmund!“

Bis Dortmund waren’s noch zweieinhalb Stunden, mindestens. Eher drei. Ach, – hab’ ich schon erwähnt, dass der Zug übrigens ein Regionalexpress war? So einer, der alle zehn Meter anhält? Jetzt wurde mir auch klar, wieso ich kein vernünftiges ICE-Ticket mehr be-
kommen hatte. Sondern nur so eins, mit dem ich zweimal umsteigen musste, um an meinen Zielort zu kommen. Love-Parade! Und keine Zusatzzüge für die erwarteten 2 Millionen Besucher. Na klar! Deswegen. Na, das konnte ja lustig werden…

Wurde es leider nicht. Es wurde sehr schnell sehr eng. Neben mich quetschte sich ein Mädchen, dem es zum Glück nichts ausmachte, dass wir unsere Beine um meinen Koffer drapieren mussten (in Regionalzügen sind die Über-Kopf-Gepäckträger-Regale nämlich in so einer wahnwitzigen Schräglage angebracht, dass kein kleinstes Köfferchen reinpasst. Höchstens mal ein Tütchen Erdnüsse oder so). Das Mädchen packte mal gleich ein Grapefruitbier aus (Grapefruit ist ja auch sehr gesund zum Frühstück) und dazu noch so ein kleines Püllchen, bei dem man wohl erstmal anklopfen muss, bevor man’s öffnen darf. Fiel aber gar nicht weiter auf. Eigentlich war ich die Auffällige, weil ich als Einzige keinen Flaschenhals im Gesicht hatte.

Mein „Prost!“ hat sie bestimmt auch gar nicht gehört, dafür war die Musik zu laut. Ich bin mir jedenfalls relativ sicher, dass da Techno lief, irgendwo unter dem Geschrei („Nee, das macht voll blass, da sieht man ja aus wie son Gothik-Vieh!“ „Intim mach’ ich mir nicht, das ist doch voll hässlich!“ „Boah, ich muss voll pissen, Alter, ich glaub’, der Urin zirkuliert bei mir schon bis in die Herzkammern!“) und den Fußballgesängen („Oleeee, wir fahr’n zur Love-Parade!!!“ „Es gibt nur ein’n Rudi Völler!“). Es war aber auch sowieso kein besonders guter Techno, eher so das, was man an der Tanke als Sampler-CD kaufen kann, deswe-
gen war’s auch nicht richtig schade drum.

Schade war, dass in mir Panik aufstieg, weil ich mir vorkam wie in einem Viehtransporter. Eng zusammengequetscht, keine Aussicht darauf, eventuell irgendwie zum Klo zu kom-
men oder auch aussteigen zu können, um dann drei Stunden in, sagenwirmal, Beckum rumzustehen und zu warten, bis alle Sauftüten in Richtung Dortmund durchgerauscht sind. Das war nix für die alte Bromine, das kann ich Euch sagen. Das Feiern, Rauchen, Saufen und die aufgeregte Vorfreude hätte ich noch prima ausgehalten, wenn da nicht noch diese drangvolle Enge und der unglaubliche Lärm gewesen wären.

In jedem Bahnhof versuchten sich noch Hunderte dazuzuquetschen, was dazu führte, dass wir jeweils mindestens eine Viertelstunde standen und mehrfach die Durchsage kam, wir sollten doch bitte endlich die Türen freigeben, damit’s weiter gehen kann. Und natürlich fingen auch welche an, sich zu buffen, weswegen dann auch noch Spezialpolizei in voller Montur anrückte, um „zu schlichten“. Da standen wir schon in Hamm und eigent-
lich wär’ es jetzt nicht mehr weit gewesen. Das ging natürlich schon ein bisschen auf die allgemeine gute Laune. Ich konnte eigentlich schon länger nicht mehr, wenn ich ehrlich bin. Irgendwann setzte sich in mir ein Mantra durch: „Halt durch, Baby. Halt durch.“ Komisch, ich hab’ mich noch nie von Ir-gend-wem „Baby“ nennen lassen, nicht mal von mir selber. Half aber. Muss ich mir also mal merken.

In Dortmund kamen wir jedenfalls nach vier Stunden an, kurz bevor die ersten anfingen, in die Ecken zu pinkeln oder sich zu übergeben. Der Zug leerte sich und zurück blieben eine Handvoll „Normalreisende“ wie ich, die wortlos erschöpfte, aber bedeutungsvolle Blicke tauschten. Dazu tonnenweise leere Flaschen (was eine eigentlich interessante Geräusch-
kulisse abgab, wenn wir z.B. in Kurven fuhren oder hielten), Müll und eine gefühlte 1-cm dicke klebrige Bodenschicht aus Asche, Bier, Wodkairgendwas, Kippen und zertretenen Chips. Was eben von der Liebe übrig blieb…

So sehr hab’ ich echt mich noch nie gefreut, Düsseldorf zu sehen.

Da war der Rest der Fahrt (immerhin noch anderthalb Stunden) die reinste Kreuzfahrt. Nächstes Jahr soll die Love-Parade ja in Bochum sein. Aber dann ganz sicher ohne mich. Bochum liegt ja noch hinter Dortmund, also, von Hannover aus gesehen.

Nee, echt. Voll sorry.

(Der Text ist übrigens nur deshalb so lang, weil mir die Fahrt fast wie ein halbes Leben vorkam…)

Expresssitzen

Diesmal sind nur sehr junge und sehr alte Menschen im Zug, nur Teenager und Senioren, eigentlich. Das bedeutet, die Geräuschkulisse besteht aus Großgetöne, welche Helden-
taten man kürzlich erst begangen hat oder bald in Angriff zu nehmen gedenkt, und was Nadine wo wann zu wem gesagt hat, und dass das ja wohl die Höhe sei! Das Ganze wird untermalt von leisem Gehüstel und Bonbonpapiergeraschel in Popelinejackentaschen. 

Mir gegenüber sitzt eine ältere Dame in einem teuren Hosenanzug und schmollt ihren Mann an. Sie glaubt, ich sitze auf ihrem Platz, was aber nicht stimmt, denn ich habe extra hier am Tisch reserviert, damit ich mein Notebook auspacken kann und mich unter-
wegs nicht langweilen muss. „Komm, dann setzen wir uns eben hier drüben hin!“ hat sie vorhin zu ihrem Mann gesagt, „Wir hatten ja extra mit Tisch, aber jetzt sitzt die Dame da… Dann bleiben wir eben hier drüben!“

Dabei sind ja noch drei Plätze um mich herum frei, zwei davon sind wahrscheinlich ihre, aber sie wollen lieber „alleine“ sein. Meine freundliche Auskunft, dass ich hier durchaus sitzen darf, weil ich ebenfalls reserviert habe (und nur die Zahlen besser lesen kann als sie), beantwortet Madame mit: „Na, das war vermutlich so eine Expressreservierung oder so was…“

Keine Ahnung, was das sein soll, aber ganz offenbar ist es was Dritt- oder Viertklassiges. „Express“ könnte aber hinkommen, denn ich habe die Reservierung vor einer geschlage-
nen Woche vorgenommen und das dürfte in etwa das sein, was man bei der Bahn unter „Express“ versteht. Ihrem Mann ist das alles übrigens herzlich schnurz, er hat bestimmt sein Hörgerät ausgeschaltet und liest in Ruhe seine Zeitung, dieweil Madame aus dem Fenster schmollt. Also vermutlich alles wie sonst auch zuhause.

Nun liest sie uns aber vor, dass es ja mit den Tomaten „ganz schlimm“ sei. „Wir“ liefern nämlich angeblich unsere Tomaten nach Ghana und bringen damit die ghanaische Toma-
tenindustrie total durcheinander. Und außerdem müssen die Italiener inzwischen „von den Chinesen geklontes Tomatenmark“ essen!

Jaja, immer diese verrückten chinesischen Wissenschaftler! Jetzt klonen sie schon armes Tomatenmark! Ob nun Dose oder Tube stand leider nicht dabei. „Aber!“, holt sie aus, und verfügt energisch: „Wir essen trotzdem weiter Tomaten!“

Und damit hat sie’s der Welt und mir aber richtig gezeigt.

Affenlos, aber kommunikationswillig.

Lemiers

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, nach „Lemuria“ zu fahren, aber irgendwie habe ich mich wohl total vertan und bin jetzt stattdessen in der Gegend von „Lemiers“ gelandet. Hier ist es gar nicht mal übel, sogar richtig schön eigentlich. Die Sonne scheint wie ver-
rückt, es gibt dies und das zu entdecken, aber ich hab’ hier bis jetzt noch kein einziges Äffchen gesehen! Nicht mal den allerkleinsten Halbaffen. Das ist natürlich schon ein klei-
nes bisschen enttäuschend, aber dafür habe ich hier einen prima ortskundigen Begleiter, der freundlicherweise vorgestern mit mir in die Stadt ging, um „mal so zu gucken“. Dabei fiel mir auf, dass die Verkäuferinnen hier mitunter ein bisschen komisch sprechen, denn als ich was fand, das ich anprobieren wollte, nahm ich den Begleiter kurz entschlossen mit in eine der beiden Ankleidekabinen, um mich von ihm beraten zu lassen. Als wir den Vorhang zugezogen hatten, und uns schon eine Weile in normaler Lautstärke über die Klamotten und deren Sitz unterhalten hatten, fragte eine Angestellte von draußen: „Sind sie da drin?“

Eventuell bekommt sie ja grundsätzlich Angstzustände, wenn zwei Leute zusammen in eine Kabine gehen, das wäre dann also vielleicht eine Bipersonale Kabinenstörung oder so was. Jedenfalls antworteten wir überflüssigerweise und nur, um sie zu beruhigen, be-
lustigt mit: „Jaaa…, wir sind hier drin.“ Ich konnte mir allerdings nicht verkneifen, hinterher zu schieben: „Was ist das denn für’ne Frage!?!“. Leider bekam ich keine Antwort. – Ich hätte an ihrer Stelle aber auch keine gewusst.

Und gestern hörte ich hier eine Frau mehrmals hintereinander den Satz rufen: „Sie können auch hinter mir auflegen!“ Es schien sie kaum zu irritieren, dass niemand so recht reagie-
ren wollte, deshalb rief sie’s gleich noch mal: „Sie können auch hinter mir auflegen, wenn sie wollen!“ Also entweder waren die Anderen auch alle aus Norddeutschland, oder wir hatten es hier mit einem typischen Beispiel für die mangelnde Fähigkeit zum Perspektiv-
wechsel zu tun. Die Dame saß nämlich an einer Supermarktkasse und sah die Schlange der beladenen Kunden davor immer länger werden. Ihre Kollegin hatte wohl versprochen, gleich die Kasse hinter ihr zu öffnen. Statt aber zu merken, dass die Kunden mit ihrer selbstgebastelten Formulierung nichts anfangen konnten, und vielleicht stattdessen zu rufen: „Die Kasse nebenan wird gleich geöffnet, sie können sich auch schon mal drüben anstellen!“ wiederholte sie ihren Satz einfach immer wieder: „Sie können auch hinter mir auflegen!“ Das wurde nur von ungläubigem Seufzen unterbrochen. Als dann die Kol-
legin kam und fragte, warum sich denn niemand zu ihrer Kasse gestellt hatte, erklärte sie überzeugt: „Die wollen wohl alle nicht!“

Ich hätt‘ sonst schon gewollt, aber ich stand ohnehin günstig weit vorne und fand eigent-
lich nur schade, dass da kein einziger DJ mit Plattenköfferchen in der Kassenschlange gewesen war…

"Ich bin dann mal weg!" kann man ja inzwischen eigentlich gar nicht mehr schreiben. Mist.

AstralreiseÜber Pfingsten bin ich nämlich mal wieder unterwegs, und ich weiß noch nicht, ob ich zum Bloggen kommen werde. Das Wetter soll ja auch so schön werden…

Bestimmt bin ich dann lieber draußen und gehe vielleicht ein bisschen…, nee, nicht Jakobsweg. Aber wie wär’s mit „Schama-
nischer Astralreise“? Ach, da fällt mir ein: das wird nix, ich hab‘ ja immer noch nicht den Anfängerkurs besucht. Mal ganz zu Schweigen vom normalen oder dem „Fort-
geschrittenenkurs“. Ich weiß also nach wie vor nicht, was ich da so machen müsste und wie weit ich dann überhaupt von mei-
nem Leib fort schreiten dürfte (man will sich ja mal ein Eis holen oder so) und verlaufe mich nachher womöglich noch.

Schade. Hm.

Vielleicht mache ich dann ja mal eine hüb-
sche Radtour nach „Lemuria“. Ich vermute irgendwie, dass es dort eventuell putzige Äffchen gibt. Weiß gar nicht, wie ich da jetzt drauf komme… Oder ich gucke kurz in Atlantis vorbei, schaue ein bisschen nach dem Rechten und frage mal nach, was denn eigentlich mit den ganzen anderen „Chakren“ pas-
siert ist. Vielleicht kann ich ja was rauskriegen. – „Kanseyan“, – kann nicht sein.

Ich sing’ dann Bescheid…

Ich kenne einen Mann,…

… der repariert Fernseher, ohne sie auch nur genauer anzugucken! Neulich hat er den Fernseher in meinem Wohnzimmer durch bloßes, energisch ausgesprochenes „Der soll jetzt wieder gehen!“ repariert, und das auch noch über’s Telefon!

Da war ich ja schon fix und fertig.

Und heute Morgen traute ich mich mal an den kleinen Ersatzfernseher im Schlafzimmer, der eines Tages einfach nicht mehr aufwachen wollte. (Naja, es ist ein Schlafzimmer!) Dazu empfahl mir der magische Repariermann, ich solle vielleicht mal eine neue Fernbe-
dienung besorgen, eventuell sei der Apparat ja nur verstockt bzw. habe er sich vielleicht verschluckt. Und statt der Kiste noch mal ordentlich in den Rücken zu hauen (was ich im Übrigen schon ergebnislos versucht hatte), besorgte ich eine hübsche kleine Fernknipse, die aus Kaffeebohnen oder so gemacht ist. Davon gehe ich jedenfalls aus, denn gekauft habe ich sie in dem Kaffeeladen, in dem sie auch schon mein Handtelefon zusammenge-
braut haben.

Jedenfalls: Der Ferni ist wieder aufgewacht! Irre, oder?

Und jetzt wünsche ich mir fast noch einen dritten kaputten Fernseher, nur um zu sehen, wie er den nun onnoch fernheilt…

Ostern in südwestlicher Richtung

Ehrlich gesagt, ist mir gerade gar nicht so nach Schreiben, weil mein Kopf ganz voll ist mit noch ungedachtem, aber eigentlich dringend mal gründlich zu denkendem Zeug. Das rümpelt mir das Oberstübchen ein bisschen voll und ich hab‘ dieser Tage zu wenig Zeit, da mal ordnend zu Stapeln. Und Ostern ist ja nun auch schon wieder eine Woche her, aber ich wollte trotzdem eben noch ein bisschen von meiner Reise erzählen. Das kann ich ei-
gentlich auch ruhig noch machen, weil ja gar nicht so viel mit Ostern drin vorkommt. Und die Vorgeschichte mit dem missglückten Fahrkartenkauf hatten wir ja sogar schon… 

Ich fahre ganz gern mit der Bahn, auch vor dem Umsteigen habe ich inzwischen keinen Bammel mehr. Wenn die Züge so halbwegs pünktlich sind, ist das ja auch gar nicht so schwer und verwirrend, wie man sich das vorher immer ausmalt. Als ich diesmal in Han-
nover am Bahnsteig stand und auf meinen Zug wartete, stand eine Frau in meiner Nähe, die mit weit aufgerissenen Augen und Hilfe suchend um sich blickte. Als sie merkte, dass ich in ihre Richtung schaute, sprach sie mich an: Ob sie denn hier richtig sei, sie wolle da und da hin… Der Zug würde doch unterwegs geteilt, und sie habe Angst, aus Versehen in das falsche Ende einzusteigen. Die Lautsprecherdurchsagen dazu würden sie eher verwir-
ren. Genauso ging es mir auch vor nicht allzu vielen Monaten, aber weil ich inzwischen schon gelassener bin, konnte ich sie beruhigen, sie stehe hier ganz prima und goldrichtig und ihr Waggon 11 würde auch hier ungefähr zum Stehen kommen und so weiter. Danach sah ich sie nicht mehr, denn ich musste zwei Wagen davor einsteigen, aber bestimmt ist sie gut angekommen und vielleicht beim nächsten Mal auch schon etwas weniger nervös.

Zug

Mir wird ja immer wieder nahe gelegt, während der Fahrt doch aus dem Fenster zu schau-
en, aber das tue ich eher selten, höchstens vor und nach Bahnhöfen. Ich mag diese olle, schruddelige Atmosphäre um Bahnhöfe herum, das ganze rostige Zeug, das da oft so vergessen im Gestrüpp herumliegt. Natürlich schau ich mir manchmal auch die Land-
schaft an, aber dabei denke ich an ganz andere Sachen, deshalb vergesse ich das, was ich sehe, gleich wieder. Meistens lese ich oder begucke meine Umgebung im Waggon, die Mitreisenden, höre heimlich ihren Gesprächen zu, ab und an mache ich mir Notizen.

RaucherfleckenDiesmal habe ich mich zum Beispiel gefragt, wie ungeschickt man sich als Raucher eigent-
lich anstellen muss, damit der Sitz hinterher so aussieht. Und wie ich wohl reagieren wür-
de, wenn vielleicht plötzlich jemand neben mir (womöglich an mehreren Stellen gleichzeitig) anfangen würde, zu brennen. Nur weil er zu doof zum Schmeuken ist. Wahrscheinlich würde ich ihn spontan mit knallheißem Tee aus meiner kleinen Thermoskanne löschen. Und das würde uns beiden wohl nicht gefallen, denn ich hätte danach schon mal nix mehr zum Trinken. Allein deshalb bin ich auch ganz froh, dass das Rauchen in den Zügen jetzt nicht mehr erlaubt ist.

Meine Güte, das hier ist ja jetzt schon ein halber Roman, dabei ist meine Erzählung doch noch nicht mal am Zielort der Reise angekommen! So geht das aber nicht. Deshalb behal-
te ich jetzt frech das freudige Ankommen und sogar auch den Rest des verschnäbelten Ankommenssamstags für mich.

Am Sonntag also, nach dem Osterfrühstück, bekam ich ordentlich viel eiförmige, leckere Schokolade geschenkt. Angeblich von einem Hasen, in Wirklichkeit aber wohl von einer Zimmerpflanze. Ich kann mich natürlich täuschen, aber die Fakten sprechen alle dafür. Und weil nun Ostern war, und man zu Ostern traditionell spazieren geht, ging es dann an eine Bushaltestelle, dann in einen Bus, und mit dem Bus ein Stückchen raus aus der Stadt, und dann sogar raus aus dem Bus.

Und da standen wir. In einem ruhigen Wohnviertel vor einem kleinen Berg. Aber das war ganz richtig so, denn auf diesen Berg wollten wir ja rauf, weil dort ein spezieller Punkt liegt. Es war kalt, aber die Sonne schien schön, und durch einen besonderen Umstand ging ich nicht nur bergan, also so wie mein gastgebender Begleiter und alle anderen hier, sondern auch gleichzeitig (oder vielleicht zusätzlich?) seitlich an einem kleinen, unsicht-
baren, quasi selbstverschuldeten, Berghang entlang.

Ich hatte nämlich am Samstag in der Losreiseeile nur eine meiner Schuh-Einlagen in die Stiefel getan, und zwar die linke. Immerhin aber schon mal passend in den linken Stiefel… Dabei hatte ich hier doch neulich gerade noch über meine Schuheinlagen geschrieben, darüber, dass ich die manchmal ganz schön kompliziert finde. Jedenfalls war ich noch ein bisschen schräger als sonst unterwegs, konnte mich aber zum Glück bequem bei mei-
nem lieben Gefährten einhaken, und brauchte so wenigstens keine Angst zu haben, vielleicht in einer scharfen Kurve plötzlich umzufallen oder sowas.

topografische_KarteIm Spazieren kamen wir an einer Landkarte vorbei, die ich zunächst für topografisch hielt, bei näherem Hinsehen stellte sich aber her-
aus, dass wohl bloß der olle Kartenherbergs-
kasten nicht ganz dicht war. Eventuell war es auch ein Vorschlag, wie man die Landschaft in Kürze gestalten könnte. Hier was weg und da was hin…

Vielleicht handelte es sich aber auch um eine neue Art von Seersucker-Karte. Könnte ja sein. Kochwäsche und bügelfrei.

Oben auf dem Berg angekommen, setzten wir uns in die Sonne und beguckten uns die ganzen Touristen, die da hin- und herliefen, uns zurückbeguckten und sich aufgeregt ge-
genseitig fotografierten. Niederländer, Belgier, Deutsche. Wir waren nämlich am Dreilän-
derpunkt, wo sich eben diese drei Länder treffen. Und auch alle Hundehalter der Gegend. Den Hunden war diese ganze Länderei bestimmt schnuppe, die markierten sich sicherlich sowieso alle paar Meter gegenseitig über.

gut_sitzende_klamotten_im_sIm Souvenirshop der Niederländer gab es den Postkarten- und  Schlüsselan-
hängertinnef, den es immer überall gibt. Man müsste vielleicht mal eine Sammlung aufmachen mit Schlüssel-
anhängern, die alle gleich aussehen, aber dann eben regionale Aufdrucke haben.

Wozu braucht mein Schlüsselbund denn so ein Gebimsel, auf dem mei-
netwegen sagenwirmal „Nederlands“ draufsteht? Ich wohn‘ da doch gar nicht! Und wenn ich den Schlüssel dann mal verliere, kann ich noch nicht mal darauf hoffen, dass im richtigen Land nach der Besitzerin gesucht wird.

Das bleibt also unklar.

Gelernt habe ich aber doch was in dem Laden: Dass es unheimlich wichtig ist, dass die Klamotten gut sitzen, – auch im Stehen.

Bei den Belgiern drüben (ca. 100m weiter) wollte ich dann was Süßes und bestellte im Cafè eine Appeltart mit Sahne und eine Schokomilch. Mein Begleiter bestellte ebenfalls Appeltart. Als unsere Tarts kamen, war aber keine Sahne drauf. Wahrscheinlich, weil die auch nicht mehr auf die kleinen Untertassen gepasst hätte. Dafür war die Gabel so fest in den Kuchen gerammt, dass ich sie mit beiden Händen herausziehen musste. Die Tart wäre also was für ollen Artus gewesen, s
chmeckte mir aber gut.

appeltart

Dem Begleiter hingegen fiel plötzlich ein, dass er eigentlich und sowieso vielviel lieber Pommes gehabt hätte und er guckte immer zum Nebentisch rüber, wo ein stilles Pärchen vor zwei riesigen Tellern mit Pommes saß. Das Mädchen nagte ein bisschen lustlos an ihrer Portion herum und ließ dann fast alles stehen. Ich musste an Freundin T. denken, die jetzt vielleicht eventuell gefragt hätte: „Isst Du das gar nicht mehr?!?“, aber so  was würde mein überaus wohlerzogener Begleiter natürlich niemals tun.

Also saßen wir da, schauten aus dem Fenster und lauschten der Musik. Schon komisch, da sitzt man genau zwischen Belgien, Niederlanden und Deutschland, und was läuft für Musik? Zucchero! Italienischer Schlimmpop. Den mag ich schon nicht, wenn ich nur in einem Land bin. Ich versuchte aber, mich zu freuen, dass es wenigstens nicht der andere war, dieser Polypenmann. Der, der angeblich so sexy sein soll. Vielleicht ist er das immer nur, wenn ich grade nicht hingucke. Die Stimme von dem mag ich jedenfalls noch viel we-
niger. So gesehen, hatten wir natürlich richtig Glück.

Laternenmutter

 

 

 

 

 

 

In diesem Wissen, zudem angenehm müde, doch weiterhin gut gelaunt, wanderten wir irgendwann zurück zur Bushaltestelle, wo es dann doch noch ein kleines bisschen religiös wurde, denn wir trafen dort noch Maria, die ganz versonnen in Richtung einer dreifaltigen Laterne blickte, die sie und das Jesukind wahrscheinlich an jedem Abend auf’s Neue erleuchtet…