Rieta und Knut

In meinem Hirn wohnt ein Ehepaar. Sie heißen Rieta und Knut. Rieta heißt nicht nur Rita, sondern eben Rieta, weil man das „i“ sehr betont spricht. Knut heißt Knut, weil er knapp und bündig ist. Mit Eisbären hat das nix zu tun, denn das Ehepaar gibt es in meinem Kopf bestimmt schon zehn Jahre oder so.

Rieta und Knut kommen immer da vor, wo ich einen Vergleich ziehe zu anderen Menschen aus dem Volke. So ähnlich wie Lieschen Müller (die mir aber vom Charakter zu brav erscheint) oder Gabi Mustermann (die mir immer die künstliche Gestalt blieb, die sie ist).
Es geht eher so in die Richtung Otto Normalverbraucher, nur etwas pointierter.
Ich habe eine klare Vorstellung von Rieta und Knut, weiß wie sie aussehen, wie ihre Stimmen klingen, was sie mögen und wie sie wohnen.

Rieta ist um die 50, etwas füllig, aber nicht dick, hat schwarz gefärbte Locken und lässt sich überhaupt einmal die Woche die Haare machen. Im Sommer ist sie immer ungesund braun, weil sie jede freie Minute in der Sonne verbringt und sie hat recht lange Fingernägel, die sie perlmütterlich lackiert. Ich glaube, sie raucht und ganz sicher trägt sie jede Menge Kaufhausschmuck (echtes Gold, aber synthetische Steine und furchtbar fantasielose Gestaltung). Sie trägt auch Kaufhaus- bzw. Bestellkleidung, die sie schick und adrett findet, manchmal vielleicht ist diese ein wenig zu jugendlich.
Rieta hat eine energische, laute Stimme. Ob sie selber das auch weiß, ist nicht klar.
Obwohl sie 50 ist, hat sie etwas Naseweises und Kokettes.
Sie glaubt immer, sie hat Ahnung und manchmal stimmt das auch.

Knut hat schon recht weißes Haar, ist so fünf Jährchen älter als seine Frau und ist Frührentner. Was er früher gemacht hat, weiß man nicht. Vielleicht war er beim VW oder so in der Fertigung. Er hat dünne Beine und einen Bauch, aber nur vorne. An Schmuck trägt er nur den Ehering und eine Armbanduhr mit Metallarmband, an deren Verschluss er gelegentlich herumnestelt.
Knut spricht wenig. Er überlegt lange und spricht dann mal in Rietas Sprechpause rein. Man kann aber an seiner Mimik erkennen, wie er zum Thema steht.

Er trägt Kurzarmhemden mit grafischen Mustern, die eine Lebendigkeit versprechen, die Knut nicht halten kann.
Ich sehe ihn aber immer in einem Feinrippunterhemd vor mir, denn meistens sind Rieta und Knut in ihrem Schrebergarten zu finden.
Dort sitzen sie in einer Plastiksitzgruppe mit Auflagen in der prallen Mittagssonne und bräunen. Backen trifft es eher. Rieta trägt einen Badeanzug und ihr Dekolleté ist ganz zerknittert, Knut ist überall da braun, wo das Unterhemd die Haut frei lässt. Eincremen tun sie sich nicht, weil: „Dat wär‘ ja Quatsch, dat brauchen wer nich‘. Wir sind ja de Sonne gewöhnt!“ Sie trinken den ganzen Tag lang Kaffee, mal mit mal ohne Koffein, je nach Tageszeit. Ab 17 Uhr trinkt Knut Feierabendbier, das er sich in ein Bierglas einschenkt und Rieta trinkt Weinschorle.

Obwohl man sie ein bisschen lächerlich findet, sind die Beiden sympathisch. Rieta hat so etwas Piffiges und Knut in seiner Brummigkeit etwas Verschmitztes. Die Rollen sind klar verteilt und sie sind lange genug zusammen, um in fast Allem einer Meinung zu sein.

Diese Meinung ist es, die mir manchmal in den Sinn kommt, wenn ich Kontakt aufnehme zu den Paralleluniversen um mich herum. Oder wenn ich mit Ästhetik geplagt werde, die so gar nicht meine ist.
Jeder kennt das, wenn man sich die Frage stellt: „Wer kauft denn so was?“
Die Antwort ist meistens: Na, Rieta und Knut, die Beiden!

Es macht total Spaß, so ein fiktives Ehepaar zu beherbergen. Man kann es oft befragen, ohne es direkt ansprechen zu müssen oder man kann Geschichten darüber erfinden und ausbauen.

Jedenfalls: Rieta und Knut werden hier bestimmt mal wieder auftauchen…

Schlachteplatte in der Neuen Welt

Das kleine Bohrermonster (s.u.) wächst mir richtig ans Herz!
Vorhin ertappte ich es innen(!) am Fensterrahmen. Na, da hatte sich wohl jemand verlaufen…
Habe ich’s mal in einen anderen Blumenkasten umgesetzt, wenn es doch so wild auf Abenteuer ist. (Wahrscheinlich wollt’s nicht glauben, dass die Welt viereckig ist…, – oder vielmehr ja eigentlich achteckig, – ach egal!)
In der neuen Welt saß es dann erstmal brunzdoof in den Sonnenröschen, die eigentlich eine ordentliche Menge Blattlauspopulanten hatten.
Als das Bohrertier sich dann endlich wieder bewegte, rannte es aber immer in die falsche Richtung bzw. dauernd knapp an den feisten Läusen vorbei, die sich wahrscheinlich aus gutem Grund grün getarnt hatten und sich wahrscheinlich untereinander immer „Pst! Pst! Da kommter!“ zuraunten.

Ich meckerte kräftig in Richtung des kleinen, offenbar Kurzsichtigen.
Nach meterlanger Vor- und Zurückturnerei nahm er dann aber wohl Witterung auf und wackelte endlich auf die Lausherde zu.

Und dann ging alles ganz schnell: Er happste sich die Erste und machte mit ihr kurzen Prozess. Schließlich wird ihm die ewige Rumlatscherei auch mächtig Hunger gemacht haben.
Ich fand ihn versorgt und kümmerte mich um anderes.

Als ich eben wieder guckte, saß das Tier da, bumsvoll gefressen, doppelt so dick wie vorhin und rührte sich nicht mehr.
Verdauungschlaf. Am liebsten hätte ich ein Kissen drunter geschoben.

Und ich bin sicher, der hat mindestens die Hälfte der Läusemassen verspachtelt. Jetzt habe ich also noch Proviant für ihn bis morgen. Und dann? Was mach ich dann?

Hab‘ noch nie gehört, dass man sich irgendwo Blattlauseier bestellt…

Telefonier‘ mir!

Es war im Herbst des Jahres 2003, als mir das Telefon mittenmal abgestellt wurde. Ich will jetzt hier nicht kompliziert erklären, wieso und warum, aber’s war mitnichten meine Schuld. Auch will ich weder berichten noch beklagen, wie lange es dauerte, bis Madame de la Télécomme bereit war, mir einen neuen Anschluss zuzugestehen.
Lediglich erzählen möcht‘ ich, was dann geschah:

Nach Tagen des zähen Ringens sollte ich nun wieder erreichbar sein, was auch dringend Not tat, die neue Telefonnummer hatte ich schon vorfreudig in die Gegend posaunt, mir sogar einen neuen Apparat besorgt und war ganz überrascht und erfreut, als am nämlichen Morgen um halbe achte schon der Telefonierknochen losdüdelte.

Als ich mich gemeldet hatte, hörte ich, was man eigentlich nicht hören kann, aber trotzdem erkennt (vorausgesetzt, man verfügt über mein Talent):

Eine verwirrte Pause.

Ich fragte nach: „Hallo…?“
Anruferin (verunsichert): „Ist da nich‘ das Mülltelefon?“
Ich: „???! … Neenee, das ist ganz neu! …Hier spricht G…!“
A: „Huch! Denn hab‘ ich mich wohl verwählt. Entschuldigen Sie bitte!“
I (vergnügt): „Kein Problem. Das kommt schomma vor, nech?“
A: „Ja. Na ja…, auf Wiederhören.“
I: „Tschüssi!“

Es klingelt erneut.
Und ich melde mich erneut: „G…?“
A (vorsichtig): „Ist da das Mülltelefon?“
I: „Nee, ich glaube, sie haben die falsche Nummer. Kann das sein?“
A: „Ach bin ich jetzt wieder bei ihnen? Mein Mann hat mir die Nummer aufgeschrieben, ich sollte mich erkundigen…“
I: „Na, da wird sich ihr Mann vielleicht verschrieben haben. Ich hab‘ hier wirklich kein Mülltelefon. Das ist ein Privatanschluss. Echt.“
A: „Dann muss ich noch mal meinen Mann fragen… Das tut mir furchtbar leid, dass ich sie gestört habe!“
I (generös): „Das macht doch nix! Man kann sich doch mal vertun… Ich wünsche ihnen ein schönes Wochenende! Wiederhör’n…“

Es ist ruhig. Für 10 Minuten. Dann klingelt’s wieder.

I: „G…?“
Männerstimme: „Wie?“
I: „G…!“
M: „Ich hätte gern die Müllberatung!“
I: „Die is‘ hier nicht! War das ihre Frau eben?“
M (patzig): „Was? Wer spricht denn da?!“
I (gereizt): „G…! Das hier ist ein Privatanschluss! Und kein Mülldings.“
M: „Aber ich hab‘ doch hier die Nummer!“

So langsam bekam ich eine Ahnung. Ich guckte ins Telefonbuch.
Und unter A fand ich’s:
Abfallberatung. Und meine neue Nummer!!!

Ich rief also wieder mal beim Kundendienst an.
Die Dame dort versuchte, mir ihre Erheiterung nicht zu zeigen. Erfolglos.
Sie erklärte mir, das Müllberatungsbüro habe vor einem halben Jahr geschlossen (warum bloß, fragte ich mich; – Kunden schien es genug zu geben), somit sei die Nummer wieder zur Vergabe frei gewesen und ich(!) hatte sie nun bekommen. Und das neue Telefonbuch käme erst in einigen Monaten heraus.

Im Geiste sah ich mich schon, eine semi-professionelle, aber sehr, sehr teure Abfallberatung betreibend, als sie sagte: „Aber das ist ja nun echt nicht so schön.*gnicker* Ich sehe zu, dass sie ganz schnell eine neue Nummer bekommen. Wahrscheinlich gleich ab morgen!“

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, Postkarten mit meiner neuen neuen Nummer zu beschriften, derweil das Telefon klingelte und klingelte…

Ohhhm-Container

„Ümma schööön ruhich bleiben…!“ sagt der Ohhhhm-Container.

Frauen, die Sachen kennen, die nur Männer kennen

Erstmal Vielen Dank an alle, die sich an der Klärung der „Mönster“-Identität beteiligt haben!

Aber gleich zwei Herren waren der Meinung, dass es erstaunlich sei, dass eine Frau weiß, was ein Forstnerbohrer ist. Das heißt, das haben wir doppelt und ich muss einen abziehen!

Warum sollte ich das auch nicht wissen!?

Die werden ja nun nicht in Geschäften verkauft, die für Frauen nicht zu betreten sind oder gar unsichtbar für’s weibliche Auge…

Jetzt für alle Jungs und Mädchen, die nicht wissen, was das für ein Teil ist: Das ist wie eine kleine Lochsäge, die man ins Bohrfutter einspannen kann. In der Mitte hat’s nen Piekser, damit man die Stelle trifft, außenrum eine Art Kranz, der dann das Loch schneidet. Das hat den Vorteil, dass das Bohrloch nicht so ausfrisselt.

So!
Und ein Stufenbohrer (der dem Tierchen eher ähnlich sieht), sieht aus wie lauter kleine Zylinder die übereinander gestapelt sind. Von klein nach größer.

Über Fräsaufsätze sprechen wir dann das nächste mal, gell?
Hätten wir das auch geklärt. 😉

Das „Mönster“ ist übrigens eine Art Marienkäferlarve. Die gute WatcherX Netzraketeratte hat’s natürlich gewußt (wie ich hoffte) und darf sich einen Keks ausser Dose nehmen!
Okeeehh: die Anderen auch, wegen des regen Interesses!

Ein kleiner Tier, der wohnt bei mir, und bald sind’s vier…?

In den Rabatten auf meiner Fensterbanke sitzt ein kleines Mönster und guckt mich grimmich an. Ich kenne Blattlaus, Florfliege, Trauermück‘, aber so eins sah ich hier noch nie. Papiere wills nicht rausrücken.
Ist’s eine Quappe noch von irgendwas und will dermaleinst ein Kondor werden?
Oder ist’s schon fertig gezaubert und hat sich schnaufend zu mir hier oben aufgemacht, um die tolle Aussicht zu genießen? Das zeugte immerhin von Kennerschaft, denn hier gibt’s jede Menge „Weit“ und „Breit“ zu sehen.
Und: will es meine Blumen essen?
Es ist wohl so höchstens 1 Zentimeter lang, tut aber furcht erregend wie mindestens 10.
Tät ich’s aufpusten auf 10.000-fache Größe, ergäb’s einen duften Fußballkumpel für Godzilla.
Wer ’nen sachdienliches Tippchen hat, darf das Bild behalten, um damit an der Tür Vertreter abzuschrecken.

Krabbeltier

Amüsemang Deluxe

Es ist schon ein paar Jährchen her, da hörte ich bei der Arbeit so nebenher Radio. Die Moderatorin rief die Hörer auf, im Studio anzurufen und zu erzählen, was aus ihrer Erfahrung der beste oder schlimmste „Anmach-Spruch“ sei.

Natürlich riefen dann erstmal reichlich Jungs an, die meinten den „ultimativen“ Spruch drauf zu haben, mit dem sie angeblich bei den Mädels reihenweise Schwächeanfälle auszulösen vermochten. Ich zweifelte das eher an, denn das waren natürlich so Sachen wie: „“Ich hab‘ meine Nummer verloren, kann ich deine haben?“ und „Jemand hat zwei Sterne von Himmel geklaut…“ Blabla… Da konnte ich mir schon denken, warum die Damen Ohnmachten vorgetäuscht hatten.

Grade als ich eine Kassette einschmeißen wollte, rief eine Frau an, die offenhörig schon etwas dem Teeniealter entwachsen war und vergnügt folgende kleine Geschichte zum Besten gab:
Ihre halbwüchsige Nichte hatte sie auf dem Lande besucht. Irgendwann beschlossen die Damen „mal zu rauszukriegen, wo hier was los ist“. Sie erfuhren auf Nachfrage von einer Disco in der Nähe. Abends machten sie sich ein bisschen schick und auf den Weg.
Als sie bei der Disco ankamen, war nicht mehr zu übersehen, dass es sich um eine echte „Dorfdisco“ handeln musste, denn ein paar der Jungmänner waren offensichtlich mit dem Traktor vorgefahren.

Drinnen war die Stimmung gut, alles war voller karierter Flanellhemden und Dauerwellen, die Musike laut und, wie auf dem Lande üblich, gezecht wurde ordentlich. Die beiden Damen schauten sich um, tanzten wohl auch mal ab und an und amüsierten sich prima.

Einer der Flanelljungs war offensichtlich sofort von der Nichte wie gebannt gewesen und ließ diese nicht mehr aus den Augen. Er blieb aber steif in seiner Ecke stehen und trank ein Getränk nach dem anderen. Es war ihm wohl deutlich an der Stirne abzulesen, dass er verzweifelt über Kennenlernmöglicheiten nachdachte und versuchte, sich dafür Mut anzutrinken.

Irgendwann, wohl reichliche Zeit später, musste er eine Eingebung gehabt haben. Er setzte sich ruckartig in Bewegung und wankte quer durch den Laden auf Tante und Nichte zu. Die beiden warteten gespannt darauf, was denn jetzt nun käme.

Glücklich angekommen, baute der Jungmann sich möglichst grade vor ihnen auf, kriegte eine knallrote Birne, zögerte, schluckte, schluckte noch mal und platze schließlich heraus:

„Tach!! Bissu auch hier?!???“

…und bebadet sei dein Körper.

Heute innerlich sowas wie ein stillvergnügtes Jubiläum gefeiert.
Der Umbau ist nun ein Jahr her. Und das kam so:

Als ich hier vor gut sechs Jahren einzog, war die Wohnsituation sagenwirmal studentisch. Das Klo war auf halber Treppe (1/4 qm) und musste auch noch mit dem doofen Nachbarn geteilt werden. Die Dusche stand in der Küche, daneben ein Waschbecken. Das versetzte mich in die angenehme Lage, mich beim Duschen unterhalten zu können, falls zufällig jemand in der Küche war, der dort schon mal seinen Morgenkaffee genoss (kam netter- weise ab + zu vor).

Besucher fanden das grenzwertig, aber für mich war das alles ganz o.k.; was ich mir ersehnte, war eine Badewanne. Ich stellte Überlegungen an, mir ein Planschbecken in die Küche zu stellen, um dem wenigstens nahe zu kommen. Aber dann schreckte mich die Vorstellung, das Badewasser ja auch wieder entsorgen zu müssen, nachdem ich mich, von lauten Quietschgeräuschen begleitet, in der 20 cm tiefen Pfütze geaalt hätte. Das löste keine Euphorie aus. Freund M. erzählte mir, seine Großmutter habe früher mal eine legendäre Faltbadewanne unter der Spüle gehabt, von wo man sie bei Bedarf herauszie- hen konnte. Leider ist der Faltbadewannenmarkt seither eingeschlafen.

Dann wechselte der Hausbesitzer und der Neue war Installateurmeister. Das hieß, immer wenn eine Wohnung leer stand, sanierte er sie und baute Badezimmer ein. Irgendwann schlug ich vor, er solle nicht warten, bis ich auszöge, sondern den Patienten quasi ohne Narkose operieren. Er überlegte ein Weilchen, dann stimmte er zu.

Er schätzte, der Umbau würde so zwei Wochen dauern. Ich legte im Geiste noch eine drauf und fing das Umräumen an, denn schließlich sollte die Küche das neue Bad werden, das Schlafzimmer die neue Küche, das Arbeitszimmer musste mit ins Wohnzimmer gestopft werden, damit ich zukünftig in der Arbeitskemenate schlafen konnte.

An einem Montag ging es los: Die Jungs kamen.

Als erstes wurden die alten Einbauten rausgerockt. Der Geselle trat unter Riesengeklöter meinen Waschtisch zusammen und erklärte seinem Azubi dabei : „Kuck! Eima anne Seite reintreten, dann issi Brause gelutscht!“ Sie stöpseln natürlich ihr mitgebrachtes Radio ein und drehten da einen ganz fiesen Sender rein. Ich saß derweil im Wohnzimmer in der neuen Arbeitecke am Rechner und versuchte, zu arbeiten. Der Azubi übertönte das Ganze mit Heldengeschichten, die er sich am Wochenende ausgedacht hatte: Wie viel er imstande gewesen war zu trinken („Aaaaaal-ther!!!“), was er an seinem Mokick alles so an- und abzuschrauben gedenke und wem er dann mal beim nächsten Piep so richtig aufs Fressbrett hauen wolle.

An Arbeit war nicht mehr zu denken. Ich saß nur da und amüsierte mich.

Wenn die Jungs abends wieder weg waren, legte ich los: Tapeten runterschaben, Küchen- schrank abschleifen, Kartons rumschieben. Überhaupt musste ich ständig alles herum räumen. Ich kam mir vor wie in einer Großversion dieses Geduldsspiels, in dem man kleine Vierecke in einem Rahmen herum schiebt, bis das Bild wieder zusammengesetzt ist. Zum Feierabend gab’s Leckeres aus der Campingküche und die Erkenntnis: Mikro- wellenessen schmeckt wie, na ja, Mikrowellenessen.

Außerdem hatte ich nur noch kaltes Wasser, das quasi direkt aus den Wand kam, aber dafür keinen Abfluss, was hieß, dass ich mit Schüsseln und Eimern hantieren musste, die dann auf dem Treppenhausklo ausgekippt werden mussten. Spätabends kippte ich jedes Mal total fertig zwischen die Kartons und traf fast immer das Bett. Morgens um halb sechse wieder hoch, Campingkatzenwäsche (wat sindn Campingkatzen? Sindi mit Anhänger?), ab vor’n Rechner.

Um sieben spätestens kamen die Jungs. Mit ihren dicken Schuhen bollerten sie profes- sionell durch die Hütte, rissen Bodendielen raus, ramenterten Schutt durche Gegend, klöterten mit Rohren herum, marodierten durch Treppenhaus und knallten alle 5 Minuten meine Wohnungstür ins Schloß.

Das lernen die heute alles auf der Berufsschule.

Irgendwann, es war so nach vier Wochen war auch mal plötzliche Stille. Dann leises Gemurmel, ab und an hörte ich mal: „Scheißescheißescheiße!“
Ich schaute aus der Tür: „Alles o.k. bei Euch?“
„Jaja, Frau G., alles in Ordnung!“
Was Jaja heißt weiß ja nun jeder, aber sei’s drum.
Wahrscheinlich so ein Fall von: Nach fest kommt lose.

Und als ich dachte: schlimmer kann es ja nicht werden, kam der Elektriker und stemmte u.A. meine von mir frisch verputzte Wand wieder auf und saute mir nebenbei meine ganze Bude total ein. Als der Hausbesitzer das sah, gab’s Mecker nicht zu knapp und der Elek- triker wurde verdonnert, die Schweinerei (fiesen roten Staub) gefälligst wieder zu beseitigen. Also schnappte er sich meinen Schrubber und beste damit los. Also ein echter Profi. Mannmann, der kannte sich aus. Respektrespekt. Der wusste, wie man’s macht. So sah’s hier dann auch aus, als er „fertig“ war. Den Staub hole ich heute noch aus den Ecken.

Nach fünf Wochen kam der Fliesenleger und zum Feierabend bekam ich mein eigenes Klo. Ich durfte es aber noch nicht gleich ausprobieren, weil der Boden frisch gefliest war. Erst sollte ich einige Stunden warten. An diesem Abend ging ich aus und trank mehrere Biere. Als ich nachts um 3 nach Hause kam, setzte ich mich zum ersten Mal gaaanz vorsichtig auf die Schüssel. Und war selig. Ich saß im Zappendustern, müde und betrun- ken, und war begeistert. Mein Klo! Nagelneu. Da war noch keiner drauf… – War aber auch ein komisches Gefühl, vorher hatte da der Herd gestanden.

Aber was war mit der Badewanne? Das heiß ersehnte Teil war eine Diva. Sie ließ sich richtig Zeit. Die erste Ausführung fiel vom LKW. Neenee, nicht so. Sie war kaputt. Ange- titscht. Ecke ab. Die Neue musste erst bestellt werden. Meine Nerven waren am Ende. Aber nach sieben Wochen war es soweit: Die Wanne war eingebaut! Ich hatte mir extra einen tollen Badezusatz gekauft, um wie eine Königin in die Wasser zu steigen.

Und was soll ich sagen: Es-war-himm-lisch! Bombe. Das Größte. Besser als Schokolade. Und viel besser als Planschbecken. Ich war verliebt.

Bin ich noch. Badewasser läuft.

„Sie will ein Fisch im Wasser sein, im flaschengrünen, tiefen See… Sie will mit Wasser sich besaufen und paar Blasen blubbern lassen…“

Mälther

Hab’ne Kochsendung gesehen, mit dem Tim Mälzer.
(Schön, Mälzer zu heißen und zu lispeln, oder?
„Ich bin der Tim. Mälther.“
Eigentlich finde ich Lispeln bei Jungs total süß. Nur bei ihm irgendwie nicht.)
Der sagt immer so beknackte Sachen, weil er vielleicht doch nicht Kochen und Reden gleichzeitig hinbekommt.
Er sagte: „Da nehmen sie Dasunddas. Wenn sie das nicht frisch kriegen, können sie auch Diesunddas nehmen, das schmeckt auch und ist in der Qualität nicht minder schlecht.“

Danke Tim.

Laaahangweiliger Lanzenbruch für Hannover

Hannover ist gar nicht so doof. Ich weiß, dass Viele das glauben, aber die sind vielleicht selber doof oder wahrscheinlich noch nie hier gewesen. Oder nur zur Messe vielleicht. Grundsätzlich finde ich Städtebashing sowieso sinnlos.

Ich wohn‘ echt gerne hier, besonders in meinem Stadtteil: Linden. Genauer: Linden-Süd. Noch genauer: sachichnich. Wird auch schon mal Spanisches Viertel genannt, weil hier ein spanisches oder portugiesisches Lokal neben dem anderen ist. Überhaupt wildes Durcheinander von Sprachen und Mentalitäten. (Kann mir jemand sagen, warum türkische Jungs soviel rotzen müssen? Regen Köfte den Speichelfluss so sehr an?) Man sieht hier auch jeden Tag ältere türkische Herren, die ganz zusammen geknüllt wie gegen einen imaginären Sturm antretend Rad fahren. Wenn sie noch langsamer fahren, fallen sie um. Die finde ich putzig.

Hier gibt’s außerdem noch: Nordafrikaner, Iraner, Japaner, Deutsche, Russen, Koreaner (bei Bedarf bitte –Innen anhängen; – außer bei „Deutsche“). Idylle isses deswegen nicht, aber hier gibt’s weniger Stress als in dem „Gehobene- Mittelklasse-Stattteil“, in dem ich früher wohnte.

Und durch Linden fliesst außerdem die Ihme (eine kleine Schwester der Leine), an deren Gestaden es sich vortrefflich Bier und/oder Wein trinken lässt. Vorvorletzte Woche erlangte diese Region kurz mal Berühmtheit durch eine hochschwangere Kuh namens Uschi, die ihrem Bauern ausgebüxt war und auf ihrer Flucht 2 Streifenwagen, 1 Bulli, mehrere Fahrräder und anderen Kleinkram demolierte. War in allen Nachrichtensendun-
gen. Und jetzt kommt’s: Ich saß mit Freundin T. grade im Biergarten, als Uschi vorbei rannte!

Ich (T. unterbrechend): „Da ist grade ’ne dicke Kuh vorbei gerannt.“

T: „?????…!?!?“

Und dann kam schon die Meute: Pullezei, Feuerwehr, TV & Presse und Abenteuersucher. Hinterher: Der Bauer auf’m Fahrrad, total aus der Puste.

Also, da soll mal keiner sagen, hier wär nix los!

Nee, Hannover ist aber wirklich schön, total grün und mit viel Wasser und so. Und was die Kultur angeht, fühle ich mich gut versorgt: Gute phantasie- und liebevoll gemachte Clubs, Poetry Slams, dufte Kunstmuseen, nette Bühnen. Und so tolle Veranstaltungen wie: Feu-
erwerkswettbewerb, Chaostage (naja, früher), Seifenkistenrennen, Gemüseschlacht (bei der sich zwei Stadtteile mit doll angeranztem Obst + Gemüse beschmeißen), Open-Air-
Klassik-Picknick (wo Punks und Etepetetes nebeneinander auf der Wiese liegen, mit Dosenbier und Schampus), Fährmannsfest usw.

Man darf halt nicht in die Altstadt gehen; die ist wie alle Altstädte: Dumpf und schnurrbär-
tig. Auch die Innenstadt ist nicht besonders. Aber sehr ordentlich. (Mir egal, Hauptsache, wir haben jetzt eine Leysieffer-Filiale!)

Leider ist man in Hannover grundsätzlich eher misstrauisch und hält sich raus. Wenn jemand sehr freundlich ist, muss was faul sein. Das stört mich echt.

O.K., das mit der EXPO damals hier hätte wirklich nicht sein müssen. Alle, die ich kenne, waren auch mächtig dagegen, hat aber nix genutzt. Ich bin dann doch mal gucken gegan-
gen, war aber nur mäßig begeistert. Jetzt mickert das Gelände so vor sich hin. Alle halbe Jahre steht dann wieder in der Zeitung, mit welcher Maßnahme man als nächstes vorhat, diesem Windspielplatz Leben einzubläuen. Der Herr „Horny“ Mousse T. hat da wohl schon länger sein Studio und, ehrlich gesagt, ist mir das total wurst.

Hier sind ja sowieso die falschen Leute prominent.
Ich mein‘: Scorpions! Fury in the Slaughterhouse! H.R. Kunze! *hust*

Von Herrn Schröder fange ich jetzt mal gar nicht großartig an. Nur, dass ich dem in mei-
ner Aushilfs-Kellnerinnenzeit mal Spaghetti serviert habe. Und was soll ich sagen: Der war ganz normal nett. Im Gegensatz übrigens zu Herrn Trittin, dem ich mehrfach Champagner ausschenkte, dessen Order ich jedes Mal als herablassend-arrogant empfand. Das war Anfang der 90er, als beide noch Minister hier waren.

Auf dem EXPO-Gelände ist seit einem guten halben Jahr aber nun auch eine dicke große IK*A-Filiale! Und das ist für mich dann schon eher ein Grund, da mal hin zu fahren. So wie neulich, als ich mit Bus und Bahn hinfuhr („Ich brauch’ ja nur die zwei Sachen.“) und auf dem Rückweg natürlich das Problem hatte, mit einem Rucksack, einer Riesenpapiertüte, einem kleinen Tischchen und einem recht großen Spiegel auch wieder auf demselben Weg zurück zu müssen (2x umsteigen!).

Dazu muss man wissen, dass es für die Strecke zum Messegelände besondere, neue Bahnen gibt, auf die die Stadt sehr stolz ist. So genannte „Silberpfeile“. Die sehen auch richtig schnittig aus und haben einen duften Bonus: Ihr Bremssystem ist so knackig, dass bei jedem Bremsvorgang sämtliche Mitfahrende in immer neue Kombinationen zusammen geschüttelt werden. Das ist auf dem Hinweg noch komisch, auf dem Rückweg ist es filmreif. Ich möchte nicht wissen, wie viele Mitfahrer mich jetzt auf ihrem Fotohandy haben. Wahrscheinlich läuft der Clip im Netz in heavy rotation.

Eine Zeitlang war es auch unter Hannoveranern schick, Hannover langweilig und doof zu finden. Man schämte sich aus so einer Loser-Stadt zu kommen und entschuldigte sich woanders ständig dafür. Ich finde Hannover ist eigentlich ganz adrett, und in Linden ist es sogar richtig fein. Ich möchte nie mehr woanders wohnen.

Vor meinem Haus ist z.B. ein Spielplatz. Die kleinen Halunken dort lassen keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig zu triezen. Nachdem sich zwei Jungs minutenlang wechselseitig wütend angebölkt hatten, wobei der Kleinere den Kürzeren zog, weil er nicht so viele schlimme Wörter kannte, entstand eine kleine Pause. Der Lütte dachte wohl fieberhaft nach, wie er den Brüllstreit doch noch gewinnen könnte und was wohl das Allerallerschlimmste sei, was man jemandem entgegenschleudern könnte. Bestimmt überlegte er, was denn bei den Eltern absolute No-go-Themen waren, holte noch mal ordentlich Luft und schrie:

„Du, du… Du sexueller Nazi!!!

Gewonnen.