Also die Socken mussten jetzt wirklich lang-
sam mal sein. In den letzten Tagen habe ich das Gefühl, in einer zugigen Hütte zu leben. Und das, obwohl ich mir nun sogar eine neue Antizugluftrolle gebastelt habe, die jetzt vor meiner Tür liegt, während die ganze kalte Zugluft von draußen um die Tür streicht und schmollt. So ist es schon viel besser.
Das Gemütlich-auf-dem-Sofa-liegen, während ich meinen morgendlichen Tee trinke und aus dem Fenster schaue, erinnert mich daran, dass die Menschen ihre Tage sehr unterschiedlich beginnen. Normalerweise trinke ich meinen ersten Tee nämlich woanders. Nee, ich gehe nicht zum Nachbarn rüber, weil ich meine hübsche Küche nicht unordentlich machen will… Der würde mir womöglich direkt was auf der Gitarre vorspielen! Schrumschrummschrumm. Nein, ich wache auf, koche mir ein Tässchen, nehme es mit ins Schlafzimmer und setze mich noch mal ganz gemütlich für ein Viertelstündchen ins Bett, wo ich mich in die Kissen und an das geflochtene Kopfteil des Bettes lehne, die Restwärme genieße und die Stille im Haus.Vom Bett aus kann ich aus dem Fenster schauen und sehe die Baumkrone der Pappel draußen auf der anderen Straßenseite. Und Himmel. Und ich höre geschwätzige Vögel und manchmal ein frisiertes Mofa, die hier fünfmal lauter kreischen, als sie groß sind.
Dasselbe gilt übrigens für die Schulkinder, die hier morgens die Straße herunter kommen.
Ich denke meistens an nichts Besonderes, hänge vielleicht einem merkwürdigen Traum nach, denke daran, was ich so vorhabe. Und wenn der Tee ausgetrunken ist, stehe ich „richtig“ auf und verschwinde im Bad. Ich mache das nicht so, weil ich die Inhaltsstoffe des Tees unbedingt zum Aufwachen brauche. Ich bin morgens nämlich sofort wach, wenn ich die Augen aufschlage. Sondern, weil mich dieses Ritual einfach gut in den Tag bringt. Es verwischt ein wenig die Grenze zwischen Nacht und Tag, und ich fühle mich nicht so an- und ausgeknipst. Dann muss ich nicht aufstehen, sondern möchte.
Der Tee ist also wichtig und der erste Schluck ist am schönsten, wenn er heiß die Kehle hinunterrinnt und die Wärme sich im Magen ausbreitet. Und es soll auch immer meine Lieblingssorte sein, deshalb habe ich bei Besuchen auch immer Teebeutel dabei. Die sind ja zum Glück nicht so schwer, da geht das ganz gut. Gut, dass ich morgens nicht drin-
gend mit Hanteln trainieren muss oder ein bisschen Riesenrad fahren. Dabei fällt mir ein, hier in Hannover gibt’s einen Musiker, der schon lange als „Altstadt-Original“ durchgeht. Und in meiner Kellnerinnenzeit gab der manchmal einen Frühschoppenauftritt da, wo ich arbeitete. Von damals weiß ich noch, dass er auch immer Teebeutel dabei hatte. Er kam dann an, legte die einzeln auf die Theke und wollte da „heißes Wasser drauf“ haben. Sicherheitshalber habe ich ihm dann jeweils eine Tasse drumgemacht.
Aber über Tee habe ich ja schon geschrieben und heute geht’s ja ums Aufwachen bzw. Aufstehen. Meine Beobachtungen im Umfeld haben ergeben, dass das Aufwachen sehr unterschiedlich verläuft. Manche wachen erstmal eine geschlagene Stunde überhaupt nicht richtig auf und wälzen sich im Halbschlaf herum, bis sie sich endlich hochquälen. Manche (wie eine frühere Freundin von mir) müssen sogar noch vor dem Aufwachen einen Kaffee und eine starke filterlose Zigarette haben.
Da würde ich überhaupt nie mehr aufstehen!
Es gibt Leute, die darf man morgens nicht ansprechen, bis sie die Zeitung gelesen haben. In der wiederum scheinen die Worte dann nicht zu stören. Es muss also eher was Geräu-
schen zu tun haben. Wiederum andere machen morgens irre laute Musik an, „zum Auf-
wachen“, da krieg’ ich nun wieder Zustände.
Von alten Menschen hört man, dass sie senile Bettflucht haben und schon um vier Uhr aufstehen. Und um fünfe ist das Frühstücksgeschirr dann schon wieder abgewaschen und ordentlich in die Schränke zurückgeräumt. Den Kontrast dazu bilden Leute, die wochen-
ends bis zwölf schlafen können. Beides ist mir ein Rätsel. Also, das Zweite fast noch mehr als das Erste, denn ich bin gerade am Morgen und am Vormittag am muntersten und erledige alles, was wichtig ist. Wenn ich ausgerechnet diese Phase verpasste, könn-
te ich eigentlich auch gleich liegen bleiben und bis zum nächsten Tag durchschlafen.
Irgendwo habe ich mal gelesen, diese unterschiedlichen Rhythmen hätten was mit der Geburtszeit zu tun. Also, dass man ungefähr zu der Uhrzeit aufwacht und auch am mun-
tersten ist, zu der man auch in die Welt kam. Bei mir käme das hin. Vielleicht ist es aber andersrum, und so ein Ungeborenes hat schon längst seinen kompletten Tagesablauf fertig und klopft dann, wenn es rausmöchte. Wer weiß.
Ich bin jedenfalls eine Frühaufsteherin, genau wie mein Vater. (Also, er ist keine Frühauf-
steherin, – das kann man sich ja denken.) Dabei habe ich als Kind wenig mit ihm zu tun gehabt, weil ich bei der Mutter aufwuchs. Erziehung kann es also nicht sein. Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass, während ich eine Lerche bin, die meisten Leute wohl Eulen sind. Oder ich habe eben überwiegend mit Eulen zu tun gehabt, kann auch sein.
Da ich oft ziemlich ungeduldig bin, stellt mich das manchmal auf eine harte Probe. Man kann sich das so vorstellen, dass ich dann schomma putzmunter, gesprächslustig und voller Tatendrang gestiefelt und gespornt an der Tür stehe, während so ein Mitmensch noch verratzt und verpeilt im Küchenstuhl lehnt, nur Einsilbensätze bilden kann, und man müsste eigentlich ein Stöckchen zwischen Kinn und Tischplatte klemmen. Ich brauch’ so ein Stöckchen eher abends, aber das ist ja ein ganz anderes Thema.
Es ist also oft beiderseits Toleranz und Geduld gefragt, und das schon zu Tagesbeginn!
Viel schöner ist dann, auf eine Mit-Lerche zu treffen, und morgens am Frühstückstisch munter zu plaudern, Pläne für den Tag zu machen und sich gegenseitig die Brötchen vor der Nase wegzuschnappen. Und die Zeitung, die kann man ja zur Not auch nachmittags noch lesen.
So, der Tee ist ausgetrunken, dann geh‘ ich jetzt erstmal Brötchen holen.