Ich glaube, ich nehm ’ne Pommes…

Maeuerchen

Ich weiß gar nicht, wie oft ich hier schon achtlos vorbei gelaufen bin.

An dieser Kultstätte der Currywurstsekte. Wahrscheinlich habe ich meine Aufmerksam-
keit dann immer auf die Mitgliederversammlungen gelegt, die sich in lockeren Formationen auf dem Vorplatz ihres Gotteshauses gruppieren. Da ist schon wieder einer, der sich eine Glaubensrichtung aussuchen möchte. Vielleicht „Knüppel mit Gerümpel“?
Ich hörte einmal, das sei die geheime Umschreibung für „Currywurst mit Pommes“, also quasi der Code, mit dem sich die eingeschworene Gemeinde im Untergrund verständigt, ohne dass Außenstehende wissen sollen, was gemeint ist.
Der, der mir das verraten hat, den habe ich danach nie wieder gesehen…

Aber eigentlich frage ich mich heute, warum diese Trafokästen im Vordergrund durch ein Mäuerchen voneinander getrennt werden müssen. Auf der einen Seite zwei Große, auf der anderen Seite die Kleinen. Der kleine Schmuddelige vorn hat bestimmt mal einen von den Großen doof von der Seite angeredet, da hat der gar nicht lange gefackelt und ihm vor’s Schienbein getreten.
Oder eben das, was bei Trafokästen das Schienbein wäre, wenn sie eines hätten.
Und nun ducken sich die Kleinen hinter dem Mäuerchen zusammen und überlegen, wie sie mal pfiffig zurückschlagen können. Wie das wohl ausgeht?

Ich glaub’, die Uhr fragt sich das auch.

Feinkost

Einmal bei „Feinkost Lampe“, einem netten kleinen musikalischen Sofa-Club in Hannover-Linden, spielte sich folgende kleine Szene ab:

Ich gehe auf’s Klo. Das ist ein mittelgroßer, hübsch zurecht gemachter Raum mit Waschbecken und zwei Kabinen, jeweils eine für die Dame und den Herrn. Ebenfalls befindet sich dort eine kleine elektrische Kinder-Orgel. Als ich hereinkomme, ist der Raum leer. Ich gehe also in die Mädchenkabine, da höre ich, wie noch jemand reinkommt und sofort auf der Orgel loslegt. Einfach so lange Töne drückt. Als ich wenig später grinsend wieder aus der Kabine komme, hängt da ein beparkater Mensch in Hexenschusspose vor der Orgel und schreit mich an: „Ey! Super-Publikum!!!“ Ich sage beim Hände waschen: „Joh, das hat doch schon viel Schönes… Bisschen wie bei ’ner Seebestattung.“
Er (begeistert): „Ave Maria!!!“
Ich: „Yeah! Genau!“ und ab.

Laut hier

Also ehrlich: Heute den ganzen Tag über Spielmannszüge draußen (Schützenfest mit heutigem Ausmarsch. Mal wieder.), dann war kurz mal Ruhe (aber da saß ich auch schön im Biergarten auf dem Lindener Berg) und nun spielen TOTO auf der Gildeparkbühne und donnern mich mit schlimmen Gitarrenbrettern zu. Aua.

Laaahangweiliger Lanzenbruch für Hannover

Hannover ist gar nicht so doof. Ich weiß, dass Viele das glauben, aber die sind vielleicht selber doof oder wahrscheinlich noch nie hier gewesen. Oder nur zur Messe vielleicht. Grundsätzlich finde ich Städtebashing sowieso sinnlos.

Ich wohn‘ echt gerne hier, besonders in meinem Stadtteil: Linden. Genauer: Linden-Süd. Noch genauer: sachichnich. Wird auch schon mal Spanisches Viertel genannt, weil hier ein spanisches oder portugiesisches Lokal neben dem anderen ist. Überhaupt wildes Durcheinander von Sprachen und Mentalitäten. (Kann mir jemand sagen, warum türkische Jungs soviel rotzen müssen? Regen Köfte den Speichelfluss so sehr an?) Man sieht hier auch jeden Tag ältere türkische Herren, die ganz zusammen geknüllt wie gegen einen imaginären Sturm antretend Rad fahren. Wenn sie noch langsamer fahren, fallen sie um. Die finde ich putzig.

Hier gibt’s außerdem noch: Nordafrikaner, Iraner, Japaner, Deutsche, Russen, Koreaner (bei Bedarf bitte –Innen anhängen; – außer bei „Deutsche“). Idylle isses deswegen nicht, aber hier gibt’s weniger Stress als in dem „Gehobene- Mittelklasse-Stattteil“, in dem ich früher wohnte.

Und durch Linden fliesst außerdem die Ihme (eine kleine Schwester der Leine), an deren Gestaden es sich vortrefflich Bier und/oder Wein trinken lässt. Vorvorletzte Woche erlangte diese Region kurz mal Berühmtheit durch eine hochschwangere Kuh namens Uschi, die ihrem Bauern ausgebüxt war und auf ihrer Flucht 2 Streifenwagen, 1 Bulli, mehrere Fahrräder und anderen Kleinkram demolierte. War in allen Nachrichtensendun-
gen. Und jetzt kommt’s: Ich saß mit Freundin T. grade im Biergarten, als Uschi vorbei rannte!

Ich (T. unterbrechend): „Da ist grade ’ne dicke Kuh vorbei gerannt.“

T: „?????…!?!?“

Und dann kam schon die Meute: Pullezei, Feuerwehr, TV & Presse und Abenteuersucher. Hinterher: Der Bauer auf’m Fahrrad, total aus der Puste.

Also, da soll mal keiner sagen, hier wär nix los!

Nee, Hannover ist aber wirklich schön, total grün und mit viel Wasser und so. Und was die Kultur angeht, fühle ich mich gut versorgt: Gute phantasie- und liebevoll gemachte Clubs, Poetry Slams, dufte Kunstmuseen, nette Bühnen. Und so tolle Veranstaltungen wie: Feu-
erwerkswettbewerb, Chaostage (naja, früher), Seifenkistenrennen, Gemüseschlacht (bei der sich zwei Stadtteile mit doll angeranztem Obst + Gemüse beschmeißen), Open-Air-
Klassik-Picknick (wo Punks und Etepetetes nebeneinander auf der Wiese liegen, mit Dosenbier und Schampus), Fährmannsfest usw.

Man darf halt nicht in die Altstadt gehen; die ist wie alle Altstädte: Dumpf und schnurrbär-
tig. Auch die Innenstadt ist nicht besonders. Aber sehr ordentlich. (Mir egal, Hauptsache, wir haben jetzt eine Leysieffer-Filiale!)

Leider ist man in Hannover grundsätzlich eher misstrauisch und hält sich raus. Wenn jemand sehr freundlich ist, muss was faul sein. Das stört mich echt.

O.K., das mit der EXPO damals hier hätte wirklich nicht sein müssen. Alle, die ich kenne, waren auch mächtig dagegen, hat aber nix genutzt. Ich bin dann doch mal gucken gegan-
gen, war aber nur mäßig begeistert. Jetzt mickert das Gelände so vor sich hin. Alle halbe Jahre steht dann wieder in der Zeitung, mit welcher Maßnahme man als nächstes vorhat, diesem Windspielplatz Leben einzubläuen. Der Herr „Horny“ Mousse T. hat da wohl schon länger sein Studio und, ehrlich gesagt, ist mir das total wurst.

Hier sind ja sowieso die falschen Leute prominent.
Ich mein‘: Scorpions! Fury in the Slaughterhouse! H.R. Kunze! *hust*

Von Herrn Schröder fange ich jetzt mal gar nicht großartig an. Nur, dass ich dem in mei-
ner Aushilfs-Kellnerinnenzeit mal Spaghetti serviert habe. Und was soll ich sagen: Der war ganz normal nett. Im Gegensatz übrigens zu Herrn Trittin, dem ich mehrfach Champagner ausschenkte, dessen Order ich jedes Mal als herablassend-arrogant empfand. Das war Anfang der 90er, als beide noch Minister hier waren.

Auf dem EXPO-Gelände ist seit einem guten halben Jahr aber nun auch eine dicke große IK*A-Filiale! Und das ist für mich dann schon eher ein Grund, da mal hin zu fahren. So wie neulich, als ich mit Bus und Bahn hinfuhr („Ich brauch’ ja nur die zwei Sachen.“) und auf dem Rückweg natürlich das Problem hatte, mit einem Rucksack, einer Riesenpapiertüte, einem kleinen Tischchen und einem recht großen Spiegel auch wieder auf demselben Weg zurück zu müssen (2x umsteigen!).

Dazu muss man wissen, dass es für die Strecke zum Messegelände besondere, neue Bahnen gibt, auf die die Stadt sehr stolz ist. So genannte „Silberpfeile“. Die sehen auch richtig schnittig aus und haben einen duften Bonus: Ihr Bremssystem ist so knackig, dass bei jedem Bremsvorgang sämtliche Mitfahrende in immer neue Kombinationen zusammen geschüttelt werden. Das ist auf dem Hinweg noch komisch, auf dem Rückweg ist es filmreif. Ich möchte nicht wissen, wie viele Mitfahrer mich jetzt auf ihrem Fotohandy haben. Wahrscheinlich läuft der Clip im Netz in heavy rotation.

Eine Zeitlang war es auch unter Hannoveranern schick, Hannover langweilig und doof zu finden. Man schämte sich aus so einer Loser-Stadt zu kommen und entschuldigte sich woanders ständig dafür. Ich finde Hannover ist eigentlich ganz adrett, und in Linden ist es sogar richtig fein. Ich möchte nie mehr woanders wohnen.

Vor meinem Haus ist z.B. ein Spielplatz. Die kleinen Halunken dort lassen keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig zu triezen. Nachdem sich zwei Jungs minutenlang wechselseitig wütend angebölkt hatten, wobei der Kleinere den Kürzeren zog, weil er nicht so viele schlimme Wörter kannte, entstand eine kleine Pause. Der Lütte dachte wohl fieberhaft nach, wie er den Brüllstreit doch noch gewinnen könnte und was wohl das Allerallerschlimmste sei, was man jemandem entgegenschleudern könnte. Bestimmt überlegte er, was denn bei den Eltern absolute No-go-Themen waren, holte noch mal ordentlich Luft und schrie:

„Du, du… Du sexueller Nazi!!!

Gewonnen.