Verschwitzt und staubig.

Das wäre ja eigentlich ein schöner Titel für einen zünftigen Erotik-Western, in dem wort- knappe Pistoleros aufgerüschte Barmiezen verwegen ankniepen und ihnen dann hinter schwingenden Saloontüren heftig an die Federhütchen gehen, während das draußen in der Sonne angebundene Pferdchen dösig schnaubt…

Gemeint ist aber doch bloß, wie ich mich noch vor wenigen Tagen beim Renovieren gefühlt habe.

Nachdem ich fast eine ganze Woche gebraucht habe, um eigentlich nur zwei Schichten von Tapeten (plus eine besonders widerborstige Makulatur) inklusive der ihnen innewoh- nenden Geschichten und Erinnerungen per Spachtel von den alten Wänden meines Wohnzimmers zu hebeln (und mir dabei das Handgelenk beinahe zu ruinieren), stand ich fast knöcheltief in bunten, staubigen Fetzen, während draußen allerorten der Frühling nach Kräften vollgegrillt wurde.

Übrigens fasziniert mich immer wieder, wie sich Generationen von Nichtanständigtapezie- renkönnern vor vielen Jahren ausgetobt haben müssen. Merke: Die Zimmeroberkante (also da, wo die Decke anfängt) muss IMMER durchtapeziert werden. Egal, ob von unten oder oben. Das steht im „Großen Buch der Tapezier-Idioten“, nämlich.

Nur sieben Müllsäcke später konnte aber schon die Putzfarbe mittels breitem Quast auf- gebracht werden. Und aufgebracht widerum ist haargenau das richtige Wort für Brominen, deren Wohnzimmer zur Hälfte aus über Putz verlegten Heizungsrohren bestehen…

Zwischendrin im Baumarkt übrigens, und das wusste ich bisher gar nicht, lassen sich pri- ma lebenskluge Gespräche mit wohlgesonnenen Frauen führen: Eine Mitarbeiterin wies mich nämlich fürsorglich mit Blick auf mein Wägelchen darauf hin, dass ein 10-Liter-Eimer Binderfarbe locker 10 Euro günstiger sei als zwei 5-Liter-Eimer. Das war natürlich nett von der, aber das hatte ich mir zuvor auch schon ausgerechnet und dennoch zwei kleine Eimer aufgeladen. Meine Erklärung lautete: „Ich weiß, kluge Frau, doch hab‘ ich’s im Rücken, muss das Zeug in den dritten Stock hochzerren und hab‘ leider grad‘ keinen Kavalier zur Hand. Deswegen bezahl‘ ich man lieber die paar Euro mehr und kann aber anschließend noch die Arbeit fortsetzen.“ Sie grinste und meinte: „Ach sooo! Na, passt schon. Männer kommen Einen ja manchmal noch teurer zu stehen!“ Da hätte ich am liebsten direkt zwei schöne Stücke Erdbeerkuchen und Käffchen für uns geholt, aber ich musste ja noch was schaffen.

Nur noch so viel: Anstriche gab’s mehrere, da sich Irrfarben einfanden, die sich bei Über- schlafung als „total unmöglich“ erwiesen. Also neu gestrichen wurde. Geflucht wurde. Rumgeräumt wurde. Auf Leitern wurde man waghalsig. Einmal flogen sogar die Sicherun- gen raus. Aber nach anderthalb Wochen wurde es Freitag und doch noch alles gut.

Samstag wurd’s sogar noch besser, denn da kam furchtbar lieber Besuch mit und ohne Geschenken, und dann noch furchtbar liebe Geschenke mit und ohne Besuch. – Ja, ein Geschenk wurde sogar getanzt!

Ach, und es wurd‘ getrunken, gegessen und später mit Freundin T. der Songcontest geguckt. Motti des Abends: „Versteh‘ ich irgendwie nicht, was soll denn das…?!“, „Die spinnen doch alle!“ und „Ist in der Flasche etwa noch was drin?“. Fazit übrigens: Wenn was voller Rummsbeat und Pailletten ist, dann muss es aus’m Ostblock sein.

Der Sonntag ist dann ist fix erzählt: T. erfindet morgens als erstes den „Analphabetiker“, geht dann mit mir im strömenden Regen spazieren und überlässt mich zum guten, alten Schluss glücklich dem Lümmeldiwan, von dem ich dann nur noch aufstehe, um an den Kühlschrank zu gehen. Abends wird in der Badewanne eine Sprudelbombe gezündet (Yippiee! Herrlich!), nachts werden ulkige Frisuren und Zuckerstreusel geträumt.

Ach, und ab morgen wird wieder gearbeitet. Diesmal aber gegen Geld.

24 thoughts on “Verschwitzt und staubig.

  1. sehr gut :D! herzlichen glühstrumpf zum fertigen zimmerchen [den rest hatten wir ja schon ;)]…

    und meine bewunderung dafür, daß du oft die motivation dazu hast, es hübsch aufzuschreiben :)!!

    • Joh, danke. Und fertig bin ICH auch… ;D

      Na, ich musste mich mal wieder melden, sonst heißt’s nachher, ich hätte mich in die Irre renoviert und hätte nie mehr zurückgefunden.

  2. Das erinnert mich an eine Renovierung in Kiel. Wir hatten die Tapete in der Küche gestrichen und als wir morgens in die Küche kamen – hatten sich die Tapetenbahnen gelöst. Alles hing halb runter. Also durften wir erst mal alles richtig herunterfuhrwerken.
    Ich würde bis heute gern wissen, womit die Trottel die Tapeten angeklebt hatten: mit Spucke? :))

    • Klingt super, und so, als wäre ich wahnsinnig gern beteiligt gewesen…

      Wenn der Kleister Spucke war, möchte ich aber lieber nicht darüber nachdenken, wie man sowas appliziert.

      • also die Schwalben bauen tatsächlich so, die spucken sich sogar n ganzes Wohnzimmer an ne Wand dran. Allerdings streichen sie das nicht an, weil die genau wissen, dasses von den dicken Farbeimern wieder runterfällt.

  3. alles noi macht der mai, das brominchen hilft dabei. viel schaffenskraft ist heut zu lesen :yes: oh wei, bin ich froh, dass ich vor jahren hier tapetenfreie zonen erklärt habe. ich vermute, ich wäre hier nie aus der tapeterei gekommen….

    so lass dir dein neu gestaltetes heim mental schmecken. eine wundergleiche woche und vieeele grüsse :wave:

    • Ja, lieber Mühlenmann, bei Dir möcht‘ ich auch nicht tapezieren müssen wollen! ;D

      Hier aber auch nicht mehr, die Papiere hatten noch die Vormieter angeklebt. Jetzt habe ich hier Putzfarbe. Nur im Schlafzimmer ist noch Tapete, die kommt dann irgendwann mal als Letztes ab…

      Die neuen Wände schmecken hervorragend und licht und gleichen selbtverfreilich nahezu Wundern!

      Liebe Grüüüüüüße zurück! :wave:

    • Darüber bin ich mit mir selbst noch uneins. Erstens ist es noch nicht komplett fertig, was den Effekt und ein paar Kleinigkeiten angeht. Und zweitens mache ich wohl – wenn – eher einen Freundeseintrag draus… Hm. 🙄

      Aber so viel: Es ist hell und schön geworden! 😀

  4. Smilie by GreenSmilies.com Zum heldenhaften Kampf mit der tückischen Renovierproblematik hätte ich auch so manches Schlimmes zu erzählen, aber in alten Wunden soll man nicht stochern…

    Smilie by GreenSmilies.com Es ist das sicherlich ein schlimmes Thema, und da kann man nichts machen außer Augen zu und durch.

    Smilie by GreenSmilies.com Aber schön ist es dann doch, wenn es geschafft ist!

    Smilie by GreenSmilies.com Und im sich langsam verziehenden Duft frischer Farbe feiert es sich dann doch ganz behaglich

    Smilie by GreenSmilies.com Jetzt also viel Spaß bei der Arbeit! :wave:

    • Ja, ich bin auch superfroh, dass ich’s gemacht habe. Auch wenn ich zwischendrin nur noch weitergemacht habe, weil man’s ja so nun beim besten Willen nicht lassen konnte… ;D

      Feiern ging dann aber wieder gut (grad‘ vorgestern gleich noch mal).

      Und die Arbeit… Ja, die wird. 😉

  5. Zum Renovieren kann ich jetzt wenig sagen, das habe ich in meinem Leben bisher immer glücklich vermeiden können 😛 . (Außer mal als Jugendlicher, als ich von Papa als billige Arbeitskraft herangezogen wurde, um im alten Badezimmer den mürben Putz von den Wänden zu schlagen bis runter auf die Ziegelsteine… aber in dem Alter hat man ja eh zu viel Energie und noch reichlich Knorpel in den Gelenken, also was solls. Und noch ein paar Jahre früher, als Kind, hab ich mal beim Tapezieren helfen müssen, fällt mir grad wieder ein… aber ich schweife ab, also Schluss damit.)

    Was ich nämlich eigentlich sagen wollte: Den Songcontest hab ich auch gesehen und in meim Blog auch was dazu geschrieben. Normalerweise interessiert der mich schon seit Jahrzehnten kaum noch, aber diesmal war es doch was anderes. Und hat sich auch gelohnt. Schön wars, vor allem der „Eurodance“ quer über den Kontinent. 🙂

    Dass die Lena gewonnen hat, finde ich ja noch super. Dass sie aber für nächstes Jahr automatisch wieder gesetzt sein soll, finde ich jetzt weniger super. Wenn schon, sollte es vorher eine nationale Ausscheidung geben, deren Sieger/in dann meinetwegen gegen Lena antreten soll.

    • Du bist 46 und hast (fast) noch nie renoviert?!? Wie scahfft man denn sowas? Mir kommts vor, als hätte ich mehrere Jahre meines Lebens damit zugebracht…

      Den Grand Prix habe ich geguckt, weil er eben da war, und weil sowas mit Sektfreundin eben besonders Spaß macht. Wer da eigentlich gegen wen und wieso jollert, ist mir relativ unwichtig. 😉

      • Mehrere Jahre?? Wow. Dann nehme ich mal an, dass dir Renovieren irgendwie auch Spaß macht 🙂 . Und/oder es ist dir wichtig, eine relativ gepflegte oder gar neuwertige Umgebung um dich zu haben?

        Mir ist das halt nicht so wichtig. Ich kann sogar was an Gegenständen finden, die schon eine gewisse „Patina“ angesetzt haben. Damit meine ich nun nicht, dss sie vergammelt aussehen oder gar kaputt sein dürfen.

        Mit Kunststoff ist es etwa so eine Sache. Wenn ein Gerät mit Plastikgehäuse etwas „nachdunkelt“, und zwar bitte überall gleichmäßig, dann ist das für mich noch kein Problem. Aber wenn es mit diesem braun-gelblichen Vergilben losgeht, finde ich das langsam auch nicht mehr lustig. Ich habe beispielsweise noch einen Radiowecker aus den 1980ern, der immer noch gut funktioniert. Ursprünglich war er mal weiß, später „elfenbeinweiß“, das war alles noch in der Ordnung. Mittlerweile ist die Oberseite aber doch deutlich am Gilben und ich überlege allen Ernstes, ihn zu lackieren 😉 . Eine Spraydose mit dem richtigen Farbton habe ich schon und habe den Wecker schonmal zu zerlegen versucht, aber seine Innereien sind leider allzu fest mit dem Gehäuse verbunden.

        Was Renovieren angeht: Das macht mir keinen Spaß. Das heißt, wenn ich es mir mal so richtig vorstelle, könnte es zum Ende hin, wenn vielleicht so langsam alles zu glänzen anfängt und es sich auszahlt, doch Spaß machen. Aber am Anfang ist es doch jeeede Menge Arbeit… *stöhn* 😉

        • Na, ich muss eben alle paar Jahre mal einen Anblick um mich haben, sonst langweilt mich das. Und Patina ist zwar oft ganz schön, da stimme ich zu, aber nicht so sehr an den Wänden, find‘ ich.

          Die Jahre kommen übrigens zusammen, weil sich im Freundeskreis rumgesprochen hat, dass die Bromine das mit dem Renovieren auch ganz gut kann. Da rufen die mich natürlich, wenn was ansteht…

          Und ja, es macht Arbeit. Aber man sieht ja direkt, was man schafft. Und wenn man’s für sich selbst macht, hat es auch was mit Selbstwertschätzung zu tun.

  6. Ich habe auch Jahrzehnte Buden aufgehübscht, und es hat sich IIIIMMER gelohnt. Ich bin mal mit einer Rose und einem Kissen zum Farbmischer gegangen und wollte GENAU DIESE FARBEN haben. Und siehe…dieses Zimmer ist immer noch genau so. Wunderschön! Da hat mein Instinkt mal wirklich hingehauen. MAUVE farbene Wände – klingt das nicht genial? Und ich habe güldene Rosen von Hand auf eine grüne Ledertapete SCHABLONIERT, die ich dann als Bordüre zwischen die Rosen- und Kissenfarben geklebt habe – also, diese dicke Tilla (?, die, die immer diese Wohnungen verunstaltet ) würde sich die Augen vor Neid ausweinen…Manchmal frage ich mich auch hinterher, wie das meine kleinen Nerven, die ja auch älter werden, alles so ausgehalten haben…
    Und geschrieben, meine liebe Theobromine, hast Du das mal wieder ganz wunderbar. Ich habe wieder sehr gekichert. Deine Annemikki

    • Ja genau, so Schabloniersachen habe ich auch schon ab und zu gemacht und Gold und Grün sind sowieso dicke Freunde, die sehe ich auch gern zusammen. In der Küche hatte ich mal einen Sockel in frischem Grün, und an der Wand hinter dem Esstisch drei große goldene Kreise hingemalt, das fand ich schick.

      Ich kann mir Dein Zimmerchen lebhaft vorstellen und bin sicher, dass es traumhaft schön ist! Man muss sich auch mal was trauen, finde ich. Fürs neue Wohnzimmer suche ich noch nach schönen Borten und/oder einem tollen Papier, dass ich in schmale Streifen schneiden und an die Wände kleben kann. Ist ja noch nicht fertig, alles. Auch wenn’s schon gut aussieht, bisher.

      Ganzganz liebe Grüße von Bastlerin zu Bastlerin!

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