Kastanienverabschiedung 2010

Den ganzen Vormittag über war ich natürlich vorfreudig…

Als ich gegen halb zwölf vor die Tür komme: feiner Sprühregen. Aber frische, milde Früh- lingsluft. So eine, wo man glatt meint, man atmet sich damit durch und durch sauber.

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Ich brauch‘ keine Sonne.
Mir reicht, dass es heute Frühling wird. Und da sind sie, die ersten Blättchen:
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Und hier:
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Und hier schießen sogar schon die Karotten!
(Deswegen sicher auch das Absperrband. Reine Vorsicht.)
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An „meiner“ Weide angekommen, stehe ich zwar zentimetertief im Matsch, aber damit habe ich gerechnet. Ich lehne mich einfach schön an und rufe: „Prost auf die 3! Und her mit dem Frühling!“
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Dann schraube ich mir das Püllchen auf und gehe in aller Ruhe innerlich die Liste der Mitwerfer durch, wünsche jedem einzelnen Glück & viel Sonne und trinke ein erstmal Schlückchen darauf. Um mich herum tobt ein Konzert aus Meisengezeter, Amselempö- rung und Wildgansgetröte. Man streitet sich vermutlich um die angenehmste Nachbar- schaft, die besten Wohnungen und die tollste Möblierung derselben.

Kurz vor Zwölf hole ich endlich meine Kastanie aus der Tasche und bedanke mich artig für ihren Beistand in den letzten Monaten. Das hat sie gut gemacht.
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Sie bekommt sogar noch ein Küsschen aufgedrückt, die Kirchenglocken beginnen, zum Mittag zu läuten,
– und dann fliiiegt sie!

Ein bisschen ist das, wie wenn man sich als Kind so richtig schön langgesemmelt hat und dann kommen Mama, Papa oder Tante zum Pusten, zeigen irgendwohin und behaup- ten: „Guck! Da fliegt es!“ Und man guckt und strengt sich an, ob man vielleicht noch was erkennen kann und das Weh geht darüber einfach vergessen.

Und ich muss zugeben, mir rollt glatt ein Tränchen, weil ich so erleichtert bin. Und weil mir plötzlich dermaßen das Herz aufgeht, dass ich erstmal schnell noch einen Schluck nehmen muss… Nicht, dass ich plötzlich noch wildfremde Passanten umarme, wegen Frühling und so.
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Da irgendwo liegt sie jetzt. Und es dauert gar nicht mehr lange, dann ist hier eine ganze Blumenwiese drumherum gewachsen…

– Und? Wie war’s bei Euch? (Ich glaub’s fast nicht: just kam hier tatsächlich ein dicker Sonnenstrahl vorbei!)

65 thoughts on “Kastanienverabschiedung 2010

    • Siehste! Hat schon gewirkt! :>> Mir fällt das Loslassen immer etwas schwer, aber heute habe ich auch gemerkt, wie gut das tut. Passt also prima, Dein Tagesmotto.

      Den Frühling haben wir jetzt laut genug gerufen und nun kommt er wohl mal gucken. 😉

    • Toll! Und Danke für die links. Hab‘ bei Beiden schon Grüße hinterlassen. 😀

      Ja, der Regen hat mich auch nicht gestört, dafür war die Luft und der Anlass zu schön. Nur ein Riesenhund, der natürlich total dreckig war, wäre beinahe an mir hochgesprungen, das hätte mich dann schon ein bisschen… :))

  1. Ich finde das Möhrchenfeld besonders beeindruckend!! :))

    Der Regen ist zwar noch immer da aber ich gebe die Hoffnung nicht auf! Immerhin ist die Luft angenehm warm!

    Dann bis zum nächsten Jahr!!

  2. Jetzt rollt auch mir ein Tränchen… Du hast das so wundervoll beschrieben. Danke!
    Und auch hier, bei uns in Moosburg, wird der Himmel langsam blau!
    Der Winter zieht sich beleidigt zurück. Soooo gut hat er es mit uns gemeint, und zum Dank pfeffern die Blogger ihre Kastanien (und Korken) auf ihn. :>>
    Tschüss, du kalter Geselle, kurz vor Weihnachten darfst Du gerne wieder mal vorbei schauen.
    🙂

    • Und genau so isses auch gemeint: Dem Winter die Kastanien auf den Buckel, damit er sich trollt! ;D Und es scheint ja wohl auch zu funktionieren.

      Und im Dezember find‘ ich zweidrei Wochen Schnee ja auch ganz schön, bloß den zugigen Rest könnte man von mir aus gern weglassen… Brrr…!

    • Ohne Zähne? Alle Achtung! 😉

      Also hast Du jetzt gar nichts zum Werfen gehabt? Oh nööö… Dann betrachte meine Kastanie bitte als für Dich mitgeworfen. Dick genug war sie ja.

      • Dick? Die war dick? Meine sind im Frühjahr immet total verschrumpelt :>>

        Die Löcher stammen noch aus der Zeit mit Zähnen! Aber ich glaube wenn er es darauf anlegt shcafft er ds immer noch (ich hatte Leckerlis in der Tasche gehabt und die Klamotten unvorsichtigerweise aufs Bett gelegt; hat der sich von innen durchs Futter in die Taschen rein geknabebert! Ich habs erst gemerkt als mir auf der Straße alles durch die Löcher auf den Boden fiel)

        • Ja, sieht man ja auf dem einen Foto. Die war auch kaum geschrumpft, gute Qualität eben.

          Macht sich besonders gut mit Kleingeld, so’ne bodenlose Tasche, dann haste gleich Spaziergehmusik… :))

  3. Ich war wie gesagt, komischerweise wehmütig. Aber immer wieder schön, diese Aktion. Ich freue mich sehr, dass ich schon zum zweiten Mal dabei war. Und ich nehme mir Deine aufmunternden Worte mit. Sie wird keimen,unsere Kastanie. Yes !

    • …und die Urenkel werden in ihrem Schatten picknicken, ohne zu wissen, wie es zu dem Baum eigentlich mal gekommen ist… 😉

      Ein bisschen Wehmut habe ich auch immer dabei. Aber es ist, wie Rolline sagt, eine Sache des Loslassens. Sonst kann ja nichts Neues kommen. Eine Keimung, z.B.

  4. Meine flog diesmal aus dem Fenster auf den Wäscheplatz – Punkt zwölf machte ich mein Badfenster auf, flüsterte der Kastanie ein „Bring uns einen schönen Frühling!“ und dann flog auch sie im hohen Bogen.
    Ob sie nun eine der Nachbarinnen beim Wäscheaufhängen finden wird oder sie in den Boden tritt, keine Ahnung. Vielleicht keimt sie dann ja und irgendwann wächst ein junger Kastaniensproß aus dem Rasen des Wäscheplatzes.

    • An „Fenster auf und raus“ hatte ich auch kurz mal gedacht, weil das Wetter doch ganz schön schmuddelig war. 😉 Aber hier ist eine Schule gegenüber und ich wollte auf keinen Fall, dass mit der Kleinen Fußball gespielt wird.

      Und das mit dem Frühlingbringen machen sie doch schon ganz gut, oder?

  5. verdammte Axt – WAS FÜR EIN HÜBSCHER KÄSEHIMMEL!

    und ich hab vergessen den Watcher in den Frühling zu schmeissen obwohl ich die ganze Zeit vor ihm aufgeräumt habe.

    Trotzdem ProusT!

    grinst sich eins das hikeViech

  6. Ich hab auch geworfen. Auf dem Kirchhof. In hohem Bogen. Über die Gräber. Mit (vorgezogenen) Osterwünschen. Dass nach dem Winter das Leben wiederkommt. Aufbruch. Mut. Lieder.

    Zwitscherndes Geflügel. Hoppelhäschen, die an Grabbepflanzungen knabbern. Die Leute sind immer ganz sauer, wenn ihre Primeln weggefuttert sind. Ich finde es aber prima, das die Karnickel zwischen den Gräbern spielen. Und die Leute, die am meisten wegen ihren Primeln gemeckert haben, freuen sich auch am meisten über die Langohren…

    Dass da Liebe bleibt. Omas, die miteinander lachen. Und sich Geschichten erzählen von ihren Männern. Und die mit den Männern flirten, die Geschichten erzählen von ihren Frauen.

    Sonnenstrahlen, die Tränen trocknen. Blumenduft. Ab und zu ein Radfahrer. Jemand, der unter dem Baum sitzt, wo die kleine Bank steht, und Gedichte liest. Und Zeit hat, zu plauschen.

    Frühling.

    • Das hast Du wirklich schön beschrieben, lieber Richard. So schön, dass ich mir sofort wünsche, dass auf meinem Grab dermaleinst jede Menge Primeln angepflanzt werden, auch Möhrchen und Pflücksalat und so. Dann habe ich immer possierlichsten Besuch, der mich wenigstens nicht vollquascht.

      Ist es nicht herrlich, dass man jetzt wieder rauskann und da auf andere trifft, die sich auch freuen, wieder rauszukönnen? Also, ohne die hochgeschlagenen Kragen sieht man ja die Gesichter auch wieder.

      Schön, dass Du wieder mit dabei warst!

      Ja. Frühling.

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