Keinen Euro.

In der Bahn, auf dem Heimweg von der Arbeit in die Stadt.

Neben mir ein junger Mann, vielleicht vier Jahre alt. (Ich bin bei Männern im Alterschätzen nicht sonderlich gut, bei Frauen allerdings sogar regelrecht schlecht). Ihm gegenüber sitzt offenbar sein Wochenend-Papa. (Das merkt man sofort man an der onkelhaft-bemühten Art, sich mit dem Kind zu unterhalten). Der Vater also irgendwann: „Dann fahren wir jetzt also auch mal zusammen einkaufen. Hast Du denn auch Geld mitgenommen, einen Euro vielleicht oder so?“ (Hört sich für mich an, als wolle er seinen Sohn irgendwie anpumpen.) Das Kind: „Nein…“ (Ich überlege schon mal, wo mein Portemonnaie steckt, denn als nächstes werden vermutlich beide mich anpumpen!) Der Vater tut empört: „Dann kannst Du ja überhaupt nichts für Max kaufen!“ Ich hab natürlich keine Ahnung, wer jetzt Max ist, aber der Lütte überlegt ernst und sagt dann entschlossen: „Dann kaufe ich dem Max was, was keinen Euro kostet!“

Im Gegensatz zu seinem Vater finde ich diesen Plan nicht nur prima, sondern überlege gleich, mir das demnächst auch mal vorzunehmen und lächle dem Jungen freundlich zu.

Der erklärt jetzt, wie breit das imaginäre Geschenk sein soll: es ragt vom Fenster bis mitten auf meinen Schoß. Längere Arme stehen leider nicht zur Verfügung. Der Vater versucht etwas verlegen, seinen Sohn davon abzuhalten, in meinen Luftraum einzudringen, aber mein neuer Freund und ich lassen uns gar nicht stören. Keine Ahnung, woran das liegt, und es tut mir ja auch sogar irgendwie leid, aber Männer in Bundfaltenhosen kann ich sowieso nicht ernst nehmen. Ich glaube, das liegt daran, dass diese Hosen so einen runden Popo machen, den ich bei Männern einfach albern finde. Ich sage also, quasi am Vater vorbei, zu dem Kleinen: „Und vielleicht sooo hoch!?“ und zeige mit der flachen Hand eine Stelle ungefähr einen Meter über seinem Kopf. „Ja, so hoch.“ nickt er begeistert, „und sooo tief!“ Dabei zeigt er einen riesigen Bierbauch, den er sich aber mal lieber erst in frühestens 20 Jahren anschaffen sollte. Und Max auch. Im Übrigen staune ich, dass so ein noch relativ kleines Kind schon Ahnung hat von Breite, Höhe, Tiefe. Wenn er so wei- termacht, kann er bald ein 1A Regalbauer werden. Tiefe Regale werden schließlich immer gebraucht.

„Und mit ’ner Schleife?“

„Ja, eine ganz bunte. Und eine richtig große Karte!“

„Finde ich super. Prima Plan, einverstanden!“ Ich gebe ihm die Hand drauf,  wünsche viel Spaß beim Einkaufen und stehe auf, weil ich hier raus muss.

Also lieber Max:
Wenn Du das hier zufällig liest, dann klär uns doch mal bitte auf…
– Was gab’s denn nun???

Piep!

So, heute fange ich überraschend etwas später an, deswegen habe ich jetzt kurz Zeit, ein Lebenszeichen zu senden…

Der erste Arbeitstag gestern war ganz o.k., ich bin sehr freundlich empfangen, ja sogar „Willkommen!“ geheißen worden, hab‘ mich auch nicht doof angestellt, und die Kollegin ist zwar’n büschen hektisch, aber auch sehr nett (das mit der Hektik hört dann hoffentlich auf, wenn ich erst eingearbeitet bin). Tja, mehr gibt’s eigentlich noch nicht zu erzählen.

Als ich dann abends zuhause müde vor der Lichtkiste lag, erfuhr ich, dass der Jackpot offenbar geknackt wurde. Am Samstag, als ich diese ganzen überfüllten Lottoannahme- stellen sah, habe ich übrigens noch noch gedacht: “ So’n Jeckpott ist doch, wie hunderte Millionen Samenzellen prügeln sich um ein Ei!“ – Nun sind’s also wohl Zwillinge geworden. Einer in Bayern, einer in Niedersachsen.

Das wird doch nicht etwa…?

Pinke, wenn’s Telefon klingelt?

Gestern musste ich aus Trotteligkeitsgründen ein Taxi nehmen. Als ich einstieg, legte der Fahrer eine Zettelwirtschaft zur Seite und dann mussten wir erstmal rauskriegen, welcher Weg denn wohl am schnellsten zum Ziel führt. Das dauerte ein ziemliches Weilchen, da- bei war ich schon so spät dran und entsprechend nervös. Ich fürchte, das hat nicht viel zur Klärung oder zur Beschleunigung beigetragen.

Irgendwann fuhren wir aber mit ungefähr Mach3 und sogar auf der richtigen Straße. Statt auf die zu gucken, fing er aber das hektische Rumkramen in der Mittelkonsole an und fragte mich, was er denn, meiner Meinung nach, wohl grade gemacht hätte, als ich ein- gestiegen war.

Ich: „Hm? Weißnich.“

Er: „Lotto! Jackpot! Ich mach‘ hundert Euro! 10 Scheine! Machich immer, wenn so ein hoher Jackpot ist. Und dann denkich immer am Tag vorher, dassich ja bald reich bin, dann hörich auf mit Taxifahren und kaufmirn Haus auf Mallorca!“

Ich: „Und am Tag danach?“

Er: „Dann denkich, Scheiße! Aber dannis schon wiedern neuer Jackpot!“

Er reichte mir einen blanken Schein rüber und bat mich, sämtliche Kästchen für ihn aus- zukreuzen, dabei war ich doch hibbelig wie nur was! Aber abschlagen konnte ich ihm das natürlich auch nicht, wer ist nicht gerne eine Glücksfee? Und ich musste zum Glück da- bei nicht mal herumknicksen und breit in die Runde lächeln. Außerdem versprach er, schwor er sogar, mich in jedem Fall pünktlich am Zielort abzuliefern. Also los! Während der Wagen um Kurven sauste und vor Ampeln scharf bremste, versuchte ich, ungefähr sechs Kreuzchen in jedem Feld unterzubringen. Ganz schön knifflig. Er rief: „Wenn ich gewinne, gebe ich ihnen was ab! Schreiben sie ihre Nummer hinten auf den Schein! Ich rufe sie gleich morgen Abend an, wenn es geklappt hat!“

Hab‘ ich natürlich überlegt, ist das jetzt wieder so ’ne neue Masche zum Frauenanbohren, oder wie? Aber dann dachte ich: Ach komm, ist doch witzig, und könnte doch wirklich sein, und ’ne Million würdste schon noch irgendwo unterkriegen… – Aber meinen Namen hab‘ ich ihm nicht gegeben!!!

Der Fahrer hat jedenfalls das Ding der Unmöglichkeit hingebogen und mich tatsächlich zwei Minuten vor meinem Termin vor der entsprechenden Tür abgeliefert und damit den ersten Teil unserer Vereinbarung schon mal eingehalten.

Und heute Abend lasse ich mein Handy nicht aus den Augen!

Börsennews

Na, dachte ich eben, als ich nach Hause kam, was bloggste denn heute?

Das kommt übrigens wirklich manchmal vor, dass ich Na denke. Freundin T. denkt übrigens öfter mal Hm. Das geht dann so: „Hm, dachte ich, das musste Dir noch mal angucken…!“, – sowas erzählt sie mir zumindest dauernd…

Also, ich dachte jedenfalls daran, was ich denn mal so bloggen soll. Vorher war ich noch einkaufen gewesen, und zwar für fast genau fünf Euro. Die hatte mir mein Liebster ausge- liehen, weil ich mein Portemonnaie heute Morgen in der Eile ausnahmsweise vergessen hatte. Das war mir vormittags auch schon bei einem anderen Termin aufgefallen, wo ich aus demselben Grund meine Krankenversicherungskarte nicht vorzeigen konnte.

Und nun stand ich im Treppenhaus, ganz in Gedanken, mit einem Beutel Möhren und einer Tüte Milch unterm Arm und einer großen Dose Pfirsiche auf der Faust, und versuch- te meinen Briefkasten aufzuschließen.

Und heraus holte ich: mein Portemonnaie. – Potzblitz!Portemonnaie

Offenbar hatte ich das gar nicht liegenlassen, sondern es war mir aus der Manteltasche gepurzelt. Vermutlich, als ich mein Fahrrad aus dem Hinterhofschuppen zerren und auf- pumpen musste oder so. Man gut, dass ich es noch gar nicht richtig vermisst hatte! Und natürlich war ich gleichzeitig ziemlich erschrocken. Was da hätte alles passieren können, der ganze Ärger und so! Mit diesen gemischten Gefühlen ging ich die Treppe rauf und versuchte dabei, trotz Unteramgepäck und Pfirsichdose, zu gucken, ob auch noch alles drin war, was reingehört. Was auch der Fall war.

An der Wohnungstür klebte dann noch dieses Zettelchen:

Geldbörse_gefunden Der Nachbar, dieser Pfundskerl, hatte wirk- lich an alles gedacht: Er hat sogar den Text extra auf die Klebeseite geschrieben, damit er den Zettel so herum ankleben konnte, dass ihn nicht gleich jeder im Vorbeitrampeln lesen kann!

Und da sag’ noch mal einer, hier im Viertel wohnen nur Banditen und Haudraufs! Von wegen, nämlich. Also:

Lieber unbekannter Nachbar,

Du weißt jetzt also, dass meine Barschaft 31,41 € beträgt, ich Mitglied bei der AOK, der Stadtbücherei und der Postbank bin. Auch, dass ich einen Organspendeausweis und eine Antihistamintablette mit mir führe (jedenfalls meistens), zudem Briefmarken im Wert von 1,35 €. Und dass das Foto auf meinem Perso aus einer Fotofixkabine stammt, die damals wohl gerade kaputt gewesen sein muss (anders kann ich mir meinen deutlichen Bartschatten auf dem Bild nämlich nicht erklären). Auch meine Telefonnummer und email-Adresse könntest Du jetzt theoretisch haben (Visitenkarten). Was Du nicht weißt, ist, wie ungeheuer froh ich bin, dass Du mir diese „bunte Tüte“ vorhin in den Briefkasten und damit wieder zurück in meinen Besitz geschmissen hast!

Ich vermute mal, dass Du nicht gerade zufällig Stammleser in meinem Blog bist, sonst könnte ich mich wenigstens hier bedanken. Aber vielleicht kriege ich noch raus, welcher meiner Nachbarn Du bist. Und dann setzt es aber was!

Eine schöne Schokolade zum Beispiel…

Vielen, lieben Dank von der erleichterten Bromine.

Bier und Hartz-IV

Neulich haben offenbar zwei Herren der TU in Chemnitz ausgerechnet, dass der Hartz-IV-
Satz fast dreimal so hoch ist, wie er eigentlich notwendigerweise sein müsste. Statt wie bisher 351,- Euro würden 132,- Euro demnach völlig ausreichen. Davon wiederum wären 68,- Euro (immerhin ja mehr als die Hälfte) für Lebensmittel veranschlagt. Im Monat. Ich schreibe das nur noch mal eben dazu, obwohl natürlich jedem von uns ganz klar ist, dass 68,- Euro im Monat sogar dicke ausreichen! Wer braucht denn schon mehr? Also, ich kenne zwar Leute persönlich, die auch schon mal 70,- Euro im Monat für Essen raustun, aber das sind auch echte Fresser.

Übrigens ist dieser neu errechnete, fiktive Satz für einen Mann von 1,70m Größe und 70kg Körpermasse ausgerechnet. Ob das der deutsche Durchschnittsmann ist, oder ob er bei diesen Längen- und Breitenmaßen zwangsläufig stehen bleiben muss, wenn er sich von Hartz-IV ernähren muss, bleibt offen…

Der Staat haut also für quasi überflüssiges Gesellschaftsmaterial jede Menge Piepen raus, die er sicher klüger anlegen könnte. Für neue Studien oder so.

Noch ein Beispiel: Ein Wintermantel dürfte laut Chemnitzer Rechnung 9,- Euro kosten. So ein teurer Mantel hält dann sicher auch ein paar Jahre und wärmt schön, wenn man von dem einen geheizten Zimmer, das pro Wohnung kostenmäßig zugestanden wird, mal in ein anderes gegangen werden muss.

Ach, und Zigaretten und Alkohol sind im Satz nicht enthalten. Darauf muss natürlich spe-
ziell hingewiesen werden, denn man weiß: Hartz-IV-ler ernähren sich ja bekanntlich von nichts Anderem. Und dabei ist gerade Alkohol ein ganz schreckliches Zeug! Zum Glück ist es nicht in den guten Rotweinen und Whiskeys enthalten, die sich diese Ökonomen jederzeit aus ihrem Vorrat gönnen können. In Dosenbier hingegen schon, aber Dosenbier ist ja auch potthässlich, das will ohnehin niemand sehen.

Schade, denn wozu reimt sich sonst „Bier“ auf „Hartz-IV“? Dieser Reim ist seit Einführung des neuen Arbeitslosengeldes II schon vielfach bis über den Würgereiz hinaus verwendet worden, aber er liegt eben so vermeintlich nah, dass man schon fast draufsteht. Und dann kann man ihn auch gleich verwenden. Machen doch sowieso alle. Wen kümmert’s schon, wenn auf die Arbeitsloser noch draufpolemisiert wird, die wehren sich ja doch nicht. Ich vermute eigentlich, dass der Alkoholkonsum von Alg II-Empfängern im Durchschnitt gar nicht höher ist als der von Professoren. Höher ist dabei nur der Fuselalkoholanteil, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Als das neue Arbeitslosengeld eingeführt wurde, habe ich, ehrlich gesagt, ganz fest damit gerechnet, das mindestens einmal pro Woche irgendein Arge-Mitarbeiter von einem Ver-
zweifelten als Geisel genommen oder sonstwie bedroht wird, und heftigste Tumulte in den „Kunden“centern ausbrechen. Nix passierte. Die Metamorphose zur Schafherde ist in vol-
lem Gange, wie’s aussieht. Die da oben. Wir doch egal.

Vor Tagen habe ich (auf Umwegen über’s Teppichhaus Trithemius) die Aussage einer Berliner Sozialsenatorin (Heidi Knake-Werner, Die Linke) gelesen. Sie meinte: 

 „Ich halte es grundsätzlich für schwierig, wenn wohlhabende Menschen Menschen mit geringem Einkommen etwas vorrechnen.“

Das unterschreibe ich sofort! Auch Versuche Gutsituierter, mal einen Monat mit Alg II auszukommen, halte ich für Humbug. Ein solches Experiment ist doch erst ab einer Lauf-
zeit von einem Jahr in einer entsprechenden Wohnung und in entsprechendem Umfeld sinnvoll. Und vielleicht dazu noch: ohne das Wissen, wann dieser Zustand sich wieder abändert. Und wenn dann die Waschmaschine kaputtgeht, man Medikamente braucht und die Stromnachzahlung zu leisten ist…

Keine Sorge, da bleibt auch so schon kein Geld mehr für Hartz-IV-Bier, und wenn sich’s noch so schön reimt.

Schulterzucken hilft bei Gewitterfront

Nachdem ich gestern früh einen wichtigen Termin abgehakt hatte, bei dem sich übrigens rausstellte, dass ich völlig umsonst schlecht geschlafen, mich aufgeregt und -gerüscht hatte, weil der Job dann doch leider nicht in Frage kam, rief ich endlich mal wieder Freun-
din M. an, drohte mit meinem spontanen Besuch und versprach, Brötchen mitzubringen.

In der Bäckerei sollte ich 2,18 € zahlen und schob der Verkäuferin einen Zwanziger zu. Sie hatte aber nur wenig Wechselgeld in der Kasse und war jetzt völlig zerknirscht, weil sie mir nur Hartgeld zurückgeben konnte.

„Naja“, antwortete ich schulterzuckend, „ist doch schließlich auch Geld. Heute ist wohl so ein Tag, an dem alle mit Scheinen kommen, was?“ Sie entschuldigte sich aber gleich noch mal so, als wäre sie mir aus Versehen heftig über den Fuß gefahren und meinte, es täte ihr wirklich total leid! Dann fing sie an, mir zögerlich die Ein- und Zwei-Eurostücke hinzuzählen, was ihr sichtlich unangenehm war. „Och was“, sagte ich, “das krieg’ ich auch noch irgendwie ausgegeben. Ist doch nicht schlimm…“ Ihre Kollegin hatte nebenbei alles mit angehört und meinte anerkennend: „Also, so viel Verständnis haben die Kunden aber echt selten!“ und ihr war tatsächlich Erleichterung anzusehen.

Jetzt weiß ich nicht, ob’s nun daran lag, dass ich früher selbst mal im Verkauf gearbeitet habe, oder ob es selten vorkommt, dass die da nicht so wechseln können, wie sie wollen. Aber ich frage mich schon, welche Reaktion die Beiden denn befürchtet hatten. Sind die Kunden inzwischen so, dass man regelrecht Schiss vor ihnen haben muss? Hatten sie Angst, ich würde gleich anfangen, das schlimme Lied von der „Servicewüste Deutschland“ zu singen? Haben sie mit einer Anzeige gerechnet, wegen „mutwilliger Portemonnaie-
Beschwerung“?

Etwas später ahnte ich dann, wie bei denen die Otto-Normalkundin aussehen muss:

Freundin M. wollte nach dem Frühstück gern noch mit ihren beiden süßen Töchtern auf den Spielplatz an der Fußgängerzone. Kaum, dass wir so dasaßen und schnatterten, kam eine Kindergartentruppe angetummelt und begann unter fröhlichem Gejohle einen Regentanz.

Eine ältere Frau, Typ Hanseatenschickse, näherte sich mit ihrem halbvollen Einkaufsbeu-
tel, verzog schmerzlich das Gesicht und fragte ein Kind: „Was schreist Du denn so! Du musst doch nicht so schreien!“ Das Kind ließ sich aber zum Glück nicht beirren und lach-
te herzhaft, bevor es erneut loslegte. Jetzt blieb die Frau aber stehen und fing an, erstmal kräftig rundum zu meckern, erwischte dabei einen Betreuer und wollte ihn jetzt zur Verant-
wortung ziehen: „Muss das sein, dieses Geschrei hier!?! Das geht doch nicht!“ Der blieb aber ganz ruhig und meinte nur: „Das ist’n Spielplatz hier!“

Nu’ wurde Omi aber richtig fuchsig, holte ihr Handy raus und fing an, zu Demonstrations-
zwecken zu telefonieren. Nur um irgendeinem armen, unbeteiligten Menschen mitzuteilen, es sei hier so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstünde!

Ich muss jetzt mal sagen, dass mir das noch nie passiert ist. Ich verstehe meine eigenen Worte immer prima, egal, ob’s nun laut ist oder nicht. Manche verstehe ich sogar, obwohl ich den Mund gar nicht erst aufgemacht habe! Was ich hingegen manchmal nur ganz schlecht verstehe, sind die Worte der Anderen, aber das ist ja ganz normal…

Ich meine, wenn man in der Nähe eines Spielplatzes wohnt, kann das im Sommer schon mal anstrengend sein; ich weiß gut, wovon ich rede. Aber im Vorbeigehen Kinder anzu-
meckern, die sich in der Stadt auch mal austoben wollen…? – Das erinnert mich schwer an das Titellied der 70er-Kinderserie „Rappelkiste“, in dem ja vorkommt: „Machste mal zuhause Krach, kriegste gleich eins auf das Dach. Willste übern Rasen laufen, mußte dir ein Grundstück kaufen. Spielste mal im Treppenhaus, schmeißt dich gleich der Hauswart raus.“

Der Kindergartenbetreuer schlug der Frau vernünftigerweise vor, sie könnte doch auch ein-
fach weiter gehen…

So hätte ich das übrigens auch gemacht. Die Gesetze der Physik sagen schließlich, dass die Lautstärke mit der Entfernung abnehmen muss. Madame hatte aber zuwenig Ahnung von Physik und rief entrüstet: „Ja, ich kann doch nicht fliegen!!!“. Aber stehen bleiben und wertvolle Energie verpuffen, das konnte sie prima. Erst als sie merkte, dass wirklich niemand Partei für sie ergriff, sondern eher überall geschmunzelt wurde, ging sie unter anhaltendem Gezeter und Gepruste weiter.

Ich vermute, zum Bäcker.

Gute Karten, schlechte Karten

Wenn ich über Ostern verreise, dann geht das so: Ich laufe schon Tage vorher zum Bahn-
hof, mit der Befürchtung, dass die Schlange vor den Kartenschaltern bestimmt irre lang sein wird. Und tatsächlich: sie ist irre lang. Und anscheinend ist sie tot, denn sie bewegt sich nicht. Andererseits kann man das gerade bei Schlangen nie so genau wissen. Als ich eine halbe Stunde gewartet habe, weiß ich, die Patientin lebt zwar doch, aber sie ist schwach. Gerade mal vier Kunden hat sie ausgespuckt, dabei sind alle 10 Schalter geöffnet. Soll ich vielleicht…?

Also traue ich mich zum ersten Mal an einen Automaten. Hoch konzentriert (jetzt bloß nix verkehrt machen!) drücke ich mich durch das Menü. Plötzlich komme ich nicht weiter. Irgendwas muss ich doch falsch gemacht haben. Aber zum Glück stehen hier einige jun-
ge Leute in roten T-Shirts herum, die den Automatendoofen helfen sollen. Ich frage eine junge Frau, die garantiert nicht mal halb so alt ist wie ich und wohl keine Lust hatte, ihr Taschengeld in den Ferien durch Babysitten oder im Callcenter aufzubessern. Das hat sie jetzt davon. Sie besieht sich mein Problem für mindestens eine Zehntelsekunde, drückt frech auf „Abbruch“ und fragt mich dann patzig: „Wo wollense denn hin?!“ Ich schaue lieb, antworte brav und hoffe, ich muss nicht auch noch ein Gedicht aufsagen, denn ich bin to-
tal geschafft vom Renovieren und mir fällt jetzt bestimmt gerade keins ein. Sie will aber zum Glück kein Gedicht, sondern tippt meinen Zielort neu ein und lässt mich dann mit einem „Das müssen sie jetzt alles noch mal neu machen!“ stehen. Ich überlege, aber nur kurz, ob ich das jetzt vielleicht auch in ein Hausaufgabenheft eintragen muss.

Also mache ich noch mal neu und wohl gar nicht so verkehrt, und freue mich, als der Au-
tomat tatsächlich handliche Tickets und Reservierungen auswirft. Mit Dauersparpreis und allem! Und viel billiger als am Schalter!

Glücklich fahre ich nach Hause und greife sofort zum Telefon, um die Bahnautomaten und mich zu preisen: „Toll! Und richtig gespart! Ich bin ganz stolz auf mich. Das mache ich jetzt immer so.“ usw., usw…

Das war Dienstag. Am Samstag wollte ich ja fahren. Und am Freitag schaue ich noch mal ganz verliebt auf die Tickets und da steht plötzlich: 29.3. und 2.4. Klar, von Samstag bis Mittwoch. Aber irgendwas ist doch trotzdem falsch. Und dann ruckt es mir durch’s Hirn: Verdammt, Du hast das falsche Wochenende gebucht!!! Deswegen war das auch so günstig zu kriegen. Kein Mensch will an diesem Wochenende reisen. Mistmistmist! 

Und, auch klar: Als ich nun, drei Tage später, wieder zum Bahnhof komme, ist die kranke Schlange immer noch da. Und ich muss 15,- Euro Strafe zahlen für’s Umbuchen. Und ich bekomme keine billigen Tickets mehr. Und ich bezahle einen saftigen Preis für die neuen Tickets. Und das, liebe Kinder, nennt man Lehrgeld.

Zum Glück war die Hinfahrt dann aber wenigstens recht bequem, das Umsteigen klappte auf Anhieb, die Ankunft war vergnüglich, der Aufenthalt schön und abwechlungsreich (darüber erzähle ich später mehr) und auch die Rückfahrt war eigentlich, wie sie sein soll. Nur, dass es ab Dortmund im ganzen Wagen durchdringend nach Kloseife roch und der Schaffner uns mit seinem vergnügten, aber viel zu laut durchgesagten: „Guuuten Tach!“ erschreckte. Aber es gibt ja nun wirklich Schlimmeres.

Und das schöne Geld hätte ich ja doch bloß wieder nur für Süßigkeiten, schöne Männer und modischen Schnickschnack ausgegeben…

Groschen

Ich mag das hübsche Wort Groschen und finde, es soll nicht verschwinden.
Und deswegen benutze ich es eben einfach weiter. Wenn ich an der Kasse stehe und im Portemonnaie herumsuche, sage ich öfter mal: „Warten sie mal, einen Groschen habe ich bestimmt auch noch klein!“ Die Kassiererinnen grinsen und wissen immer, was gemeint ist: Das 10 cent-Stück, klar. Schließlich ist der Groschen auch schon früher nicht unbe-
dingt ein 10-Pfennig-Stück gewesen, sondern hat im Laufe der Zeit verschiedene Werte gehabt.

Für mich hat er natürlich, als ich noch klein war, einen ganz bestimmten Wert gehabt. Nämlich den Tauschwert gegen Süßes an der Bude. Und ich bin beinahe sicher, dass das nicht nur mir so geht…