„Rehe, das ist eine Seele mit vier Beinen und haben einen großen Hals und einen großen Kopf.“ – (Tobias Wolf)
Diesen ganz wunderbaren Satz und noch viele weitere findet man auf der Webseite des Magazins „Ohrenkuss“.
Ich hatte von diesem Projekt schon vor einigen Jahren mal gelesen, damals öfter dort ge-
stöbert und dann, wie das eben manchmal so ist, rutschte es mir in den weniger aktiven Be-
reich des Hinterkopfes.
Bis neulich: ich lag so auf dem Sofa, und da war mittenmal ein Bericht darüber im Fernsehen, der mich glücklicherweise wie-
der daran erinnerte. – Und was ist denn nun ein „Ohrenkuss“?
Den hat jeder schon erlebt:
Man hört und sieht ganz vieles – das meiste davon geht zum einen Ohr hinein und sofort zum anderen Ohr wieder hinaus.
Aber manches ist auch wichtig und bleibt im Kopf – das ist dann ein Ohrenkuss.
Einen Ohrenkuss gibt es alle sechs Monate.
Und zwar seit inzwischen zehn Jahren als wunderbar gestaltetes Heft, das man über ein Abo beziehen kann. Auch auf der Webseite findet man einen großen Teil der Texte und ruckzuck ist beim Stöbern ein Stündchen vergangen, weil man sich mit Lust verspaziert hat.
Wer sind die Macher vom Ohrenkuss?
Mehr als 20 Personen machen beim Ohrenkuss-Team in Bonn mit:
Zwölf Personen mit Down-Syndrom schreiben die Texte.
Drei Personen begleiten die Menschen mit Down-Syndrom.
Drei Personen kümmern sich um das Geld und um das Verschicken der Hefte.
Mehrere Leute fotografieren für den Ohrenkuss.
Eine Person gestaltet den Ohrenkuss.
Eine Person macht das Stimm- und Kommunikationstraining.
Im Moment arbeiten mindestens vier Menschen an der Internet-Seite des Ohrenkuss.
Und fast vierzig Personen mit Down-Syndrom, die nicht in Bonn leben, schreiben Texte für den Ohrenkuss.
Das aktuelle Impressum findet sich übrigens hier.
Damit ist ja eigentlich alles erklärt?
Nee, da sollte man schon mal selber gucken! Ich sitze jetzt selbst wieder immer mal total durchgerührt vor dieser Webseite, und möchte Euch das ebenfalls ganz nah ans Herz legen. Die Texte sind kraftvoll, bildreich, überraschend, bewegend und witzig. Die Autoren schreiben sie entweder direkt selbst oder diktieren sie einem Assistenten. Es wird nicht korrigiert oder sonstwie drüber gefahren, nur in Form gebracht.
Jedes Heft behandelt ein Thema, und zwar von allen Seiten (zurzeit geht’s um das „Aben-
teuer Liebe“, aber ich empfehle unbedingt, auch mal ins Archiv zu schauen. Den Satz über Rehe findet man z.B. im Heft „Tiere“), die Fotos sind super und man sieht eigentlich schon auf den ersten Blick, wie viel Herzblut und Können im ganzen Projekt steckt. Und dann liest man sich fest…
Und hier noch ein paar Kostproben, bevor Ihr dort selber mal entdecken geht:
(Aus dem aktuellen Heft: „Abenteuer Liebe“ 20/2008):
Wie es istKuscheln, streicheln und einen Freund.
Liebhaben ist schön, aber auch anstrengend.
Das ist so.Mirco Kuball
Ich liebe Dich
Ich scheinken dir ein Herz mit Blumenstrauß
mit einen vogel über die Liebe ich will dich wieder sehen
ich will mit dir verabreden
ich will mit dir zusammen sein
ich will wieder mit dir einkaufen
ich will wieder liebe.
Viele Grüße für von Mädchen.
Ich liebe dich.Verena Günnel
(Aus dem Heft „Tiere“ 12/2004):
Der Hahn krähte wie ein Berserker
Als die von dem großen trip von Bremen / es doch nicht klappte und schon dann schon schliefen erstmal / aber als einer von den Räuber kam und / und das feuer legen wollte / sprang auf ihm und spie und kratzte in seinem Gesicht / und dann der hund biss ihn dolle / so das er aufschrie / und irgentwie dann der Esel der ihm in den hintern vollekanne eins so richtig volle tritt / und dann der han der sehr laut krähte wie ein berserker / und der Räuber suchte sich das weite und dann schliefen sie weiter.
(Kaylynn)
Intensive Texte hast Du da für uns gefunden.
Schöne Grüße vom Indogermanen
Hallo Alex,
– schön, dass Du mal wieder da bist!
Ja, ich empfehle dringend, dort auf der Webseite mal auf Entdeckungsreise zu gehen. Die ist wirklich schön und gehaltvoll…
Lieben Brominengruß!
Genial!!! Vielen Dank!!! Ich schicke den Link auch gleich an meine Cousine, die hat eine Tochter, die drückt sich sozusagen genauso aus. Die kennt dieses Magazin noch nicht und wird sich sicher sehr darüber freuen, ebenso wie ihre Tochter. Nochmals vielen Dank, das hätte ich sonst nie erfahren.
Überhaupt muss ich mal sagen, dass das Bloggen eine sehr sehr anregende und gehaltvolle „Sache“ ist, bei dem man so herrliche Leute wie Dich kennenlernen kann, die man sonst niemals „getroffen“ hätte. Auch dafür hier mal meinen ganz herzlichen Dank – an Dich(!!!) und an Alle, die hier schreiben und lesen.
Ach, Mikkichen, Du machst mich ja janz verlegen…
Aber ich kann auch nix anderes sagen, als dass mir durch das Bloggen schon unheimlich viel Schönes ins Leben gerauscht ist, das kann ich hier gar nicht alles aufzählen… Dazu gehören aber natürlich auch Deine Texte, die mir im Übrigen viiiieeel zu selten erscheinen! 😉
Und man gewinnt die Menschen „hinter“ den Blogs richtig lieb, das geht mir ebenso. Und wer weiß? Vielleicht trifft man sich ja doch mal „richtig“… Ausschließen möchte ich das nicht. Es müsste doch herrlich sein, mit ein paar Euch auf dem Sofa!
Aber noch mal zum „Ohrenkuss“: Wie alt ist denn die Tochter Deiner Cousine? Vielleicht könnte sie sogar selber mal Texte dort einschicken… Freunde von mir haben übrigens ebenfalls einen Sohn mit Down-Syndrom (3 Jahre), sie kennen die Webseite auch (und finden sie super), haben aber leider zu selten Zeit für’s Internet. Da werd‘ ich vielleicht mal ein Abo verschenken…
Aber es ist noch mal ausdrücklich zu sagen, dass diese Texte wirklich für Jeden lesenswert sind!
Meiner Cousine ihre Tochter ist schon 28 Jahre alt und kann selber nicht schreiben, das kann aber ihr Freund. Sie wohnen im Tabaluga – Heim von diesem Sänger, ich komme nicht drauf, wie er heisst – rumänische Wanderw…nee, jetzt weiss ich´s Peter Maffay, der hat das alles dort sehr schön gemacht, wirklich. Sie schrieb bzw liess mir vor kurzem einen Brief schreiben, der aus einem Satz bestand: „Liebe Charlotte, ich habe Dich ganz sehr lieb und bitte schicke mir gleich Geld.“ Das ist direkt und wird sofort von mir verstanden. Als mein Vater seinen 92. Geburtstag feierte, sagte sie als einzige, dass sie sehr froh ist, dass er immer noch lebt,(er sagte, dass er darüber genauso froh ist und lächelte) und dass er so ein schöner Mann wäre, weil man das Zahnfleisch so schön sieht, wenn er lacht. Da musste mein Vater gleich wieder lachen, und sie kniete vor ihm nieder und küsste ihm beide Hände. Das war ein richtig schauer Geburtstag, kann ich Dir versichern. Ich werde ihrer Mutter ein Abo zum Geburtstag schenken, habe ich gerade beschlossen!
Ja, man hat früher wohl gedacht, Menschen mit Trisomie könnten und bräuchten nicht lesen und schreiben lernen, aber inzwischen ist man da zum Glück klüger. Allerdings hängt es auch wirklich von der Begabung dazu ab. Was Du da über den Geburtstag schreibst, find‘ ich witzig und rührend. Also, bestimmt werden sich die Zwei über das Abo ganz schön freuen…
Der Lütte meiner Freunde sagt ja bisher noch nicht so viel, aber man versteht ihn trotzdem. Als ich zuletzt da war, musste sein Spielzeugauto unbedingt unter meinem Oberschenkel parken! Dann musste es rausfahren, dann wieder parken, dann rausfahren, dann… Das Reden hingegen übernimmt bisher noch der 6-jährige Bruder, der dafür mitunter unglaublich viel erzählt, besonders, wenn meine Freundin und ich grad mal ganz gemütlich plaudern wollen. 😉