Lächeln, bis der Arzt kommt.

Eben habe ich gelesen, dass beruflich verordnetes Lächeln krank macht.

Und das überrascht mich nun überhaupt nicht. Leider ist nicht zu befürchten, dass diese Nachricht die zuständigen Arbeitgeber bald erreichen wird, aber die müssen ja auch nicht zwangslächeln. Als repräsentative Gruppe wurden übrigens Stewardessen angegeben. Die können von der Lächelei Depressionen, zu hohen Blutdruck (wahrscheinlich bis zu 12.000 m) und Herz- Kreislaufprobleme bekommen. Die Armen. Sicher ist es noch ein Weilchen hin, bis das als Berufskrankheit anerkannt wird. Vorerst wird den Betroffenen empfohlen, sie sollten gelegentliche Pausen einlegen und sich dann zurückziehen.

Ich stelle mir also vor, wie sich die Stewardessen auf Flügen immer mal in einer winzigen Kabine zusammendrängen, um dort unter erleichtertem Seufzen wenigstens für ein Minüt-
chen ganz grimmig zu gucken.

Mir geht diese vertraglich zugesicherte Fröhlichkeit schon lange auf die Nerven, weil ich meistens sehr genau merke, ob mich jemand freiwillig anlächelt oder nicht. In Bäckereien zum Beispiel. Da wird man manchmal empfangen, als sei man zehn Jahre weg gewesen und schrecklich vermisst worden, und jetzt können endlich alle aufhören, um mich zu wei-
nen. Und dann wird man geradezu zu Boden gelächelt und muss womöglich auch noch zurücklächeln, obwohl einem grade gar nicht danach ist. Und das nur, damit die Verkäufe-
rin keinen Ärger mit dem Chef kriegt. Schließlich muss ich als Kunde so gut gelaunt aus der Filiale treten, dass ich da in Zukunft nicht nur Brötchen kaufe, sondern mir auch mei-
nen täglichen Glückskick abholen gehe. Na, und dann ist Pfingstmontag geschlossen.

Tatsächlich habe ich mich schon mal in der Sache beschwert, und zwar bei einem großen Filialisten hier in Hannover. Dort machte man nämlich den Fehler, alle Verkäuferinnen auf „überbordende Freundlichkeit“ umzuschulen und anschließend seine Brötchentüten mit einem denunzierenden Fragebogen zu bedrucken. Man konnte da ankreuzen, wie freund-
lich man in der dabei anzugebenden Filiale bedient worden war, und wie zufrieden man überhaupt sei und so, und dann die Brötchentüte an die Bäckerei schicken. Dafür sollte es als Dankeschön einen Gutschein geben.

Ich kreuzte, – nein, ich kreuzte eben nicht!
Denn dafür gab’s gar kein Feld… Es gab: „Unfreundlich“, „freundlich“, „sehr freundlich„. Ich schrieb darunter: „anstrengend überfreundlich!„, und kreuzte eben das dann an. Und dazu schrieb ich noch, dass das aber nicht nötig sei, denn ich wolle ja nur Brötchen kaufen und das sei eigentlich kein Begeisterung auslösender Vorgang.

Eine richtige Antwort bekam ich nicht (wie unfreundlich!), nur einen Standardbrief, – den aber mit Gutschein: über sage und schreibe zwei Brötchen!

Eventuell probiere ich eines Tages aus, wie viele Brötchen ich wohl bekomme, wenn ich mal das „sehr freundlich“-Feld ankreuze.

22 thoughts on “Lächeln, bis der Arzt kommt.

  1. Derartig gezwungenes lächeln begegnet Dir in den USA auf Schritt und Tritt. Dort hast Du das Gefühl als würde Dich ein ganzes Land jahrelang vermissen. Und ich dachte immer das „Land des Lächelns“ sei ein ganz anderes…

    Keep smile *fg*

    • Darum sagen sie auch andauernd: „You’re welcome!“
      Stattdessen könnten sie dann ja eigentlich auch rufen: „Oh! Finally you’re back! Gosh, i’m so exited!“

      In Asien ist es vermutlich etwas weniger anstrengend, weil einem dort nicht so an den Hals geprungen wird. Eine Freundin von mir ist Japanerin und ist wiederum manchmal ziemlich befremdet über die „deutsche Muffligkeit“.

    • Da muß ich dir recht geben. In den USA ist man derart oberflächlich antrainiert freundlich, daß einem schlecht wird.
      Wenn mich hier in den Geschäften jemand derart überschwänglich begrüßen würde, käme ich mir echt verarscht vor.

      P.S. Mir sind hier die Standartbegrüßungsformeln „Einen schönen guten Tag, mein Name ist Jamie Lynn Krautseifen, was kann ich für Sie tun?“ schon grenzwertig.

      B)

  2. Ich liebe es ja, wenn sie so eine Verkäuferin dann wegdreht und das Lächeln noch einen Moment lang im Raum hängenbleibt, weil es nicht weiß, wo es jetzt hin soll. Normalerweise löst es sich dann unter leichter Geruchsentwicklung auf – meistens Flieder.

    Wenn mich Verkäuferinnen begrüßen, wie eine lange vermissten alten Freund bin ich immer kurz davor zu fragen wie es denn die ganzen Jahre so gelaufen ist während ich in einem jordanischen Knast eingekerkert war weil ich angeblich Pfefferminzbonbons geschmuggelt habe. Ich wache ja nachts noch manchmal auf und schreie einfach laut, deshalb hat mich auch meine Frau mit den Kindern verlassen- Aber das macht nix, weil ich ja jetzt diese Beziehung mit dem Modell aus dem Fernsehen habe, die allerdings meine Briefe nie beantwortet…apropos, was tragen Sie denn drunter? Und dann lächele ich. Ein bisschen.

    • Lass‘ mich raten: Und jetzt werfen sie Dir Deine Brötchen schon über’n Tresen zu, kaum dass Du zur Tür reinkommst. Und dann haben plötzlich alle hinten in der Kaffeeküche zu tun. :))

      Eine hübsche Antwort auf „Schönen guten Tag!!!“ ist auch: „Das glaubst Du auch auch nur…!“

    • Und, bist Du bis jetzt immer kurz davor geblieben, oder hast Du schon mal tatsächlich zu einer solchen Frage ausgeholt? Da sind doch die meisten Verkäuferinnen leicht überfordert, schätze ich, denn auf solche Bemerkungen sind sie sicher nicht vorbereitet worden im Dauerlächelschnellkurs.
      A propos „Was tragen Sie denn drunter?“:
      Ein Freund von mir ging noch zu DDR Zeiten, weil es nichts passendes wärmendes zum Drunterziehen für ihn als Bergsteiger gab, in ein Damenmodenunterwäschegeschäft und fragte dort nach einer Strumpfhose in seiner Grösse(er ist genau 2 Meter gross). Die Verkäuferin lächelte überhaupt nicht, fragte ihn aber sehr dezent, ob diese Strumpfhose denn vielleicht auch durchsichtig sein soll. Da begriff mein Bekannter, dass sie dachte, er sei schwul und hätte was ganz Aufregendes vor mit seiner Strumpfhose.
      Da kann man mal sehen, wie angenehm es sein kann, wenn eine Verkäuferin mal nicht lächelt. Die Gefahr bestand in der DDR aber sowieso nicht, unsere Verkäuferinnen lächelten so gut wie nie, genau wie wir Käufer/innen. Es gab ja auch nichts – zu lächeln!

      • Schöne Geschichte, liebe Annemikki. 😉
        Ich nehme mal an, dass der Bekannte nicht als Drag-Queen in die Berge stöckeln wollte. Hat er denn wenigstens gelächelt, als er merkte, was die Verkäuferin sich so zusammenreimte? In so’ner Situation behauptet man ja gerne mal: „Es ist für einen Freund!“, aber das hätte in diesem Fall sicher keinen Unterschied gemacht.

        Ich habe mal was „Peinliches“ in einer Apotheke kaufen wollen und extra gewartet, bis sie leer war. Als ich dann aber drin stand, kamen gleich 3-4 Leute hinter mir rein und zu allem Unglück war die Apothekerin dann total schwerhörig! :))

    • Den Präparaten würde es bestimmt gefallen, wenn Du sie den ganzen Tag breitestens angrienen und mit ausgesuchter Höflichkeit vollmachen würdest: „So, verehrter Herr Käfer, bittesehr, diesen Platz habe ich speziell für sie reserviert. Ich freue mich so, sie herumschieben zu dürfen, dass ich beinahe ganz verrückt davon werde! Bitte hier entlang…“ :))

      • oder: „Darf ich Ihnen noch etwas Formalin nachschenken, Frau Qualle?“ 😀
        Ich glaub die sind einfach nur froh, wenn ich nicht grinse. Ach ja, ein Grinsen war der Grund warum ich überhaupt oben aus der Sammlung wieder rausgekommen bin… Fotoapparat holen… hab nämlich ein Stilleben entdeckt, das dringend für die Nachwelt festgehalten werden muss bevor ich’s wegen Neuinventarisierung auseinanderrupfe.

  3. Heute etwas darüber gelesen, wie man echtes von gekünzeltem Lächeln unterscheiden kann.

    http://gemeinsam-geht-es-besser.blog.de/2008/05/15/die-wunderbare-wirkung-eines-echten-lach-4176835

    Aber mal ganz ehrlich, würde Dir ein grießgrämiges Gesicht besser gefallen als ein gekünzeltes Lächeln.
    Leider verstecken wir uns oft hinter einer Fassade und zeigen nicht unsere wahren Gefühle, ich denke mal Du auch nicht.

    Auch hier im Blog zeigen wir nicht immer wie es uns wirklich geht.
    Dich würde ich einschätzen als ein sehr lebensfroher und glücklicher Mensch aber ob es immer der Tatsache wiederspiegelt, wir zeigen ungerne unsere Schwächen. 😉
    Ich übrigens auch.

    • Naja, dass mir ein griesgrämiges Gesicht besser gefällt, habe ich ja nicht gemeint. 😉

      Aber ich finde, auch dem Servicepersonal steht ein natürlich empfundener Gesichtsausdruck am besten. Es darf also auch ruhig mal „nicht gut drauf“ sein, das nehm‘ ich nicht persönlich. Ein echtes Lächeln schon eher, das kann mir tatsächlich schon mal den Tag erhellen. Ein erzwungenes Lächeln macht mir eher ein schlechtes Gewissen, denn es wird ja immer behauptet, der Kunde wolle das so.

      Und hier im Blog zeige ich mich auch durchaus mal nachdenklich oder traurig. Allerdings führe ich den Blog ja nicht wie ein Tagebuch und schreibe deshalb auch nicht alles hier hin. Das betrifft aber „Schönes“ und „Unschönes“ gleichermaßen…

      • Eigentlich werden wir das ganze Leben getäuscht.
        Die Verpackungen in den Läden lächeln uns auch an und sagen, kaufe mich und wehe eine Verpackung lächelt nicht mehr, ist etwas angekniekst, wir kaufen sie nicht mehr.
        Stelle Dir vor alle Verpackungen wären weis und es würde mit schwarzer Schrift nur der Inhalt darauf stehen. 😉

        Ich glaube das wir oft betrogen werden wollen um uns irgend wie besser zu fühlen.

        So ist schöner 😀 als wenn wir Menschen so 🙁 sehen.

        Ich muß meine Patienten auch oft anlächeln auch wenn mir nicht immer danach ist oder sie einen Duft nach Zwiebeln, Knoblauch oder Schweiß ausdünsten.
        Wie schön wäre da ein Backladenduft. 😀

        • Liebe mandelbraun,
          es ging mir ja in meinem Eintrag nicht um die normale grundlegende Freundlichkeit, die man wohl besser mitbringt, wenn man sich für einen Serviceberuf (oder wie Du wohl, für einen medizinischen) entscheidet. Da würde man als menschenscheuer Einzelgänger oder Misanthrop sicher nicht glücklich werden.

          Vielmehr geht’s mir um von oben verordnete Zwangsfröhlichkeit, die in auswendig gelernte Worthülsen und antrainierte Körpersprache gesteckt wird. Und gerade in Bäckereien frage ich mich oft, warum sie ihre Energien nicht lieber in die Herstellung von guten Broten und Brötchen stecken, stattdessen bekomme ich immer häufiger zwei Luftnummern für 35ct das Stück in die Tüte gelächelt. Da ist was falsch.

          Ich möchte den Vergleich zwischen Menschen und Produkten auch nicht gern ziehen, denn ich glaube, dass es einer Tütensuppe oder einem Joghurtbecher wesentlich einfacher fällt, zu lächeln, als einer Verkäuferin, die auch noch ihren Alltag auf die Reihe kriegen muss.

          Ich arbeite nun lange genug im Bereich Gestaltung und Grafik, um mir da meine persönlichen Grenzen zu ziehen: Ich mag es durchaus, wenn etwas schön gestaltet ist, z.B. eine Pralinenschachtel edel aussieht. Wenn Form und Inhalt also zueinander passen. Ich gehöre aber auch zu denen, die die Schachtel dann umdrehen, um auf die Zutatenliste zu gucken. Wenn mir nicht gefällt, was ich da lese, kaufe ich nicht. Da kann die Hülle noch so fein sein. So muss jeder sich fragen, wie weit er sich verführen lässt. Darüber lasse ich mich übrigens auch hier gelegentlich aus. 😉

          Natürlich sehe ich 🙂 lieber als :(. Weil ich lieber das Gefühl habe, dass es den Menschen in meiner Umgebung gut geht. Wenn man aber vom gekünstelten Lächeln sogar krank werden kann (was mich, wie gesagt, nicht überrascht hat), verzichte ich sehr gern darauf.

          So ungefähr war’s gemeint.

          😀 Theobromina

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