In den Seitengassen des Trubels

Armer_Hase

Dieser kleine Hase wird dieser Tage leider nicht gefeiert. Eigentlich auch andere Hasen kaum, denn die meisten von denen, die man jetzt so zu sehen bekommt, sind eigentlich Kaninchen. Dieser übrigens auch. Und er ist vielleicht ein wenig betrübt, dass seine Schokokollegen mit bunter Folie und nichtsnutzigen Glöckchen (die man irgendwie nie wegschmeißen möchte, deshalb hängen sie einem noch monatelang im Weg rum) heraus geputzt werden. Man schiebt ihnen leckere Schokoeier unter und bettet sie gemütlich in Körbchen. Die lebendigen Geschwisterchen werden fleißig in Kameras gehalten, kriegen Schleifchen um, und kommen so wenigstens kurzfristig mal aus den Tierheimen raus. Nach zwei Wochen müssen ja sie leider wieder zurück, aber immerhin: Zwei Wochen all-inclusive mit behätschelt und betätschelt werden; – dafür müssen andere lange mümmeln. 

Ihre Gesichter werden wie Popstarfotos sogar auf Gebäckteilchen gemalt (ich weiß das, denn ich musste vorgestern im Zug einen Amerikaner mit einem wie auf Extasy grinsen-
den Hasengesicht drauf essen, das war mir doch irgendwie peinlich), und flauschige Junghühner stehen ihnen überall zur freien Verfügung.

Das alles kriegt unser Häschen nicht. Es hockt jahrein, jahraus in einer kleinen Bäckerei in einer dunklen Ecke und wird nur kurz beachtet, wenn jemand Zigarettenschmacht hat. Er muss dafür aber dauergewellten Hausfrauen beim Plattenkuchenkauf, unrasierten Spät-
aufstehern beim Holen von Joggerbrötchen und beparkaten Männern beim Kaffeetrinken zusehen. Er wird nicht nur nicht geschmückt, sondern muss sich sehr anstrengen, den Kopf immer von der hässlichen und gar nicht meisterlichen Lampe weg zu drehen, und hat zudem sogar unbequemerweise den Arsch ab. Eigentlich kein Wunder, dass er da ein bisschen unzufrieden guckt, oder? Armes Häschen.

19 thoughts on “In den Seitengassen des Trubels

  1. Siehste, unsereins würde sich dieses zugegebenerweise etwas unbequeme Arsch ab in verfeinerter Form durchaus wünschen und kriegt es einfach nicht ab…und guckt manchmal bisschen unzufrieden, wenn immer noch zu viel dran ist. Ich finde, es gibt einfach zu viele arme Häschen auf dieser Welt.

    • So habe ich das noch gar nicht betrachtet…! Aber ich gehe davon aus, dass das arme Häschen seinen Arsch durch unsachgemäßes Runterfallenlassen ab gekriegt hat. Und das lässt sich vermutlich und auch glücklicherweise wohl nicht gut als „Bauch-Beine-Po-Gymnastik“ empfehlen. 😉

      • Wie die Hühner hinten aussehen, will ich lieber gar nicht wissen. Nach dem vorösterlichen Legestress und wo doch der Osterhase auch schon sichtbar überstrapaziert ist.

        Und der Osterhase legt
        (bald sehr eitel, bald bewegt)
        Rührei oder Spiegelei.
        Schauerlich stöhnt er dabei.

        (Ringelnatz)

        • „Es war einmal ein Hase, der war braun, hatte lange Haare und lange Ohren, einen kurzen Schwanz und hüpfte um die Ecke. Er hüpfte auch dann um die Ecke herum, wenn gar keine Ecke da war. Doch eigentlich war er gar nicht braun, sondern rosa, und seine Haare waren eigentlich kurz, sein Schwanz geringelt, und er hüpfte eigentlich überhaupt nicht, sondern grunzte und wühlte im Schlamm. Dann sah er schlammig aus, nicht mehr rosa, sondern dunkelgraurot, und wenn er kleine Ferkeln hatte, dann saugten die an ihm. Doch eigentlich war er gar nicht graurot, sondern grauweiß, hatte viele Federn und ein paar schöne Flügel, mit denen er aber nicht fliegen konnte. An seinen Beinen hatte er Schwimmflossen und schwamm stolz auf dem Teich im Park und ließ sich von den Leuten, die dort vorbeigingen, Brotkrumen zuwerfen. Das heißt, eigentlich schwamm er unter Wasser, hatte goldene Schuppen und einen Schwanz mit zwei Spitzen. Das heißt, eigentlich hatte er fast keinen Schwanz, hatte sehr kurze Ohren und war sehr dick und hielt sich mit Vorliebe im Nil auf. Sein Maul hatte eine stattliche Anzahl von Zähnen. Das heißt, eigentlich wurde er mit Dampf betrieben, hatte hinten eine Schraube und vorn 2 Anker, in der Mitte einen Schornstein und auf der Kommandobrücke einen Kapitän und gehörte der Hamburg Süd. Das heißt, eigentlich war er sehr klein, sprang gern und weit und suchte Schutz unter den Kleidern der Damen, und die Damen kratzten sich.

          Dieses war der Hase, und dieses war die Geschichte vom Hasen. Das heißt, eigentlich war es gar keine Geschichte, sondern eine Verwandlung, die aber den Hasen sogar reif gemacht hat.

          Also war es doch eine Geschichte, und also war es doch von einem Hasen.“

          (Kurt Schwitters)

          Ja, so ein Hase hat ordentlich viel zu tun, lieber Jules. 😉

          • Vielen Dank, liebe Theobromina, für diese witzige Schwitters-Geschichte. Ich kannte sie noch nicht oder hatte sie zumindest komplett vergessen. Jedenfalls liest sie sich wie neu.

  2. Häschen in der Grube, saß und schlief
    saß und schlief.
    Armes Häschen, bist du krank,
    daß du nicht mehr hüpfen kannst?
    Häschen hüpf, Häschen hüpf!

    Häschen in der Grube nickt und weint,
    nickt und weint.
    Doktor, komm geschwind herbei
    und verschrieb ihm ne Arznei.
    Häschen schluck, Häschen schluck!

    Häschen in der Grube hüpft und springt,
    hüpft und springt.
    Häschen, bist Du schon kuriert?
    Hui, das rennt und galoppiert!
    Häschen hopp, Häschen hopp!

    Häschen in dem Walde nickt und niest,
    nickt und niest.
    Trinkst du lieber frische Luft,
    süß gemischt mit Waldesduft?
    Häschen prost, Häschen prost!

    Häschen hinter Bäumen nickt und lacht,
    nickt und lacht.
    Liebes Häschen nicht so schnell,
    nimm mich mit zum frischen Quell.
    Häschen hüpf, Häschen hüpf.

    Liebe Grüße 🙂

    • Das ist ja hübsch! Ich kannte natürlich wieder nur die erste Strophe… 😉 Wenn ich noch mal in diese Bäckerei kommen sollte, werde ich das Häschen mal fragen, wo der nächste Quell ist.

      Liebe Grüße zurück!

  3. andere würden ja behaupten das kaninchen dort sei einfach ein unsympathischer fratz, wo es doch „den a**** offen“ hat. U-( :))

    die glöcken der berühmten lindthasen sowie die schleifen daran sind übrigens ne tolle deko für geschenkverpackungen oder nette details für kostüme. ;D

    • Und deshalb muss es in der Ecke hocken? Ojeh…

      Und ich dachte immer, diese Glöckchen machen sich bestimmte Frauen dann an ihre Rucksäcke dran! Dann sind diese Säcke also eigentlich zum Verschenken gedacht? Und wer garantiert mir, dass mich nicht plötzlich jemand wie ein Geschenk auspacken will, wenn ich mich mit Glöckchen kostümiere? Ich glaub‘, das ist mir alles zu gefährlich… 😉

  4. Das ist ja ein Spitzen-Baecker! Noch einer von den alten, ja? Keine Kette?

    Ich finde ja leider gehen all diese Geschaefte wie Eisen-Ahrens, Farben-Peters und so verloren.

    Wir brauchen mehr Hasen auf Zigarettenautomaten!

    • Doch leider, es ist eine Kette… In der Nähe der holländischen Grenze, übrigens. Allerdings hockt das Häschen tatsächlich ganzjährig dort, denn das Foto hatte ich schon im Herbst gemacht. Und meines Wissens gibt es auch im Niederländischen kein Herbsthasenfest oder sowas. 😉

      Was das Sterben der Familienbetriebe angeht, bin ich natürlich ganz Deiner Meinung, wenn ich auch feststellen muss, dass mein schmaler Geldbeutel mich immer öfter in Kettenfilialen schiebt, weil die einfach günstiger sind. Wohl fühle ich mich damit aber nicht.

      • Und bei aller Melancholie und Dorf-Romantik: Viele Läden haben sich einfach auch nicht durch Service oder lange Öffnungszeiten ausgezeichnet. Da lobe ich mir doch Urbanisierung und Liberalisierung.

        Aber wenn es denn noch so ein Geschäft gibt, mit freundlichem Service und guter Qualität, dann zahle ich auch gerne etwas mehr einfach schon für die Freude, da einzukaufen. Manchmal. 😉

  5. also ich find, dieser Kaninchen-Hase guckt genauso wie meine (längst selige) Ratte „Mary“, wenn sie gerade ein Glöckchen vom Band runternagte, beziehungsweise das Band um das Glöckchen herum entfernte. Die konnte nämlich im Weg herumklimperndes Gebömsel ebenfalls nicht leiden und machte es dort ab, wo auch immer es dran war. Aber Mary machte auch Schuhbänder ab, und Dochte von Kerzen, obwohl die doch gar nicht klimpern.

    • Hattest Du denn vielleicht eine entsprechende Abmachung mit ihr getroffen?

      Ich glaub‘, der Hase würde gern erstmal die doofe Lampe abmachen, und dann alle Geldstücke aus dem Automaten popeln, um damit den Bus in schönere Gefilde zu nehmen…

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