Hilfe?

Scheint ein ulkiger Tag zu werden heute. Vorhin fiepte erstmal das Handy los. Das tut es eigentlich nie. Als ich dran ging, hörte ich nur merkwürdige stimmliche Laute.
„Ah, Ferkeleien!“, dachte ich und setzte mich gemütlich aufs Sofa, aber dann klang es doch nur einfach so, als hätte jemand aus Versehen und ohne es zu merken, beliebige Knöpfchen gedrückt. Ich rief noch ein paar Mal: „Hallo! Jemand dran? Huhu!“, dann legte ich auf.

Später stand ich unter der Dusche, da klingelte das Festnetztelefon. Das kommt ja nun auch so immer mal vor. Ich wollte aber doch nicht so gerne klatschnass hinlaufen und mich verkühlen, also wartete ich erstmal ab, ob da jemand auf den AB spricht. Da kam aber nix. Dafür klingelte es gleich wieder. Zweimal, dann war Ruhe.

Später guckte ich dann auf’s Display und las eine mir unbekannte Nummer. Neugierig geworden, rief ich zurück. Und da meldete sich jemand unfreundlich mit: “Therapeutische Arbeitswerkstätten Hannover?!“

Nanu?

„Ja, hier ist G…, Guten Morgen. Hat jemand bei ihnen versucht, mich zu erreichen? Ich hatte die Nummer hier auf dem Display.“

„Sind sie eine Privatperson?“
Na, den möchte ich mal erleben, der darauf mit „Nein“ antworten kann…

Also sagte ich: „Ja. Wieso?“

„Dann hat sich hier jemand verwählt!“ Und zack, war ich abgehängt.

Nun überlege ich die ganze Zeit, ob ich ir-gend-je-man-den kenne, der eventuell mit Arbeit zwangstherapiert wird und nun verzweifelt versucht, ans Telefon zu gelangen, damit man ihn oder sie da rausholt…
Ich wüsste eigentlich nicht.

Taschenbewohnerin

Ich fürchte, nun lässt es sich nicht mehr ignorieren: Herbst.
Das ist die Jahreszeit, die ich am wenigsten mag. Könnte man meinetwegen weglassen. Denn nun wird das Licht immer weniger, alles legt sich schlafen und es wird ewig dauern, bis da wieder Leben reinkommt. Das lässt mich jedes Jahr durchhängen, mal mehr, mal weniger. Da hilft eigentlich nur noch Likör. Freundin T. z.B. hingegen liebt den Herbst und auch den Winter, und jedes Jahr streiten wir gutmütig darüber, wer von uns Recht hat. Sie mag die bunten Blätter, und auch Schnee findet sie zum Seufzen schön. Ich muss aber doch schlucken, wenn die Blätter fallen und alles so braun und abgestorben aussieht. Und Schnee: na ja, mal so für eine Woche, bitte sehr… Ach so, und das „gemütliche Teetrin-
ken“ mache ich doch sowieso das ganze Jahr über! Zur Not backe ich mir sogar Bratäpfel im Sommer, während es vor Hitze nur so summt…

Die schönste Jahreszeit ist jedoch für mich der spätere Frühling, wenn es wieder heller wird und schon alles erkennbar grün ist, und ich weiß, das bleibt jetzt auch erstmal so; – es wird sogar immer besser und üppiger. Übrigens hat das rein gar nichts mit den Temperaturen zu tun. Es scheint eher eine Art Familienkrankheit zu sein, denn das Väterchen in Berlin wird ab Oktober auch immer grummeliger. Mendelsche Herbst-
depression, quasi.

KastanieAlso habe ich mir vor Jahren eine Art Ritual entwickelt:
Die erste Kastanie, die ich im Herbst finde, stecke ich in meine Jackentasche. Sie wandert dann immer mit durch alle Jacken und Mäntel, dabei wird sie immer schrumpeliger und leichter. Sie erinnert mich daran, dass es irgendwann auch wieder heller und wärmer
und grüner werden wird. Ich muss eben Geduld ha-
ben, dann wird’s schon.

Und wenn ich im Frühjahr dann endlich die erste grü-
ne Knospe sehe, nehme ich die Kastanie heraus und schleudere sie weg, soweit ich kann. Geschafft. Das mache ich bestimmt schon 10 Jahre so und irgendwie tröstet es mich, wenn ich zwischendrin immermal nach
der Kastanie in meiner Tasche taste und weiß, irgendwann
kommt wieder der Tag, an dem ich sie durch die Luft sausen lasse.

Doch wenigstens ein Gutes haben ja die kalten Jahreszeiten auch: Man hat plötzlich wieder Taschen, in denen sich Portemonnaie, Schlüssel, Telefon, Taschentücher, Notizbuch und Bollos verstauen lassen. Und eben eine wartende Kastanie.
Der Likör steht ja zuhause.

Wie ich Samstag dreimal nass wurde

Zurück zuhause. Im Briefkasten war lauter gute und sogar tolle Post, das ist auch selten. Dafür ist der Kühlschrank leer bis auf eine Tube Tomatenmark, ein Glas Tahina und eine schöne Pulle Schokolikör. Wer dafür ein Rezept hat, darf’s mir schicken. Zum Glück fährt aber der gute Freund M. gleich mit mir einkaufen. Ich weiß schon, was ich mir in den Einkaufswagen häufen werde: Himbeerbollos. Viele. Da, wo ich war, herrschte Bollodürre. Trotzdem fahre ich wieder hin, sobald es geht, denn die Nusstörtchen da… Ich gebe zu, das ist nicht der einzige Grund.

Zum Zurückkommen gab’s aber auch Grund. Der M. hatte Geburtstag, den wievielten verrate ich nicht. Aber er hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Grill anzuwerfen. Hat es eigentlich irgendwo nicht geregnet am Samstag? Da waren wir jedenfalls nicht, sondern in Hannover. Ich kam vom Bahnhof (übrigens auch diesmal: keinen Grund zum Meckern über die Bahn gehabt, außer, dass der Mann neben mir Käsemauken hatte, aber darüber…), fuhr mit der Bahn bis Linden,  – wurde nass.

Schmiss zuhause den Inhalt des Koffers in den Wäschekorb, zog mich schnell um, fuhr mit dem Fahrrad zur Party, – wurde nass.

Setzte mich dort an den Ofen, trocknete, tratschte mit Freundin M. und Freundin S., freute mich, den guten C. mal wieder zu sehen, während sein kleiner Hund vom jüngsten Partygast (Matilda, 1 Jahr 4 Monate) um Tische und Bänke gejagt wurde. Freund M. kann jetzt die nächsten Wochen damit zubringen, zu lesen, dabei „White Stripes“ zu hören, zu rauchen wie ein Schlot, und dazu Honig zu schlecken, weil er eigentlich alles doppelt und dreifach geschenkt bekommen hat. Gut, dass er noch Urlaub hat. Ich versuchte, eine Forelle im Halbdunkeln zu grillen, zu essen und auch bei mir zu behalten, als plötzlich am Tisch über Aggregatzustände verschiedener Lebensmittel gesprochen wurde. B. trank aus Versehen (war dunkel) alkoholfreies Bier und wurde trotzdem so lange betrunken, bis wir ihn aufklärten. Da ich Hannöversches Bier bevorzuge, kann mir das nicht passieren, denn das erkenne ich auch im Dunkeln an der Flaschenform. Deswegen war ich auch um elf schön angeschusselt und müde, verabschiedete mich, fuhr nach Hause, – und wurde nass.

Gestern war ich dann auch nur mal kurz draußen. Zum Brötchen holen.