Küchensofagedanken am Morgen (Teil 6) – Aufstehen

Theobrominenfuesse_HerbstwiAlso die Socken mussten jetzt wirklich lang-
sam mal sein. In den letzten Tagen habe ich das Gefühl, in einer zugigen Hütte zu leben. Und das, obwohl ich mir nun sogar eine neue Antizugluftrolle gebastelt habe, die jetzt vor meiner Tür liegt, während die ganze kalte Zugluft von draußen um die Tür streicht und schmollt. So ist es schon viel besser.

Das Gemütlich-auf-dem-Sofa-liegen, während ich meinen morgendlichen Tee trinke und aus dem Fenster schaue, erinnert mich daran, dass die Menschen ihre Tage sehr unterschiedlich beginnen. Normalerweise trinke ich meinen ersten Tee nämlich woanders. Nee, ich gehe nicht zum Nachbarn rüber, weil ich meine hübsche Küche nicht unordentlich machen will… Der würde mir womöglich direkt was auf der Gitarre vorspielen! Schrumschrummschrumm. Nein, ich wache auf, koche mir ein Tässchen, nehme es mit ins Schlafzimmer und setze mich noch mal ganz gemütlich für ein Viertelstündchen ins Bett, wo ich mich in die Kissen und an das geflochtene Kopfteil des Bettes lehne, die Restwärme genieße und die Stille im Haus.Vom Bett aus kann ich aus dem Fenster schauen und sehe die Baumkrone der Pappel draußen auf der anderen Straßenseite. Und Himmel. Und ich höre geschwätzige Vögel und manchmal ein frisiertes Mofa, die hier fünfmal lauter kreischen, als sie groß sind.
Dasselbe gilt übrigens für die Schulkinder, die hier morgens die Straße herunter kommen.

Ich denke meistens an nichts Besonderes, hänge vielleicht einem merkwürdigen Traum nach, denke daran, was ich so vorhabe. Und wenn der Tee ausgetrunken ist, stehe ich „richtig“ auf und verschwinde im Bad. Ich mache das nicht so, weil ich die Inhaltsstoffe des Tees unbedingt zum Aufwachen brauche. Ich bin morgens nämlich sofort wach, wenn ich die Augen aufschlage. Sondern, weil mich dieses Ritual einfach gut in den Tag bringt. Es verwischt ein wenig die Grenze zwischen Nacht und Tag, und ich fühle mich nicht so an- und ausgeknipst. Dann muss ich nicht aufstehen, sondern möchte.

Der Tee ist also wichtig und der erste Schluck ist am schönsten, wenn er heiß die Kehle hinunterrinnt und die Wärme sich im Magen ausbreitet. Und es soll auch immer meine Lieblingssorte sein, deshalb habe ich bei Besuchen auch immer Teebeutel dabei. Die sind ja zum Glück nicht so schwer, da geht das ganz gut. Gut, dass ich morgens nicht drin-
gend mit Hanteln trainieren muss oder ein bisschen Riesenrad fahren. Dabei fällt mir ein, hier in Hannover gibt’s einen Musiker, der schon lange als „Altstadt-Original“ durchgeht. Und in meiner Kellnerinnenzeit gab der manchmal einen Frühschoppenauftritt da, wo ich arbeitete. Von damals weiß ich noch, dass er auch immer Teebeutel dabei hatte. Er kam dann an, legte die einzeln auf die Theke und wollte da „heißes Wasser drauf“ haben. Sicherheitshalber habe ich ihm dann jeweils eine Tasse drumgemacht.

Aber über Tee habe ich ja schon geschrieben und heute geht’s ja ums Aufwachen bzw. Aufstehen. Meine Beobachtungen im Umfeld haben ergeben, dass das Aufwachen sehr unterschiedlich verläuft. Manche wachen erstmal eine geschlagene Stunde überhaupt nicht richtig auf und wälzen sich im Halbschlaf herum, bis sie sich endlich hochquälen. Manche (wie eine frühere Freundin von mir) müssen sogar noch vor dem Aufwachen einen Kaffee und eine starke filterlose Zigarette haben.
Da würde ich überhaupt nie mehr aufstehen!

Es gibt Leute, die darf man morgens nicht ansprechen, bis sie die Zeitung gelesen haben. In der wiederum scheinen die Worte dann nicht zu stören. Es muss also eher was Geräu-
schen zu tun haben. Wiederum andere machen morgens irre laute Musik an, „zum Auf-
wachen“, da krieg’ ich nun wieder Zustände.

Von alten Menschen hört man, dass sie senile Bettflucht haben und schon um vier Uhr aufstehen. Und um fünfe ist das Frühstücksgeschirr dann schon wieder abgewaschen und ordentlich in die Schränke zurückgeräumt. Den Kontrast dazu bilden Leute, die wochen-
ends bis zwölf schlafen können. Beides ist mir ein Rätsel. Also, das Zweite fast noch mehr als das Erste, denn ich bin gerade am Morgen und am Vormittag am muntersten und erledige alles, was wichtig ist. Wenn ich ausgerechnet diese Phase verpasste, könn-
te ich eigentlich auch gleich liegen bleiben und bis zum nächsten Tag durchschlafen.

Irgendwo habe ich mal gelesen, diese unterschiedlichen Rhythmen hätten was mit der Geburtszeit zu tun. Also, dass man ungefähr zu der Uhrzeit aufwacht und auch am mun-
tersten ist, zu der man auch in die Welt kam. Bei mir käme das hin. Vielleicht ist es aber andersrum, und so ein Ungeborenes hat schon längst seinen kompletten Tagesablauf fertig und klopft dann, wenn es rausmöchte. Wer weiß.

Ich bin jedenfalls eine Frühaufsteherin, genau wie mein Vater. (Also, er ist keine Frühauf-
steherin, – das kann man sich ja denken.) Dabei habe ich als Kind wenig mit ihm zu tun gehabt, weil ich bei der Mutter aufwuchs. Erziehung kann es also nicht sein. Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass, während ich eine Lerche bin, die meisten Leute wohl Eulen sind. Oder ich habe eben überwiegend mit Eulen zu tun gehabt, kann auch sein.

Da ich oft ziemlich ungeduldig bin, stellt mich das manchmal auf eine harte Probe. Man kann sich das so vorstellen, dass ich dann schomma putzmunter, gesprächslustig und voller Tatendrang gestiefelt und gespornt an der Tür stehe, während so ein Mitmensch noch verratzt und verpeilt im Küchenstuhl lehnt, nur Einsilbensätze bilden kann, und man müsste eigentlich ein Stöckchen zwischen Kinn und Tischplatte klemmen. Ich brauch’ so ein Stöckchen eher abends, aber das ist ja ein ganz anderes Thema.

Es ist also oft beiderseits Toleranz und Geduld gefragt, und das schon zu Tagesbeginn!

Viel schöner ist dann, auf eine Mit-Lerche zu treffen, und morgens am Frühstückstisch munter zu plaudern, Pläne für den Tag zu machen und sich gegenseitig die Brötchen vor der Nase wegzuschnappen. Und die Zeitung, die kann man ja zur Not auch nachmittags noch lesen.

So, der Tee ist ausgetrunken, dann geh‘ ich jetzt erstmal Brötchen holen.

19 thoughts on “Küchensofagedanken am Morgen (Teil 6) – Aufstehen

  1. Bin ebenso eine Lerche die morgens gerne ihren Kaffee im Bettchen trinkt und dann gemächlich sich ins Bad begibt. Diese Zeiten genieße ich sehr, da sie nicht so oft sind…
    Lass dir dein Frühstück munden…..

    • Das habe ich, Danke. Schön zu wissen, dass auch andere dieses Ritual pflegen. Ich hab’s mir vor Jahren angewöhnt und selbst, wenn ich sehr früh aufstehen muss, nehme ich mir die Zeit. Zur Not stelle ich Wecker etwas früher.

      Trinkst Du den Kaffee in dem schönen Bett, das man auf Deinem Profilbild sieht? Das stelle ich mir himmlisch vor, zumindest im Sommer… 😉

  2. Das Frühaufstehen kommt mir bekannt vor. Ich kann auch nie lange in den Federn bleiben, das konnte ich nicht mal dann, wenn ich früher zuviel gezecht habe, was mittlerweile zum Glück ohnehin deutlich nachgelassen hat. Aber ich möchte betonen, dass ich es doch gerade sonntags, wenn die Lerchen sich erheben, während die Eulen liegenbleiben dürfen, besonders schön finde. Weil man sich die Welt dann nämlich lediglich mit den wenigen anderen Lerchen teilt und es dann draußen dementsprechend angenehm ruhig ist. 🙂

  3. Das ist ja fein. Noch mehr „Wiederinsbettgeher“. Ich dacht eschon ich sei einfach ein bisschen seltsam, aber nein, ich bin Teil einer großen Community.

    Ich nehme allerdings keine Heißgetränke mit in die Koje, sondern will einfach die Restwärme im Bett nicht so einfach das Klima erwärmen lassen (das hat’s schon schwer genug), sondern dann schon lieber mich. Tee gibt’s dann später.

    • Seh‘ ich auch so, wir Vier sind eigentlich schon eine ziemliche Menschenmenge. Vielleicht gibt’s sogar irgendwo noch Nummer Fünf… Wir sollten einen eigenen Staat gründen oder sowas. „Die Republik der Wiederlegten“ oder so.

  4. wenn’s danach geht, dann hab ich überhaupt keine Geburtszeit… ich kann frühaufstehen, spätaufstehen, den Cappu mit ins Bett nehmen, den Cappu am Computer oder in der Küche trinken, ihn vorm Aufstehen oder stunden später trinken… um 14 Uhr zum Beispiel… Senil bettgeflüchtet bin ich auch schon mal gelegentlich, und wenn ich Urlaub hab, dann gibt’s nur einen einzigen Moment in der Woche wo ich GARANTIERT vor 7 Uhr wach bin. (na ja soooo garantiert ja nun auch nicht…) mit meinen verdrehten Aufstehn oder Abstehn Phasen hab ich bisher eigentlich jeden kirre gemacht der von mir mails kriegt; die können nämlich zu jeder Zeit geschickt sein, sei’s 4 Uhr oder 20 oder 7 oder 1 oder 12.

    Ich hab nur dann ein Ritual wenn es morgens so gerade eben dämmert – das find ich nämlich die allerschönste Zeit zum Aufwachen – ankuscheln – weiterschlafen 🙂

    • Watten, Du bist gar nicht geboren? Wissen Deine Eltern denn davon?

      Soll ich mal raten, wann Du vor sieben wach wirst? Wie heißt noch mal dieser Wochentag, dieser eine… Mist! Vergessen. Komisch, da wache ich neuerdings auch immer kurz vor sieben auf. Muss ’ne PANDEMIE sein!

      Übrigens wundert es mich nicht, wenn Du mal so und mal so aufstehst: Das kommt davon, dass Du zu so verrückten Zeiten Cappu trinkst und emails schreibst. Bestimmt.

      Und das mit der Morgendämmerung merke ich mir… 😉

  5. Tee! O Bromina!

    Den brauch ich schon am Morgen. Würde ich den allerdings im Bettchen zu mir nehmen, würde ich da nie mehr rauskommen.
    Ich gehöre zu den ärgsten vorstellbaren Eulen, was tatsächlich zu meiner Geburtszeit in den allerfrühesten Morgenstunden passt.
    Zwischen 10 am Abend und 4 Uhr morgens bin ich völlig alert, sofern ich meinen Lebensrhythmus nicht in konventionalisierte Lebensbahnen zwängen muss. Dummerweise kann man mitten in der Nacht nämlich nur Alkohol und Würschtl kaufen, was mir auf Dauer wohl bald den ewigen Schlaf bescheren würde…

    Ewig zu schlafen klingt allerdings auch manchmal reizvoll, weil mein Kreislauf – der alte Drecksack – so niedrig ist, daß ich zum Aufstehen generell kein Talent hab.

    Also dann, machts mal gut…
    Indogermane

    • Niedriger Kreislauf kommt mir bekannt vor, auch ohne Würschtl…

      Ach komm, Du kannst uns doch immer in der Republik besuchen! Die Türen stehen Dir immer offen. Nur, wenn Du vorhast, nachts um Viere reinzuschneien, solltest Du nicht allzu muntere Gesprächspartner erwarten. 😉

  6. Lichtjahre zu spät, ich weiss. Aber ich bin immer mal wieder dabei – habe es leider nicht am Stück geschafft – durch Dein umfangreiches Archiv zu stöbern. Nungut, zweieinhalb Jahre später, Sonntagvormittags.

    Ich hätte locker noch ein halbes Stündchen weiterlesen können, aber der Text endete schon vorher. Sehr schön finde ich Deine Beschreibung der Morgentypen und die zuweilen auftretenden Synchronisationsproblemchen am Küchentisch.

    Meiner einer ist ja selbst davon gefangen, es schlicht wohlig gemütlich unter den kuscheligen Daunen zu finden, um es nach dem schlußendlichen erheben festzustellen, dass schon wieder soviel Tag fehlt. (gut, ich kann es abends ja locker noch dran hängen)

    Das perfide dieser Maschinerie ist ja, das Gefühl total kaputt, fertig und ruhebedürftig zu sein während man, also ich, noch im Bett liegt, aber sobald ich mich erhoben habe – nach gefühlten 40 Sekunden – auch schon auf Betriebstemperatur zu sein. Egal wie früh oder spät ich aufgestanden bin. Der innere Schweinehund, die dumme Sau.

    Da ich auch schon mal (gewiss nicht immer) den frühen Tag begrüße, habe ich den werdenden Tag mit seiner einzigartigen Licht- und Luftstimmng gerne erlebt. Und auch folgendes beobachtet: Männer, jeglichen Alters schlurfen morgens scheinbar ziellos über die Bürgersteige, um frisches Backwerk für die Frühstückstische zu erstehen. Sie sind sämtlich allein unterwegs und sind ganz bei sich, lassen sich aber immer wieder von Kleinigkeiten auf ihrem Weg unterbrechen.

    Nicht selten konnte ich diese Exemplare innehalten sehen, wie sie mit konzentriertem Blick auf Klingelschilder der umliegenden Häuser starrten, kurz den Kopf hoben als würden es durch ebenjenen fahren „achso, ja dann“ und dann einfach weitergingen. Oder mit seltsamen Blick stehen blieben, eine nicht unbeträchtliche Lücke in die Luft starrten und dann weiterzogen.

    Sowas erlebt man abends nicht. Und wenn, dann anders.

    • Sehr schöner Kommentar, Danke! Und so umfangreich, ich bin janz beeindruckt, hömma!

      Dass die Männer immer Brötchenholen geschickt werden, hängt damit zusammen, dass die Dame des Hauses davon ausgeht, dass „der“ den Tisch sowieso nicht richtig deckt. Sprich: er vergisst die Hälfte, knallt den Käse in Plastikschale auf den Tisch oder stellt keine schönen Teelichter (Sonntagsfrühstück!) hin. Außerdem brauchen Frauen zu lange, bis sie auf die Straße können, wg: Haare, Kopfkissenabdruck im Gesicht, usw.

      Das Männer so verträumt, bzw. Klingelschilder kontrollierend zugange sind, ist mir bisher entgangen, auch wenn ich sofort Bilder dazu im Kopf habe, dank Deiner Beschreibung. Muss ich als mal drauf achten gehen. Allerdings muss ich armes Tier immer Aufbacksachen essen, weil hier kein Bäcker mehr ist. Um herumirrende Männer anzutreffen, müsste ich als den Stadteil fast wechseln. 😉

      • Aufbacksachen am heiligen Wochenende. Gütiger Himmel.

        Diese Beobachtungen sind großartig, ich würde allerdings sagen, quatsch, ich sage aber auch, dass Du dafür in einer besonderen Stimmung sein musst. Du benötigst dazu so eine Art… ähm, ich nenne es mal Genazino-Stimmung. Kennste den Schreiberlin? Wenn nicht, werde ich mal beizeiten was zurecht zitieren.

        Deine Wahrnehmung müsste irgendwo zwischen hier und jetzt und einer Parallelwelt unterwegs sein. Was ich bei der Beschreibung nicht erwähnte, ist dieses Heile-Welt-Gefühl, welches zusammen mit den Brötchen-Herrn durch die Straßen schwingt. Alles ein wenig mediativ und in leichter Slowmotion. Etwas verwässerte Farben, auf keinen Fall schlechtes Wetter.

        • Also, ich glaube zu wissen, welche Stimmung Du meinst. Sowas habe ich durchaus manchmal und beobachte dann auch die dollsten Sachen, die ich sonst nicht sehen kann.

          (Genazino hab‘ ich übrigens zweimal versucht, aber leider… Ist nicht so meins. Bisher kenne ich auch nur Männer, die den mögen. Vielleicht ist das irgendso ein Männerding.)

          • Enorm kombiniert, Watson! Meiner Treu! Besagte sie hauptberufelt als Texterin und weiss natürlich, was der geneigte Leser so will.

            Sie und ihr liebreizender Gespons lesen auch Michel Houellebecq äußerst gern – ich tu es ihnen gleich – welcher ja auch eher als Männerding gilt, wenn nicht sogar bei einigen als Igittibäh. Werde sie mal fragen, ob sie beim Brötchenholen auch der Klingelbrettlektüre anheimfällt 😉

          • „Hullebeck“ (so heißt er bei Freund M.) hab‘ ich zweidrei mal ganz gern gelesen. Ich hab‘ auch absolut nix gegen so Männerlese ;), z.B. war mir H. Miller immer viel lieber als A. Nin. Nur den Genazino, den fand‘ ich eben nicht so.

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