Werkstatterinnerungen III (…noch mal was von Früher…)

Hin- und Hertelefoniererei mit einem Kunden und dem Zulieferer Herrn R.
Keine Ahnung, ob das mit dem Auftrag hinhaut bis morgen. Diskussion.
Herr R. sagt ständig zu mir: „Ich komm‘ dann noch mal durch!!!“
Jetzt weiß ich nicht, heißt das: „Ich komm‘ dir da gleich rübber! Geh’ mir weck middehm Scheiß!“
Oder heißt das: „Ich bin heute operiert worden und der Arzt sagt, ich schaff’s noch mal.“
Oder heißt’s einfach: „Ich ruf‘ später noch mal an.“
Aber er ruft nie an! Verwirrend.

Als Chefin/Freundin T. einen Wasserfleck auf dem Teppich entdeckt, ruft sie die Versicherung an und sagt tatsächlich: „Guten Tag, mein Name ist S***. Ich hab ’nen Schaden und wollte fragen, ob sie das bezahlen…?“
Mein explosionsartiges Gelächter im Hintergrund.
Der verständnisverzögerte Versicherungsheini fragt die nun ebenfalls hemmungslos kichernde T., was daran denn so lustig sei und bestätigt somit eins meiner Vorurteile über Versicherungssachbearbeiter. Bezahlt wird später trotzdem.

T. ist überhaupt gut für merkwürdige Aussprüche, empfiehlt sie doch auskunftheischenden Anrufern, sie sollten doch mal „im Telefonbuch nachfragen“, oder behauptet, ein Kunde „wohne da so am Waldrand“ und habe „nichts an“ (außer einer Wassersäule, deren Pumpmotor kaputterweise brummt).

Ein andermal ruft ein Kunde an. T. geht ans Telefon.
Ich höre nur: „Aha. Soso. Wie jetzt? Hm. …hm.“
Sie hält den Hörer zu und teilt mir mit: „Da will einer eine Hülle für sein Gerät. Ich weiß irgendwie nicht, was er meint, der drückt sich total umständlich aus! Jetzt will er’s erstmal ausmessen gehen!“
T.s Freund A. ist zufällig auch grade da. Wir frühstücken im Hintergrund und feixen natürlich.

T. wieder in den Hörer: „Ja?… So… Nee…, weiß nicht… So was zum Abdecken oder wie? … – ach, zum Drüberstülpen!?“
Sie hält wieder den Hörer zu und sagt: „Ich versteh‘ nicht, was er will! Der erzählt mir hier was von „Gerät mit Röhre“ und er will was zum Drüberstülpen. Und: Er sagt, er will nachher vorbei kommen und mir sein Gerät zeigen…!

A., plötzlich hellwach, ruft empört mit vollem Mund: „Kommt überhaupt nicht in Frage!!!“

(Ich bin natürlich neugierig und freu mich schon. Später handelt es sich bei dem gezeigten Gerät um ein altes Röhrenradio, das eine Abdeckhaube bekommen sollte. *gähn*)

Wenn wir nicht in der Hinterhofwerkstatt marodieren, sind wir auf Messen, die über weite Strecken unglaublich langweilig sind.
Da immer nur Eine von uns für die Standbetreuung abgestellt werden kann, hat man nicht mal Unterhaltung, außer mit den liebeshungrigen Jungs, die auf den Nachbarständen gehalten werden und mich ständig fragen „wo hier was los ist“. (Was im Grunde heißt: „Ich will dich nachher billig abfüllen und dann nimmst du mich mit zu dir, wo ich dir mein Gerät zeigen kann?“)

Immer mal wieder wird mir aufgetragen, ich solle die Chefin T. nett grüßen, wenn ich sie sehe. Das muss man mir ja nun nicht extra sagen, das mache ich doch sowieso immer, schließlich bin ich vernünftig erzogen und gebe, wenn’s sein muss, sogar die Hand!

Interessierte Kunden hingegen kommen nur dann, wenn man sich grade mal was Essbares hinter die Kiemen geschoben hat, was die jeweilige Kontaktaufnahme zunächst mal erschwert und die potentiellen Geldbörsenausschüttler und Scheckausschreiber Angst haben lässt, man könne vielleicht nur Zeichensprache.

Leider lässt sich dieser Effekt nicht erzwingen, was ich durch ausgedehnte Versuchsreihen zum Thema „Messestandbelebung durch exzessives Kekseverschnabulieren“ wissenschaftlich nachweise.
(Außerdem finde ich heraus, dass es unmöglich ist, in Würde ein Eibrötchen zu essen, weil man in meinem Fall nicht genau unterscheiden kann, wer da eigentlich wen isst.)

Ein wichtiger Artikel im Sortiment sind Sprudelwassersäulen in allen Größen. Wenn man die obere Abdeckung weglässt, hat man einen Luftbefeuchtereffekt, der als durchaus angenehm empfunden werden kann. Chefin/FreundinT. wird aber nicht müde, das Ganze etwas geschäftsschädigend als „Raumbefeuchter“ zu bezeichnen, was aber niemandem aufzufallen scheint.

Anlässlich einer besonders öden Messe erfinde ich aus purer, zäher Langeweile einen neuen Freizeitspaß: Ich entdecke, dass ich, an einer bestimmten Stelle des Standes postiert, jedes Mal wenn jemand vorbeikommt, 1-2 cm in die Höhe wippe, weil ein gewölbter Gullydeckel vom Gang bis unter unseren Messeteppich reicht. Dabei versuche ich, ein ganz ernstes Gesicht zu machen.

Aber bevor mir einfällt, wie ich diese Super-Aktivität protzig vermarkten könnte, ist die Messe leider vorbei…

Werkstatterinnerungen II

Wir sitzen beim Frühstück, beobachten dabei eine kleine Babyamsel, die aufgeplustert auf einem dünnen Ast versucht, die Balance zu halten. Plötzlich kackt sie und fällt vor Schreck vom Ast. Ich sage: „Kenn‘ ich. Das ist der Rückstoß. Passiert mir auch manchmal.“

Messe. Wir stellen ein Kunstobjekt aus, das „Ice block“ heißt. Ein ca. 15-jähriger kommt vorbei, fasst das Ding an und fragt: „Issas echt?“
Ich: „Echt was?!?“
Er: „Weiß ICH doch nicht!“
Ich will zurück ins Sanatorium.

Eine weitere Skulptur heißt „Timeless“. Eine Art Zifferblatt ohne Zeiger. Ständig fragen mich Leute, wie die Uhr funktioniert. Nach einer Weile gewöhne ich mir an, zu sagen: „Keine Ahnung. Ich bin Handwerkerin. Ich kann die Uhr nicht lesen.“

Mal was von Früher…/Werkstatterinnerungen I

Ich habe ja mal vor Jahren in einer sympathischen kleinen Werkstatt Acrylglas verarbeitet. Die dortige Chefin wurde ruckzuck eine meiner besten Freundinnen (Freundin T.). Wenn sie nicht da war, war ich für das Telefon zuständig.

Telefonat mit Kunde T. von der Firma B.

T: „Ich brauche so Streifen opales Material.“
Ich: „Welches Maß?“
T: „Ich muss mal schnell den Zollstock holen, Moment…“
(Die Verbindung bricht ab. Ich lege also auf. Es klingelt erneut.)
T: „Da ist der Hörer plötzlich vom Kabel abgegangen! Das ist mir noch nie passiert.“
I: „Öfter mal was Neues. Also: Die Maße?“
T: „Moment… äh… (murmel) von hier…“
I: „Ach, von hier bis da! Alles klar. (gnicker) Wieviele?“
T: „Na, also, zwei brauch ich nur. (lacht) Großbestellung!“
I: „Hmmm, wie sind denn nun die Maße?“
T: „Ja. 122…“
I: „Zentimeter?“
T: „Ja, genau. Und die Breite… Moment, jetzt muß ich den Zollstock wieder zusammenklappen, sonst bring‘ ich mich hier noch um…“
I: „Nö, das is‘ auch nix, so kurz vor Feierabend.“
T: „Genau, das lohnt sich nicht mehr… Wir waren bei Millimetern, ne? 4,3!“
I: „Zentimeter!“
T: „Joh.“
I: „Also, ich wiederhole noch mal: 1220 x 43 mm.“
T: „Äääh, genau! Wie viele Millionen muss ich denn mitbringen dann?“
I: „Ich weiß nicht, sag Ich ihnen morgen. (Ich hätt‘ sagen sollen: Wie viele könn’se denn tragen?) Also Millionen werden’s wohl nicht. Vielleicht 50 Mark oder so.“
T: „Aha. Wenn ich 100 Mark mitbringe, muss ich nicht abwaschen?“
I: „Nö. Ich hab‘ außerdem heute schon abgewaschen, da müssten sie nächste Woche wieder kommen.“
T: „*****straße. So’ne Holperstraße ist das doch!“
I: „Genau, die Holperstaße!“
T: „Alles klar. Dann bis morgen!“

Charakteristisch für diese Zeit war übrigens, dass Neukunden oft an (der zugegeben recht kleinen) T. vorbei wollten, um „den Chef“ zu sprechen. Worauf sie gerne antwortete: „Ich bin die Chef und das (zeigt auf mich) ist die Werkstattleiter!“. Manche konnten es wirklich kaum fassen und fragten mehrmals nach, worauf wir immer wieder beteuerten, dass wir „wirklich alles selber“ machen. „Auch die schweren Sachen, ja.“
Tssss.