Stolz und Unvorteil.

Ich hab’ nicht viele Eigenschaften, auf die ich besonders stolz wäre.

Beispielsweise gehört nicht dazu, zwischen speziellen Grenzsteinen auf die Welt gekom- men zu sein, schließlich kann ich da ja nix für. Es soll wohl Leute geben, die wegen so was ständig ganz aufgeregt sind, aber das habe ich vielleicht auch bloß wieder irgendwo aufgeschnappt oder falsch verstanden, weil: kann ja eigentlich nicht sein.

Wenn überhaupt, könnten höchstens meine Eltern stolz drauf sein, aber die haben zum Glück anderes zu tun. Zum Beispiel könnten sie sich streiten, wieso ich eigentlich dann doch nicht in Berlin geboren wurde, sondern eben in Springe (das war, weil meine Mutter im Streit abgehauen ist zu ihren Eltern), oder über anderen überflüssigen Mist. Das tun sie aber schon deshalb nicht, weil sie seit mindestens 20 Jahren kein Wort mehr mitein- ander gewechselt haben. Davor verwendeten sie übrigens hauptsächlich Wörter, für die man eigentlich einen Stall bräuchte. – Was das wiederum für meine Abstammung be- deutet, darüber möchte ich lieber nicht nachdenken…

Neulich ist mir aber doch was eingefallen, worauf ich tatsächlich ein bisschen stolz bin.
Und zwar: Ich habe tatsächlich kein einziges Poloshirt im Schrank.

Jetzt würde ich natürlich gern behaupten, dass das schon immer so war, aber das wäre leider gelogen, denn ich den 80ern hatte ich eins. Ein weißes. Das hatte ich mir aber nur gekauft, weil ich einen Typen gut fand, von dem ich vermutete, der stünde vielleicht auf Poloshirtmädchen. Dass so Einer damit ohnehin nix für mich sein konnte, habe ich mit meinen 19 Jahren natürlich noch nicht so richtig überblickt.

Poloshirts! Diese Dinger sind so hässlich und gehen einfach nicht tot, ich versteh’ das gar nicht! Allein, wie diese Kragen sich immer so rundbiegen… Und dann dieser furchtbare Pikeestoff… – Und jetzt komm’ mir bitte keiner mit praktisch! Mülltüten sind z.B. auch praktisch (schließlich will man seinen tropfenden Müll nicht gern in der bloßen Hand runter tragen), aber anziehen will sie richtigerweise trotzdem keiner. Überhaupt, wer seine Kleidung nach praktischen Gesichtspunkten auswählt, hat auch als Erwachsener noch Klettverschlüsse an den Schuhen und trägt Brustbeutel. Ach, auch ganz schlimm: Seersucker-Hemden. Am besten noch Kurzarm.

Sowas alles findet man überall in der Stadt, wenn man losgeht, um sich ein schlichtes, weißes T-Shirt zu kaufen. Nur ein T-Shirt findet man nicht. Eins, das vielleicht sogar einen schönen Rundhals-Ausschnitt hat und leicht tailliert ist. Und: blickdicht.

Gibt’s aber nicht. Es gibt keine blickdichten, weißen Shirts.

Die meisten sind sowieso mit irgendeinem „Motiv“ bedruckt. Ich werd’ ja nie verstehen, warum Leute freiwillig mit Beschriftung herumziehen, aber bitte. Ich möchte bloß mal ein schlichtes T-Shirt, das Geheimnisse wahren kann. Was ich „drunter“ trage, geht schließ- lich nur sehr wenige Menschen was an, da bin ich irgendwie ganz altmodisch. Und ich glaube zudem, es ist kein Zufall, dass man seit 2-3 Jahren wieder Westen trägt. Das ist sicher nur, weil die T-Shirts so durchsichtig sind! Ich teste das beim Stöbern übrigens immer so: ich schiebe das Etikett unter den Stoff, und wenn ich dann trotzdem noch den Preis lesen kann, weiß ich, dass man quasi auch bei mir alles „lesen“ könnte.

Umfragen im Freundinnenkreis ergaben übrigens erstens volle Zustimmung und zweitens spürbar erschöpfte Resignation. Gerüchte kursieren zwar, welche Marken „gerade noch so gehen“, aber der Überprüfung halten sie dann oft doch nicht Stand.

Und neulich hatte ich dann tatsächlich sogar den Fall, den Freundin S. schon mal am Telefon dunkel vorausgeahnt hatte: sie prophezeite, dass selbst die letzte tragbare Res- source, nämlich die schwarzen Hemdchen, wahrscheinlich demnächst auch nicht mehr blickdicht seien. Und was soll ich sagen? Nur wenige Tage später stand ich in einer Kabine und konnte es nicht fassen… Ich schöre, mein Kinn hätte fast gezittert!

Da fällt mir ein: wieso ist das eigentlich kein Wahlkampfthema?

Also, eine Partei, die mir endlich ein gut geschnittenes, unverziertes, blickdichtes weißes T-Shirt bietet, würde ich vielleicht eventuell unter Umständen glatt wählen; – so verzweifelt bin ich nämlich schon. Fast.

28 thoughts on “Stolz und Unvorteil.

    • Da siehst Du mal, wie durchsichtig das alles hier ist!

      Da muss ich ja 36 Shirts übereinander ziehen, und dann ist noch ein Karton drumrum! Allerdings: blickdicht wärs! 😉

  1. Ich habe mehrere weisse T-Shirts …
    … und Polo-Shirts :>>
    Letztere ziehe ich, wenn überhaupt nur noch zur Arbeit an. Irgendwie mag ich die Dinger auch nicht.

    Aber leider nimmt diese „Unsitte“, am Kunden vorbeizuproduzieren, immer mehr Überhand. Das ist nicht nur bei Kleidungsstücken so, sondern auch bei Lebensmitteln. Die Industire glaubt anscheinend tatsächlich, was wir zu essen, zu tragen oder in die Wihnung zu stellen haben. Und irgendwie sieht / schmeckt alles gleich. Individiualität ? Fehlanzeige !
    Beispiel, jeder meint neuerdings, sich einen Flatscreen ins Wozi hängen zu müssen :crazy:. Nur weil es angeblich schick aussieht. Und man will Wohlstand vortäuschen 8| (Dabei gibt es die Dinger schon ab 200,-). Das Bild ist bei den meisten Screens dieser Preisklasse eher bescheiden.
    Ein Beamer tut da ganz ehrvorragende Dienste bei exzelenter Bildquali und man sieht den nicht gleich, wie ein Flat.
    Aber fast jeder meint ja, dem Mainstream folgen zu müssen und ja nicht auffallen. So wie ich mit meinem Anglizismen in diesem Kommentar :>> 😉 😉

    • Naja, es entscheidet eben nicht mehr der Käufer, sondern die optimalen Produktions- und Kalkulationsbedingungen. Wir können nurmehr auswählen aus dem, was dabei rauskommt. Beim Essen ist das ja auch so. Und wer keine Lust hat, nachzudenken, der lässt sich auch Flatscreens mit schlechtem Bild verkaufen. Vielleicht ließen sich ja sogar Flatscreens ganz ohne Bild verkaufen, wenn man die Kampagne geschickt genug aufbaut. Wundern würd’s mich nicht. 😉

  2. Ich hab‘ zwar auf der Höhe nix zu verstecken aber trage trotzdem blickdichte Bekleidung ‚T-Shirts weiß ohne Aufdruck‘
    verkaufen die in Korea massenhaft, flieg doch mal rüber 😉
    die verkaufen die zwar auch nach Europa, aber da drucken sie dann vorher irgendeinen Unsinn drauf den sich wohl der Importeur ausgedacht hat

    • Klar, ich fliege mal eben ein T-Shirt kaufen! 😉

      Und diese Bedruckerei verstehe ich echt überhaupt nicht. Hast Du Dir mal den Spaß gemacht, Dir einen Tag lang durch zu lesen, was auf den Leuten so draufsteht?

      Wär eigentlich auch mal ein schöner Eintrag… ;D

      • Flieg doch, kann man nebenbei herlich Urlaub machen – soll’n wir nen Termin abstimmen wg. Bloggertreffen 😉
        aber T-Shirts werden zum Teil doch auch hier in D direkt bedruckt – frag doch mal so’nen Druckshop ob sie dir welche vorm Verschandeln verkaufen 😉

        • Also, erst gestern war ich wieder in der Stadt, auf T-Shirt-Mission… – Hat wieder nix genützt. Mit „blickdicht“ meine ich eben auch blickdicht! Und das gibt’s nicht, nirgends. Nicht mal in den nobleren Läden. 🙁

          Korea ist sicher schön, und Bloggertreffen können auch dufte sein, – aber es ist irgendwie so gar nicht in der Nähe. Das stört mich, ehrlich gesagt, ein kleiiines bisschen. 😉

  3. oha! Jetzt bin ich verunsichert.
    Ich mag Poloshirts UND ich hab an meinen (guuuut, nicht an allen)
    Schuhen, Klettverschlüsse.

    „Stolz und Unvorteil“ finde ich übrigens ausserordentlich gut getitelt…..

    sagt die Titelversagerin
    Liebe Grüße

    • Also, Klettverschlüsse finde ich schon des Geräusches wegen bedenklich, das sie machen. Sobald jemand den geräuschlosen Klettverschluss erfindet, wäre ich aber bereit, in diesem Punkt einzulenken.

      Danke sehr für Dein Lob, das freut mich sehr. – Poloshirt hin oder her! 😉

      Ganz liebe Grüße zurück, Brummbrumm.

        • Hab’s mal gelesen, ist aber schon irgendwann Ende der 80er gewesen. Da wohnte ich kurzfristig bei einer sehr klugen Buchhändlerin, die mir das (und Anderes) empfahl…

          Ich find‘, ehrlich gesagt, schon das aufgeregte Geräusch eines Reißverschlusses bedenklich. 😉

  4. Auch auf die Gefahr mir es bei dir zu verscherzen – ich trage auch Polo-Shirts. Und die am liebsten von Lacoste. Die Kragen biegen sich eben nicht so dämlich und ausserdem sitzen die gut. Aber- ich trage auch gerne einfache weiße (und schwarze) T-Shirts. Ganz nach Laune des Tages…

    B)

  5. Ich trage meistens schwarze Rundhalspullis aus Elastik, die sind praktisch, weil ich mich da für den Sport nicht extra umziehen muss, was ich sowieso nicht muss, da ich nur äusserst selten turne, aber im Prinzip könnte man sie dann eben gleich anlassen. Und blickdicht sind die ganz wunderbar und so schön schwarz.

    • Schwarze Pullis, Blusen, T-Shirts kann man, in all‘ ihren Varianten, sowieso nicht genug haben. Das verstehen aber nur die, die es verstehen. Bei Schwarz kommt’s schließlich auf den Schnitt und den Stoff an…

      Und weils auch immer einzwei Kilo wegmogelt und den Blick aufs Gesicht lenkt, kann man sich das Turnen eigentlich ohnehin sparen. 😉

  6. also ich hab mir schon mal ne Mülltüte angezogen. War aber nur weil’s so regnete und unsere Sambagruppe ne Stunde lang da durch latschen und Musik machen musste. Dadurch hab ich erst mal mitbekommen, dass ne Mülltüte NICHT vorm Durchweichen schützt, ganz im Gegenteil! Denn das, was man so selber innerhalb einer Stunde an Wasser abdampft, kommt nämlich genausowenig durch die Tüte durch, wie das Wasser von aussen. Und es hat beim Trommeln geknistert wie hulle. Und es war nicht blickdicht, und was drauf hat auch noch gestanden: „GRÜNER PUNKT“.

    Wenn schön, denn schön…

    • :))

      Schöne Vorstellung: ein ohrenbetäubend raschelnder Sambazug, von dem das Spritzwasser nur so nach allen Seiten fliegt!

      Freund M. zieht immer einen Gelben Sack über, wenn Freundin S. ihm die Haare schneidet. Sie machen dann nur ein Loch für den Kopp rein und der Sack hat haargenau Schulterbreite. M. sieht dann ein bisschen wie eine leberkranke Wurst in der Pelle aus, was regelmäßig zu schönen Heiterkeitsausbrüchen führt. (Also, jedenfalls, wenn ICH zufällig mal dabei bin.)

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