Aufregend

Minze Wenn ich will, kann ich mich in einer Tour über Kleinigkeiten aufregen. Meistens will ich das zwar nicht, aber manchmal komme ich irgendwie nicht dazu, was nicht zu wollen.

Es fing meines Wissens damit an, dass ich vor ein paar Tagen den Fernseher anmachen wollte, um „Die Ludolfs“ zu gucken. Da waren aber keine Ludolfs drin. Nicht mal was anderes. Nur eine Anzeige: „kein Signal“. Genauso gut hätte da stehen können: „Bin mal eben Milch holen“. Nach kurzer Forschung bekam ich heraus, dass es meinem uralten Fernseher gut geht, aber mein neuer DVB-T Receiver sich wohl hinge-
legt hatte. Na gut, dachte ich, dann gucke ich eben vom Schlafzimmer aus was anderes. Da habe ich nämlich noch einen kleinen Fernseher, den ich mir mal für Messegäste ausgeliehen hatte. Auch hier ist ein solcher Receiver angestöp-
selt, allerdings hat der ein paar Mucken. Seine Einstellungen sind nämlich über einen Code einbetoniert. Natürlich weiß inzwischen niemand mehr, welchen Code man da mal vor Jahren eingegeben hat, so dass ich keinen Sendersuchlauf machen kann. So ist es also Essig mit einigen Kanälen. Das hatte ich aber vorher einkalkuliert.

Was ich nicht wusste war, dass auch dieser Fernseher schwarz bleiben würde.
Das war mir dann aber doch komisch. Wenn aus beiden Fernsehern am selben Tag nix mehr rauskommt… Für einen Moment dachte ich: Jetzt isses soweit! Die Außerirdischen sind da und haben alle Fernseher tot gemacht!!!

Dann merkte ich, dass der Leihfernseher lediglich den Geist aufgegeben hatte. Dabei gehört der mir gar nicht! Hätte er mit dem Sterben nicht warten können, bis ich ihn wieder zurück gebracht habe? Na, das wird noch was.
Immerhin geht aber der geliehene DVB-T Receiver noch. Jedenfalls empfängt er eine Handvoll Programme. Zur Belohnung durfte er mit meinem Fernseher im Wohnzimmer zusammenziehen, und ich lag den ganzen Abend meckernd davor.

Ein paar Tage später wollte ich unbedingt Minze kaufen. Es gab aber keine. Und zwar überall. Den letzten Versuch unternahm ich in einem Laden mit einem beeindruckenden Kräuterregal. Auch hier: keine Minze. Bis ich dachte: Die Petersilie hier sieht aber komisch aus! Und die riecht auch komisch. Das ist doch… Nanü? Hömma, dat IS doch Minze! Wieso schreiben die denn da Petersilie drauf? Wollen die mich hier verkohlen oder was? Vielleicht waren die Petersilien in den anderen Läden auch schon alle Minzen gewesen. Und ich gökel’ durch die halbe Stadt und hab’ ja sonst nix zu tun! Jedenfalls kam die Minze mit und zuhause sah ich auch, dass auf dem kleinen weißen Aufkleber-
chen auch tatsächlich „Minze“ steht. Wahrscheinlich, damit die, die mich da verkohlen wollten, selber noch durchsteigen. Ich komm’ Euch schon auf die Schliche!
Irgendwo ärgert sich jetzt vielleicht einer, weil ich den Trick durchschaut habe. Ätsch, war lecker, Dein Kraut! Aber wehe, Du machst das noch mal und schreibst demnächst an die Kartoffeln womöglich „Vollmilch“ dran…

Und gestern musste ich mich sogar zweimal aufregen!
Zuerst darüber, dass ich schon wieder was lesen musste, worin jemand Hartz IV und Bier zusammen schmiss. Es sollte wohl für den Reim sein, aber mich strengt das kolossal an. Es steht nämlich keinesfalls im Antragsformular für Arbeitslosengeld II, dass man nur dann Leistungen beziehen kann, wenn man sie ausführlich in Bier investiert. Das weiß ich zufällig ganz genau. Und es soll sogar Hartz IV-ler geben, die überhaupt nie Bier trinken! Und auch gar keine Jogginganzüge tragen! Und die noch nicht mal richtig prollig sind! Ich weiß; – wenn das bekannt wird, löst es einen deutschlandweiten Skandal aus.

Und als ich mich gerade so richtig schön aufregte, beschloss ich, ein Bad zu nehmen. Und wollte gerade heißes Wasser einlassen, da blieb das Wasser einfach kalt. Beziehungsweise, es wurde sogar immer kälter. Da ging doch mittenmal die Therme nicht mehr! Onnoch! Na, da hat sich aber bestimmt jemand gewundert, wie viele Rohrspatzen in der Theobromine wohnen. Und was die plötzlich für Wörter kennt. Und wie energisch die mit dem Hausbesitzernachwuchs telefoniert, damit der gleich heute Morgen („Spätestens!“) einen Thermenheilpraktiker schickt.

Immerhin. Geholfen hat’s. Das Wasser sprudelt wieder mollig warm, später wird gebadet. Beruhigungsbad. Ist aber eigentlich nicht mehr nötig. Hab’ mich abgeregt und schon längst wieder prima Laune, das geht ja fix bei mir. Außerdem ist noch genug Schokoladeneis im Haus.

14 thoughts on “Aufregend

    • Wat hättsn im Angebot gehabt?

      Ich bin ja aber sowieso weniger der Riegel- als vielmehr der Tafel- und Trüffeltyp. Und bin zum Glück ganz gut versorgt mit Valrhona „Jivara lait“ und Feodora „Orange Marzipan“. Ich komm‘ da aber gerne drauf zurück…

  1. Zu Hartz IV und Bier kann ich nur sagen, dass einfach niemand die ganzen manierlichen und promovierten Akademiker sehen will, die ohne Bier, aber mit Hartz auskommen müssen. Ist ja langweilig. Die sind so unauffällig. Und die Debatte über die fehlende akademische Elite würde auch noch ad absurdum geführt.

    • Ich glaube ohnehin, dass die wenigsten Hartz-IV-ler richtige Prolls sind. Ich muss z.B. auch immer an alleinerziehende Mütter denken, die sich so durch den Monat wurschteln müssen. Und „Akademiker“ und „Hartz IV“ passt für die meisten Leute nicht gleichzeitig in den Kopf. Irgendwer hat damit angefangen bestimmt die BLÖRKS-Zeitung und alle plappern nach, dass Hartz-IV-ler sowieso nur Schmarotzer sind. Dann können wir die Schraube ja ruhig enger ziehen… Ich könnt mich uffreeeschen!!!

      • Mag sein, dass sie sogar die Minderheit ausmachen. Sie fallen einfach mehr auf, weshalb sie schnell als Paradebeispiele gelten. Die Anderen halten sich ja meistens eher bedeckt oder reden grundsätzlich nicht darüber, dass sie im Bezug sind.

        Na ja, ich denke, dass inzwischen die Mehrheit einfach bloß noch Angst hat, selbst mal in Hartz IV zu landen. Um sich selbst diese Angst zu nehmen, ist es ein Ausweg, einfach die Betroffenen so zu sehen, als hätten sie selbst Schuld. Denn sonst müsste man die Wahrheit sehen. Dass es JEDEN treffen kann.

        • Ich merk‘ schon, wir ticken da gleich, liebe Emily. Ich habe übrigens schon beobachtet, wie eben noch rauschende Gespräche plötzlich abstoppen, wenn einer am Tisch plötzlich fragt: „Und was machst Du so beruflich?“ und der Angesprochene antwortet: „Ich bin arbeitslos und krieg‘ gerade Hartz IV.“

  2. Ich finde sowieso, dass es inzwischen ziemlich heikel ist,jemanden zu fragen, was er beruflich macht. Ich habe mir angewöhnt, da lieber etwas zu warten, bis derjenige selbst damit anfängt. Bei mir in der Kneipe sind viele Hartz vierer, und da sind einige umschulende Diplomförster, -grafiker, -musiker und ne große Menge sehr an Arbeit interessierter Facharbeiter, die alles mögliche annehmen, bloß um zu arbeiten und nicht so abhängig zu sein. Und wenn dann die Diplomförsterin zur Blumenbinderin umschult, besser gesagt, abschult, denn das ganze Lateinische hat sie vor Jahren gelernt und alles mögliche mit Pflanzen natürlich auch, auf einem ganz anderen Niveau, versteht sich, und die muss sich jetzt im hohen Alter von fast fünfzig mit neuerlichen Prüfungen und Erziehungsmaßnahmen rumquälen, da wird mir ganz anders…

  3. Ich muss jetzt einfach noch mal auf eines meiner allerliebsten Lieblingsbücher – ich habe es mindestens viermal gelesen – hinweisen :“DIE KUNST DES STILVOLLEN VERARMENS“ von Alexander von Schönburg. Ganz kurzes Zitat, das ich „meinen“Hartz vier“ Gästen oder Freunden manchmal schon vorgelesen habe und dann zum wirklich ehrlich gemeinten Weiterlesen gebeten habe: Seite 16…Die fetten Jahre sind vorbei, let´s face it, endgültig vorbei. Für uns, die wir davon betroffen sind, hat das allerdings auch eine positive Seite:Jahrzehntelang redete der Kapitalismus uns ein, Armut sei etwas Beschämendes. Armut bedeutete:“Der hat es nicht gepackt“, der Blöde, der Faule. Doch die Legende des Kapitalismus, der uns ständig einbläute“Jeder kann!“, hat sich als unhaltbar erwiesen. Es kann eben nicht jeder! Karrieren werden geknickt, es gibt Gewinner und Verlierer, und die Verlierer werden immer mehr. Wer heute verarmt, muss sich nicht länger als persönlich Scheiternder fühlen – er verarmt als Teil eines viel größeren Prozesses. Damit bekommt sein Schicksal eine historische Dimension, die tröstlich sein kann.
    Es ist sehr viel erträglicher, wenn man mit einer ganzen Epoche, einer ganzen Schicht abtritt, als wenn man nur persönlich scheitert…… Am liebsten würde ich das ganze Buch hier zitieren, denn es hat meine Sicht auf vieles TOTAL verändert. Schlaf schön, Deine Annemikki

    • Vielen Dank für dieses feine Zitat, liebe Annemikki. Scheint ein kluges Buch zu sein, muss ich auch mal reingucken.

      Zum Glück bleibt einem der Reichtum im Kopf erhalten und man kann immer aus ihm schöpfen, egal ob das Konto voll oder leer ist. Diese Sorte Reichtum wird allerdings zu wenig geschätzt, sogar von den Geknickten selbst. Da kann man schon mal mutlos werden. Umso schöner, wenn man dann sowas vorgelesen bekommt.

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