Ja, da guckt man einmal nicht hin, schon ist wieder Herbst.
Vor einer guten Woche saß ich doch noch im dünnen Leibchen an einem schönen Quell-
bach und konnte mir einbilden, es sei noch sommerlich! Naja, wären da nicht die Vögel gewesen, die mich von oben aus dem Holunderbaum kräftig mit reifen Beeren bewarfen. (Übrigens nur mich. Mein lieber Begleiter, der ja direkt neben mir saß, blieb merkwürdi-
gerweise verschont. Also, meine Hose sah vielleicht aus!)
Und einen Tag später finde ich meine erste Kastanie.
Ein spezieller Moment für mich, jedes Jahr. Das Zeichen, dass der
Zenith eines Jah-
res wieder mal
endgültig über-
schritten ist
und ich mich
verabschieden
muss von Wärme,
Wachsen und Blühen.
Das Grün vergilbt und ver-
schwindet, das Wetter wird zugig, matschig und trübe. Das Licht geht… – Ja, ich hör‘ ja schon auf! Natürlich gibt’s auch schöne Herbsttage, jaja. Bunte Blätterpracht. Klare Luft. Pfff. Und dann der Winter! Gemütlich und so. Kaminfeuer. Weihnachten. Romantische Schneelandschaften, – ach, geh’ mir weg! Ich hab’s eben doch lieber bunt, piepend und werdend. Diese ganze Vergeherei macht mich nun mal melancholisch.
Also habe ich mir vor Jahren einen persönlichen Brauch gebastelt: ich stecke die erste gefundene Kastanie in die Jackentasche; – wenigstens sie hat es in den nächsten Mona-
ten warm und wird zwischen Jacken- und Manteltaschen hin- und herwandern, denn ohne sie gehe ich nicht raus. Wenn ich dann draußen im Ungemütlichen unterwegs bin, taste ich oft mit den Fingerspitzen nach ihr, damit sie mich daran erinnert, dass die Natur ja irgendwann mal wieder aufwachen muss. Das tröstet mich dann ein bisschen. Je leichter und knautschiger sie wird, desto näher kommt der Frühling. Und wenn ich nach Monaten endlich wieder die erste aufgehende Blattknospe sehe, dann hole ich die angeknitterte Taschenbewohnerin raus, bedanke mich noch mal freundlich für ihre Hilfe, und werfe sie so weit von mir fort wie ich kann… Wieder mal geschafft!
Und offenbar bin ich nicht die Einzige, die ein bisschen Kalte-Jahreszeiten-Trost ganz gut gebrauchen kann, denn als ich im letzten Jahr darüber schrieb, haben sich spontan Einige diesem Brauch angeschlossen, so dass eine hübsche kleine „Kastanienbewegung“ ent-
standen ist. Zu wissen, dass nicht nur in meiner Tasche so ein kleines Knubbelding liegt, war natürlich gleich noch mal tröstlicher. Und im März haben wir unsere Kastanien dann sogar gemeinsam (jeder natürlich an seinem Ort) geworfen und damit den Winter beendet. Jaha, das waren nämlich wir!
Also rufe ich hiermit zur diesjährigen Kastanienbewegung auf!
Findet Eure Begleiterin und lasst sie in Eure Tasche einziehen! (Wer vorher noch ein Foto davon macht und es bloggt, macht mir übrigens eine Freude. *zwinkerzwinker!*) Und im Frühjahr verabreden wir uns dann wieder zum großen, internationalen Kastanienwurf. Es kann eigentlich diesmal nicht lange dauern bis dahin, denn meine diesjährige Kastanie ist sehrsehr zierlich (kaum größer als ein Centstück). War eben die erste, die mir begegnete.
Und ich behaupte jetzt einfach mal, das deutet vielleicht könntedochsein manweißesnich eventuell auf einen kurzen Winter…?