Küchensofagedanken am Morgen (Teil 4) – „Immerhin ehrlich!“

TheobrominenfuesseHeute bin ich mal ernst.
Seit Jahren beobachte ich das schon: der Umgang der Leutchen miteinander wird irgend-
wie immer egaler. Und man hat immer bessere Ausreden dafür. Eine ganz beliebte Ausrede z.B. ist diese: „Ich sag’ immerhin ehrlich meine Meinung!“ Wahlweise auch: „Ich sag’s dir wenigstens offen ins Gesicht!“

Mit diesen Aussagen werden oft die reinsten seelischen Grausamkeiten abgeschlossen. Und der Angesprochene traut sich nicht mehr zu piepen, denn gegen Ehrlichkeit und Offenheit kann man ja nichts haben! Dass man vielleicht gerade mitgeteilt bekommen hat, dass man doof und hässlich ist und stinkt, scheint nur noch die Nebenbotschaft zu sein. Auch, dass der Liebste sich vielleicht ab sofort lieber einer Anderen zuwenden möchte, lässt sich doch viel besser verdauen, wenn man’s grob um die Ohren gehauen bekommt. Schließlich muss man sich doch die Wahr-
heit sagen! Offen und ehrlich!

Natürlich soll man das. Ich bin ja auch sowas von dafür. Aber man kann ja auch kurz mal vorher überlegen, was diese Wahrheit im Anderen anzurichten vermag. Egal, ob es eine große oder kleine Wahrheit ist. Und dann mal gucken, ob man sie wirklich schonungslos raushauen muss. Ich meine jetzt nicht, dass man etwas beschönigen oder weglassen soll. Aber wer dazu fähig ist, sollte zumindest kurz mal einen Perspektivwechsel simulie-
ren und sich vorstellen, wie er/sie sich selbst als Wahrheitsempfänger wohl fühlen würde.

Komischerweise bemühen sich nicht viele Leute um diese innere Vorarbeit und klotzen mal lieber gleich los. Haben die alle selber so ein dickes Fell? Also, eben keine Ahnung, wie man sich fühlt, wenn man fiese Brocken vor die Füße geschmissen kriegt? Denn meistens sind das doch Nachrichten, die ganz persönliche Dinge betreffen, die aufs Selbstbild zielen. Und da ist es eben nicht „sowieso schon egal“, wie man etwas sagt. Natürlich werden schlechte Nachrichten oder Anwürfe nicht besser davon, dass man sie freundlich vorträgt. Aber es gibt normalerweise auch keinen Grund, ihnen durch rüdes, unsensibles Verhalten noch größeres Gewicht zu geben.

„Ich bin ja wenigstens ehrlich!“ ist eins dieser beliebten Mundtotargumente. Also somit keins. Es soll den Empfänger der Botschaft stumm machen und auch das Gewissen des Senders. Aber das muss man ja auch erstmal wissen. Und nicht etwa den Totschläger auch noch für seine gute Tat loben.

Ein Hilfsmittel, das es meiner Meinung nach ermöglicht, die auch schlimmsten Wahrhei-
ten schonender zu transportieren, ist die Diplomatie. Verbunden mit dem schon beschrie-
benen Einfühlungsvermögen, genannt Empathie. Manche verstehen unter Diplomatie inzwischen vielleicht „jemanden geschickt übers Ohr hauen“. Aber eigentlich ist nichts anderes gemeint, als eben so zu vermitteln, dass möglichst wenig kaputt geht, ja vielleicht sogar beide Seiten einen Gewinn haben. Man kann damit tatsächlich fast alles verträglicher formulieren, ohne die Tatsachen zu verschwiemeln, das weiß ich aus Erfahrung (beider Seiten, übrigens). Und das ist gerade im Umgang mit Anderen wichtig. Die Mühe kann man sich doch ruhig machen, oder? Ich finde, ja. Ehrlich gesagt.

Fieber! (3)

Habt Ihr alle schön geübt? Dann gibt es heute zur Belohnung mal ein bisschen geschichtliches Hintergrundwissen. Das ist auch wichtig.

Heutzutage ist es ja so, dass man zum Tanzen in die Disco geht. Alles andere ist dort inzwischen offiziell verboten, glaub’ ich. Man steht cool rum oder bewegt sich eben ein bisschen, und bis vor kurzem musste man dann auch noch Alcopops dazu trinken. Ganz schön schwierig, aber machbar. In den 70ern war das noch ganz anders. Aber das waren auch ganz andere Zeiten und alles musste viel, viel freizügiger, ja sogar sexy sein. Man sollte sogar rauchen! Das kann man sich heute kaum mehr so richtig vorstellen. In dem Disco-Tänze-Buch kann man ja noch sehen, was damals los war, und ich habe auch davon sprechen hören. Hier also die ganze Wahrheit.
 

Chicken_wings






Dieses Huhn ist aufgeregt.
Zumindest sieht es so aus. Aber eigentlich befindet sich im Innern eine ausgetüftelte Mechanik, die nervöses Flattern vor dem eigentlichen Akt simulieren soll.

Es handelt sich nämlich um eine „Sexma-
chine mit Chicken-Wings“. Frag’ mich lieber niemand, ich kann’s mir auch nur ausmalen; – ich nehme an, solche Gerätschaften hatte man in den 70ern in den Tanzsalons zur Er-
bauung der anwesenden Gäste. Und zwar in jeder Ecke eins.


Wenn die Gäste dann ausreichend erbaut waren, hielt es sie nicht mehr auf den Sitzen und sie umtanzten sich gegenseitig zunehmend wilder mit immer eindeutigeren Posen. Sogar mit Zappzerapp-Händen! Puh! Wahrscheinlich hat man sich auch noch zugezwin-
kert! Und wo sowas hinführt, bzw. wie solche Abende dann ausgehen, weiß man ja.
Also, ich nicht. Aber Leute, die ich kenne.

F_Broadway

Und die haben mir erzählt, dass sich zu vorgerückter Stunde, wenn die „Bude am Kochen war“, oft Pärchen bildeten, die aus ihren Absichten dann keinen Hehl mehr machten. Manchmal kannten die sich vorher nicht mal! Und fingen dann auch schon mal an, sich sogar an den Händen anzufassen.

Das war das Zeichen: An dieser Stelle muss dann wohl ein Guide oder sowas erschienen sein, um das aufgeregte Paar auf eine „Führung“ in die „Liebkosung“ mitzunehmen. Wahrscheinlich fand diese Führung dann in Katakomben oder Hinterzimmern statt. Und hätten wir nicht das Buch mit den überlieferten Texten, könnten wir uns kaum darüber ins Bild setzen, welche komplizierten Vorgänge dann ihren Lauf nahmen. Man versteht heute ja nicht mehr alles. „Duck-Dich“ z.B. sagt mir nichts, aber „Damensolo unter rechtem Arm tanzen“ spricht ja wohl Bände.

Liebkosung

Meine Herren! Muss das ein wildes Jahrzehnt gewesen sein!
Das muss man erstmal verarbeiten.

Wer üben will, der übe!
Nächste Woche kommt dann auch schon der letzte Teil.