HA!

Vor ein paar Jahren musste ich mal ein paar Monate in einer Firma arbeiten, die ich sehr bald nur noch „Die Kackbude“ nannte. Mir wurde der Arbeitsvertrag geradezu aufgenötigt, obwohl ich sogar extra mit zerknüllter Bluse und gelangweiltem Gesicht zum Vorstel- lungsgespräch erschienen war, bei dem ich dem Chef auch noch ständig ins Wort fiel und ihm widersprach, wo ich konnte. Das schien ihm entweder zu imponieren, oder gar nicht erst aufzufallen. Er wollte mich unbedingt als Marketingtante einstellen, obwohl ich ihm bestimmt fünfmal gesagt hatte, dass ich von Marketing so viel verstehe wie meinetwegen ein Konditor vom Trampolinspringen.

Die Firma, für deren Marketinggeschicke ich nun zuständig war, vertrieb Software für Kon- strukteure und Architekten. Im Grunde waren das alles Vertreter. Man sagt ja, dass das schon irgendwie eine Gruppe für sich ist, mit ganz eigenen Regeln. Nachdem ich heraus fand, dass offensichtlich niemand genau wusste, was eine Marketingfrau eigentlich so zu tun hat, machte ich einfach, was mir so einfiel, oder was man mir hinlegte.

Der Chef hieß B. und begann jeden Ausspruch mit der Einleitung: „Ich sach’ mal, halt, was könn’wir tun, was könn’wir machen, das ist dann halt die Sache, halt…“  Das machte mich ganz irre, und ich musste bald sehr aufpassen, ihm nicht aus Daffke genauso zu antworten.

Alles, was nicht so anfing, wurde gebrüllt. Und wie! Herr B. genoss es sichtlich, eine At- mosphäre von Angst und Schrecken zu verbreiten. Alle Kollegen sahen immer so aus, als wollten sie lieber zum Schutz unter den Tisch kriechen. Nur ich wieder nicht. Ich blieb ganz unbeeindruckt und antwortete jedes Mal in gut gelauntem Plauderton. Einmal mach- te ihn das so rasend, dass er tatsächlich anbot, mir den Hals umdrehen zu wollen. Ich lehnte das aber genauso ruhig ab wie alles andere. „Ach nein danke, Herr B. , ich hab’ ja auch zu tun.“ Hinterher wollte er das als „Scherz“ gemeint haben. Deswegen also hatte ich so lachen müssen.

Die Kollegin, mit der ich in ein Büro gesetzt wurde, war 22, hatte unterm Bauchnabel so eine Tätowierung, die man wohl normalerweise auf der anderen Seite hat, wo sie dann „Geweih“ heißt. Der Rest von ihr sah wie etwas, dass man erst aus einem rosa Karton pellen muss. Und im Nebenkarton wohnt Ken. Trotzdem verstanden wir uns gut, denn der Rest der Belegschaft war männlich und nicht zum Aushalten.

Ich will sie nicht alle beschreiben, aber in einem Büro saßen z.B. ein Zweitmeterzehn- Mann und ein Terrier von höchstens 1,60 m zusammen, die nebeneinander einfach zum Schießen aussahen. Der Eine bog sich über seinen Schreibtisch wie ein Geier, während der Andere kaum über die Tischkante gucken konnte. Aus der offen stehenden Tür ihres Büros hörte ich immer wieder ein Geräusch wie von einem Nagelknipser, so etwa alle halbe Stunde.

Später fand ich heraus, dass der Geier sich nicht etwa in Zeitlupe die Nägel schnitt, son- dern so ein schickes Knipsfeuerzeug hatte, mit dessen Hilfe er den Terrier mit Zigaretten- rauch einnebelte. Bestimmt, um dessen doofes Gesicht nicht sehen zu müssen. Leider musste er ihn trotzdem weiterhin hören und darum beneidete ich ihn auch nicht gerade. Der Terrier war nämlich nie für irgendwas zuständig oder verantwortlich und sprach in „Wir“-Sätzen, wenn er „Du“ meinte. Zudem kam er aus Sachsen, was man deutlich hören konnte: „Ham wiör dännschö die CäDähs geprannd?“ Und er war ordentlich scharf auf die Barbie-Sekretärin, erklärte ihr ständig die Welt und merkte nicht, dass sie davon völlig unbeeindruckt blieb.

Eines Tages bekamen wir neues Geschäftspapier. Für Hannover und für Hamburg. Damit da keine Verwechslungen aufträten, sollten die Kartons beschriftet werden. Die Beschrif- tung nahm der Chef persönlich vor, mit dickem Filzschreiber. Ein Stapel Kartons wurde mit „H“ beschriftet, ein Stapel mit „HA“. Ich wollte dazu lieber ausnahmsweise nichts sagen. Wir mussten dann jedes Mal überlegen, welche der Kartons nun für welche Stadt waren, bis die „H“-Kartons endlich nach Hamburg gebracht wurden. Übrig blieben dann im Flur der hannöverschen Niederlassung diese Kartons, die sich offensichtlich genauso über die Verhältnisse dort amüsierten wie ich…

lustige_kartons

10 thoughts on “HA!

    • Im Grunde sende ich ja hier… 😉
      Mir soll das für’s erste reichen. Ich wüsste auch gar nicht, wer mich da spielen sollte. Der Pastewka ja jedenfalls schomma nicht, da sind wir uns wieder mal einig!

  1. Liebe Th. (ich wollte dich jetzt nicht ein zweites Mal entlarven),
    You made my day! Hatte bis eben noch grenzwertige Laune, aber die Kisten sind ja großartig, hast du ein paar behalten für schlechte Zeiten (oder noch ungebrauchte Gags)? Viele Grüße aus B. und bis bald,
    Andrea

    • Hey Andrea,
      das ist ja schön, mal wieder was von Dir zu hören!
      (Haste gut gemacht, das mit der Nichtentlarvung. So ist’s brav, hehe…) Was die Kisten angeht, die musste ich damals auf meiner überstürzten Flucht leider zurück lassen. Seitdem schreibe ich alles in Notizbücher. Aber die könnte ich ja eigentlich auch mal mit „HA!“ beschriften. 😉

      Liebe Grüße nach Berlin und hoffentlich wirklich bis bald mal wieder!
      Theobromina

    • Ich gebe zu, es hat auch bei mir nicht gleich geklappt. Vor Allem hatte ich auch das Foto schon wieder total vergessen, bis es mir dieser Tage wieder in die Hände und somit die „Kackbude“ (und ihre Details) mir wieder einfiel. Ist ja schon ’ne Weile her…

      Ich hätte mir da viel mehr gemerkt, wenn ich da schon was vom bloggen gewußt hätte.

  2. ich stell mir grad vor, wie die Torte wohl in die Deckenlampe hineingeraten sein könnte…

    ~doing~ ~doing~ ~doing~
    „Wech da, lass mich mal“ ~schubs~
    „Sie Back-Rüpel!“
    ~droiing~ ~droiing~ *SCHMOTZ!!*

    • Wenn man das Trampolin gleich unter der Lampe stehen lässt, kann die Lampenschale sogar auf gleichem Wege wieder auslöffeln. Dauert etwas, macht aber deutlich mehr Spaß als normal.

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