Rieta und Knut

In meinem Hirn wohnt ein Ehepaar. Sie heißen Rieta und Knut. Rieta heißt nicht nur Rita, sondern eben Rieta, weil man das „i“ sehr betont spricht. Knut heißt Knut, weil er knapp und bündig ist. Mit Eisbären hat das nix zu tun, denn das Ehepaar gibt es in meinem Kopf bestimmt schon zehn Jahre oder so.

Rieta und Knut kommen immer da vor, wo ich einen Vergleich ziehe zu anderen Menschen aus dem Volke. So ähnlich wie Lieschen Müller (die mir aber vom Charakter zu brav erscheint) oder Gabi Mustermann (die mir immer die künstliche Gestalt blieb, die sie ist).
Es geht eher so in die Richtung Otto Normalverbraucher, nur etwas pointierter.
Ich habe eine klare Vorstellung von Rieta und Knut, weiß wie sie aussehen, wie ihre Stimmen klingen, was sie mögen und wie sie wohnen.

Rieta ist um die 50, etwas füllig, aber nicht dick, hat schwarz gefärbte Locken und lässt sich überhaupt einmal die Woche die Haare machen. Im Sommer ist sie immer ungesund braun, weil sie jede freie Minute in der Sonne verbringt und sie hat recht lange Fingernägel, die sie perlmütterlich lackiert. Ich glaube, sie raucht und ganz sicher trägt sie jede Menge Kaufhausschmuck (echtes Gold, aber synthetische Steine und furchtbar fantasielose Gestaltung). Sie trägt auch Kaufhaus- bzw. Bestellkleidung, die sie schick und adrett findet, manchmal vielleicht ist diese ein wenig zu jugendlich.
Rieta hat eine energische, laute Stimme. Ob sie selber das auch weiß, ist nicht klar.
Obwohl sie 50 ist, hat sie etwas Naseweises und Kokettes.
Sie glaubt immer, sie hat Ahnung und manchmal stimmt das auch.

Knut hat schon recht weißes Haar, ist so fünf Jährchen älter als seine Frau und ist Frührentner. Was er früher gemacht hat, weiß man nicht. Vielleicht war er beim VW oder so in der Fertigung. Er hat dünne Beine und einen Bauch, aber nur vorne. An Schmuck trägt er nur den Ehering und eine Armbanduhr mit Metallarmband, an deren Verschluss er gelegentlich herumnestelt.
Knut spricht wenig. Er überlegt lange und spricht dann mal in Rietas Sprechpause rein. Man kann aber an seiner Mimik erkennen, wie er zum Thema steht.

Er trägt Kurzarmhemden mit grafischen Mustern, die eine Lebendigkeit versprechen, die Knut nicht halten kann.
Ich sehe ihn aber immer in einem Feinrippunterhemd vor mir, denn meistens sind Rieta und Knut in ihrem Schrebergarten zu finden.
Dort sitzen sie in einer Plastiksitzgruppe mit Auflagen in der prallen Mittagssonne und bräunen. Backen trifft es eher. Rieta trägt einen Badeanzug und ihr Dekolleté ist ganz zerknittert, Knut ist überall da braun, wo das Unterhemd die Haut frei lässt. Eincremen tun sie sich nicht, weil: „Dat wär‘ ja Quatsch, dat brauchen wer nich‘. Wir sind ja de Sonne gewöhnt!“ Sie trinken den ganzen Tag lang Kaffee, mal mit mal ohne Koffein, je nach Tageszeit. Ab 17 Uhr trinkt Knut Feierabendbier, das er sich in ein Bierglas einschenkt und Rieta trinkt Weinschorle.

Obwohl man sie ein bisschen lächerlich findet, sind die Beiden sympathisch. Rieta hat so etwas Piffiges und Knut in seiner Brummigkeit etwas Verschmitztes. Die Rollen sind klar verteilt und sie sind lange genug zusammen, um in fast Allem einer Meinung zu sein.

Diese Meinung ist es, die mir manchmal in den Sinn kommt, wenn ich Kontakt aufnehme zu den Paralleluniversen um mich herum. Oder wenn ich mit Ästhetik geplagt werde, die so gar nicht meine ist.
Jeder kennt das, wenn man sich die Frage stellt: „Wer kauft denn so was?“
Die Antwort ist meistens: Na, Rieta und Knut, die Beiden!

Es macht total Spaß, so ein fiktives Ehepaar zu beherbergen. Man kann es oft befragen, ohne es direkt ansprechen zu müssen oder man kann Geschichten darüber erfinden und ausbauen.

Jedenfalls: Rieta und Knut werden hier bestimmt mal wieder auftauchen…

9 thoughts on “Rieta und Knut

  1. Hach, das ist ganz reizend… vor allem das Schrebergartenbild… auf der einen Seite dieses „Wie kann man nur?“ und auf der anderen das „Och, manchmal sindse ja doch ganz knuffig.“
    Vor allem… wer kennt solche Leute nicht?
    Nur vielleicht nicht ganz so… konzentriert.^^

  2. solche leute wohnen bei mir nebenan! 😀

    die wandelnden clichées… furchtbar. sie bewohnen eine gleichgrosse wohnung wie ich, sind aber zu zweit mit zwei hunden (was sag ich hunde… von der grösse her sind das shetland ponys!!) und zwei kindern.
    fühle mich gleich etwas dekadent.

  3. Bei mir im Kopf wohnt einer, der heisst Oscar, wie die Tonne.

    Der ist alles was ich nicht bin: Werwolf, verteilt mein Gewicht statt auf 1,63 auf 1,92m, Punker mit grünen Haaren, hat ne Autowerkstatt als Asyl für 4 extrem schräge aber extrem fähige Schrauberleute, poussiert bei Vollmond mit der überintelligenten Hündin des Nachbarn (will aber nur mit ihr Schach spielen, und beim begeisterten Wedeln wegen nem besonders intelligenten Zug fallen immer die Figuren um, so dass das Spiel nie zu Ende kommt, weil sie sich dummerweise die Positionen nicht gemerkt haben). Bevor er abends ne Runde werwolfen geht, öffnet er zwei, drei Dosen Hundefutter und stellt sie neben sein Bett, denn die meisten Bratwurstbuden haben um 5 Uhr morgens nicht mehr offen.

    Woher ich weiss, was Oscar so den Tag über macht? Meine Stereoanlage arbeitet als Sekretärin im Büro der Autowerkstatt.

    Willkommen Rieta und Knut 🙂

  4. Ich stell mir das ja lästig vor, wenn die beiden sich mal streiten und dann im Kopf mit den Türen werfen. Wenn sie zanken und grummeln und man selber will doch seine Ruhe haben. Oder wenn sie eine Party feiern und viel zu viel von der Bowle und dem Bier trinken, und dazu jeweils einen Jägermeister, weil so trocken kriegt man das Zeug ja nicht runter, und wenn sie dann nach Hause kommen, schnarchen sie ensetzlich.

    • Also streiten tun sie nie, weil Knut genau weiß, dass er dann den kürzeren zieht. Rieta kann nämlich ausdauernd schmollen (Türenschlagen würden sie auch nicht, weil dann die Trocken- und Seidenblumenkränze abfallen, mit denen sie die Wohnung „dekoriert“ hat.)

      An Knuts Schnarchen habe ich mich gewöhnt. Er war mal 2 Wochen im Krankenhaus (Nierenstein), da hat es mir richtig gefehlt!

  5. My brain is your hostel (oder: Janz schön warm heute!)
    Jüngst berichtete Theobromina von Rieta und Knut, ihrem schrullig-putzigen Hirnbewohnerehepaar.
    Das brachte mich auf den Plan, selbst mal eine knappe Brägen-Inventur zu machen.

    In meinem Schädel ist ja nicht viel drin. Also klar, so etwa…

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