(Erstveröffentlichung: 21. Mai 2007)
In meinem Hirn wohnt ein Ehepaar. Sie heißen Rieta und Knut. Rieta heißt nicht nur Rita, sondern eben Rieta, weil man das „i“ sehr betont spricht. Knut heißt Knut, weil er knapp und bündig ist. Mit Eisbären hat das nix zu tun, denn das Ehepaar gibt es in meinem Kopf bestimmt schon zehn Jahre oder so.
Rieta und Knut kommen immer da vor, wo ich einen Vergleich ziehe zu Anderen, quasi aus dem Volke. So ähnlich wie Lieschen Müller (die mir aber vom Charakter zu brav er- scheint) oder Gabi Mustermann (die mir immer die künstliche Gestalt blieb, die sie ist).
Es geht eher so in die Richtung Otto Normalverbraucher, nur etwas pointierter. Ich habe eine klare Vorstellung von Rieta und Knut, weiß wie sie aussehen, wie ihre Stimmen klingen, was sie mögen und wie sie wohnen.
Rieta ist um die 50, etwas füllig, aber nicht dick, hat schwarz gefärbte Locken und lässt sich überhaupt einmal die Woche die Haare machen. Im Sommer ist sie immer ungesund braun, weil sie jede freie Minute in der Sonne verbringt und sie hat recht lange Fingernä- gel, die sie perlmütterlich lackiert. Ich glaube, sie raucht und ganz sicher trägt sie jede Menge Kaufhausschmuck (echtes Gold, aber synthetische Steine und furchtbar fantasie- lose Gestaltung). Sie trägt auch Kaufhaus- bzw. Bestellkleidung, die sie schick und adrett findet, manchmal vielleicht ist diese ein wenig zu jugendlich.
Rieta hat eine energische, laute Stimme. Ob sie selber das auch weiß, ist nicht klar. Obwohl sie 50 ist, hat sie etwas Naseweises und Kokettes. Sie glaubt immer, sie hat Ahnung und manchmal stimmt das auch.
Knut hat schon recht weißes Haar, ist so fünf Jährchen älter als seine Frau und ist Früh- rentner. Was er früher gemacht hat, weiß man nicht. Vielleicht war er beim VW oder so in der Fertigung. Er hat dünne Beine und einen Bauch, aber nur vorne. An Schmuck trägt er nur den Ehering und eine Armbanduhr mit Metallarmband, an deren Verschluss er gele- gentlich herumnestelt. Knut spricht wenig. Er überlegt lange und spricht dann mal in Rie- tas Sprechpause rein. Man kann aber an seiner Mimik erkennen, wie er so zum Thema steht.
Er trägt oft Kurzarmhemden mit grafischen Mustern, die eine Lebendigkeit versprechen, die Knut nicht halten kann. Ich sehe ihn aber immer in einem Feinrippunterhemd vor mir, denn meistens sind Rieta und Knut in ihrem Schrebergarten zu finden. Dort sitzen sie in einer Plastiksitzgruppe mit Auflagen in der prallen Mittagssonne und bräunen. Backen trifft es eher. Rieta trägt einen Badeanzug und ihr Dekolleté ist ganz zerknittert, Knut ist überall da braun, wo das Unterhemd die Haut frei lässt. Eincremen tun sie sich nicht, weil: „Dat wär‘ ja Quatsch, dat brauchen wer nich‘. Wir sind ja de Sonne gewöhnt!“ Sie trinken den ganzen Tag lang Kaffee, mal mit mal ohne Koffein, je nach Tageszeit. Ab 17 Uhr trinkt Knut Feierabendbier, das er sich in ein Bierglas einschenkt und Rieta trinkt Weinschorle.
Obwohl man sie ein bisschen lächerlich findet, sind die Beiden sympathisch. Rieta hat so etwas Piffiges und Knut in seiner Brummigkeit etwas Verschmitztes. Die Rollen sind klar verteilt und sie sind lange genug zusammen, um in fast Allem einer Meinung zu sein.
Diese Meinung ist es, die mir manchmal in den Sinn kommt, wenn ich Kontakt aufnehme zu den Paralleluniversen um mich herum. Oder wenn ich mit Ästhetik geplagt werde, die so gar nicht meine ist. Jeder kennt das, wenn man sich die Frage stellt: „Wer kauft denn so was?“ Die Antwort ist meistens: Na, Rieta und Knut, die Beiden!
Es macht total Spaß, so ein fiktives Ehepaar zu beherbergen. Man kann es oft befragen, ohne es direkt ansprechen zu müssen oder man kann Geschichten darüber erfinden und ausbauen.
Jedenfalls: Rieta und Knut werden hier bestimmt mal wieder auftauchen…
Ich kenn ein Ehepaar, das EXAKT so ist, wie von dir beschrieben. Das macht mir gerade ein bischen … Angst. :DD
Naja, Rieta und Knut sind ja zusammengesetzt aus Beobachtungen, die ich so gemacht habe. Sie leben in einer Parallelwelt zu meiner und ab und zu hänge ich mich mal auf Fensterbrett und gucke mal, was da so läuft.
Aber vielleicht habe ich sie ja auch ERSCHAFFEN! ;D
Meine Rieta heißt Rosemarie und mein Knut heißt Horst. Ich mag die. Alle Beide. 😉
rosemarie ist sooo
gebackengebräunt, dass sie nur noch lederstrumpf genannt wird, hinter vorgehaltener hand versteht sich. und sie trägt IMMER barbiepinken lippenstift. 8|Stimmt! Den Lippenstift habe ich vergessen! :))
Mir fällt übrigens gerade ein, dass ich eine nahe Verwandte von Rieta mal kennenlernen durfte. Das war bei einer Grabung in Moers. Ihrer Cousine oder was auch immer gehörte nämlich zusammen mit dem Cousinenmann ein Haus, neben dem sie bauen wollten. Wir durften dann im Dreck Matschepampe spielen und die Cousine hat sich in der obengenannten Ausstattung ab dem späten Vormittag oben auf der Dachterrasse mit ihrer faltigen, äh, Auslage übers Geländer gehängt, um unauffällig runterzuschielen, dass wir ja arbeiten. Das heißt, vielleicht wollte sie auch einfach nur die halbnackten Anarchos beim Schaufeln sehen, die bei der Grabung dabei waren. Oder sie hat Papierkügelchen runtergeschmissen, das hab ich nicht so genau gesehen, aber es würde manches erklären. :))
Halbnackte Anarchos? Will ich auch begucken! Ich brauch‘ sofort’ne Baugrube! ;D
Rietachen freut sich schon auf Dich, soll ich Dir ausrichten… :>>
Ja, Aljoscha war schon ’ne Type. Von ihm hab ich das Pflastersteinjonglieren, das im Scherbenhaufen vorkommt. :yes:
Ob ich mir eine Mundschutz besorge? Oder ich übe mich im Auf-dem-Bauch-Schlafen. :))
Ach, das wird ja immer besser! Mist, vor meinem Fenster ist nur langweiliges Schneetreiben. Nicht mal ein Sturm, der wie eine Ente mit Schuhen heißt.
Du könntest sonst auch mit dem Kopp in der Anlage schlafen. So gut ist ihr Wurfarm nämlich nicht.
Ja, der konnte wirklich gut jonglieren, ich glaube, das hat er mir sogar in Moers gezeigt. Übrigens war dieser Anarchist(!) gelernter Kaufmann und studierte zu der Zeit Ornithologie. Kein Scherz! :))
Das hatte ich mich auch schon gefragt, aber wer weiß, was sie dann mit meinen Füßen macht? Womöglich streuselt sie dann so winzig kleine Reißzwecken auf meine Zehen.
Ich finde, erst Kaufmann, dann Anarchist ist ein ganz logischer Verlauf. Meine Ausbildung ist ja nun auch kaufmännisch… ;D
Kann passieren. Oder Juckepulver!
Kannst Du denn auch jonglieren?
Solange sie mir kein Niespulver auf die Zehen streut. :))
Na klar, mit Meisen, Spechten und Motorsägenvögeln! :))
Ich dachte, die nennt man Biberschwanz?
Biberschwanz, Schwiberschwanz… Hauptsache, die brummen ordentlich! :>>
Nur nicht auf den Kopf fallen lassen, sonst gibt’s Brummschädel!
Ham die denn Köpfe, so Biberschwänze?
Öööh, da fragst Du was … aber Augen, Augen haben die bestimmt!
So Brummaugen wohl, was?
Ich dachte mehr an Knopfaugen, aber vielleicht brummen die auch.
Jedenfalls tragen sie Kettchen.
Aber müssten sie dann nicht rasseln?
Machen sie ja auch, man hört’s bei dem Gebrumme bloß nicht so.
Gibt es eigentlich Brummkettchen? So wie Brummkreisel?
Es gibt so Vibrierkugeln, da sind auch immer mehrere. Aber die meinst Du nicht, oder? ;D
Mit den Brummkreiseln? Nein, das ist was anderes. Übrigens ein echtes Trauma von Aljoscha, dem Anarchisten: Der hat sich als Kind mal fast den Daumen an einem Brummkreisel abgerissen! Die Narbe hat er jedem auf den Grabungen gezeigt. :))
Bin jetzt nicht sicher, ob Du dasselbe meinst wie ich, aber egal… :))
Und dann hat er angefangen, die Dinger um sich zu werfen und das Jonglieren für sich entdeckt, ja?
Ich meine sowas:
Eine interessante Theorie, das hab ich ihn nie gefragt. :))
Ich WEISS, was ein Brummkreisel ist! :)) Mir gings um die Brummkette…
Aber genau das weiß ich doch auch nicht. :)) Vielleicht sollten wir eine erfinden?
Totte, die GIBTS schon! :)) Zwing‘ mich nicht, sie genauer zu beschreiben!
Unter dem Namen kenn ich sie aber nicht, auch wenn ich mir denken kann, was Du meinst. 😉
Na also. 😉 Aber stimmt, der Name wäre noch frei. Eine Brummkette könnte auch eine Reihe von Läden sein, in denen man Handys kaufen kann, die lediglich Vibrieralarm können.
Genau das meinte ich. Dachtest Du etwa an was anderes? :))
Na klaaar. 😉
Und ja, ich dachte an was anderes, aber ich kann auch an was anderes Anderes denken. :>>
Rita und Knut haben mal bei uns im Haus gewohnt, die hießen sie allerdings noch Helga und Gunter. Die Beschreibung passt genau. Außerdem haben sie immer Müll getrennt („Das is‘ ja nu was Gutes – das mit der Trennung.) aber nie verstanden, wozu die verschiedenen Tonnen vorm Haus stehen…zumindest Gunter. Und Gunter hat mal im Baumarkt gearbeitet und etwas eigene Ansichten auf die Welt entwickelt.
Bei Interesse:
http://www.besserwisserseite.de/darmstadt/darmstadt9.phtml
Au weia, de Gunter. ja, da erschreckt man sich gerne mal, wenn so „normale Leit“ auspacken. Die dürfen ja auch alle wählen gehen! Hua!
Knut ist zum Glück nicht so, schließlich habe ich ihn selbst gemacht. Deswegen wählt er vermutlich dasselbe wie ich, und Mülltrennung betreiben wir beide nicht. 😉
Ui, das ist toll geschrieben und eine klasse Idee ist es auch! Das gefällt mir sehr! 🙂
Danke, Lucy, da freu‘ ich mich. 🙂
Ich finde, jeder sollte so’n Pärchen oder eine Vergleichsperson im Kopf wohnen lassen. Es ermöglicht, ab und zu die Perspektive zu wechseln (was wichtig ist, um die Welt breiter zu erfassen) UND Spaß dabei zu haben. 😉