Gute Karten, schlechte Karten

Wenn ich über Ostern verreise, dann geht das so: Ich laufe schon Tage vorher zum Bahn-
hof, mit der Befürchtung, dass die Schlange vor den Kartenschaltern bestimmt irre lang sein wird. Und tatsächlich: sie ist irre lang. Und anscheinend ist sie tot, denn sie bewegt sich nicht. Andererseits kann man das gerade bei Schlangen nie so genau wissen. Als ich eine halbe Stunde gewartet habe, weiß ich, die Patientin lebt zwar doch, aber sie ist schwach. Gerade mal vier Kunden hat sie ausgespuckt, dabei sind alle 10 Schalter geöffnet. Soll ich vielleicht…?

Also traue ich mich zum ersten Mal an einen Automaten. Hoch konzentriert (jetzt bloß nix verkehrt machen!) drücke ich mich durch das Menü. Plötzlich komme ich nicht weiter. Irgendwas muss ich doch falsch gemacht haben. Aber zum Glück stehen hier einige jun-
ge Leute in roten T-Shirts herum, die den Automatendoofen helfen sollen. Ich frage eine junge Frau, die garantiert nicht mal halb so alt ist wie ich und wohl keine Lust hatte, ihr Taschengeld in den Ferien durch Babysitten oder im Callcenter aufzubessern. Das hat sie jetzt davon. Sie besieht sich mein Problem für mindestens eine Zehntelsekunde, drückt frech auf „Abbruch“ und fragt mich dann patzig: „Wo wollense denn hin?!“ Ich schaue lieb, antworte brav und hoffe, ich muss nicht auch noch ein Gedicht aufsagen, denn ich bin to-
tal geschafft vom Renovieren und mir fällt jetzt bestimmt gerade keins ein. Sie will aber zum Glück kein Gedicht, sondern tippt meinen Zielort neu ein und lässt mich dann mit einem „Das müssen sie jetzt alles noch mal neu machen!“ stehen. Ich überlege, aber nur kurz, ob ich das jetzt vielleicht auch in ein Hausaufgabenheft eintragen muss.

Also mache ich noch mal neu und wohl gar nicht so verkehrt, und freue mich, als der Au-
tomat tatsächlich handliche Tickets und Reservierungen auswirft. Mit Dauersparpreis und allem! Und viel billiger als am Schalter!

Glücklich fahre ich nach Hause und greife sofort zum Telefon, um die Bahnautomaten und mich zu preisen: „Toll! Und richtig gespart! Ich bin ganz stolz auf mich. Das mache ich jetzt immer so.“ usw., usw…

Das war Dienstag. Am Samstag wollte ich ja fahren. Und am Freitag schaue ich noch mal ganz verliebt auf die Tickets und da steht plötzlich: 29.3. und 2.4. Klar, von Samstag bis Mittwoch. Aber irgendwas ist doch trotzdem falsch. Und dann ruckt es mir durch’s Hirn: Verdammt, Du hast das falsche Wochenende gebucht!!! Deswegen war das auch so günstig zu kriegen. Kein Mensch will an diesem Wochenende reisen. Mistmistmist! 

Und, auch klar: Als ich nun, drei Tage später, wieder zum Bahnhof komme, ist die kranke Schlange immer noch da. Und ich muss 15,- Euro Strafe zahlen für’s Umbuchen. Und ich bekomme keine billigen Tickets mehr. Und ich bezahle einen saftigen Preis für die neuen Tickets. Und das, liebe Kinder, nennt man Lehrgeld.

Zum Glück war die Hinfahrt dann aber wenigstens recht bequem, das Umsteigen klappte auf Anhieb, die Ankunft war vergnüglich, der Aufenthalt schön und abwechlungsreich (darüber erzähle ich später mehr) und auch die Rückfahrt war eigentlich, wie sie sein soll. Nur, dass es ab Dortmund im ganzen Wagen durchdringend nach Kloseife roch und der Schaffner uns mit seinem vergnügten, aber viel zu laut durchgesagten: „Guuuten Tach!“ erschreckte. Aber es gibt ja nun wirklich Schlimmeres.

Und das schöne Geld hätte ich ja doch bloß wieder nur für Süßigkeiten, schöne Männer und modischen Schnickschnack ausgegeben…

13 thoughts on “Gute Karten, schlechte Karten

  1. Allzuviel “ schönen Mann “ hätt’s aber für 15€ nicht gegeben 😉

    Warum macht’s du deine Buchungen nicht im Inet – da sparste dir den Weg zum Bahnhof und es ist obendrein noch wesentlich einfacher als am Automaten – du kriegst die Billigpreise und die schicken dir die Karten auch kostenlos zu wenn du per Lastschrift zahlst – bei Kreditkarte kannst du sie gleich selbst ausdrucken 😉

    • Neenee, es waren ja nicht nur die 15,- Euro Umtauschgebühr, sondern noch das Mehr für „Kein Dauersparpreis mehr möglich“. So kam ich leider auf ingesamt ca. 50,- Euro mehr… Dafür hätt’s schon mehr „Sausundbraus“ gegeben. 😉 Und ich musste doch auch die falschen Tickets zurückgeben und so. Außerdem hab‘ ich mehrfach die Erfahrung gemacht, dass man, wenn im Inet keine Spartickets mehr angezeigt werden, am Schalter doch eigentlich immer noch eins kriegt.

      Das mit dem Automaten werde ich nächstes Mal wieder versuchen und dann einfach das richtige Wochenende nehmen. Dann hab‘ ich einen guten Grund, in die Stadt zu fahren und hinterher zu bummeln…

      • “ … in die Stadt fahren “ natürlich, Frauen machen sowas ja gern 😉 – mir reicht es wenn ich einmal im Jahr für die Weihnachtseinkäufe da rein muß :))

  2. Nach guten Erfahrungen bei Großausstellungen wird die Bahn vermutlich bald auch »Schlangenbeschwörer« einsetzen: junge Leute, die herum wandern und die Kunden animieren. Vielleicht werden dann bald in Deinem Bahnhof Lieder wie »Hoch auf dem gelben Wagen« geschmettert, und die Warteschlange wird noch länger, weil alles so schröcklich luschtig ist.

    • Auf dem gelben Wagen ist doch aber gar kein Platz mehr, lieber Rupi, da sitzt doch immer noch der olle Carstens drauf! Und eigentlich möchte ich auch gar nicht so gern von Fremden ananimiert werden; mir wäre dann doch lieber, sie würden uns bequeme Klappstühlchen anbieten, wie es vor einigen Jahren bei der MoMA-Ausstellung in Berlin der Fall war. Dann vielleicht noch ein paar Schnittchen dazu… Man soll mit vollem Mund ja sowieso nicht singen. 😉

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