In der Theorie ging alles seinen Gang. Ich ließ mich vom Alleinunterhalter zubrausen mit Geschichten von „neulich“, ertrug seinen Schlachtruf: „Leuteeee! Wir sinn’ hier nich’ aufem Ponyhof!!!“, und lernte zuhause fleißig nach dem Buch und kreuzte in den Bögen herum. Bei H. immerhin lernte ich auch im Unterricht was, den wir irgendwann fast nur noch zu zweit bestritten.
Die Fahrstunden machten mich nach wie vor nervös. Ich mochte die Geschwindigkeit nicht und H. trat immer mal aufs Gas, damit ich nicht mitten auf der Straße das Parken anfing. Irgendwann fuhren wir mal wieder zurück zur Fahrschule, als ich laut feststellte, dass mir das aber grade schneller vorkäme als 20 kmh.
H. guckte mich nur an, als hätte ich sie nicht mehr. Ich hatte nämlich ausnahmsweise(!) auf den Drehzahlmesser geguckt, auf dem Tacho standen 55! Leider habe ich das dann Freundin T. erzählt, die mich seitdem damit aufzieht. Naja, würde ich aber andersrum auch machen…
T. bastelte mir liebevoll einen schönen Adventskalender, in dem dann so lustige Sachen waren wie Fotos von Tacho und Drehzahlmesser (zum Auswendiglernen), ein „Navigationssystem“ (ein Kinderkompass), Schokoladenautos und ein umgestaltetes P*x*-Büchlein mit dem Titel „D**** lernt Autofahren“.
Überhaupt wurde ich ja nun von allen Seiten gefragt, wie es „denn so läuft“. Ich war mit mir überaus unzufrieden und fürchtete, die ganze Sache nicht hin zu kriegen. Alle taten das als Koketterie ab und zogen mich auf, – war aber keine. Ich hatte wirklich oft richtig Muffe vor der Fahrstunde, machte mich ganz verrückt deswegen und wäre so doch gern mit Spaß dabei gewesen. Immer wieder machte ich doofe Fehler, weil ich mich nur schlecht gleichzeitig auf meine Füße, die Lenkung, das restliche Brimborium, Fahrlehrer H., und auch noch auf den Verkehr um mich herum konzentrieren konnte.
Das berühmte Abwürgen des Motors kam gar nicht oft vor, allerdings erschloss sich mir nicht so recht die ganze Kuppelei, und H. versuchte es auch gar nicht richtig mit Erklärungen, sondern meinte nur, ich solle es einfach so machen, wie er’s mir sagt.
Darüber gab’s dann oft Streit und wir wurden auch richtig laut, denn H. war ein mittelschwerer Choleriker. Naja, und ich nervös, halt. Meistens rief er: „Warum? Wa-rum! Warum machst du das nicht so, wie ich dir das sage!“ „Weiß ICH doch nicht! Was haste denn gesagt? Ich muss fahren hier! Scheiße, jetzt hab’ ich wieder das Blinken vergessen!“
Beide kniffen wir dann die Lippen zusammen und versuchten, uns zu beruhigen.
Irgendwann hatte ich dann die Idee, nach dem Belohnungssystem vorzugehen. Ich kaufte eine Schachtel mit besonders guten Schokoladen-Talern. Die kam ins Auto, und die Abmachung war: Wenn ich was besonders gut mache, krieg’ ich einen. Wenn H. sich sehr ärgern muss, bekommt er einen. Das funktionierte ganz gut, aber Nervosität fuhr trotzdem immer mit. H. brachte sogar mal eine gute Jazz-CD mit, um mich ruhiger zu machen, es half aber nur wenig. Schön waren allerdings manchmal unsere Unterhaltungen, denn wir sprachen viel über Kunst und Musik und so. Ich mochte ihn und offensichtlich genoss er es, mal eine Schülerin zu haben, die wenigstens ungefähr in seinem Alter war. Auch wenn sie ihm viel zu langsam fuhr.
In der achten Fahrstunde brauste ich aber tatsächlich zum ersten Mal auf die Autobahn und fand das wirklich gar nicht so schlimm. Heute schüttelt’s mich schon wieder bei dem Gedanken… Ende November machte ich, quasi im Vorbeifahren, die Theorieprüfung und gewann mit 0 Fehlern. Immerhin.
Nun musste ich den Ponyhofmann wenigstens nicht mehr aushalten.
Diese ganzen total lieb gemeinten Kommentare aus dem Freundeskreis haben mir schon vorher solche Albträume gemacht, dass ich einfach niemandem vom Führerschein erzählt habe. Irgendwie glaube ich, dass ich das gar nicht vertragen hätte und mich noch mehr unter Druck gefühlt habe.
Von der Prüfung habe ich auch nur meinem besten Freund M. erzählt. Die ganze Führerscheinsache zu verschweigen, wäre gar nicht gegangen, weil ich in diesen sieben Wochen das reinste Nervenbündel war. :))
Das kann ich mir vorstellen! :DD
Da konnte ich mich gut aus der Affäre ziehen, weil ich ja einen Schnellkurs gemacht habe. Deshalb hatte ich einfach in der Zeit nur unglaublich viel zu tun. Dummerweise kamen meine Eltern dann zu Besuch. Da konnte ich es auch nicht mehr verheimlichen, warum ich von Früh bis spät weg bin und irgendwie so angespannt war.
ich hab’s J E D E M erzählt. „und wie läuft’s?“ kann ich seit dem nicht mehr hören! mit der zeit wurden die fragen seltener und wenn, dann sehr mitleidig gestellt. ich habe mich wie die absolte versagerin gefühlt! die theorielotterie hab ich auch mit null gewonnen. aber gefahren bin ich wie eine rentnerin. es war ein jammer.
Furchtbar, oder? Wenn man jahrzehntelang glaubt, Führerschein machen ist nur eine Formsache, das kann ja jeder! Und dann stellt man sich so an! Da hat mein Selbstbild echt gelitten… 😉