Heute beantworte ich mal wieder zwei Fragen von Sansibar. Und zwar:
„- In welcher Epoche der Weltgeschichte würdest Du leben, wenn Du es Dir aussuchen könntest? Und warum?
– Lächelst Du manchmal im Bus wildfremde Leute an?“
Zur ersten Frage:
Da ich nicht zu den Frauen gehöre, die schon mal gelebt haben, kann ich jetzt gar nicht sagen, welche Epoche ich am schönsten fand. Wenn ich aber schon mal gelebt hätte, wäre ich bestimmt eine ägyptische Tempeltänzerin gewesen oder eine Mittelalterkräuter-
hexe. So wie alle anderen auch…
Im Ernst: Ich schätze, mir würde es reichen, wenn ich einfach 20 Jahre eher geboren wäre, allerdings dann lieber in Kalifornien. Dann hätte ich die Hippiezeit abge-
kriegt, den ganzen Rausch und die dazugehörigen Ideen, die Revolution der Musik und alles. Das hätte mir bestimmt gefallen. Ich bin ja auch so eine, die meint, man kriegt alles friedlich hin, wenn man’s wirklich will und man sollte sich doch gegenseitig unterstützen und so. Heute finden das alle lächerlich, karikieren es, und im Moment ist es sehr ange-
sagt, die 68er und ihre Ideale zu demontieren, aber ich glaube, die Ideen sind zum Teil immer noch ganz gut. Außerdem mag ich diesen ganzen indischen und marokkanischen Krempel, und den Gedanken, dass jeder lieber das machen sollte, was er will und gut kann. Naja, Peace, halt, Du… *g* Man muss dabei ja nicht gleich aussehen wie eine billige Nschtotschi-Kopie.
Außerdem war das wohl die letzte Phase, in der die Leute keine schlimme Zukunftsangst hatten, sondern eher in Aufbruchstimmung waren. Jedenfalls mehr als heute.
Allerdings hat mich Punk später auch fasziniert. Ich konnte ja auf dem Dorf, in dem man mich von 12-18 festgesetzt hatte, nicht mitmachen. Das Rotzige, Wütende sagte mir aber eine Menge, wenigstens innerlich. Also habe ich dann später versucht, das Äußere etwas nachzuholen, aber da war’s eigentlich auch schon ein bisschen zu spät dafür. Ende der 80er war Punk ja schon mal scheintot. Heute erlebe ich manchmal neue Punks, die rich-
tig spießig sind. Das amüsiert mich dann.
Eigentlich passen diese beiden Haltungen gar nicht zueinander, das musste ich mir schon oft anhören, aber inzwischen macht mir das nix mehr aus. Ich lebe quasi meine eigene Epoche, wenn ich das hinkriege.
Zur zweiten Frage:
Dann verwundert es jetzt wahrscheinlich auch nicht, wenn ich sage, dass ich durchaus öfter mal wildfremde Menschen anlächle. Am ehesten, wenn ich eine hübsche kleine Szene beobachte und mit dem Lächeln dann signalisiere, dass ich’s mitbekommen habe. Oder, wenn ich in der Straßenbahn so einen ernsten, prüfenden Kinderblick einfange.
Und gerade neulich erst ging ich dick bepackt über die Straße, da kam ein Radfahrer angefahren. Es war nicht ganz klar, ob er erst noch vorbeifährt oder ich zuerst auf den Bürgersteig hüppe. Und so bewegten wir uns beide mal zögernd-abstoppend, mal wieder beschleunigend. Das sah bestimmt total witzig aus. Er fing auch prompt das Grinsen an und fuhr dann demonstrativ ganz breite Schlangenlinien. Da gab’s natürlich Gelächter.
So was passiert mir ab und zu und kann mir dann auch mal den Tag retten. An dem Tag war aber sowieso schon alles schön. Für den Radfahrer kann ich jetzt allerdings natürlich nicht sprechen…
Danke, lieber Sansibar, auch für diese beiden Fragen!
Lächelnde Grüße nach Berlin,
von Theobromina
68er – wenn ich heute so sehe was aus den meisten geworden ist – bin ich eigentlich ganz froh nicht dazu gehört zuhaben, so hatte ich wenigstens keine Ideale die ich verraten konnte 😉
Freie Liebe, Power/Flower und sowas ging ja später auch noch :))
Ich glaube, in Deutschland haben sie sich auch vorwiegend zu Tode diskutiert, sowas ermüdet mich eh‘ schnell. Aber in Amiland haben sie sich’s bestimmt gut gehen lassen… 😉
hallo liebe Theobromina,
heute ist es dann soweit ich schreibe auch mal was:
Ich war `68 zwar erst 8, also kein wirklicher Hippie aber
für mich war Punk praktisch die logische (oder besser emotionale) Folge vom Hippiedasein und den gesellschaftlichen
Entwicklungen ende der 70er.
Schließlich war beides ja eine Auflehnung gegen die bestehende
Gesellschaftsform und vor allem gegen das Spießertum!
oder passt „high sein,frei sein,Chaos muss dabei sein!“ nicht
irgendwie zu beidem? *g*
Außerdem wollte man in jungen Jahren natürlich auch cool sein
und als Hippie war das zu der Zeit einfach nicht mehr drin.
Letztlich sind die Bezeichnungen Hippie und Punk außerdem
natürlich eh beide voll Schublade, jeder lebt doch seine eigene Realität, oder?
mit revolutionärem Gruß !!! *gg* Freund M.
Ach, lieber M., Du verstehst mich halt…
Und was Punk in Hannover angeht, bist Du ja quasi Zeitzeuge.
Ich hab‘ ja nur noch was den Chaostagen mitbekommen, aber das war schon Ende der 80er (schließlich wohnte ich umme Ecke vom Penniemarkt, der damals so spektakulär von den Punks ausgeräumt wurde. War sogar in der Tagesschau. Und ich blöde Kuh hab’s verschlafen! :)))
Jedenfalls schön, dass Du Dich hier mal zu Wort meldest! Ich hab‘ mich sehr gefreut, als ich Deinen Kommentar hier fand.
Rotfront!
Deine Theobromine