11. Dezember

 

stern_11NetRat, die vielleicht einen Pffft!-Vogel krie-
gen würde, nennte ich sie hier „die liebe NetRat“,  – also die lustige, kluge, gehörig angeschrägte, vielseitige und von mir echt so richtig gern gelesene und gehörte NetRat hatte folgende Frage für den Weihnachts-
kalender:

„Warum passiert immer alles Mögliche gleichzeitig? Ich mein jetzt nicht Weih-
nachten und Ostern und Neujahr auf einem Termin, sondern warum gehn immer alle möglichen, vollkommen verschiedenen Sachen im Rudel kaputt oder verloren… oder Konzert, Kino-
abend, Betriebsfeier und alter-Freund-
in-der-Stadt stapeln sich einem einzigen Termin… oder Lottogewinn, neue Arbeitsstelle, wunderbarer Blumenstrauß und eine lang gesuchte LP …“

Antwort:

Ich glaube das hat was mit Neutrinos, Synapsen, Blutzuckerspiegel und Wahrnehmungs-
fallen zu tun. Ich weiß jetzt nur nicht, was.

Wenn man morgens schlechtgeträumt aufsteht, im morgendlichen Brass gegen den Tür-
rahmen bumpert, dann löffelt man auch schon mal das Kaffeepulver ohne Filter in die Kaffeemaschine, die dann so laut das Spotzen und Röcheln anfängt, dass sich der Kühl-
schrank erschreckt und kaputt geht. Dann kann es schon sein, dass man das Gefühl kriegt, der Tag läuft nicht so gut an.

Und in so’ner Laune kommt’s einem auch so vor, als würden die Kollegen mufflig zurück-
grüßen, wenn man doch eigentlich ganz freundlich „Mong!“ gesagt hat. Und die Kollegen sind dann auch verantwortlich dafür, dass man die Computermaus vielleicht ein bisschen zu fest und zu ruppig über ihr Pad schiebt, was zur Folge hat, dass die Zicke von Rechne-
rin sich beleidigt hinlegt und schmollt. Da ja das Internet überall rein- und rausgucken kann, erfährt der Postminister natürlich davon und schickt auf einen Schlag alle doofen Briefe ab, die man eigentlich verteilt auf’s nächste Vierteljahr kriegen sollte.

Die Briefe klatscht man zuhause auf die Kommode, die dann auf einer Seite einknickt, obwohl man gar nichts gemacht hat. Da ist man eigentlich trotzdem gut gelaunt, man merkt es nur eben nicht. Hormone, vielleicht. Die kleinen Biester. Stattdessen glaubt man, man sei eventuell nicht gut drauf, oder die Welt wär’ heute mistig und kratzig wie ein Pulli aus Akopads. Dass Sachen verschwinden, hat aber wirklich was damit zu tun. Meistens sind das die sensibleren unter den Sachen, die merken, wenn man glaubt, schlecht gelaunt zu sein, und die verstecken sich, bis die Luft wieder rein ist oder stellen sich doof und den Betrieb erstmal ein.

Andersrum ist es auch so, nur andersrum.

Man wacht frisch und munter auf, bollert fröhlich gegen den Türrahmen, schaufelt das Kaffeepulver ohne überflüssigen Filter in die Kaffeemaschine, klatscht in die Hände, ruft: „Hossa! Caramba! Karacho!“, weil der Kaffee so lecker ist und Kaffeesatz gut ist zur Rei-
nigung der Zahnzwischenräume. Der Kühlschrank, den man aus Sicherheitsgründen ohnehin nicht mehr aufmacht, weiß was sich gehört und zieht sich respektvoll zurück.

Dann geht’s zur Arbeit, wo die netten Kollegen auf das gutgelaunte „Mong!“ mit zartestem Gewisper antworten. Die Rechnerin freut sich über beherzte Mausmassage und gönnt dem User ein schönes Päuschen zur Belohnung. Davon erfährt der Postminister und schickt zur Unterhaltung ein Bündel lustiger Briefe mit neuen, witzigen Denksportauf-
gaben.

Die Kommode im Flur knickst ehrfurchtsvoll, obwohl man gar nichts gemacht hat. Man kommt sich irgendwie vor wie gut gelaunt. Toll, so Hormone! Oder egal wer. Hauptsache toll. Und nirgends Sachen, die herumliegen, der Blick kann frei schweifen, mit ein biss-
chen Glück über einen Strauß Blumen oder über einen alten Freund, der da schon die ganze Zeit sitzt und einem noch gar nicht aufgefallen ist. Das kommt einem dann fast wie ein Lottogewinn vor. Man könnte beinahe wirklich gute Laune kriegen! Braucht man aber nicht, denn man glaubt ja schon, welche zu haben.

So ungefähr funktioniert das. Glaub’ ich.
(Wenn man allerdings dicke Augen haben muss, dann darf man mit Fug und völlig zu Recht schlechte Laune kriegen, finde ich. Gute Besserung!)

Vielen Dank und schön, dass Du mitgemacht hast, HikE.

Gelaunte Grüße nach Marburg,
von Theobromina

6 thoughts on “11. Dezember

  1. Die Erklärung überzeugt mich, nur das mit dem Postminister kann nicht mehr stimmen, den gibt’s doch gar nicht mehr. Ist doch alles privatisiert, destawegen schaffen sie es doch jetzt auch viiiiiiel punktgenauer, sämtliche Knobeleien und alle hochamtlichen, aber unanwendbaren Fragebögen auf einmal zuzustellen. In der freien Wirtschaft fluppt es eben – das ist nicht wie in einem verlotterten Staatsbetrieb. :))

    • Ach! Sach an! Und wer schickt mir dann immer diese Briefe? Der Schäuble am End‘? Na warte, der kann was erleben!
      „Wolfgang?!? Komma her!! Bist Du das, der mir immer diese ollen Briefe… Du sollst das doch nicht! Finger weg vom Rechner, das habe ich Dir schon 1.000 mal…“

  2. Toll, wie du die zwei gegensätzlichen Lebenshaltungen gespiegelt hast, und erfrischend zu lesen der ganze Text!

    Einen mal angebumberten, mal angebollerten Türrahmen habe ich auch. Trotzdem will ich mich lieber nicht selbst als Quelle allen Ungemachs ansehen, zumal der Postminister ja längst außer Dienst ist.

    • Nein, das musst Du auch nicht. Es hat aber wohl wirklich viel mit Wahrnehmung zu tun. Man merkt sich nämlich lieber (oder vielmehr: länger), was schiefgeht, als die Dinge, die gut laufen. Kein Mensch merkt sich bspw., wenn er bei Regen doch einen Schirm mit hat. Oder, wenn er mal in der kürzeren Kassenschlange steht. Sowas erzählt man auch nie beim Nachhausekommen…

      Einen unfallfreien Tag wünscht Dir,
      die Theobromine

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