Wer nicht zu spät kommen will, den bestraft das Leben

Als Freundin T. neulich mal wieder hier war, ich weiß nicht warum, fiel’s mir wieder ein: Es war Ende der 80er, und ich war mitten in der Ausbildung. Ich muss also so um die 20 gewesen sein, hatte bereits eine eigene Wohnung, die ich eigentlich nicht bezahlen konnte, und in der es vor allem echt wild aussah. Das Ordentliche hatte ich mir nämlich noch nicht angewöhnt, dazu hatte ich erst später Zeit.

Eine meiner Angewohnheiten war es damals, mir die Klamotten abends einfach vom Leib zu zerren und auf einen Sessel zu schmeißen. Eines morgens wachte ich viel zu spät auf, erschrak darüber, duschte so fix, dass das Wasser kaum Zeit hatte, warm zu werden, kramte meinen Krempel zusammen und ein frisches T-Shirt raus, stieg in die Jeans vom Vortag, schnappte eine Jacke und hetzte zur Straßenbahn, die mich zur Arbeit bringen sollte. Unterwegs guckten mir ein paar Leutchen hinterher, wie ich da so langrannte. An der Haltestelle guckten auch ein, zwei. Ich vermutete, weil ich so rot und zerzaust war, vom Gerenne. Dann kam die Bahn, ich stieg ein, fand keinen Sitzplatz und stellte mich irgendwo in den Gang.

Gerade wollte ich froh sein, weil ich jetzt sogar noch halbwegs pünktlich käme, da zupfte mich eine Frau am Ärmel: „Sie haben da was, Frollein…!“ Sie deutete ernst nach unten. Aus meinem Hosenbein hing ein guter Meter Nylonstrumpfhose hinten raus! Ich zog eine kleine schwarze Schleppe hinter mir her! Deswegen guckten die alle so… Und jetzt natürlich erst recht. Ich hatte die Strumpfhose im Hosenbein vergessen, als ich sie mir abends zuvor zusammen mit der Jeans einfach runterpellt hatte. (Damals trug ich durchaus gelegentlich mal Strumpfhosen unter der Jeans, das war ja so üblich. An dem Tag trug ich eigentlich keine. Dachte ich.)

Wahrscheinlich rauschte mir schlagartig das Blut komplett aus dem Kopf, denn ich kann mich ü-ber-haupt nicht mehr erinnern, was ich dann tat. Heutzutage würde ich bestimmt lachen und vielleicht sagen: „Ich weiß. Das gehört so!“ Ich schätze aber, ich bin damals in Duldungsstarre gefallen und habe versucht, die Tatsache, dass nun alle interessiert guckten, zu ignorieren. Sicher bin ich mir, dass ich mir sehrsehr heftig wünschte, die Station Kröpcke wäre endlich bald erreicht. Und dass ich in den Tagen danach früher aufgestanden bin, um eine andere Bahn zu nehmen.

Ich würde jetzt gerne behaupten, dass ich danach nie wieder Strumpfhosen getragen habe, aber das würde ja gar nicht stimmen…

5 thoughts on “Wer nicht zu spät kommen will, den bestraft das Leben

  1. mir ist das nur mal mit ner dritten Socke passiert, die plötzlich aus dem Hosenbein fiel, und ich wunder mich vorher noch: „boah, wat ’ne stramme Wade“… das war auch so einem Turbo-Ausstieg zu verdanken…

      • Da kann man aber auch mit Spanngurt und Einweckring akzeptable Ergebnisse erzielen, was die Justage der Stiefelschäfte um’s eigene Gestänge betrifft.

        Oder wahlweise so’n Kirschkernkissen mit einfüllen – is auch gleich durchblutungsfördernd, macht aber gelegentlich komische Töne, die dann alle so da zu den Stiefeln hin kucken lassen.

        Wenn den Schotten ihre Socken zu weit sind, stecken die einfach ein Messer mit rein; ich glaub, das sieht aber nur zu Karo „aus“.

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