Brote machen einsam.

Ich sitz’ hier und habe mir eine Radiokonserve aufgemacht, die schon vor längerer Zeit gesendet wurde und erst jetzt den Eingang in mein Ohr findet. Auch komisch, wenn aus dem Lautsprecher plötzlich der Februar wieder rauskommt, obwohl draußen schon April ist und die Bäume zaghaft ihr grünes Geblatt rausrücken. Und dann spielt die HikE auch noch ein 13 bis 16 Jahre altes Lied, das mich noch weiter zurückschießt, bis ich fast überhaupt nicht mehr weiß, wo ich bin. Macht nix. Kann ja auch mal ein ganz angeneh- mer Zustand sein.

Unter der Woche weiß ich leider ziemlich genau, wo ich bin. Und nein, – es ist noch nicht viel besser geworden. Ich befinde mich in einem Paralleluniversum, das von fidelen Seni- orengruppen, hektischer Konfusion, Arbeitsaufkommen und Vertreterwitzen bevölkert ist. – Kostprobe? „Ach, heute janz in Schwarz? Ist jemand jestorm?“ Nur knapp kann ich mich beherrschen, mit kummervoller Miene zu sagen: „Ja, der Witz.“

Da kommt schon der Zweite. Und was sagt er? „Huch, ganz in Schwarz. Jemand ge- storben?“ Und Frau Bromina ist kurz davor, zurück zu fragen: „Huch! Ist heute denn schon wieder Zwei-Männer-teilen-sich-einen-Witz-Tag?“, reißt sich aber zusammen.

Zwischendrin bzw. vorher und nachher lungere ich auf Bahnsteigen rum, warte auf: „Auf Gleis Hmpzehn fährt ein: S soundso nach Daundda, bitte Vorsicht bei der Einfahrt!“ Wieso soll ich denn da aufpassen? Soll das doch der Lokführer machen, der wird den Bahnhof schon treffen! Kann ja nicht so schwer sein bei Gleisfahrzeugen, oder wie?! Während ich darüber nachdenke, halluziniere ich ein riesiges Playmo-Handy, das tatsächlich versucht, mich anzubaggern.

Baggerhandy1

Und als ich (nun doch neugierig) gucke und abwarte, was es will, produziert es mir tatsächlich einen möglichen Begleiter, den ich dann aber dankend ablehne.

Baggerhandy2

Im Zug esse ich übrigens oft meine Brote, weil ich „auf Arbeit“ ja doch keine Zeit dazu habe, und beobachte dabei jeden Tag, wie jeder Fahrgast versucht, eine 4er Sitzgruppe für sich allein zu erringen und diese dann mit abschätzigen Blicken zu verteidigen. Dabei ist das Broteessen der viel bessere Trick. Da kommen sich Zugestiegene nämlich unhöflich vor, wenn sie beim Essen stören. Brote machen also einsam und das ist unterwegs manchmal gar nicht verkehrt.

Abends bin ich dann auch schon mal ein bisschen tüdelig, wenn ich nach Hause komme. Gestern z.B. bin ich mit dem Ärmel meines Shirts so blöd am gerade anlaufenden Was- serhahn hängen geblieben, dass mir das kalte Wasser ordentlich bis zum Ellenbogen reingelaufen ist und ich beinahe, beim Versuch mich zu befreien, den ganzen Abwasch umgeschmissen hätte.

Aber immerhin war ich danach wieder wach genug, vergnügt ein schönes Feierabendbier zu trinken und es auch zu genießen…

25 thoughts on “Brote machen einsam.

  1. Das ist mal wirklich ein guter und praktischer Tipp von dir, meine Liebe: Brote essen. Das mache ich ab jetzt immer, wenn ich meine Ruhe haben will.

    Der lakonische Stil deines Textes gefällt mir sehr gut, und die Entgegnungen, die du dir leider verkniffen hast, – die Typen hätten es verdient, scheint mir, dass sie mal erleben, wie ein blöder Witz gekontert wird.

    Schön, dass du mal wieder Zeit gefunden hast, aus deinem Paralleluniversum zu berichten.

    Das liest immer wieder gern,
    Dein Jules

    • Guten Morgen, lieber Jules, und: gern gescheh’n. Ob es z.B. auch bei lärmenden Nachbarn oder störendem Telefongeklingel hilft, weiß ich nicht. Das müsste ich erst noch rauskriegen. (Meine bisherige Erfahrung im Büro sagt allerdings: wenn ich mir gerade ein Stück Schokolade in den Mund gesteckt habe, klingelt bestimmt das Telefon.) Eventuell hilft es aber noch im zu vollen Kaufhaus, das könnte sein…

      Die Vetreterjungs knöpfe ich mir auch noch vor, aber erst nach der Probezeit. 😉

      Lieben Gruß, 3 Straßen weiter.

  2. Was bin ich froh dass der Sommer kommt, ich meine nur dass du von den schwarzen Klamotten lässt! 😉
    Und darum glaub ich auch nicht dass es an den Broten liegt dass du in Ruhe gelassen wirst, sondern an der offensichtlichen Trauerkleidung

    😉 duck und weg

    • Mein Klamottenproblem ist folgendes, liebe Julischka: ich trag‘ entweder gern schwarz/schlicht (passt ja auch immer) oder sehr bunt/lässig. Und bei der Arbeit ist sehr bunt eben nicht angebracht. Deswegen doch die elegante Trauerfarbe! 😉

      (Muss mal meinen Kleiderschrank aufmotzen. Aber in der Stadt gibt’s nur Augenrollen Auslösendes…)

      Immer noch besser als wurstfarbene Wollpullover, die die Vertreter bei uns gerne mal anhaben. Nächstes Mal frage ich ihn vielleicht, ob ich ihm hinten und vorne zwei Brötchenhälften dran machen soll.

    • Da, liebe zoee, stand drauf: „Das muss nicht sein!“ Und das dachte ich mir dann irgendwie auch…

      (In Wirklichkeit habe ich bloß zu spät auf den Knips gedrückt, da war’s schon wieder weg und stattdessen wuchs dieses Karohemd heraus. *g*)

  3. moin moin, liebe theo! 🙂 gibts denn die konserve auch von radio-farm?

    so ich hoffe, ich komme mit dem soeben geprobten vertreterwitz auch in den genuss einer deiner wunderbaren, oben leider verschwiegenen witzkonterei. über die konnte ich nämlich um einiges herzlicher lachen als garnichtbeimtrauerwitz.

    hoffentlich ist die probezeit bald vorbei *händchenreib* :>>

    …und…was ist denn meistens auf dem schnittchen? käse? hmm. also bei einem pilzaufstrich (gibts so etwas? 🙄 ) verspreche ich, mich nicht demonstrativ wegzusetzen.

    … und die idee mit dem ärmelhochkrempeln finde ich auch gut, allein bei mir würde diese vorbereitung nicht reichen. denn auch dafür habe ich ein händchen: die duschbrause der wanne unabgeschalten zu aktivieren, wenn ich die wanne gerade auffüllen will. logisch, im augenblick des wasserhahn aufdrehens zeigt die brause mir auch jedesmal gerade ihr löchriges antlitz :>>

    verwässerte grüsse, jenne

    • Ja, sowas mit der Duschbrause passiert mir auch! :))
      Und mir spuckt auch immer die Gießkanne über, wenn ich sie von der Küche ins Wohnzimmer trage.

      Und die Konserve? Ich würde ja gern behaupten, ich hätte „Pharma“salat dazu gegessen, aber das würde ja gar nicht stimmen! Ein radiologisches Käsebrot war’s, in der Tat! :>>

      Auch in der Bahn esse ich gern Käsebrot, achte aber auf geräuschgeruchsarme Sorten. Allerdings: am Donnerstagabend hat sich tatsächlich Einer von mir weggesetzt, weil ich einen Camembert in der Tasche hatte und der Typ wohl dachte, das seien meine Schuhe, die da so… :))

      Barfüssige Grüssige! Theo

      • :)) ach, so ein platz zum bücherausbreiten ist in einem zugabteil auch nicht zu verachten! 😉 so hat alles auch ein gutes, wenn man es auswringt. dies tat das tapfere schneiderlein ja sogar uch einmal. mit einem käse. 🙂

        bon ápetit weiterhin, liebe theo!

        hüpf hüpf…
        jenne

  4. na, da is aber jemand voll im arbeitsalltagstrott angekommen! 😉 – schön dennoch, deine ausführungen zu lesen, kann ich doch behaupten, dass ich das meiste schon ähnlich selbst gefühlt habe. 😉

    wünsche dir eine schöne kurze woche! 🙂

    • Danke, liebe Plapperlapapp! Die wünsch‘ ich Dir natürlich auch gehabt zu haben. 😀

      Ja, die Arbeit zieht mir viel Kraft und Zeit ab, weil sie sehr komplex ist. Gestern zum Beispiel habe ich fast den ganzen Tag verschlafen, weil mir die Woche noch so in den Knochen steckte. Das ist eigentlich gar nicht meine Art… Und zum Bloggen komme ich, wie man sieht, kaum noch. Das fehlt mir sehr, aber es geht halt gerade auch nicht anders.

      Ich hoffe immer noch, dass das mit der Zeit etwas besser wird, wenn ich es hinkriege, meine eigene Organisation da rein zu kriegen. Ma gucken.

      Jetzt ist erstmal Ostern und das bedeutet: Ganz viel Schokolaaade in rund! :>>

      Liebe Grüße, Theo

  5. Ist ja interessant, Brote machen einsam. Ich hab da momentan eine Salatgeschichte, aber die erzähle ich morgen erst. Die war irgendwie eklig…
    Sach mal, diese Riesenhandys die Männer herbeibeamen können, werden die in Serie produziert? Interessante Idee, immerhin lebe ich in München, Deutschlands Single-Hauptstadt. Das behalte ich mal im Hinterkopf, falls das mit dem Lutschbad und das mit dem Tomatenmark sich als Schüsse innen Ofen entpuppen sollten.

    • Hab‘ eben mal geguckt, aber die Salatgeschichte hab‘ ich bei Dir nicht gefunden. Wie geht denn die???? 😉

      Die Riesenhandys habe ich bisher nur in Hannover gesehen, (aber das kann auch daran liegen, dass ich eben nur in Hannover war…) und solange nix Aufregenderes auspucken als Karohemdlinge, wird sich die Idee nicht durchsetzen, fürchte ich. Du kannst ja mal ein bisschen dran feilen. (An der Idee! Nicht am Ka…)

      Und die Sache mit der Weltherrschaft durch Tomatenmark interessiert mich jetzt aber schon, auch.

        • Und ich hab’s endlich gelesen. *schüddl* Für die Stoßzeiten werde ich ab jetzt immer einen ollen Salat bei mir tragen… 😉 (Reicht es denn eventuell, den nur so auf dem Schoß zu haben? Denn essen möchte ich ihn natürlich nicht!)

          • Ich würde sagen auf dem Schoß. Achte aber darauf daß genug Dressing drin ist, sodaß die Gefahr eines Überschwappens nach allen Seiten zu allen Zeiten stets gegeben ist! Sonst verfehlt das Ding ja total die Wirkung (wenn du es schon nicht essen willst :>>)

          • Am besten hierfür eignet sich ein Mäc Sundääi der langsam schmilzt mit einem Löffel der langsam herauskippt. Glaube mir, das ist Terror pur!

          • Na, den würd‘ ich vermutlich essen! Besonders den mit Schokosauce. (Allerdings unter ziemlich erschwerten Bedingen, weil ich ihn ja aus Prinzip schon gar nicht erst kaufen würde… *g*)

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