Blinzel.

(Erstveröffentlichung: 15. September 2007)

UnsichtbarstrasseHier geht’s zur Unsichtbarstraße.

Die Straße kann man nicht sehen, es stehen unsichtbare Häuser links und rechts am unsichtbaren Straßenrand und man sieht auch nicht, dass auf den unsichtbaren Klingelschildern unsichtbare Namen stehen. Macht nix, denn die Leute, die da wohnen, sieht man auch nicht. Das ist viel-
leicht auch besser so, denn sie sehen sich, und was sie tun, selber nicht und knöpfen deshalb ständig ihre unsichtbaren Strickjacken schief zu und merken auch nicht, wenn sie Krümel am Mund haben.

Wenn die Frauen sich schminken und frisieren, sähe das total lustig aus, wenn man es denn sehen könn-
te. Neulich hat die kleine Boutique in Nummer 7 mal eine Modenschau veranstaltet. Ist aber keiner hingegan-
gen. Alle waren beim Grillfest. Das endete allerdings in einer Klopperei, weil der Grillmeister die ganzen leckeren Sachen hatte total anbrennen lassen und jeder hinterher meinte, er hätte es besser gekonnt. Ich habe da so meine Zweifel.

Obwohl man ja nix sieht, waschen manche Typen in der Straße am Samstag ihr Auto und mähen den Rasen. Das machen sie nur der Geräusche wegen, damit die Nachbarn auch ja Bescheid wissen. Hier in der Straße wohnt einer, der kann nur mit dem Mund das Fahr-
geräusch eines protzigen dicken Wagens nachmachen, und er glaubt, die Nachbarn den-
ken: Der ist reich! Die Nachbarn wissen aber ganz genau, dass er nur so tut und fragen ihn manchmal, ob sie auf eine Spritztour mitdürfen. Dann erfindet er Ausreden, dass der Wagen gerade zur Jahresinspektion in der Werkstatt ist und windet sich verlegen. Aber das sieht man natürlich auch nicht.

An der Ecke ist ein Laden, der Parfums, laute Hackenschuhe und Glöckchen verkauft. Antipickelstifte und Selbstbräunercremes gibt es dort inzwischen nicht mehr, die sind aus dem Sortiment genommen. Der Ladenbesitzer ist dennoch ein wohlhabender Mann, denn die Unsichtbaren besprühen sich gern mit Stinkezeug und hängen sich die Glöckchen um, damit sie auf der Straße nicht umgerannt werden. Man kann sich also vorstellen, wie das ist, die Unsichtbarstraße langzulaufen: ohren- und nasenbetäubend.

Deswegen gehe ich da auch nie durch und weiß das alles nur, weil ich einen kenne, der mal in ein Mädchen aus der Straße verliebt gewesen sein soll. Das war nicht so einfach, sagt er. Er hat immer wieder an ihr vorbeigeküsst und dauernd gefragt: „Wo bist Du denn?“ Das fand sie gar nicht witzig und fand, er gäbe sich keine richtige Mühe. Irgendwann war sie dann plötzlich weg. Behauptet er. Vielleicht schmollt sie auch nur.

Eigentlich…

… ist es ja sehr schön, abends ins Bett zu gehen und dort schon ungeduldig erwartet zu werden. Das passiert mir jetzt seit Tagen. Aber es gefällt mir nicht. Muss an mir liegen.

In mein Schlafzimmer ist nämlich eine unsichtbare und sogar unhörbare Mücke eingezo-
gen. Jeden Abend gucke ich überall genau nach, ob ich sie diesmal endlich finde, aber ’s ist jedes Mal Essig. Auch Rufen und Locken mit entblößtem Unterarm nützt gar nix, – ich krieg’ sie einfach nicht zu sehen. Dabei müsste das Vieh eigentlich inzwischen fast so groß sein wie ein Sperling oder so! Schließlich wache ich jeden Morgen mit wieder neuen Piekspünkten auf. Dass ich ein Kilo abgenommen habe, ist bestimmt auch kein Zufall.

Bezeichnenderweise habe in den letzten Tagen auch noch einen lustigen Roman gelesen, in dem sich’s um Vampire dreht… Immerhin habe ich nun eine ungefähre Vorstellung davon gewonnen, wie die Mücke wohl vonwoausauchimmer auf mich guckt, wenn ich schlafend auf der Matte liege: „Ich bin reich! Ich bin reich!!! Alles meins! Hähähähä!!! Ich bin unermesslich reich und unsterblich!“

Ich überlege jetzt ernsthaft, mir aus Schaschlikstäbchen mal so kleine Holzpflöcke zu schnitzen…

"Siehste?" – "Nö."

Manchmal sieht man Sachen eine ganze Weile nicht, obwohl sie da sind und eigentlich sogar ganz interessant. Mir ist zum Beispiel eben erst aufgefallen, dass ich wohl kürzlich aus Versehen das tag „außeririsch“ vergeben habe. Draufgeklickt verbirgt sich dahinter Darth Vader. Und der ist natürlich wirklich außeririsch, ja sogar außerkontinentisch! Der schmiert sich morgens bestimmt keine golden eingewickelte Butter auf’s Brot und hört dabei auch sicher nicht die Pogues. Also lasse ich das tag jetzt auch so stehen.

Gestern hingegen habe ich drei unsichtbare Brötchen gesehen. Echt.
Leider habe ich kein Foto davon gemacht.

Ich war nämlich beim p*nny, und da hatten sie so Tüten mit Aufbackbrötchen. Ich nahm eine hoch und da stand „8 Sonntagsbrötchen“ drauf. Oder vielleicht auch „8 Aufbackbröt-
chen“. Egal. Jedenfalls „8 irgendwasbrötchen“. Und weil ich eigentlich so in Gedanken war, starrte ich total lange auf diese Tüte. Irgendwas stimmte damit nicht.

Und dann war ich plötzlich wieder ganz da und sah, dass da nur 5 Brötchen drin waren. Hab’ ich natürlich gleich geguckt, ob das bei den anderen Tüten auch so ist, aber die wa-
ren alle von 8 bleichen Insassen bewohnt. Nur eben die eine nicht. Oder es waren eben 5 sichtbare und drei unsichtbare Brötchen drin. Ich hab’ dann zwar was Anderes gekauft, mich aber auf dem Nachhauseweg die ganze Zeit gefragt, ob der, der die Tüte dann statt meiner mitnimmt, das überhaupt merkt. Und wenn, ob dann dort zuhause Verwicklungen entstehen über die drei fehlenden Brötchen.

„Da waren doch noch drei Brötchen! Wo sind die?!“

„Was denn für Brötchen?“

„Na, Brötchen, eben! Dreie!“

„Da sind keine Brötchen mehr…“

„Da waren aber welche! Hier! Steht doch drauf: 8 irgendwasBrötchen! Und heute Morgen hatte ich drei und Du zwei! Wo ist denn dann der Rest? Hast Du die aufgegessen?“

„Da waren echt keine… „

„Wohl! Da stehts doch drauf…!“

Und natürlich hätte dann wirklich niemand die Brötchen heimlich gegessen. Denn was soll man sich denn auch schon auf fehlende Brötchen drauflegen? Lightkäse? Und lässt man da dann vielleicht auch noch die Butter weg?

Oder: gesetzt den Fall, es waren doch unsichtbare Brötchen: was passiert eigentlich, wenn man davon drei in der eigenen Küche frei lässt…? Vermehren die sich? Und wie? Wo die doch unsichtbar sind! Und wäre das überhaupt schlimm? Vielleicht ist meine Küche schon voll davon, und ich weiß es bloß nicht…

Also langweilig mir war der Rückweg bestimmt nicht!

Blinzel

UnsichtbarstrasseHier geht’s zur Unsichtbarstraße.

Die Straße kann man nicht sehen, es stehen unsichtbare Häuser links und rechts am unsichtbaren Straßenrand und man sieht auch nicht, dass auf den unsichtbaren Klingelschildern unsichtbare Namen stehen. Macht nix, denn die Leute, die da wohnen, sieht man auch nicht. Das ist viel-
leicht auch besser so, denn sie sehen sich, und was sie tun, selber nicht und knöpfen deshalb ständig ihre unsichtbaren Strickjacken schief zu und merken auch nicht, wenn sie Krümel am Mund haben.

Wenn die Frauen sich schminken und frisieren, sähe das total lustig aus, wenn man es denn sehen könn-
te. Neulich hat die kleine Boutique in Nummer 7 mal eine Modenschau veranstaltet. Ist aber keiner hingegan-
gen. Alle waren beim Grillfest. Das endete allerdings in einer Klopperei, weil der Grillmeister die ganzen leckeren Sachen hatte total anbrennen lassen und jeder hinterher meinte, er hätte es besser gekonnt. Ich habe da so meine Zweifel.

Obwohl man ja nix sieht, waschen manche Typen in der Straße am Samstag ihr Auto und mähen den Rasen. Das machen sie nur der Geräusche wegen, damit die Nachbarn auch ja Bescheid wissen. Hier in der Straße wohnt einer, der kann nur mit dem Mund das Fahr-
geräusch eines protzigen dicken Wagens nachmachen, und er glaubt, die Nachbarn den-
ken: Der ist reich! Die Nachbarn wissen aber ganz genau, dass er nur so tut und fragen ihn manchmal, ob sie auf eine Spritztour mitdürfen. Dann erfindet er Ausreden, dass der Wagen gerade zur Jahresinspektion in der Werkstatt ist und windet sich verlegen. Aber das sieht man natürlich auch nicht.

An der Ecke ist ein Laden, der Parfums, laute Hackenschuhe und Glöckchen verkauft. Antipickelstifte und Selbstbräunercremes gibt es dort inzwischen nicht mehr, die sind aus dem Sortiment genommen. Der Ladenbesitzer ist dennoch ein wohlhabender Mann, denn die Unsichtbaren besprühen sich gern mit Stinkezeug und hängen sich die Glöckchen um, damit sie auf der Straße nicht umgerannt werden. Man kann sich also vorstellen, wie das ist, die Unsichtbarstraße langzulaufen: ohren- und nasenbetäubend.

Deswegen gehe ich da auch nie durch und weiß das alles nur, weil ich einen kenne, der mal in ein Mädchen aus der Straße verliebt gewesen sein soll. Das war nicht so einfach, sagt er. Er hat immer wieder an ihr vorbeigeküsst und dauernd gefragt: „Wo bist Du denn?“ Das fand sie gar nicht witzig und fand, er gäbe sich keine richtige Mühe. Irgendwann war sie dann plötzlich weg. Behauptet er. Vielleicht schmollt sie auch nur.