Quartalsbericht aus’m Funkhaus.

Huch, hier liegt ja noch ein Blog rum! Der ist ja schon ganz staubich… *drüber pust* – Erst gestern habe ich noch mit meiner lieben Kollegin H. drüber gesprochen, wieso eigentlich noch niemand was gegen Staub erfunden hat. Also, gegen die ständige Neubildung von Staub natürlich. Den, der das hinkriegt, den erschlagen sie doch mit Geld! Wahrscheinlich traut sich deswegen keiner… (Na, ich hab ja heute mal frei, vielleicht habe ich später ein halbes Stündchen Zeit zum Erfinden, wenn ich von der ausgezeichneten Ostheopatin zurück bin, zu der ich heute gehe.)

Wo war ich? Ach so: Was ist seit dem letzten Kastanienwurf denn so alles passiert? Der Frühling hatte wohl Muskelkater oder sowas und kam nur schwer hoch. Aaaaber er kam, und inzwischen wuchern mir meine ausgesäten Blümchen auf der Fensterbank schon so die Fenster zu, dass ich versucht bin, mir eine hübsche Heckenschere anzuschaffen, damit ich tagsüber keine Taschenlampe brauche. Andererseits: Ich bin tagsüber sowieso nie zuhause, also soll der bunte Wildwuchs von mir aus schwelgen, wie und wohin er will.

Ach, und im Mai war dann mal wieder eine Woche der Lieblingswohnsitz dran, unser geliebtes, erseufztes Strandhaus in Holland. Diesmal sogar mit illustrer Nachbarschaft: Das liebste Frollein S. aus M. samt Leibkoch K. und zwei Meter großem (im Quadrat! Also lang und hoch.) Riesenhund. Es galt dieser Tage, die Waage zu halten zwischen würdigem Betrinken, haltloser Schlemmerei („Was Süßes, jemand?“) und tiefen- erholsamer, salzluftiger Nachinnengekehrtheit. Ging mühelos. Doch die beiden Namen der Nachbarskinder eins weiter werden wir Dank der dazugehörigen Mütter wohl nie mehr vergessen können. Selten -eigentlich nie- zuvor habe ich Kindern so heftig eine Hörschwäche gewünscht… Mauersegler gab’s diesmal noch keine, aber dafür eine stetige Hin- und Herwanderung von Geschirr, Besteck und anderen Küchenutensilien, teils sogar mit saftigen Lösegeldforderungen. „Versekering“ musste aber keine einspringen, das haben wir jeweils noch unter uns regeln können. Na, mal sehen, welche Begleitumstände uns nächstes Jahr erwarten werden, wenn wir’s in gleicher Besetzung mal im September versuchen. Ist schon gebucht.

Och, und sonst so? Die Arbeit ist Arbeit. Wie viel da zu tun ist, merkt man ja deutlich an meinem Engagement hier… Es ist und bleibt anstrengend. (Ein Wort, das ich normalerweise überhaupt nicht gern benutze, denn das sagen Männer besonders oft über Frauen, die sie irgendwie unbequem finden.) Die Tage sind mir seit Monaten zu kurz und meine Gesundheit ging deswegen auch rauf und runter, alle möglichen, ulkigen Tests sind mit mir angestellt worden, aber nun ist erstmal wieder Ruhe. Ich hab‘ nämlich einen neuen, zuckersüßen Arzt und komme langsam wieder in die Reihe. Auch hatten wir im Juni mal keine dieser Kraft raubenden, mehrtägigen Weinproben, das tut allen Kollegen gut, man kam ja aus der Erschöpfung gar nicht mehr richtig raus. Und, wie es oft so ist: Von oben kommt weiterhin stetiger Druck und wenig Anerkennung. Gut, dass die Kollegen untereinander alle so nett sind, allen voran der Filialleiter. Nur einer ist dabei, dem öfter mal der allwissende Schnösel durchbricht und der dann alle rumschickt, belehrt und sich in alles einmischt, besonders gern in (Kunden-)Gespräche. Aber so einer ist wohl immer dabei…

Inzwischen stelle ich übrigens auch immer mal verwundert fest, was ich schon alles Schönes gelernt habe und male mir aus, wohin mich das noch so führen wird. Oder kann. Man weißet ja nicht. Letzte Woche haben die eingangs erwähnte Kollegin und ich beispielsweise unser zweites Seminar gegeben, diesmal zum Thema Schaumweine. Und was soll ich sagen: Hat wieder richtig Spaß gemacht, das Seminar zu organisieren, durchzuführen und zu erleben, wie sich das Erdachte mit Leben füllt. – Ich. Will. Mehr. Mehr Zeit auch, um mal an einem Konzept zu stricken, mich auszuprobieren und die ganze lose Zettelsammlung im Kopf mal nach Themen zu sortieren und leserlich zu kriegen! Ich kann aber sagen, dass mich ein paar sehr liebe Menschen in meiner näheren Umgebung sehr ermutigen, der Liebste allen voran, das gibt immer wieder Schwung. Jetzt mache ich aber erstmal diese Weinsache zuende (bis mindestens Ende Oktober, voraussichtlich jedoch bis Ende Januar, so mein „Plan“), und denn guckn wa ma!

Ich weiß übrigens auch selber gerade nicht, ob ich nicht vielleicht doch schon auf dem gaaanz langsaaamen Sprung ins Ruhrgebiet bin. Zumindest habe ich demnächst ganz offiziell ein hübsches Zimmerchen dort! Wenn dazu jetzt noch ein dufter Job winkte… Dann wäre mein gemütliches Nest in Hannover zwar bald über längere Strecken verwaist, hergeben würd‘ ich’s trotzdem erstmal nicht, da bin ich eben eigen. Oder treu. Oder doof. Es ist jedenfalls gerade mal wieder so eine Zeit zwischen Baum und Borke, aber in solchen Zeiten entwickeln sich eigentlich auch die spannendesten Sachen. Meine Erfahrung ist: Wenn man alle Antennen auf Empfang stellt, kriegt man irgendwann auch Signale und Ideen rein.

(Und selber ein bisschen senden soll ja wohl auch helfen: „Biieep….biiieeeeep……bieeep-biiiieeeeeep!„)

Kassel.

Ja. Kassel. Genau. Yeah.

Die dOCUMENTA13 lief ja nach 100 Tagen am Sonntag aus, und so bin ich geschwind am Donnerstagmorgen noch in den Zug und kriege gleich mal Druck. Und zwar auf die Ohren. Man fährt nämlich durch ca. 3874,2 Tunnel, und das wirkt ungefähr so, als würde man im Flugzeug dauernd Sinuskurven rauf und runter fliegen. Ohrenkämmerchen auf, Ohrenkämmerchen zu. Die Rentner um mich herum, die wohl zur Kur oder zum Wandern oder sonstwas nach Berchtesgaden wollen, stört das nicht im Geringsten. Oder das Kauen ihrer Leberwurschtsstullen wirft einen ohrenkämmerchenschonenden Bann um sie. – Magischer Tieraufstrich!

Nach einer Stunde bin ich aber auch schon am Bahnhof Kassel/Wilhelmshöhe angekommen und werde vom Liebsten abgeholt. Er guckt ebenfalls ein bisschen unfrisch, denn auf der Autobahn hat es kraftraubende Elefantenrennen nicht zu knapp gegeben, und die bösen Kopfschmerzen hatte er sowieso schon vorher. Die besten Voraussetzungen also für: Zwei Tage Kunst! Ich sag‘ jetzt aber gleich dazu, dass ich hier über die Kunstwerke im Einzelnen nix berichten werde. Dazu gibt’s wahrscheinlich ohnehin schon 3.000 Blogs. Außerdem, Kunst wird ja doch immer sehr persönlich wahrgenommen. Was den einen umhaut, lässt den andern Koppkratzen oder folgern: „Na, das kann doch jeder!“ Kann er übrigens nicht, aber das ist eine Diskussion für sich. Aber vom Drumherum kann ich ja ruhig ein bisschen erzählen.

Das Auto geben wir im Parkhaus mit dem wohl naheliegendsten Namen für Parkhäuser schlechthin ab:

dOKUMENTA13_Vaterland

Als wir zurück auf die Straße treten, sehen wir uns einem Schild gegenüber, das uns freundlich „Beulenpflege + Fahrzeugkosmetik“ anbietet. Klingt schon verlockend, aber wir wollen ja Kunst gucken. Zuerst aber wollen wir noch lieber Getränk gucken. Am Bahnhof ist plötzlich alles lila, und wir haben kurz Angst, versehentlich auf einem Kirchentag gelandet zu sein, aber dann scheint die Sonne so schön, die Getränkemamsell nennt mich „Gnädigä Frrrau“ und mir ist alles gleich. Ich will nur hier sitzen und mit meinem Kandis rumknuspern.

Was wir aber von hier aus schon sehen können: Überall Schlangen. Das reinste Terra- rium. Die längste Schlange gehört zum Glück zu einem Angebot, für das wir gar kein Interesse mitgebracht haben. Und im Vergleich schneidet nun die Reihe vor den Ticketschalter geradezu zierlich ab. Um im Bild zu bleiben: Boa Constrictor gegen Blindschleiche. Ungefähr.

Wir sind bald im Besitz zweier 2-Tages-Karten, vor dem Bahnhof zücke ich noch mal den Übersichtsplan, und wir bummeln los, Richtung Documentahalle. Kassel ist -sagenwirmal- belebt. Alles voll mit Leutchen wie uns, die noch schnell die Gelegenheit ergreifen wollen, mal zu gucken. Damit meine ich die dOCUMENTA13, denn Kassel selbst…, naja. Ich bin ja nicht so für Städte-Bashing und so. Wer aus Hannover kommt, stellt früh fest, wie sinnlos das ist. Und deshalb bin ich mir sicher: Die Kasselaner wissen bestimmt, wieso sie da so vor sich hinwohnen. Und ein bisschen heimelig ist dieses 50er-Jahrige ja durchaus. Ich muss immerzu an Sonntagsausflüge mit den Großeltern denken.

Vorm Fridericianum, einem der Hauptausstellungsorte, wieder eine Mordsschlange. Wir beschließen, uns das lieber für später aufzuheben, ich zücke noch mal den Plan, und wir bewegen uns weiter zur Documentahalle. Dort merke ich, dass meine Eintrittskarte weg ist. Richtig weg. Futsch. Zusammen mit dem Übersichtsplan aus der Tasche gezogen und ab die Flatter. Ich habe viele Talente. Offenbar auch das, Kunsttrubelkarten binnen 10 Minuten doppelt so viel Wert zu verpassen, denn ich muss mir eine neue kaufen. Also, ich habe 35,00 Euro schon schöner ausgegeben! Für Schokolade zum Beispiel. Da hatte ich anschließend auch viel bessere Laune.

In der Halle aber also nun die erste Kunst. Und total viele Kunstgucker. Man sieht die Kunst kaum. Vor allem erlebe ich sie kaum, weil ich ständig ausweiche, jemandem Platz mache, warte, bis ich auch mal gucken kann… So teilt sich mir nur wenig mit. Mein Liebster hat Mühe, anständige Fotos zu machen, denn alle wollen Fotos machen. Die Kunst wird zwar kaum gesehen, aber dafür fleißig reproduziert. Ich versuche, mich nach außen hin möglichst dicht zu machen (was mir eigentlich immer schwer fällt), um ein bisschen Wirkung aufzunehmen. Und das Eine und Andere gefällt mir dann doch.

dOKUMENTA13_Versorgung

Als wir irgendwann wieder rauskommen, scheint die Sonne immer noch und da ist ein freundlicher Rasen. Wir legen uns ein paar Minütchen drauf und beschließen, es als nächstes in der „Neuen Galerie“ zu versuchen. Dort wartet ein großes Schnipselwerk aus 50 Jahrgängen „Life“-Magazin, das möchten wir sehen. Ich mag ja aus Zeitungen Ausgeschnittenes, aber das ist hier nun wirklich keine Neuigkeit. Erst gucken wir uns aber noch amüsant-assoziative Bilderpaare an, bevor wir uns in die Schnipselschlange einreihen. Dem dazu gehörigen Ordner passt nicht, wie wir Wartenden da stehen und er möchte, dass wir uns entlang der Wand im Viereck aufreihen. Es gibt auch so ein Absperrband, das irgendwie konfus herumsteht. Wir wissen nicht, was er will. Und vor allem nicht, warum. Er kann’s auch nicht vermitteln, und schon gibt’s Diskussion. Uns allen ist warm, wir stehen doch hier nur so, ganz freundlich und er „macht nur seinen Job“. Nach einer Weile hab‘ ich rausgefunden, was er meinte, aber da sind wir schon drin und finden die Schnipselkunst prompt gut.

Es ist nun Zeit für ein längeres Päuschen, also verdrücken wir erstmal ganz gute Pommes und fahren dann ins Hotel, um ein Weilchen auszuruhen. Gegen Abend zieht es uns wieder los, den Kulturbahnhof ansehen. Hier fühle ich mich gleich viel wohler, denn die Luft hat sich abgekühlt und es staut sich auch nicht alles so. Einige Installationen sprechen mich an, aber die meiste Zeit bin damit beschäftigt, die Fotos, die ich im Vorfeld gesehen hatte, mit dem Erleben in Einklang zu bringen. Am schönsten sind eigentlich die Sachen, von denen ich vorher nichts wusste, die Klanginstallation an den abendlichen leeren Gleisen zum Beispiel. Hier schweift der Geist dann auch endlich und dabei geht die Sonne kunstvoll unter.

Über den jetzt folgenden Restaurantbesuch könnte ich einen eigenen Eintrag machen. Mach‘ ich aber nicht. Nur so viel: Wir werden wegen Andrangs mit zwei älteren Damen an einen Tisch gesetzt. Die eine hat eine furchtbare Stimme und beginnt ihre Sätze gern mit: „Sorry!..“ Ich mümmle meinen Lady-Toast, so schnell ich kann. Mir tun die Beine ordentlich weh und ich will ins Bett.

Nächster Tag. Wir sind schon morgens total matschig und beschließen, es ganz ruhig angehen zu lassen, Was wir nicht sehen, sehen wir eben nicht. Es ist ohnehin unmöglich, in zwei Tagen alles zu schaffen. Heute soll die Karlsaue, ein riesiger Park im Herzen Kassels, in dem sich locker 30 Kunstwerke und Performances befinden, drankommen. Doch zuerst zieht’s uns in die noch stille Orangerie. Wir finden einen Liebesbriefgenerator und eine Art Sex-o-meter, der bei Handauflegen Geräusche macht. Mein Sexgeräusch scheint ein tiefes Brummen zu sein. Erst als der Liebste dazukommt, steigt der Ton höher, keine Überraschung also.

Im Park umwandern wir dann einen hübsch bunt bewachsenen Hügel, unter dem Zivilisationmüll schlummert und kommen bald zu einem Häuschen mit Garten, das mit Tropenvogelstimmen lockt. Wir treten ein und finden: Wurst. Überall Wurst. In den Regalen, auf den Sitzmöbeln, dem Boden, auf dem Bett. Ich bin vergnügt.

dOKUMENTA13_Wurstbett

Als ich wieder vor die Tür in den Garten treten will, stehen die beiden jungen Ordner mit dem Rücken zu mir. „Boh, voll runtergedonnert!“ – „Jaaa! Von dem Baum da. Krass!“ Ich schlängel‘ mich vorbei und sehe, um was es geht. Eine Kastanie ist wohl eben wie ein Meteorit vor den Türstufen im Rasen eingeschlagen. Da liegt sie. Da sich die Jungs nicht rühren und schon wieder auf ihren Smartphones rumwischen, ist mir klar: Das ist sie. Punktlandung. Diesmal hat sie mich gefunden. Sofort habe ich verschmitzte Laune und möchte ein Wasser trinken.

Kastanie_2012-2013

Als nächstes suchen wir ein winziges Bootshaus, denn dort soll ein Archiv eingerichtet sein, in dem sich unter anderem Filme von Marina Abramović finden. Diese Frau wird von mir höchstverehrt! Wir finden es auch, doch mit dem Film wird es nichts. Der wird gleich morgens um zehn auf der Leinwand gezeigt, wir sind also zu spät, und die paar Monitore, an denen man was anwählen kann, funktionieren leider nicht mehr alle. Schade ist das, aber ich verschmerze es, wir begeben uns auf die Rückschleife und gucken noch hier und da, kaufen ein Tütchen Kunst-Zwetschgen und etwas Kunst-Mangoldtarte, finden auch noch eine Kastanie für den Liebsten, essen Kekse, gehen eine Limo trinken und das war’s.

Wir beschließen, dass es auch Leute geben muss, die eben nicht im Fridericianum waren, um sich Hitlers Badetuch mit kitzligem Grusel zu beäugen. Nämlich uns.

Im Vorbeilaufen hatten wir außerdem gesehen, dass in einer Kirche, mitten im Geschehen, still und leise eine kleine Balkenhol-Ausstellung läuft. Die gucken wir uns noch in sakraler Ruhe an, das ist ein prima Abschluss.

Fazit vons Janze: Es war gut, endlich mal eine Documenta gesehen zu haben, denn das wollte ich schon sehr lange. Und vielleicht lag’s an mir und meiner Verfassung, aber ich fand es teilweise ganz schön erschöpfend, mich durch die vielen Menschen zu schieben und weite Strecken abzulaufen, – so richtig angezündet hat mich da nichts. Zwar habe ich viel Schönes gesehen, manches hätte ich mir wohl in größerer Ruhe auch noch erschließen können, aber insgesamt war’s mir so zu glatt, zu harmonisch, ich blieb weitestgehend unbeteiligt.

Aber ich würd’s sofort wieder tun! Oder in fünf Jahren.

Berlin in Einzelteilen! (1)

Berlin. So schreibt sich das. Und nicht etwa „Bärlin“ oder gar „Börlinn“. (Na, super. Da verschöllert sie erst ein paar Tage, meldet sich kaum mal und dann kommt sie gleich als erstes mit vorgezogenen Zurechtweisungen an, hier.) Ich bin, ehrlich gesagt, ein bisschen überfordert, weiß ich doch kaum, wo ich überhaupt anfangen soll. Drei Tage war ich nur weg, trotzdem… (Obwohl, stimmt gar nicht. Ich war nicht weg, sondern schon irgendwie die ganze Zeit da. Nur eben woanders.) Also war ich drei Tage woanders und davon wollte ich ja nun berichten. (Wirke ich etwa wirr? Egal.) Also.

Im gemütlichen, alten IC-Zug nach Berlin teilte ich das Abteil mit einer älteren Dame, die zwei ziemlich große Sträuße Tulpen bei sich führte. Diese Tulpen fielen ihr während der Fahrt mehrfach zu Boden, was zu wiederholten, reisezeitverkürzenden Herunterbeugungen beiderseits und entschuldigend gemeintem Lächeln ihrerseits führte. Nujoh, andere Leute nehmen sich halt Zeitschriften mit, um sich zu beschäftigen, aber die quietschen natürlich auch längst nicht so schön beim Aufheben. Und wenn ich jetzt noch frisch gestochenen Spargel zum Herumhantieren dabei gehabt hätte, hätten wir sogar hübsch zweistimmig quietschen können.

Am Berliner Hauptbahnhof wartete schon das Väterchen, bis zur Hutschnur gefüllt mit allem, was er mir seit unserer letzten Begegnung vor anderthalb Jahren unbedingt erzäh- len wollte. Und natürlich noch ein paar Sachen, die er mir sowieso jedes Mal erzählt. (Und dann heißt es immer, man könne niemals zweimal am selben Redefluss stehen oder so. -Von wegen.) Kurz darauf waren wir aber auch schon im schönsten Streit, ob das, was da auf dem Friedhof Alt-Mariendorf (wo nämlich meine lieben Großeltern liegen) wächst, nun Flieder sei oder eher was ganz Anderes. Ich war sofort für Flieder, weil es ganz genauso aussah und auch roch wie Flieder. Väterchen war für „ürgndwat Anderet“, – aber dafür vehement! Und zwar während der ganzen Fahrt nach Hause.

Dort angekommen, rief ich zunächst den werten Prinzen an. Und begrüßte ihn am Telefon erstmal schmissig mit „Hagebutte!!!“. (Das war aber nur, weil das Väterchen kurz vorher noch aus der Küche gebrüllt hatte: „Und wat’n für’n Tee?“) Rupi aber ist die Coolness in Person und lässt sich von Anruferinnen, die ihm Teenamen geben, gar nicht verwirren, sondern verabredete sich sogar direkt mit mir für den nächsten Mittag. Das läuft ja wie geschmiert, dachte ich, und wählte gleich auch noch den lieben Murr an, verkniff mir hier ausnahmsweise putzige Spitznamen, und prompt stellte er sich für alles Folgende zur Verfügung.

Der Nachmittag ging dann noch so dahin, man spazierte, sah berlintypische Schilder…

Berlin_Bemerkungsfragen

…ging was essen, sprach und hörte zu.

Abends gab’s Fernseherei, einen ganz schlimmen Krimi auf dem „zweiten“, den hätte ich mal besser nicht gesehen. Denn in dieser Nacht schlief und träumte ich wirr und leider unbequem. Vermutlich hatte der schlechte Drehbuchschreiber irgendwie meine kleine Seele gekapert und fuhrwerkte damit herum…

(Teil 2 und 3 blog-chronologisch unkorrekt hier drunter…)

Berlin in Einzelteilen! (2)

Doch nichts konnte mich davon abhalten, am nächsten Tag zum „High-noon“ am Witten- bergplatz parat zu stehen, von wo Prinz Rupi mich zu einer wunderbaren Überraschung entführte. Er machte es zunächst ein kleines bisschen spannend, doch dann mittenmal standen wir vor dem doch ziemlich berühmten Geschäft der Familie Hamann, ihres Zei- chens Schokoladenfabrikanten, und mir bisher nur aus Netz und Fernsehen bekannt (vor allem für ihre feine Borkenschokolade). Rupi hatte uns sogar telefonisch angekündigt und um Besichtigung der Produktionsstätten gefragt! Und so durfte die Bromine mal gleich hinter den Tresen flitschen und von dort aus, an Packtischen und Lagerregalen vorbei, die Zauberküche betreten. Allein der Duft dort versetzte uns natürlich in Hochlaune.

Dann wurde interviewt, ein bisschen gezeigt und so Manches erklärt, während ich mit gla- sigem Blick versuchte, alles zu erfassen. Und überall stand und lag feine Bitterschokolade und lockte. Darüber vergass ich fast das Fotografieren, aber einzwei Bilder habe ich dann doch mitgenommen:

Berlin_Hamann
Links die fast 100 Jahre alte Schoko-Borken-Maschine mit ihren Granitwalzen. Die temperierte Schokomasse kommt in den Trichter, läuft über die kühlen Walzen und wird, wenn sie gerade so anzuziehen beginnt, auf der Rückseite mit einer Art Schablineal abgetragen. Rechts daneben alte Gussformen für Mokkaböhnchen und jugendstilige Pralinen.

Und natürlich konnte ich nicht mit leeren Händen zurückkommen, hier mal ein nicht mehr ganz aktuelles Bildchen vom Pegelstand der Beute:

Berlin_Teilbeute
Marzipankonfekt, Orangenplättchen, Marzipanbruch. (Und Ihr könnt ja mal raten, ob in der Schachtel noch was drin ist. *g*)

Mit ordentlich Süßhunger verließen wir diesen Schauplatz und steuerten als Nächstes „nibs cacao“ an, ein schmales Ladenlokal, in dem ich, Rupis gutem Beispiel folgend, eine „Spanische Schokolade“ bestellte und einen Becher sämigen, dunklen und heißen Para- dies-Trunks bekam, begleitet von zwei frittierten und süßen Gebäckstängelchen namens „Churros“ zum Stippen… Ich werde sofort eines der spanischen Lokale in meinem Viertel zwingen, das auf die Karte zu nehmen. – Carambös lecker!

Dermaßen angeregt, plauderten wir lebhaft und kletterten von Hölz- auf Stöckchen, bis die Zeit auch schon viel zu schnell vorbeigehuscht war und ich noch formvollendet zum Bahn- hof Zoo chauffiert wurde, um die Bahn nach des Katers‘ Moabit zu besteigen.

An der Birkenstraße nahm er mich auch gleich strahlend in Empfang und ab gings in ein gemütliches Café, in dem sogar Nichtkindern rotweiße Pommes serviert werden, die aber nicht mal von zwei schon ziemlich Erwachsenen aufessbar sind. Viel zu viel… Und im Milchkaffee hätte man seinen Freischwimmer machen können, wenn man denn in dem ganzen Milchschaum noch gesehen hätte, wo man langschwimmt. Da wir nun schon in Moabit waren, erwähnte ich, dass ich sogar ein paar Jahre  in der Stephanstraße gewach- sen sei (ca. 1968-1973), Murr rief umgehend: „Na, das ist doch hier gleich!“ und schon standen wir vor dem Haus der Nummer 11. Seit damals war ich nicht mehr dort gewesen und erkannte auch erstmal nichts wieder, bis Murr alle Klingeln auf dem Brettchen durch hatte und tatsächlich Einer den Summer drückte.

Berlin_KlingelMurr

„Reklame!“ miaute er, als sich die Gegensprech doch noch rührte, aber das war, ehrlich gesagt, total gelogen!

Das Hinterhaus war mir dann auch gleich viel vertrauter und ich meinte sogar, mich an manches zu erinnern. Zum Beispiel daran, wie ich mal als wohl 4-jährige Steppkine nach „Juh jork“ abhauen wollte, mal eben in einen Bus gestiegen und später von amüsierter Pullezei wieder zuhause abgeliefert worden war.

Nun, dann lernte ich noch schnell die freundliche Murreliebste und einen felligen, schüch- tern-neugierigen Oskar kennen, bevor es dann noch auf zwei kühle, henkellose Biere in ein kleines, sympathisches Lokal ging, wo die Bromine unter diesem Alkoholeinfluss noch um feinste technische Ausgebufftheiten erleichtert und dann allerfreundlichst zur Bahn geleitet wurde, bevor das Väterchen zuhause anfing, sich zu sorgen.

Hach.

(Teil 3 untendrunter, eins weiter…)

Berlin in Einzelteilen! (3)

Und am dritten Tage ging’s ins Museum.

Allerorten wurd’s empfohlen: „Na, dieser Typ, der so heißt wie dieser Aschevulkan da!“Olafur Eliasson, nämlich. Im Martin-Gropius-Bau. Da war auch gleich ordentlich was los, denn Herr Eliasson macht duftes Zeug über Wahrnehmung innen und außen und beson- ders in der Stadt. Wer Gelegenheit (und ein bisschen Geld zuviel) hat, soll sich’s mal ruhig begucken, so wie das Väterchen und ich. Wer keins von beidem so recht ausgeben will oder kann, kriegt hier wenigstens drei heimlich geknipste Bilder:

Berlin_Eliasson_1
Vaddern hat fümf Schatten, eena dafon is jelb.

Berlin_Eliasson_2
Große bunte Lampe. Find‘ ich prisma!

Berlin_Eliasson_3
Wer sich traut, mal komplett die Orientierung abzugeben, tappt hier durch mehrere, mit nix als buntem Nebel möblierte Durchgangszimmer. Klingt jetzt wahrscheinlich ulkig, ist aber sehr empfehlenswert!

Oben drüber übrigens wohnt zur Zeit Frida Kahlo, aber die Dame hatte so viel Besuch, dass wir stattdessen lieber in die Kantine des Kreuzberger Rathauses gingen, um dort vom 10. Stock aus über Berlin zu gucken und Nudeln und Schöllchen zu verputzen. Aber nicht zu doll, denn für abends war ich ja noch bei Freundin A. in Neukölln eingeladen, die „uns was in den Ofen schieben“ wollte.

Nämlich handelte es sich dabei um Brötchen, die es zu einer ausgesprochen leckeren Rote Bete-Süßkartoffel-Suppe gab (wo bleibt eigentlich das Rezept, hm?). Den Sekt dazu bezog Madame dann aber doch lieber aus dem Kühlschrank, was den Vorteil hat, dass er dann kalt ist. Und Sekt muss kalt sein! Und während ich des Langen und Breiten erzählte, was mir so alles neulich und jüngstens wiederfahren ist, hatte A. klammheimlich ihre Zim- merpflanze angewiesen, ihre Blätter in Form eines süßen, zungestreckenden Häschens zu drapieren. Ausgeprochen aufmerksam, das!

Berlin_Hasenpflanze

Zur Belohnung durfte auch Freundin A. dann gelegentlich was sagen und mir sogar ver- beulte Bilder ihres Flauschigen zeigen. Ein feiner Abend auch dieser! Müd‘, vollgefressen und zufrieden trottete ich nach Kreuzberg zurück und schlief wie eine Kartoffel.

Mittwoch früh ging es dann noch mal mit dem Väterchen auf Rundgang über’n Kreuzberg zum Schinkeldenkmal hin, wo schon die geliebten Mauersegler durch die Luft flitzten, und durch’s Gleisdreieck, wo ich gleich mal lernte, was Berliner Kinder heutzutage so alles dürfen und was nicht:

Berlin_Kinder_düfen

Und dann fuhr leider auch schon wieder der Zug nach Hause…

Frau T. spricht in Zungen und erlebt sich so durch.

Immer, wenn ich nach Berlin fahre, holt mich ein spezielles Phänomen ein: Kaum, dass ich zwei Stunden da bin, fange ick mittenmal det Berlinern an. Und det hält denn onnoch wochenlang an! Ooch wennick schon längst wieder zuhause bin und schon allen jeröhich damit uffde Nerven jeh‘. Det kommt aba davon, det meine ersten fünf Lehmsjahre sich in  Kreuzberg und Moabit begaben, so dettick ersma Hochdeutsch lern’n musste, wie ick bei Hannover denn plötzlich einjeschult wern sollte. – Hat aber fix geklappt, seither weiß ich, dass ich wohl über ein Dialekte- und Sprachtalent verfüge.

Ach so, ach ja, ich hatte ja eigentlich vor, von hier aus immerzu und geradezu stündlich zu bloggen, was mir so widerfährt, aber nun widerfährt mir die ganze Zeit so viel, dass ich gar nicht dazu komme. Ständig treffe ich mich mit den allernettesten Menschen, laufe kilometerweit Boulevards entlang, springe in U-Bahnen und wieder raus (und dann wieder rein, weil’s doch die richtige war, aber das ist ’ne andere Geschichte). Und sobald das Väterchen meiner ansichtig wird, erklärt es mir die Welt, die Stadt, die politische Lage und Zeug. Also, alles so wie immer. Und so ging das gleich am Sonntag los und ist bis jetzt auch gar nicht besser geworden.

Und nachher fahre ich auch schon wieder nach Hause und werde versuchen, die anderthalb Stunden im Zug wenigstens mal vernünftig zu nutzen…

Was die Bromine nicht im Kopf hat, muss Freund M. in den Beinen haben.

Freundin T. hat mich gestern telefonisch beruhigt. Ich bin ganz normal.

Ich war nämlich gerade dabei, meinen Koffer zu packen, um damit für dreieinhalb Tage wegzufahren. Beziehungsweise hatte ich gerade fest vor, meinen Koffer zu packen, aber dann stand ich vor meinem halbleeren Kleiderschrank und hatte schon ziemliche Stapel auf dem Bett aufgebaut. Ich kann mich nämlich immer nur ganz schlecht entscheiden, was ich alles mitnehmen soll, wenn ich ein paar Tage wegfahre. Und zugenommen habe ich auch schon wieder, weswegen die Hälfte der infrage kommenden Leibchen und Hosen unterwegs zu unbequem sitzen würden. Also zuhause halte ich das zur Not mal einen Abend aus mit einem etwas zu engen Hosenbund, aber auf Reisen bin schon prinzipiell dagegen. In der Fremde fehlt mir ja immer schon mein gemütlicher Lümmeldiwan, der Kühlschrank mit den richtigen Sachen drin, die Lieblingsteetassen und die Schrankwand. Da muss mich nicht auch noch die Hose kneifen. Naja, und von dem, was vom Klamotten- berg übrigblieb, wollte ich nun ungefähr alles mitnehmen!

Freundin T. jedenfalls sprach: ”Ja, das ist aber auch echt egal, ob man drei Tage wegfährt oder zwei Wochen. Man weiß ja auch nicht, wie das Wetter so wird! Deswegen muss halt alles mit.” – “Genau!” sprach ich zurück. Und: “Nämlich!”

Seit der Kachelmann im Knast Kartoffelbrei portioniert, kennt man sich mit dem Wetter ja sowieso gar nicht mehr aus. Dürfen wir jetzt überhaupt noch eins haben? Oder müssen wir das jetzt alles selbst organisieren? Also lieber noch zwei Pullover eingesteckt. Und drei Paar Schuhe: eins, das ich auf der Fahrt trage, eins das so ziemlich zu allem passt, und ein paar billige Schläppchen aus dem Chinaladen, um die Ecken im Koffer auszustop- fen. Und dann ist da ja auch noch das ganze andere Gerümpel, was noch so mit muss! Kulturtasche (komischerweise groß und voll, obwohl alles darin Pröbchengröße hat), Mit- bringsel für alle Lieben, 5m Kabel für all die Piepsklickundklackgeräte, tolle japanische Wunderheizpflaster, Teebeutel, Stadtplan, Schrankwand und Socken. O.k., eins davon war gelogen. – Nee, donnich. – Doch, wohl…

Und dann noch den Rucksack, da muss das Netbook rein, Trinkjoghurt für unterwegs, Taschenmesserchen, Bonbons, Kamera, Schlüssel, Geld, Fahrkarte, Notizbuch, Not- fallsalbe und Taschentücher.

Na, aber hat ja dann doch geklappt: Wohnung quasi leer, Bromine im Zug, und ich finde, die Landschaft zwischen Wolfsburg und Stendahl haben sie eigentlich ganz hübsch hin- gekriegt. Original mit Gebüsch und Rapsfeldern, sogar Tiere bei.


Nachtrag,
Stunden später, inzwischen längst in B angekommen:

Alles hab‘ ich mit. ALLES. Und was habe ich nicht mit? Die doofe PIN für den Internetzu- gang des netbooks. Deswegen musste der gute Freund M. per Zweitschlüssel rüber in meine Wohnung, und mir die eben am Telefon vorlesen. – Danke, lieber M!

Verklemmt!

Hilfe, ich klemme! Und zwar zwischen Baum und Borke, wie es gerne mal heißt. Oder klemm‘ ich zwischen Tür und Angel? Zwischen Herz und Verstand? Zwischen Stühlen?
– Nee, ach, dann lieber das mit dem Baum…

Und das kommt so:
Ich will nach Berlin für’n paar Tage. Ich könnt‘ glatt morgen oder Samstag losrudern. Aber: Die Personaldame von neulich schrieb mir vor ein paar Stunden, es sei noch nix entschie- den, es gäbe eventuell noch ein zweites Vorstellungsgespräch, sie meldet sich. Und wenn ich nun morgen nach Berlin sause, ruft sie bestimmt nachmittags an und muss mit dem Band reden, weil sie mich Montag sehen möchte (da will ich aber noch in B weilen, lohnt sich doch sonst alles nicht). Und wenn ich hierbleibe, meldet sie sich garantiert nicht vor Donnerstag…

Und dort anrufen, doof fragen, ob ich weg kann und die Pferde scheu machen, will ich auch nicht, weil, das macht einen unguten Eindruck. Wo ich doch gerade erst zweimal guten Eindruck hinterlassen habe.

Außerdem ist übermorgen 1. Mai. Und zwar ganz besonders in Berlin. Also, wenn irgend- wo 1. Mai ist, dann ja wohl da. Und in Hamburg noch. Letztes Jahr war hier auch 1. Mai, das weiß ich noch genau, da bin ich in einer Demo gegen Rechts mitgelaufen. Eigentlich hieß es, dass wir wahrscheinlich auch tatsächlich gegen Rechts laufen, aber Rechts war woanders pullezeilich aufgehalten worden, und das war mir dann, ehrlich gesagt, auch lieber so, sonst hätte ich da bestimmt angefangen, mit richtungsgeschwächten jungen Leuten rumzuzanken und mich bloß wieder aufgeregt.

Für den Berliner Maianfang fühle ich mich im Moment allerdings nicht aufbrausend genug, den müsste ich wohl eher umgehen, was eventuell per Zuganreise gar nicht so einfach wäre, aber da fehlt mir die Erfahrung. Ich weiß bloß noch, wie ich mal aus Versehen qual- voll im Zug verkeilt saß, weil ich übersehen hatte, dass in meiner Reiserichtung eine „Love-Parade“ stattfinden sollte. Gereist wurde dann aber kaum, sondern in knallvollen Waggons in knallvollen Bahnhöfen herumgestanden, bis der BGS kam und sich mal eben dazustellte. Also, schön war das nicht. Dafür hat’s ordentlich gedauert und um mich rum waren alle stinkbesoffen. (Mai-Randale und Love-Parade darf übrigens nur vergleichen, wer so eine Zugfahrt überlebt hat.)

Deswegen bleib‘ ich erstmal noch ein bisschen hinter meiner Borke und warte einfach die nächsten Stunden ab. Vielleicht wird mir die Entscheidung ja irgendwie bequem abgenom- men. Ich habe mal gehört, dass manche Leute so ganz gut durchs Leben kommen sollen, dann kann ich das ja auch ruhig mal ausprobieren…

Aber erst wird entschlossen gefrühstückt.

ISM – Wir wollen Zucker, wir kriegen Zucker! (Teil 1)

Gott, wo soll ich bloß anfangen?!?

Also, wir wollten ja nun auf die ISM, der Doc und ich. Und was macht es? Es schneit. Und zwar wie irre. Wir fürchten zwar, eventuell unterwegs steckenzubleiben, doch wir lassen uns nicht abbringen, beladen das Auto mit Decken, heißem Tee, Proviant für ca. zwei Wochen und Musikkassetten und fahren trotzdem los. Immerhin geht es um eine ernste Sache: Süßkram! Streckenweise sieht man die Hand vor Augen nicht, was aber daran liegt, dass da auch gar keine Hand vor Augen war.

Gegen halb elf betreten wir die heiligen Hallen. Und fast als erstes fällt uns ein unange- nehmer Brühwurstwassergeruch an. Sind wir auf der falschen Messe? Der „Brühwurst 2010“? Dafür sind die Stände entschieden zu bunt. Nein, wir sind hier richtig. Noch schüchtern wagen wir uns vom Imbissstand weg.

Gleich im zweiten Gang stelle ich fest, dass meine Kamera offenbar neuerdings unter Akkuinkontinenz leidet und nicht mehr muckst. Weswegen Totte so freundlich ist, ab da alles für mich zu knipsen, worauf ich deute und sage: „Ach, knips das doch mal bitte für mich!“ Wie zum Beispiel dieses prachtvolle, weißrussische Schokoladenaquarium.

Sandalenschokolade
„Spartakus ist übrigens der einzige Sandalenfilm, in dem kein Christengedöns vorkommt.“

Und eigentlich alles, was irgendwie pink oder mit „Hello K*tty“ oder „Barb*e“ beschriftet ist.

Suchbild
Ich bin die in der Mitte.

Auffällig ist schon da, dass eigentlich alle Aussteller total mies gelaunt und lümmelig in ihren Buden rumsitzen. Vermutlich ist das die neue Art, in den Zeiten der Krise Geschäfte zu machen, aber was wissen wir schon. Wir wollen ja bloß Süßes! Und das kriegen wir. Ich fühle mich wie ein Fisch im Wasser, während der Doc was von Cholesterinwerten fabuliert. – Hat der denn nicht die Teilnahmebedingungen gelesen?

Ein Geschäftsmann will seine Freundin Feodora besuchen, aber wie’s auch auf seiner Tasche steht: er kommt verspätet. Sie ist nicht zuhause, vielleicht ist sie gerade Nüsse holen oder so. Und da steht sogar schon einer und heult, weil er sie ebenfalls verpasst hat.
Verspaetet
Die Finger vor der Linse sind natürlich nicht meine. Ich hätte selbstverständlich die ganze Hand genommen, um diese traurige Szene zu überdecken.

Nobelschaumzucker

Bei einem weltbekannten Juwelier werde ich gleich darauf kräftig behumst.

Das angebliche Collier ist bloß aus Schaumzucker! Und dafür habe ich jetzt 56.000 Euro aus sauer ersparten Schokotalern hingeblättert…

Ich lungere noch eine Weile auffällig vor der Filiale herum und hoffe, dass sie mir mein Geld wiedergeben, damit ich keine Szene mache, aber Pustekuchen: Sie bieten mir Marshmallows an. Empört verlasse ich die Szenerie und beschlie- ße, mir aber morgen wirklich endlich mal einen Anwalt anzuschaffen.

 

 

 

Handhasen
Zum Glück springt mir bald darauf eine kleine Hasenfamilie direkt in die Hand, was mich natürlich von meinem Ärger ablenkt. Die süßen Hasen!

Merkwürdigerweise verschwinden die Häschen genauso schnell, wie sie gekommen sind. Immerhin lassen sie die gute Laune da…

(Und weil dieser Text für Blog.de zu lang ist, findet Ihr den 2. Teil direkt drunter, obwohl das chronologisch nun nicht ganz astrein ist…)

ISM – Wir wollen Zucker, wir kriegen Zucker! (Teil 2)

…Wir ziehen unterdessen auch weiter, probieren fröhlich und machen uns Gedanken.

Wofür z.B. braucht man sowas?:
Haftet_sicher_gut

Oder sowas?
Geschmackbrot

Und was ist eigentlich mit Jasmine passiert???
Das_Jasmine-Ding

Ich meine: SOLL das etwa so?!?

Ist das etwa das neue Schönheitsideal, das uns Klums Heidi bald unterjubeln will? Riesenfüße, Mickeymaushände, eine Tüte überm Kopp und Plauze?

 

 

 

 

 

 

 

 

Es spricht einiges dafür, denn offenbar sind Kalorien der neue Ernährungstrend.
Kalorienkekse

Spätestens zu Weihnachten will man uns nämlich aufgerundet sehen.
Kalorienhuetchen

Wir folgen also dem Modediktat und gehen erstmal was essen. Am Nebentisch hat eine Dame lautstark „Glück, dass heute nicht so viel Mayonäse im Kartoffelsalat ist“. Ich ver- kneife mir, eine Bemerkung über die die Zubereitung von Speckkartoffelsalat und begucke die Leute um mich rum, wie sie dicke Bratwurst essen. Ich habe mir ein Käsebaguette gekauft, das leise geweint hat, weil es niemand wollte. Wenn ich gewusst hätte, dass ich ausgerechnet auf der ISM so viele Bratwürste sehen würde, wie noch nie zuvor in meinem Leben…! – Dann wäre ich aber trotzdem hingefahren.

Später sehen wir, dass wir uns eigentlich auch bloß bei diesen bestimmt lustigen (aber leider auf dem Bild nicht zu sehenden) Spaniern hätten dazusetzen müssen.
Etwas_am_Thema_vorbei
Die Welt ist zum Verschnökern da. Prost.

Ihre feilgebotene „Süßware“ heißt offenbar „Hirschschinken & Rioja“, aber auch das rechtfertigt keinesfalls die Standgestaltung. Nichts rechtfertigt so eine Standgestaltung. Trotzdem haben die Herrschaften Spaß und die mitgebrachte Messemamsell geht sogar extra freundlich lächelnd rückwärts aus dem Bild, damit Totte den Schinken ohne ihr Dekolletee draufkriegt.

Ach so: in Wirklichkeit stellen die Spanier sowas hier her:
Jasmine_seine_Katze
Das muss wohl die Katze von Jasmine sein! Und die sieht auch genauso aus, wie eine Lutscherkatze aussehen muss, die von einem weinbesäuselten südeuropäischen Konditor zünftig zusammengebraut wurde… Verrückt, diese Iberer!

Als wir schließlich unsere Taschen voll haben, alle Hallen durchschritten, uns die Füße (mir) und der Blutdruck (Totte) wehtun, beschließen wir zum Glück, die erste (und eigent- lich auch beste) Halle noch ein zweites Mal anzugehen, denn wir wollen irgendwie noch nicht nach Hause. Glück deswegen, weil wir so auch noch mal am Stand einer Company vorbeikommen, die ich von früheren Reisen her kenne, und deren feine Produkte ich ganz besonders schätzen gelernt habe. Und diesmal sind wir auch nicht mehr schüchtern und wagen uns an die Auslagen heran.

Das ruft den Chocolatier persönlich auf den Plan, was mir Gelegenheit gibt, ihm in Eng- lisch-Deutsch-Französisch-Kuddelmuddel zu versichern, wie sehr ich seine kleinen Kunst- werke in Hannover vermisse. Am liebsten hätte ich ihn selbst gleich mitgenommen, und das beileibe nicht nur wegen seiner Süßkünste… Irgendwie muss sich ihm das wohl auch vermittelt haben, denn er schenkt mir ein feines Schokoladenherzchen und gibt mir seine Karte, inklusive aufgemalter Webshopadresse, damit ich nicht mehr darben muss. Also, das hat sich doch wirklich mal gelohnt!

Wir verlassen das Gelände, bis oben hin voll Zucker und Netzhautbrand (wegen bunt) und sind’s zufrieden. Denn das, wofür wir eigentlich gekomen sind, ruht sicher zwischen dem ganzen Schnökerzeugs:

Hauptsache_Zwieback
Hauptsache wir haben Zwieback. Zwei Scheiben. Ohne alles.

Auf der Rückfahrt muss ich mir dann natürlich Fréderic-Witze anhören, aber das macht gar nix. Ich trinke später, wieder heil zuhause angekommen, sogar feinen Sekt drauf!