Danke, Wiglaf.

Wenn man stundenlang in der Stadt umher geirrt ist, sich in allen Umkleiden bei furchtbarem Licht seine Ringe (sowohl unter den Augen, als auch auf den Hüften), außerdem seine so genannten „Problemzonen“ und flusigen Haare besehen hat, und dann müde und ernüchtert bis frustriert nach Hause kommt… – dann…!

Ja, dann: Muss man Wiglaf Droste lesen.

Die zart-verliebte Art und Weise, wie er -bei aller westfälischen Rauheit- über Frauen und ihre Schönheit, den Genuss an der Weichheit ihrer körperlichen Nähe schreibt, hat was wahrhaft Heilendes für Herz und Seele und Polstergruppen.

Ich seh‘ gern rot.

Eben an der roten Fußgängerampel:

Alle rennen wieder mal so rüber, bloß ich nicht. Als letztes zieht ein junger, ein bisschen persisch aussehender Mann an mir vorbei und ruft: „Komm‘ sie ruhisch! Ist nicht gefahr- lich!“ Ich sage: „Nö.“ und bleibe stehen. Auf der Mitte der Straße dreht er sich noch mal um, macht eine einladende Bewegung mit dem Arm: „Ach, kommen sie, bitte!“ Ich lache ihn an und rufe: „Neee!“ Da lacht er auch und trollt sich.

Er weiß ja nicht, dass ich so gut wie nie bei Rot über die Ampel gehe. Und das aus einem ganz bestimmten Grund. (Vielleicht sogar aus aus zwei Gründen. Der zweite wäre, dass es immer Alle tun. Und ich schon deshalb nicht mit rüber renne, weil ich nicht „Alle“ bin.)

Der eigentliche Grund ist aber, dass ich an roten Ampeln öfter an K. denken muss, mit dem ich mich mal eine Weile über einen bestimmten Max Goldt-Text amüsiert habe, in dem es irgendwie darum ging, dass man rote Ampelphasen gerade als Fußgänger ei- gentlich in höchsten Tönen preisen sollte, weil man endlich mal ein paar Sekunden oder sogar Minuten geschenkt bekommt, in denen man nicht geschäftig herumhetzen muss, sondern sich schöne Gedanken machen oder vielleicht sogar eine hübsche neue sexuelle Phantasie ausdenken kann. (Genau weiß ich’s jetzt aber nicht mehr, Herr Goldt würde’s mir hoffentlich nachsehen…) Das Warten an der Ampel ist jedenfalls demnach sowas wie eine unverhofft geschenkte Pause. Gelegenheit, innerlich zu verschnaufen.

Wir fanden das damals einen hübschen Gedanken und waren deswegen fast enttäuscht, wenn wir mal an eine Ampel kamen, die just auf Grün sprang. Das konnte der junge Mann eben natürlich alles nicht wissen. (Der dachte sicher:“Puh! Das ist bestimmt so eine ganz Rechtwinklige.“)

Wäre er aber neben mir stehengeblieben, hätt‘ ich’s ihm vielleicht erzählt…

Was gestern schön war. (17)

– Dass das Durchhalten bei R. Willemsens Buch nun doch im letzten Drittel belohnt wird mit einem Text über Herrn Karasek, der mir aber sowas von aus der Seele spricht! (Ich muss wohl nicht extra dazusagen, dass Herr K. darin nicht besonders gut wegkommt…) Ich hab‘ ja sowieso noch nie verstanden, wieso der Hellmuth soviel in den Medien herum- werkeln darf, für mich war der immer bloß so was wie eine Beilage, die man nicht mag und möglichst weit auf den Tellerand rausschiebt.

– Dass es nicht so heiß war wie vorgestern. Hätte ich nachmittags auf dem Nachhause- weg eine Pizza auf der flachen Hand getragen, wäre die zuhause durch gewesen.

– Dass der junge Kollege, mit dem ich manchmal Zug fahre, und der vor kurzem einen fiesen Unfall mit seinem Auge hatte (den er mir dann auch noch lang und breit mit allen Details so plastisch nacherzählte, dass ich wirklich fast umgekippt wäre) inzwischen schon wieder ganz fröhlich aus der Wäsche guckt. Letzte Woche hatte er nämlich noch Angst, auf dem Auge erblindet zu sein. Diese Woche hatte er aber schon wieder 70% Sehleistung drauf.

Und ich war so richtig froh und erleichtert für ihn, dass ich ihn am liebsten vor Begeisterung mal gedrückt hätte. – Wenn er nicht so komisch geguckt hätte…

– Ach so. Und dass mir sowas noch auffällt:Zwischen_wem
(Übrigens sogar ohne Brille.)

Komisch. – Hätt‘ ich mir eigentlich denken können.

Also, das mache ich jetzt aber bestimmt wirklich nie wieder! Obwohl ich das ja schon ganzganz oft gesagt habe und es dann natürlich doch immer wieder gemacht hab. Jetzt ist aber wirklich Schluss. Gestern war das letzte Mal.

Da habe ich mir nämlich ein Buch gekauft, das mir in verschiedenen Lieblingszeitschriften ganz überschwänglich als superduftes Debut empfohlen wurde. Saukomisch und flott ge- schrieben sollte es sein. Von wegen. Keine Ahnung, wieso die Autorin aufgrund dieses eher langweiligen und auch gar nicht mal witzigen Schreibens so viel Aufmerksamkeit bekommen hat, dass sie innerhalb kürzester Zeit sogar zu einem Oscar als Drehbuch- autorin gekommen ist… – Oder doch, ich hab’ eine Ahnung: Es kommt nämlich Sex drin vor. Und da sind natürlich manche Leute gleich ganz aufgeregt, weil das ist ja diese eine „Sache, von der sie schon mal gehört“ haben. Und dann finden sie eben auch komisch, was eigentlich überhaupt nicht komisch ist, bloß weil sie die ganze Zeit wegen der „Stellen“ verschämt kichern müssen.

Also, manchmal bin ich echt müde. Von den happigen 17 Euro hätt’ ich mir lieber eine schöne, knisternde Schachtel Pralinen gekauft. Die macht viel mehr Spaß und wäre auch garantiert erotischer.

Bewegte Tätigkeiten.

Es heißt ja manchmal, die Leute würden ja gar nicht mehr lesen. Aber die, die sowas sagen, fahren nie Straßenbahn, glaube ich.

Das ist ja, als würde ich behaupten, Maschinenbauer würden grundsätzlich nicht rauchen. Ich kenne schließlich keinen einzigen, der das tut. Ich kenne allerdings auch keinen, der es nicht tut.

In der Straßenbahn und im Zug wird jedenfalls jede Menge gelesen. Es gibt tatsächlich sogar sowas wie zeitliche „Leseschichten“: nämlich Zeitungszeit (8:00 bis 9:00 Uhr) und Bücherzeit (ab 9:00). Das sind vermutlich hauptsächlich Berufstätige, die an ihre Fließ- bänder und in ihre Büros fahren. Davor gibt’s aber noch die MP3-Playerzeit (7:00 bis 8:00) der Schüler. Sicher sind auf den Playern massig Hörbücher drauf… Neulich stand z.B. Einer im Abteil, der hörte offenbar ein Technobuch, jedenfalls rummste es immerzu aus seinem Kopf und plöppte rhythmisch dazu. Dazwischen schrie eine weibliche Stimme immer wieder den Namen „Maaartin!“ oder so ähnlich.

Wieso auch nicht? Ich selbst kenne einen ausgesprochen netten Martin sogar persönlich, bin allerdings bisher nie auf die Idee verfallen, ihm mal ein zünftiges Geboller zu kompo- nieren. Pech. Jetzt ist mir jemand zuvor gekommen. Ich hoffe, der gute Martin ist mir jetzt nicht böse. Ehrlich gesagt glaub’ ich aber, der würde sich sowieso bedanken.

Zwischen den Lesenden sitzen übrigens manchmal Frauen, die sich schminken. Das finde ich irre! Die holen da wirklich Spiegel, Make-Up, Puder, Lidstrich, Rouge und Lippen- stift aus riesigen Kulturbeuteln (Entschuldigung: das heißt sicher Beautycase) und los geht die Fahrt. Zwischendrin werden widerspenstige Strähnen ins oder aus dem Gesicht gezupft. Ich kann gut verstehen, dass man die Zeit in der Bahn sinnvoll nutzen möchte, dann kann man schließlich 9 oder 13 Minuten länger im Bett liegen bleiben. (Es ist ja nur in den amerikanischen Filmen so, dass Frauen schon mit leichtem Tages-Make-Up auf- wachen.)

Ich mache es mir da einfacher und schminke mich einfach so gut wie gar nicht. Etwas Wimperntusche und ein bisschen Rouge. (Außer vorgestern, als das Fernsehen bei der Arbeit da war. Da habe ich sogar mal ein wenig „grundiert“, damit es nachher nicht heißt: „Und wer ist die Wasserleiche, die da hinten durchs Bild marodiert?“) Sowas dauert keine Minute, und deswegen mache ich das ungewöhnlicherweise in meinem eigenen Badezim- mer. Ebenso übrigens das Kämmen, Zähneputzen und noch ein paar andere Sachen.

Die Zeit in der Bahn zu nutzen, finde ich trotzdem irgendwie gut. Vielleicht nehme ich morgen einfach mal die Bügelwäsche mit.