Blinzel

UnsichtbarstrasseHier geht’s zur Unsichtbarstraße.

Die Straße kann man nicht sehen, es stehen unsichtbare Häuser links und rechts am unsichtbaren Straßenrand und man sieht auch nicht, dass auf den unsichtbaren Klingelschildern unsichtbare Namen stehen. Macht nix, denn die Leute, die da wohnen, sieht man auch nicht. Das ist viel-
leicht auch besser so, denn sie sehen sich, und was sie tun, selber nicht und knöpfen deshalb ständig ihre unsichtbaren Strickjacken schief zu und merken auch nicht, wenn sie Krümel am Mund haben.

Wenn die Frauen sich schminken und frisieren, sähe das total lustig aus, wenn man es denn sehen könn-
te. Neulich hat die kleine Boutique in Nummer 7 mal eine Modenschau veranstaltet. Ist aber keiner hingegan-
gen. Alle waren beim Grillfest. Das endete allerdings in einer Klopperei, weil der Grillmeister die ganzen leckeren Sachen hatte total anbrennen lassen und jeder hinterher meinte, er hätte es besser gekonnt. Ich habe da so meine Zweifel.

Obwohl man ja nix sieht, waschen manche Typen in der Straße am Samstag ihr Auto und mähen den Rasen. Das machen sie nur der Geräusche wegen, damit die Nachbarn auch ja Bescheid wissen. Hier in der Straße wohnt einer, der kann nur mit dem Mund das Fahr-
geräusch eines protzigen dicken Wagens nachmachen, und er glaubt, die Nachbarn den-
ken: Der ist reich! Die Nachbarn wissen aber ganz genau, dass er nur so tut und fragen ihn manchmal, ob sie auf eine Spritztour mitdürfen. Dann erfindet er Ausreden, dass der Wagen gerade zur Jahresinspektion in der Werkstatt ist und windet sich verlegen. Aber das sieht man natürlich auch nicht.

An der Ecke ist ein Laden, der Parfums, laute Hackenschuhe und Glöckchen verkauft. Antipickelstifte und Selbstbräunercremes gibt es dort inzwischen nicht mehr, die sind aus dem Sortiment genommen. Der Ladenbesitzer ist dennoch ein wohlhabender Mann, denn die Unsichtbaren besprühen sich gern mit Stinkezeug und hängen sich die Glöckchen um, damit sie auf der Straße nicht umgerannt werden. Man kann sich also vorstellen, wie das ist, die Unsichtbarstraße langzulaufen: ohren- und nasenbetäubend.

Deswegen gehe ich da auch nie durch und weiß das alles nur, weil ich einen kenne, der mal in ein Mädchen aus der Straße verliebt gewesen sein soll. Das war nicht so einfach, sagt er. Er hat immer wieder an ihr vorbeigeküsst und dauernd gefragt: „Wo bist Du denn?“ Das fand sie gar nicht witzig und fand, er gäbe sich keine richtige Mühe. Irgendwann war sie dann plötzlich weg. Behauptet er. Vielleicht schmollt sie auch nur.

7 thoughts on “Blinzel

  1. Huch, mir ist ganz seltsam, denn ich glaube, in der Unsichtsbarkeitsstraße grünes Zeug zu sehen. Vermutlich ist’s horror vacui. Jedenfalls gibt es Tage, da bin ich selbst unsichtbar. Dann wünschte ich mir auch so eine Unsichtbarkeitsstraße, weil ich dann das Gefühl hätte, am richtigen Ort zu sein.

    • Nee, mein Lieber, kein horror vacui, obwohl man mal untersuchen könnte, wie viele Menschen wohl was hübsches Grünes sehen würden, wenn sie gezwungen wären, ein Weilchen ins Nichts zu schauen. Klingt doch ziemlich gesund…
      Die Straße fängt jedoch links von dem Schild an. Wenn ich in die Richtung geknipst hätte, wäre ja auf dem Foto garnix drauf. Deswegen.

      Ich kann Dir sagen, wo die Straße ist, wenn Du willst. Allerdings müsstest Du dann gerade sichtbar sein, sonst weiß ich gar nicht, in welches Ohr ich sprechen soll.

    • Ich lese überhaupt nie Harry P., lieber Albert.
      So was kommt mir gar nicht ins Haus. Aus Langeweile habe ich mal einen Teil im Fernsehen gesehen und wusste gleich wieder, warum mich die Bücher kalt lassen.

      Musst Dir also keine Sorgen machen 😉

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